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Von Skeggi, dem Bartmanne

Indessen ging Thordis daheim mit verweinten Augen umher und sah Gisli mit keinem Blick an. Der alte Thorbjörn aber meinte, er sei froh, es nun bestimmt zu wissen, daß er einen Sohn wenigstens habe. Auch währte es nicht lange, da kam an Stelle Bards ein andrer geritten, der wollte es versuchen, Thordis zu trösten: das war Kolbjörn. Der Vater nahm ihn gut auf, sie gingen auf den Hügel neben dem Hause und setzten sich zu einer langen Zwiesprache nieder. Und wenige Tage nach diesem Gespräche kam Skeggi angeritten mit großem Gefolge, darunter Thorkel, der führte ihn an der Hand vor Thorbjörn und fing an, für ihn um Thordis zu werben. »Es ist ja auch so, Vater,« beschloß er seine Rede, »daß wir dem Skeggi für seinen Verlust an seinem Gesippen Bard zu büßen hätten, wenn auch die Verwandtschaft nicht sehr nah ist, und das soll nun auch damit abgetan sein und verglichen!« Thorbjörn stand auf. »Ich glaube, Skeggi,« sprach er, »du hast dir in dieser Sache den Fürsprech gewählt, der am wenigsten dazu bei mir taugt, und in gar keinem Fall werde ich etwas leisten, was man als Buße für Bard ansehen könnte, der uns an unserer Ehre gekränkt hat, wenn das auch nicht alle zu fühlen scheinen, die es sollten!« Da reckte Skeggi den struppigen Bart auf. »So steht's! Aber ich habe meine Ohren weit aufgetan, und allerhand Vögel hörte ich singen: auf einer andern Fährte muß ich nach dem Wild spüren, meine ich, als du mir weisest!« Er kehrte um und sprengte mit seiner Schar zu Kolbjörns Gehöfte, pochte den Hausherrn heraus und forderte ihn zum Zweikampf um Thordis auf die Insel Saxa. Kolbjörn sagte, er werde kommen, und Gisli, der grade bei ihm zu Gast war, sagte zu, den Schild beim Kampf vor ihn zu halten. Am bestimmten Tage weckte er den Bauer in aller Frühe beim Sternenschein noch: nun wäre es Zeit aufzubrechen, wenn sie zurecht kommen wollten. Kolbjörn setzte sich im Bett auf, er hatte aber schon lange nicht mehr geschlafen. »Eins möchte ich noch vorher wissen, Gisli,« sprach er, »bekomm ich die Thordis auch gewiß, wenn ich den Skeggi gefällt habe?« »Was hat denn das mit dem Zweikampf zu tun?« sagte Gisli, »lieber wär's mir gewesen, du hättest diese Frage nicht getan, Freund, ich dachte, dir geht's um die Ehre!« »So werde ich mich nicht schlagen!« sagte Kolbjörn. – »O du Schandkerl!« rief Gisli, »nun glaub' ich's, daß deine Lust nie groß dazu war!«

Auf dem Holme hatten Skeggi und seine Gesellen den Kampfplatz abgesteckt und warteten auf den Gegner. Vor Sonnenaufgang mußte er zur Stelle sein, und schon glühten die Wolken im Morgenrot über ihnen. Skeggi stieß sein Schwert Gunnlogi, das ist »Kampflohe«, vor sich in den Boden. »Sie kommen nimmer, die feigen Hunde!« Neben Thorkel stand im Gefolge ein Mann, der verstand es, aus Holz so Gestalten zu schnitzen, daß man meinte, sie lebten. »Gunnar,« rief Skeggi, »wenn wir heimkehren, richten wir eine Hohnstange her, drauf sollst du mir den Kolbjörn und den Gisli schnitzen, wie der eine sich hinter dem andern versteckt!« Da knackten und krachten durch den morgenstillen Wald vor ihnen schnelle Schritte, und es rief: »Wart's ab, Gunnar, ob du nicht ganz etwas andres zu tun bekommst, das dich eiliger als Holzschnitzen dünkt!« Zu den Stämmen hervor sprang Gisli im Helm mit seiner Streitaxt »Hexe« über der Schulter. »Hier bin ich, wenn du für den Kolbjörn mich in den Kauf nehmen willst, Skeggi!« »Her mit dir! Einer nach dem andern, auf die Reihenfolge kommt's mir nicht an!«

Gisli war noch sehr jung, aber von mächtigen Gliedern und an Wuchs nicht viel kleiner als sein Gegner, der riesige Bartmann. Eine gute Weile schlugen sie sich, ohne daß einer einen Vorteil vor dem andern gewann. Das kam dem alten Kämpen ganz wunderlich vor, daß er mit seiner Klinge nicht an den Gegner herankommen sollte, und endlich krachte denn auch sein Schwert auf den Helm Gislis nieder, daß die Funken draus stoben und er zurücktaumelte. Den Kopf warf Skeggi auf.

»Kampflohe erklang:
Die Klüfte gellen!«

brüllte er und fiel wiederum aus. Da schmetterte ihm Gisli die Streitaxt blitzschnell in den Schenkel oberhalb des Knies, und mit dem Schwert in der Faust lag Skeggi im Blute am Boden. Über ihm schwang Gisli die Axt.

»Die Streithexe sprang:
Gestürzt ist der Starke!«

rief er. Da mußte Skeggi sein Leben nach dem Kampfgesetz mit dem Betrag einer vollen Mannesbuße lösen und sich um einen Holzfuß obendrein umschaun für den Beinstumpf.

Thorkel war bei Gisli geblieben, als die Scharen sich schieden. »Daß du dichten könntest, wußte ich nicht,« sagte er: »du wirst ein guter Skald werden, schärfer schnitten heut deine Waffe und deine Verse als die des Bartkerls!« Gisli schwieg. Thorkel ging eine Weile neben ihm her, ohne zu reden, dann sprach er: »Hältst du das für eine Schande, Bruder, es einzugestehn, wenn man gefehlt hat?« »Keineswegs,« sagte der. – »Nun, ich meine, du hast dich wackrer geschlagen, als man nach deinen Jahren erwarten konnte. Und ich sehe es ein, daß die Sache der andern, für die ich mich plagte, nicht so gut war, als ich meinte. Wenn du mir heute antragen würdest, die Schwerter zu tauschen, ich sagte nicht mehr nein!« Gisli blickte ihn von der Seite an. »'s ist recht!« sagte er.

Die Gefolgsleute waren ihnen vorangeritten. Als Gisli vor dem Zaun des Gehöftes vom Gaul sprang, stand Thordis dort und streckte ihm die Hand hin. »Heut hast du mir wohlgetan, Bruder, so wehe du mir vorher getan hattest! Ich meine, eines löscht das andere aus: lassen wir's gut sein!« Er nahm ihre Hand und sah ihr in die Augen. »Beidemal ging's um die Ehre, Schwester!«

Sie hausten nun alle wieder im Einvernehmen miteinander, soweit die Leute sehen konnten, wenn es auch ziemlich kühl blieb zwischen dem Vater und Thorkel.

Kolbjörn, der um Thordis geworben, nahm seine Ritte dahin nicht wieder auf: er hielt sich still auf seinem Hofe und ließ sich auch bei den nächsten Nachbarn nicht mehr blicken. Eines Nachts – es war schon Herbst und hübsch früh dunkel geworden – fuhr er jäh aus dem Schlafe: Waffengeklirr und Männergeschrei lärmten ums Haus. »Heraus mit dir, Bauer!« Skeggis Söhne mit einem großen Haufen waren gekommen, sie brachen in die Tür hinein zu ihm und stellten ihn vor die Wahl: entweder solle er sofort unter ihren Schwertern fallen, oder er müsse mit ihnen nach dem Gehöfte des Thorbjörn reiten. Wilde Gesichter sah er rings im Fackelschein um sich starren – da verfluchte er mit lauter Stimme den Tag, an dem er die Thordis zum ersten Male erblickt. Dann fuhr er in sein Waffengewand und zog das Roß aus dem Stalle ...

Gisli schlief in seinem Bettverschlag, da hörte er nackte Füße sacht herantappen über den Boden: Thordis stand über ihm. »Bruder,« flüsterte sie, »ich weiß nicht, was das ist draußen – es knistert und knackt und klirrt, und dann ist's wie ein Murmeln von vielen Stimmen!« In dem Augenblick ward es hell wie am Tag in der Stube. Er sprang auf, stürzte zur Tür hin, riß sie auf: da prasselten Pfeile und Speere hinein, hageldicht. »Zu spät bist du aufgewacht, Schwester!« rief er. »Vater, Feindjo, Feuerjo, Leute! sie wollen uns im Hause verbrennen!« Da gab's ein Durcheinander. Von ihren Schlafstätten her kamen die Männer gerannt. Die Weiber schrien und die Kinder. Wie im Bau eingekreist ein Fuchs, schoß Thorkel von Türe zu Tür. Zu den Fensterluken hinein schlugen Flammen, von der berstenden Decke herab stürzten brennende Sparren. Durchs Getöse dröhnte des alten Thorbjörn mächtige Stimme: »Die Felle herbei aus der Kammer! In die Molkenfässer mit ihnen und löscht!« Aber das gab nicht aus. Immer dichter wirbelten lohende Scheite herab; voller Qualm ward der Raum, die Dachbalken krachten. »So geht das nicht, Vater!« sprach Gisli zum Alten, »wir müssen hinaus!« »In ihre Speere? Mir auch recht! Besser als wie ein Dachs in der Höhle ersticken!« »Nein, Vater, nicht so! Den Rauch wollen wir nützen, in dem sie uns umzubringen gedenken!«

Während die Skeggisöhne und ihre Mannen zu den Flammen des brennenden Hauses emporstarrten, huschten im schweren Rauchgewölk, das der feuchte Südwind dicht am Boden dem Gebirge zutrieb, einer nach dem andern aus der Stalltüre hinten übers Feld am Bache entlang dem Wald zu. Und als das Dach zusammenkrachte und die Feinde wähnten, nun lägen sie alle unter den Trümmern begraben, der Thorbjörn und die Seinen, da saßen die weiter weg von ihnen, als Hundegebell hallte, in der Höhle einer Waldschlucht beisammen. Die Köpfe zählte Gisli, da fehlten von dreißig zwölf, die verkohlten unter den brennenden Balken.

Styr hieß Thoras Vater, wenig älter nur als sein Schwiegersohn Thorbjörn, ein reicher Mann und mächtiger Häuptling. Er hatte seinen Hof ziemlich weit im Norden vom Surendal auf der Insel Frödi nahe dem Festland. Zu ihm flohen durch den Urwald Thorbjörn und die Seinen. Einen vollen Mond lang waren sie unterwegs. Als sie vor ihn traten, wollte er es ihnen anfangs nicht glauben, wer sie wären, und erkannte sein eigenes Kind nicht mehr, so hatten der Hunger und die Mühsale ihr Aussehen verändert. Nun dünkte ihn nichts zu kostbar, um sie so schnell wie möglich wieder zu Kräften zu bringen. Denn daß da Rache genommen werden mußte für eine solche Untat, wie sie an den Verbrannten und an den Überlebenden verübt worden, das war klar. Thorkel und Gisli ritten im Lande umher und warben Mannschaft an, und bald hatten sie für die dreißig Köpfe, die sie daheim gezählt hatten, sechzig. Da rüstete ihnen Styr ein prächtiges Drachenschiff. Sie segelten südwärts die Küste entlang, landeten bei Nacht auf der Insel Sara, umstellten das Haus von allen Seiten und zündeten es ihnen über dem Kopf an. Wer zu den Flammen hinausfuhr, fiel von Pfeilen und Speeren durchbohrt, die andern erstickten und verbrannten, die Skeggisöhne und der Bartmann auch samt seinem Holzfuß! Und im Morgengrauen ritt Gisli mit wenigen Mannen zum nahen Gehöfte des Kolbjörn, holte ihn aus dem Bette und hieb ihm vor der Haustüre den Kopf ab. Dann beluden sie den Drachen mit den Schätzen, die sie bei Skeggi und Kolbjörn erbeutet hatten – das gab einen schönen Haufen goldener Armringe und Spangen, kostbarer Steine, Gewänder und Waffen – und segelten wieder zu Styr zurück. Der meinte, sie hätten es ihren Feinden großartig zurückgegeben und nichts zu vergelten vergessen; doch nun rate er ihnen außer Landes zu ziehen, denn die Sippen des Bard, des Kolbjörn, des Skeggi könnten ihnen doch zu stark werden mit der Zeit. Und er wies sie an den Erik Erikssohn in der Dyriföhrde, dessen Vater war vor Jahren sein Kampfgenosse beim Heeren auf den Inseln im Westen gewesen. So war Thorbjörn mit den Seinen nach Island gekommen.


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