Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Wie die Blutsbrüderschaft zunichte ward unter den Schwägern

Es war acht Tage später. Die Schwägerinnen saßen allein in der Halle am Fenster und nähten. »Puh,« rief Asgerd auf einmal, »was ist das doch für eine Gesellschaft, diese Männer!« »Wieso?« fragte Aud. – »Wissen möcht' ich nur, ob alle so sind oder bloß der Thorkel?« »Was hast du, Asgerd?« »Ja, so ist's, Aud, daß mir oft vor ihm ekelt: unsaubere Gewohnheiten hat er, sage ich dir!« Aud ward rot. »Pfui doch! meinst du, ich mag das hören! Dich selber schändest du nur, wenn du ihn schmähst – er ist doch nun einmal dein Mann!«

Eines Morgens im Spätherbst, Gisli und Aud waren auf die Alm geritten, die Schafe heimzutreiben, und Thorkel schlief noch, da stand Asgerd am Zaun und sah zur Föhrde hinab: ein starker Reif war gefallen und die Wiese glitzerte im Sonnenschein rings ums Gehöft. Vom Wasser her kam einer geritten in Helm und Mantel, den Speer in der Rechten, und wie Asgerd genauer hinsah, war's Vestein. »Thorkels Hausfrau schon auf?« rief er ihr zu, »nun, wie taugt dir's im neuen Stand, Asgerd?« Sie griff nach ihrem Zopf auf dem Rücken, aber da hing keiner mehr. »Wie dem Vogel im Käfig,« sagte sie und lachte, »man gewöhnt es und pfeift wie einst in der Freiheit im Walde!« Er schüttelte den Kopf. »Ein schlimmes Gewöhnen dünkte mich das, wenn es dir ernst war', aber du lachst ja dazu!« »Würde es besser davon, daß ich heulte, Vestein, so tät ich's!« Er bückte sich vom Sattel nieder. »Steht es so um euch zwei?« »Wie sollte es anders? Zum Überdruß ward mir schon nach acht Tagen der Thorkel mit seinem Prahlen, und wenn ich's recht sag, zum Greuel! Wundert dich das? oder daß ich zu dir darüber rede? Aber zu wem sollte ich's sonst? Hier bei uns will ja keines mich hören! Und du, meine ich, hast auch kein Honigschlecken mit deiner Gunnhild!« Er runzelte die Stirne. »Die laß aus dem Spiele! Aber da du so offen zu mir bist, so will auch ich, was ich von ihm halte, dir nicht verhehlen! Hüte du dich: für einen gefährlichen Burschen schau ich ihn an, nicht für einen Feigling nur und vom Hochmut geschwollen, denn in den Winkeln seiner Augen tief drinnen, da lauert die Tücke!« ...

Hinter der Hecke am Zaun aber war Thordis' Magd Halla weit offenen Mundes gestanden und hatte nach jedem Worte zwischen den beiden geschnappt. Spornstreichs rannte sie nach Seehof zurück, hinterbrachte stotternd und stammelnd vor Eifer der Herrin, was sie erlauscht hatte, und da verwandelten sich Vesteins Worte in ihrem Munde dem Magdsinne gemäß: gehetzt hätte er die Asgerd gegen den Thorkel, einen Lumpen und Betrüger geschmäht hätte er ihn und gemeint, zusammenhalten sollten sie wider ihn, er und die Asgerd! – Thordis fuhr auf, hieß sie gegen jedermann davon schweigen und berichtete es sofort ihrem Manne. Der ergrimmte: wenn das wahr wäre, hätte er sich gewaltig in Vestein getäuscht, eine solche Falschheit zugetraut hätte er ihm nie. Da sagte Thordis: »Schau dir die Halla an! Meinst du, die hat in ihrem Schädel auch nur so viel Verstand, als zum Lügen gehört?«

Einmal standen Gisli und Vestein miteinander am Strande der Föhrde – die Magd hatte nicht dicht gehalten, und ein Gemunkel war unter den Nachbarn aufgekommen, als verständen sich Asgerd und Vestein allzugut auf Thorkels Kosten. Gisli sprach: »Ich glaube dir, Geselle, daß es so ist, wie du sagst, und nicht so, wie es die Leute bereden, auch magst du nicht unrecht haben, leider, in dem, was du über Thorkel gesprochen. Dennoch hast du schwer gefehlt gegen ihn, Vestein: wie durftest du mit solchen Worten zwischen zwei treten, die nun einmal zusammengehören, da sie Eheleute geworden? Verlocken lassen, Geselle, hast du dich von der Asgerd, und wundern braucht es dich nicht, wenn die Leute jetzt die Köpfe zusammenstecken und mehr wittern wollen, als vorgefallen ist zwischen euch beiden. Ein schlimmes Samenkorn ist's, das du ausgeworfen hast, und ich wollte, ich könnt' es zertreten! Doch dazu ist's nun zu spät!« ...

Das Eis in der Dyriföhrde war geschmolzen, die Weidenzweige schimmerten voller Kätzchen und die Birken grünten. Von weißen Segeln blinkte im Sonnenscheine die Bucht zwischen den dunkeln Felswänden, und über die rauhen Joche hinab ritten allenthalben die Gaugenossen in Waffen zur Frühjahrsversammlung am Falkengries. Dort starrten am Strande die Zelte und Buden der Besucher, und um den runden Thinghügel auf dem weiten Plan zwischen dem Berg und der Föhrde lärmte froh in bunten Festgewändern das Volk. Da kamen die Habichtstaler geschritten: Thorgrim, der Gode, voran im Goldhelm und Scharlachmantel; dicht hinter ihm, größer als er, in blinkenden Stahlhauben und blauen Überröcken seine beiden Schwäger mit Vestein, und nach ihnen in langem Zug ihr Gefolge. Zum Thinghügel schritten sie durch die Menge, die wich zu beiden Seiten vor ihnen. Dort wandte sich Thorgrim und verkündete es mit lauter Stimme: wer ein Geschäft an sie hätte, oder wer ihrer Unterstützung bedürfte, der sollte wissen, sie wären jederzeit in ihrer Thingbude zu finden, einer von ihnen oder mehrere. Bis jetzt habe ja wohl keiner klagen können, der sie angesprochen, sie hätten ihn im Stiche gelassen oder seine Sache so geführt, daß er Schaden davon gehabt hätte: »Und so soll es auch künftighin bleiben!« Darauf gingen sie wieder zum Strande zurück in ihre Bude. Da ward ein Gemurmel im Volk hinter ihnen, wie stolz sie daherkämen und redeten, die Habichtstaler mit dem Vestein, die vier! Doch zum Verwundern sei's freilich nicht, denn wer käme an Macht und Glück ihnen gleich? Einer unter den Häuptlingen aber sprach zu seinem Nachbarn, ein langer hagerer Mensch, bartlos, mit scharfen Augen und dünnem gebogenen Nasenrücken – es war der weise Gest, Oddleif's Sohn: »Jaja, sie tragen ihre Köpfe, als gehörten Kronen darauf, und doch sehe ich's kommen, ihre Einigkeit und ihr Glück wird zerstieben, ehe drei Jahre noch um sind!« Das hörte einer ihrer Thingmannen und hinterbrachte es Aud, die war auch mit nach Falkengries gekommen mit den Töchtern Eriks und anderen Frauen, um zu markten. Sie machte sich stracks auf zum Strande, ließ Gisli aus der Thingbude holen und sagte ihm die Rede des weisen Gest. »Schnell geht dein Atem, Aud!« meinte er, »bangt dir, seine Worte könnten wahr werden?« Sie nickte. »So will ich einen Riegel davor schieben!« Er ging in die Bude zurück und rief: »Gute Gesellen, ihr wißt, manche sind, die uns die Macht neiden und hoffen, wir geraten hintereinander und richten uns selber zugrunde – da sollten wir, dünkt mich, ihnen zum Torte noch fester den Ring schmieden um uns viere, daß sie sehen, keine Gewalt auf Erden ist, die ihn zerreißen kann, es sei denn der Tod!« Sie sprangen auf und riefen, so solle es sein. Da nahm Gisli den Schwurspeer von der Wand, auf den sie ihre Eide leisteten: er war so hoch, daß ein Mann, wenn er den Arm streckte, mit der Hand ans Blatt hinauf reichte, und in seinen Schaft waren Zauberrunen geschnitten. Dann gingen sie auf die äußerste Spitze der Landzunge hinaus. Dort hoben sie einen Rasenstreifen aus dem Boden, doch so, daß beide Enden haften blieben am Grunde, streckten ihn hoch und schoben den Runenspeer in die Mitte als Stütze darunter, daß es zu einem Dache der alten Mutter Erde ward über ihnen. Nun traten sie zusammen, ritzten ihre Unterarme mit Messern, ließen das Blut rinnen in die Grube neben dem Schafte, und rührten es durcheinander. Darauf reichte Thorkel, der Älteste, einem nach dem andern die Rechte; danach gab Thorgrim die seine dem Thorkel und streckte sie dem nächsten, Vestein entgegen – da sah er ihm in die Augen, und plötzlich ward er rot im Gesichte und zog die Hand zurück. Vestein erblaßte und Thorkel glotzte – den Kopf warf Thorgrim auf. »Ich mag nicht! Genug nehme ich auf mich, finde ich, wenn ich mich den Brüdern meines Weibes verpflichte – Vestein gegenüber brauche ich's nicht!« Da riß auch Gisli die Rechte, die er dargeboten hatte, zurück. »So halte ich's grad so mit dir, wie du es mit Vestein hältst, meinem Schwager!« rief er. Er und Vestein wandten sich und gingen landeinwärts.

Allein blieben die beiden andern auf der Landzunge zurück. »Was hattest du mit ihm?« staunte Thorkel, »warum wolltest du deine Hand ihm nicht geben?« Die Stirn runzelte Thorgrim und drehte ihm den Rücken. »Ich sagt' es ja schon: keine Lust hab' ich für alles, was Vestein treibt, einzustehen mit meinem Blute!« Den Kopf schüttelte Thorkel.

Von der Thingbude der Habichtstaler her kam Aud ihrem Manne entgegen.

Da dämmerte es schon. »Nun?« fragte sie. – »Nichts vermag unser Wille gegen das Schicksal: das Gegenteil grade von dem hab' ich erreicht, was ich zu erzwingen gedachte. Nun erst ward es schlimm! die Hand deinem Bruder zu reichen, hat Thorgrim sich geweigert!«

Das Gerücht, wie es mit der Blutsverbrüderung auf der Landzunge gegangen war, verbreitete sich schnell unter den Leuten, und es dünkte sie ein Großes darum.

Darauf ging das Thing zu Ende, und jedermann zog seines Weges.


 << zurück weiter >>