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Die Surssöhne freien

Nach einiger Zeit kehrte Thorkel von seiner Reise zurück und wußte wie gewöhnlich viel zu erzählen, gegen Abend aber ward er einsilbiger, und endlich fragte er Gisli: »Was würdest du wohl dazu sagen, Gesippe, wenn ich heiraten wollte?« – Das käme darauf an, meinte Gisli, Heil und Unheil könnte es bringen. – »'s ist eins der reichsten und hübschesten Mädchen im Gau und lustig wie eine Grasmücke, Asgerd von der Bartenföhrde im Süden, die Olafstochter!« – So die, ja, die kennte er. – »Nun, wie gefällt sie dir?« »Nicht mir, dir muß sie gefallen. Doch wenn du es denn durchaus wissen willst: hübsch und heiter, das ist sie, aber ihre Augen haften nie länger an einer Stelle, und das wäre mir auf die Dauer an meiner Frau schwer zu ertragen!« – Warum denn? meinte Thorkel, es sei nun einmal Weiberart, daß ihre Blicke über alle Dinge hinflitzten!

Vestein war ein junger Bauer, hoch von Wuchs, der gewandteste und stärkste bei allen Wettkämpfen im Gau und ein froher Gesell. Lieber als das schönste Fingergold, hieß es von ihm, wären den Mädchen und Frauen die braunen Ringelhaare, die ihm in die Stirn hinein fielen. Er wohnte an der Kesselföhrde, der nächsten Bucht im Norden, eine halbe Tagreise weit von der Dyriföhrde über die Schafbergheide und durchs wilde Bärental, an den Steildünen von Moosfelden hin bis zum Hengstberg, darunter lag sein Gehöft. Gunnhild hieß seine Frau, Berg und Helgi ihre Kinder, das waren noch unmündige Knaben. Vestein war, seit er geheiratet hatte, viel zur See gewesen. Auch jetzt war er gerade mit seinem Schwager Sigurd von einer Englandfahrt zurückgekehrt, dort hatten sie tüchtig geheert und gehandelt und ihr Vermögen beträchtlich vermehrt. Als er daheim hörte, die Söhne des Thorbjörn Sur hätten sich im Habichtstal angesiedelt, beschloß er, gleich zu ihnen zu reiten und sie als Nachbarn zu begrüßen; denn was er auf der Rückfahrt bei seinem Aufenthalte in Norwegen von ihnen und ihrem Rachezuge vernommen, das hatte ihm gefallen.

In Seehof nahmen sie ihn freudig auf. Thorkel begann ihm sofort von ihren Fehden im Surendal zu erzählen, und es war auch einiges von seinen eigenen Heldentaten darunter. Aber bald merkte er, daß es dem andern weit mehr um Gisli als um ihn zu tun war. Da warf er die Lippen auf, zuckte die Achseln und ließ sie allein.

Vestein blieb acht Tage bei ihnen und half Gisli wacker bei der Arbeit, so wenig der das anfangs von seinem Gaste annehmen wollte. Gisli fand, daß er selten mit jemandem so gut zusammengeschafft hätte. Einmal, als die beiden auf der Schafsuche ganz droben im Habichtstal waren, sagte Vestein: »Meine Sache, Gisli, ist's nicht, hinter dem Berge zu halten. Ich will's dir grad heraus sagen, was mir immer wieder durch den Kopf geht seit ich bei euch bin: sieh, Geselle, ich hab' eine Schwester, die Aud, sie wohnt beim Vater zu Borg nahe der Adlerföhrde, an der hängt mein Herz stärker als an meinem Weibe!« Gisli blickte ihn an: er sah vor sich hinaus. »Ich lasse es mir ja nicht anmerken, wie mir zumut ist, aber leugnen kann ich's nicht, daß ich lieber auswärts bin als daheim. Ein freudloses Geschöpf ist die Gunnhild: bei jedem Schritt, den sie tut, jammert sie über die Sohlen, die sie dabei vertritt!« »Wie bist du denn an sie geraten?« fragte Gisli. – »Wie's eben geht, wenn einem der Verstand langsamer wächst als die Glieder! Hübsch anzusehn war sie ja, und so unglücklich tat sie, daß ich meinte, 's ist ganz was Besonderes um sie, und ich müßte ihr helfen! Dazu war sie aus gutem Geschlecht und hatte nicht weniger Vermögen als ich. Nun ja, da ist jetzt nichts mehr zu ändern, aber es täte mir leid, wenn die Aud es mit ihrem Glück auch so verfehlte, denn sie ist tüchtig und froh, und wenn sie ein rechter Mann an die Hand nähme, müßte sie ein Weib werden, wie es wenige gibt!« »Gleicht sie dir etwa?« »Die Leute behaupten's.« »So glaub ich's, was du mir von ihr sagst!« »Dann hab' ich dir einen Vorschlag zu machen, Gisli: reite mit mir zum Besuche beim Vater, denn du, dünkt mich, bist der Rechte für sie und kein anderer.« Gisli dachte nach. »Acht Tage Zeit könnt' ich mir nehmen,« sagte er, »aber wie soll's mit unserer Freundschaft werden, wenn ich mit ihr nicht so gut fahre wie mit dir?« »Da soll uns keine mit langen Haaren je dazwischen kommen, und wenn es auch Aud ist!« rief Vestein. So ritten sie denn miteinander den Strandweg zur Adlerföhrde nach Borg.

Als dort die Aud in der Wohnstube ihres Vaters Gisli entgegentrat und ihm die Hand reichte, wäre er beinahe zurückgefahren vor ihr: da stand sie – eine andere als der Bruder und doch wie er anzusehen, nur daß ihre Augen dunkler waren und die Ringelhaare sich länger und loser die Wangen herabzogen. Da blickte er immer wieder zu ihr hinüber, als sie des Abends ums Langfeuer vor den Bierkrügen saßen.

Vestein aber fragte, bevor sie zu Bett gingen, die Schwester: »Nun, Aud, aufmerksam genug angeschaut hast du ihn dir ja – wie gefällt dir der Gisli?« »Sein Bruder Thorkel war vor einem Mond bei uns, da mußte ich staunen, wie ungleich Geschwister sein können!« »Grade so ging's auch mir,« sagte Vestein, »so lieb mir Gisli war vom ersten Augenblick an, so zuwider war mir der Wicht, der aufgeblasene, der Thorkel!« Sie sah in die Flamme des Kienspans vor sich an der Wand. »Nicht ein Wort war von den vielen, die Thorkel sprach, dem ich getraut hätte!« »Und bei Gisli war's anders?« »Ja,« sagte sie, und nach einer kleinen Weile: »Wäre er sonst auch dein Freund?«

Gisli war länger ausgeblieben, als er vorgesehen hatte. Manchen Abend hatte Thordis vergebens am Gatter mit der Hand über den Augen den Strandweg hinauf gespäht. Endlich kam er geritten. Als sie ihn nach den Neuigkeiten fragte, meinte er, das Neueste wäre, daß Vestein mit seinen Eltern und seiner Schwester Aud wohl zum Julfest im Winter hierher auf Besuch kommen würde. – »Dann werden sie Asgerd Olafstochter mit den Ihren treffen!« sagte Thordis und wurde ein wenig rot: »Mir scheint, ich soll Schwägerinnen bekommen!« »Unmöglich wäre das nicht,« meinte Gisli, aber sicher würde sie noch Zeit genug behalten, sich darauf vorzubereiten!

Eines Tages kam Erik Erikssohn, von dem sie ihr Land gekauft hatten, in den Hof getrabt. Er bat die Surssöhne, sie möchten mit ihm über die Breitenföhrde nach Heiligenberg fahren zum Herbstthing. Er hätte dort Schulden einzutreiben, und da wäre es für jeden Fall gut, wenn ihn Männer von solchem Ruf begleiteten wie sie. Das sagten ihm die Brüder zu.

Häuptlinge auf Heiligenberg waren damals Thorsteins Söhne, Börk der Dicke und Thorgrim, denn Thorstein selber, der Dorschjäger, war beim Fischfang ums Leben gekommen.

Sie saßen grad unter dem Felsen, von dem aus beim Thinge dem Volke die Wahrsprüche verkündet wurden, die beiden, und vor ihnen breitete sich, weithin am Strand bis zur See unter dumpfem Gemurmel die Menge. Da wandten sich die Köpfe, einer um den andern, alle nach einer Richtung, und ein Gedränge ward unter den Leuten. – Was denn da los wäre? fragte Börk, und Thorgrim stand auf. – Die Surssöhne seien gekommen, rief ein junger Bursch, der Thorkel und Gisli, die Norweger, die berühmten, und Erik von der Dyriföhrde mit ihnen. Da sagte Thorgrim: »Ich halte dafür, Bruder, solche Männer sollten bei uns ihre Herberge haben und bei keinem andern!« Und sie ließen sie mit Erik zu sich ins Haus laden.

Thorkel ging vornedran, als sie in die Halle der Heiligenberger Häuptlinge traten. »Schön!« rief er und sah rings im Fackelscheine um sich: »schön wirklich! was, Gisli, merkst du es nun, daß wir bei den Enkeln des Thorolf zu Gast sind? Ohne viel Aufhebens davon zu machen, darf ich wohl sagen, an vieler großer Herren Langfeuer wärmte ich mich in Norwegen, aber eine solche prächtige Halle wie hier sah ich nie!« Nun ging ein mächtiges Gelage an, und es endigte damit, daß die Thorsteinsöhne denen von der Dyriföhrde versprachen, sie zum Julfeste im Winter zu besuchen.


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