Richard Voß
Römisches Fieber
Richard Voß

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9. Prisca wird orientiert

Es dauerte eine gute Weile, bis Priscas gesunde Natur die in dem Hause des Cavaliere Brugnoli empfangenen Eindrücke überwunden hatte. Einige Tage ging sie ganz verstört umher, und über dem strahlenden Himmel Roms lag es für sie wie ein schwerer Wolkenschatten. Je höher sich ihre begeisterte Seele gehoben gefühlt durch das Entzücken über die Herrlichkeit der einzigen Stadt, deren Wunder sich ihr täglich mehr offenbarten, um so unmöglicher erschien ihr, daß hier Sonne und Luft, Schönheit und Grazie den Menschen einer andern Zone derartig verderblich werden könnten, daß er unter ihrem Einfluß allmählich sittlich verkam. Schließlich kämpfte sie sich tapfer zu der Anschauung durch: der Mensch, der in Rom – gerade wie durch einen Gottesdienst, nicht geläutert wird, trägt einzig und allein selbst die Schuld daran. Denn das Land ward vom Himmel eigens dafür geschaffen, dem Gemüte eine Weihe zu geben.

Und Prisca war bei solcher Betrachtung zumute, als ob ihre Existenz auf dem rosen- und lorbeerbewachsenen Hügel vor der Porta del Popolo ein Talisman wäre, der sie gegen Unglück und Gefahr, gegen jede Niedrigkeit und Häßlichkeit schützen müßte.

Es war in diesem Jahre ein außergewöhnlich milder Winter mit vielen hellen und trockenen Tagen. Die Laurustinushecken waren dicht mit rötlichen Knospen bedeckt, der Lorbeer setzte bereits seine langen, gelblichen Blütendolden an, und um Priscas Atelier blühte ein großes Veilchenfeld, das ein dichter Kranz gelber Narzissen umgab.

Aber den Wipfeln der Pinien und Steineichen der Villa Borghese und Medici leuchteten die Sabiner- und die Albanerberge jede Stunde in wechselnder Farbenpracht herüber.

Allmählich orientierte sie sich auch über die Bewohner der andern Ateliers der Kolonie. Vielmehr, sie wurde darüber orientiert.

Das besorgte der Knabe Checco, ein dreizehnjähriges Modell aus Frascati, der Prisca bediente und des Glöckleins liebe Lange sehr bald unter seinen besonderen Schutz nahm. Ja, die blonde, anmutslose Münchnerin wurde des munteren Jungen erklärte Protegé, was sie sich gern gefallen ließ.

Dieses bunte, heitere Modelleben, das sich rings um Prisca entfaltete, gehört mit zu jenen geheimnisvollen, satanischen Ingredienzien, daraus für den Künstler, zumal für den deutschen, in der großen Hexenküche der Zaubertrank gebraut wird; und wer dann den vollen Becher bis zur Neige leert, der ist für eine andre Welt, als die Roms, Zeit seines Lebens verloren. Aber nur wenige, denen der Pokal kredenzt wird, haben die Kraft, ihn nach einigen tiefen Zügen wieder von den durstigen Lippen zu setzen und sich so mit knapper Not vor der ewigen Circe der Städte zu retten.

Zwischen den Blumenbüschen der Künstlerkolonie wimmelte es von den schlanken Gestalten der Kinder der römischen Berge. Sie waren die tollen Geister des Ortes, die zwischen den Sitzungen tausend Possen trieben. Der Knabe Checco war der Hauptanführer. In vielfach wechselnder Gestalt erschien er Prisca. Bald steckte er in seinem leibeignen, verblaßten, bunten Heimatskostüm: bald kam er als Hirtenknabe, Sandalen an den Füßen, im langen, braunen Mantel. Oder er war als junger antiker Römer drapiert, der der Leiche des großen Cäsars nachläuft; war als Orientale in goldgestickte Stoffe gehüllt. Jetzt ein geflügelter Cherub, verwandelte er sich am nächsten Tage in Eros selbst, dessen unverhüllter Leib in der Mittagssonne wie ein Bild aus Goldbronze aus einem Rosenstrauch hervorleuchtete.

Unter dem Wust seiner schwarzen Locken lachte das durchtriebenste Schelmengesicht hervor, das aber jeden Augenblick die Miene desjenigen Charakters annehmen konnte, als welchen der Künstler ihn gerade posieren ließ.

Er sprach unverfälschten Frascataner Dialekt, den er, da er stolz auf seine Heimat war, um keinen Preis verleugnet hätte. Prisca verstand ihn zuerst so gut wie gar nicht, was ihn jedoch nicht im geringsten hinderte, endlos in sie hineinzureden, wobei Blicke, Mienen, Gesten ebenso beredt waren wie seine Junge.

Er besorgte Priscas kleinen Haushalt und brachte aus der Trattorie in der Via Flaminia, wo die Künstler aus jener Gegend speisten, das Essen für sie herauf. Merkwürdigerweise waren es fast immer seine Lieblingsgerichte, wie zum Beispiel in Öl gebackene Artischocken, in Öl gebackene Fische und fruti di mare. Oder es waren mit reichlicher Tomatenkonserve zubereitete Maccaroni, Nudeln und allerlei problematische Ragouts. Oder er schleppte gar triumphierend die heißgeliebte, stark mit köstlichem Knoblauch gewürzte »Trippa«, auf gut deutsch »Kutteln« genannt, im Schweiße seines ehrlichen Angesichts den Berg hinauf.

So geschah es, daß es dem Knaben Checco Tag für Tag prächtig schmeckte. Verspürte er – und beileibe nicht Prisca, einmal Appetit auf Vermicelli, oder Fettucini, oder sonst eine leckere Minestra, so waren diese herrlichen Genüsse jedesmal so besonders echt römisch zubereitet, daß für Priscas großen Appetit die kleinere Hälfte vollkommen ausreichte. Als Folge dieser eigentümlichen Erscheinung stellte sich bei Prisca häufig ein recht unangenehmer Hunger ein, während der Knabe Checco stets satt war.

Auch sonst ließ er es sich in seiner leidenschaftlichen Fürsorge für die Signorina nicht nehmen, jeden Tag mit einem andern gutgemeinten und gutschmeckenden Leckerbissen bei ihr aufzutauchen; und er hatte die Delikatesse jedesmal mit dem ganzen Aufwand seiner Beredsamkeit für die » bionda Tedesca« besonders billig erhandelt. Gestern waren es süße Fenchelwurzeln, heute stark gesalzene und geröstete Nußkerne oder mächtige Stücke eines safrangelben glatten Kuchens; morgen würden es vielleicht gebackene Froschschenkel sein. Prisca war dankbar für die gute Absicht, und dem Knaben Checco schmeckte es wiederum prächtig.

Dieser liebenswürdige braune Schlingel machte sie also mit Namen, Charakter, Eigentümlichkeiten, Geldverhältnissen und sonstigen Intimitäten ihrer Kollegen bekannt. Besonders scharf sprach er sich über das Maß von Talent eines jeden aus, und in geradezu erstaunlicher Weise wußte er Bescheid darüber, wieviel es einem jeden einbrachte. Von Priscas Talent hatte er entschieden die Ansicht, daß es ihr sehr wenig einbringen würde. Aber, wie gesagt, er protegierte sie trotzdem, was gewiß ein hübscher Charakterzug des Knaben Checco war.

Sehr interessierte er sich für einen gewissen »Signor Carlo«, der eine ganz merkwürdige Persönlichkeit sein mußte. Der Frascataner erging sich über ihn in allerlei geheimnisvollen Andeutungen, denen Prisca entnahm, daß der betreffende Herr zum mindesten der Held eines Trauerspiels oder Schauerstücks sein mußte und daß dem Knaben Checco gleichfalls von einer höchst mysteriösen Persönlichkeit bei Todesstrafe verboten worden sei, über den großen Signor Carlo ihr, Prisca, ein Sterbenswörtchen zu verraten. Da sie nun um keinen Preis ein so junges, hoffnungsvolles Leben auf ihr Gewissen laden wollte, so drang sie mit keiner Silbe in ihn, jenes furchtbare Verbot zu verletzen, was Checco sehnlich zu hoffen schien. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, daß ihr über den unbekannten Herrn einige Notizen gemacht wurden.

Dieser gewisse Herr Carlo war auch ein Deutscher, seinem Berufe nach ein Bildhauer. Da Prisca den Landsmann noch nicht gesehen hatte, wurde er ihr vom Kopf bis zu den Füßen geschildert und zwar mit solcher Schärfe der Charakteristik, daß sie nach Checcos Beschreibung sein Porträt hätte zeichnen können. Schön war dieser vielgenannte Signor Carlo nicht! Ein wahrer Barbar, hoch aufgeschossen, mit ungelenken Gliedern, gewaltigen Händen und Füßen; mit fahlem, sommersprossenbedecktem, völlig bartlosem Gesicht, rotbraunem, struppigem Haar. Nach Checcos Behauptung hatte er hinter blanken Brillengläsern gelbgrüne Augen und einen Blick, scharf wie eine Dolchspitze. Besonders die Weiber fürchteten sich vor den gelben, durchbohrenden Augen des häßlichen Menschen.

Er war arm wie eine Kirchenmaus. Der Knabe Checco holte ihm daher weder in Öl gebackene Fritturen noch sonstige Leckerbissen. Infolgedessen erfreute er sich zwar keiner besonderen Verehrung des Knaben Checco, wußte sich jedoch trotzdem bei ihm gewaltig in Respekt zu setzen. Erstens seines bösen Blickes wegen, gegen den sich der tapfere Frascataner mittels kleiner Büffelhörner aus Korallen und Porzellan kräftig verschanzte, und zweitens weil dieser häßliche, armselige, bösartige Signor Carlo ein »gran ingenio« war.

Wollte Prisca von dem großen Genie des Signor Carlo Näheres hören, so zuckte der Knabe Checco halb ehrfurchtsvoll, halb mitleidig die Achseln und sagte mit vielem Nachdruck:

»Der? O der! Ein wahrer Michelangelo! Aber was wollen Sie? In unsrer Zeit! Bedenken Sie doch! Noch dazu ein Bildhauer! Wo Marmor doch so teuer ist! Und dann ein wahrer Michelangelo! Zu dumm!«

Weil dieser arme geniale Signor Carlo in unsrer Zeit ein wahrer Michelangelo war, würde er sicher Hungers sterben, prophezeite ihm der Knabe Checco.

Dagegen schwärmte Checco von einem andern Künstler, Mario di Mariano. So oft er von diesem sprach, glühten seine schwarzen Augen, als ob er die Mirakel eines Heiligen oder die Millionen des Herzogs von Torlonia beschriebe. In Checcos Augen war dieser wunderbare Mario di Mariano der Mann des Tages, der Bildhauer aller Bildhauer, der neue Messias der Kunst. Er war ein Neapolitaner, der Sohn eines Fischers vom Posilip. Blutjung und bettelarm war er nach Rom gekommen, hatte erst nach Jahren der rastlosesten Arbeit in dem schlechtesten Atelier der Kolonie sich einmieten können, wo er beinahe Hungers gestorben war, weil kein Mensch seine Sachen auch nur hatte ansehen, geschweige denn kaufen wollen. Und jetzt – jetzt wohnte dieser einst so armselige Mann im Palazzo Borghese, davor jeden Nachmittag die Equipagen der Fürstinnen und Herzoginnen in langen Reihen hielten. Die Ausstellung eines Werkes dieses einst so verhöhnten, jetzt so gepriesenen Mario di Mariano war ein Ereignis, das ganz Rom in Bewegung brachte; und das Werk war bereits an einen Amerikaner oder Engländer verkauft, noch ehe es aus dem Atelier kam. Jetzt besaß dieser selbe, ehemals Hunger leidende Fischerssohn die eleganteste Equipage, die berühmteste Schönheit von Rom und bei Tivoli eine Villa. Und alle diese Herrlichkeiten binnen zehn Jahren! Es geschahen in Rom eben immer noch Zeichen und Wunder.

Begierig erkundigte sich Prisca:

»Sind die Sachen dieses Herrn Mario di Mariano denn gar solche Meisterwerke?«

»Ach was!«

Sie verstand nicht. Da erklärte ihr Checco:

»Es sind nicht halb solche Meisterwerke wie die Sachen des Signor Carlo. Aber der eine versteht's eben sehr gut, der andre versteht's gar nicht. Und verstehen muß man's.«

Prisca mußte viel über diese beiden Künstler nachdenken. Den einen, ihren armen Landsmann, der es nicht verstand, bewunderte sie im stillen, während der glänzende Neapolitaner ihr Abneigung einflößte. Jedenfalls war es sehr traurig, daß man es auch in der Kunst »verstehen« mußte, um es in der Welt zu etwas zu bringen, wenn es auch nur eine Equipage, eine Maitresse und ein Landhaus war.

Höchlichst belustigte sich Priscas kleiner Kammerdiener über ihren Landsmann, den jungen Siegfried, den Todfeind alles Schönen. Er hieß übrigens Artur Freiherr von Schönaich, führte also einen wunderschönen Namen und Titel und war aus einer Familie lauter wunderschöner, großer, blonder Menschen, den Photographien seiner Eltern, Geschwister und Vettern nach zu urteilen, die er samt und sonders mit nach Rom genommen hatte, und die von Checco als eine wahre Schönheitsgalerie begutachtet wurden. Im übrigen erklärte er pathetisch, er habe bereits manchen verrückten Forestiere gesehen, aber solchen Narren, wie diesen Signor Arturo, noch niemals.

Er war seit seiner, Ankunft in Rom – Checco wußte es genau – noch nicht bis auf den Pincio gekommen, dessen Palmen und Zedern wie die hängenden Gärten der Semiramis dem Hügel vor der Porta del Popolo gerade gegenüber lagen. Die Herrlichkeiten der Villa Borghese, die er gleichfalls vor der Nase hatte, würdigte er keines Blickes; über die klassischen Linien der Sabiner- und Albanerberge ärgerte er sich nur, und einem weiblichen Modell, der größten Schönheit von Saracenesco, das sich ihm angeboten hatte, war er so grob begegnet, als wäre er der heilige Antonius von Padua und das reizende Geschöpf eine höllische Versucherin. Seine Riesenleinwand mit der staubigen Straße und der abscheulichen Alten war das Gaudium sämtlicher Modelle der Kolonie.

Noch von einem andern, höchst seltsamen Kauz erfuhr Prisca durch den Mund ihres Faktotums. Es war das auch ein Landsmann und auch ein Maler mit Namen Peter Paul Enderlin, der in ganz Rom »San Sebastiano« oder »Padre Angelico« genannt ward. Zum einen Teil seines kinderreinen und sanften Wesens wegen, zum andern, weil er seit vierzig Jahren hauptsächlich Heilige malte, mit Vorliebe San Sebastian.

Denn seit vollen vierzig Jahren lebte Herr Peter Paul bereits in Rom; und er wünschte sich nichts Besseres, als noch einmal vierzig Jahre dort leben zu können. Er gehörte zu jener würdigen, im Aussterben begriffenen Schar »alter Römer«, die noch von Viterbo her mit dem Vetturin angekommen waren und hinter La Storta an der bewußten Stelle, angesichts der Peterskuppel, das berühmte »Eccola Roma!« vernommen hatten.

Ein Jahr wollte der Zwanzigjährige in Rom bleiben. Für diesen einjährigen Aufenthalt in der ewigen Stadt hatten Eltern und Tanten, Gevattern und Basen ihr Erspartes zusammengelegt. Aber sie waren gestorben, ohne Peter Paul wiedergesehen zu haben; denn Peter Paul wollte aus Rom nicht mehr fort. Weltberühmt wollte er werden, und – nur bei den kleinen Kunsthändlern, die bei der Minerva und im Borgo beim Vatikan ihr frommes Bilderwesen für Pilger und Wallfahrer treiben, war er als Künstler bekannt; als strenger Protestant kam er nach Rom, und – ein strenger Katholik war er daselbst geworden. Er hauste seit fast vierzig Jahren inmitten des alten Rom und zwar in einem halbzerfallenen Palast, ließ keine Seele zu sich ein und betrieb, außer seiner San Sebastianmalerei, von der jedermann wußte, etwas andres, sehr Geheimnisvolles, das niemand zu sehen bekam.

Man munkelte von einem gewaltigen Gemälde, gewaltig auch im Format, daran Peter Paul in aller Heimlichkeit malte: ohne jedes Modell und seit fast vierzig Jahren. Es war zum Totlachen!

Dieser wunderliche Heilige besuchte Abend für Abend in der Künstlerkolonie auf der schönen Höhe vor der Porta del Popolo eine gute Freundin, die sein weibliches Gegenstück war.

Es war dies das bereits recht ältliche Fräulein Friedrike Baumbach, die Tochter eines Berliner Wirklichen Geheimrats, die ihrer Zeit Vater und Mutter, Berlin und Preußen verlassen hatte, um mit Leib und Seele Rom anzuhangen. Sie trug noch immer die Gewänder aus ihrer wohlhabenden geheimrätlichen Jugendzeit: schwarz im Winter und hell und bunt geblümt im Sommer, und ward in den römischen Villen stets mit einem gewaltigen Pompadour gesehen, darein sie die heimlich gepflückten Kamelien und Rosen, Rhododendron und Orangenblüten versteckte. Seit dreißig Jahren kopierte sie in römischen Galerien und hatte, einer boshaften Legende zufolge, seit dreißig Jahren noch keine einzige Kopie an – den Engländer gebracht.

Jeden Sonntagvormittag verbrachte sie, ebenfalls seit dreißig Jahren, gemeinsam mit dem getreuen Peter Paul im Kapitolinischen Museum, und jeden Sonntagnachmittag, bei Sonnenglut und Winterkälte, wandelten die beiden einträchtiglich auf den Palatin. Es gehörte einfach zu den unmöglichen Dingen, daß in Rom ein Kirchenfest oder die besondere Feier eines Heiligen stattfand, ohne daß die zwei Unzertrennlichen dabei zu sehen waren. Einen Tag in der Woche fuhren sie regelmäßig mit dem Vetturin – beileibe nicht mit der Bahn! – nach Frascati, Albano oder Fiumicino. Beide haßten ihre liebe deutsche Muttersprache und beide sprachen noch immer das Italienische mit der heimatlichen Klangfarbe: der gute Herr Peter Paul als echter Schwabe und das gute Fräulein Friedrike Baumbach als echte Berliner Geheimratstochter.

Gemeinschaftlich aßen sie in einer Trattorie, die vom Römischen das Allerrömischste war, haßten jeden Neuling, der in ihre ewige Stadt eindrang, verkehrten mit Begeisterung in einigen römischen Familien sehr zweifelhaften Charakters, die sie jedoch für das Muster aller Gentilezza hielten, und wären imstande gewesen, die modernen Römer, die das moderne Rom geschaffen hatte, durch Gift oder Dynamit aus der Welt zu bringen.

Die boshafte Fama behauptete, daß sie seit dreißig Jahren sterblich ineinander verliebt wären, sich aber nicht geheiratet hätten aus Furcht, vielleicht Kinder zu bekommen. Und sie wollten auf der Welt nichts lieben als Rom, welche Gottheit keine andre neben sich duldete. Die Wahrheit war, daß Peter Paul seiner alten Freundin mit der Ritterlichkeit eines altprovenzalischen Troubadours ergeben war und daß Fräulein Friedrike Baumbach durch ihn in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche geführt worden war.

Zu diesen beiden eigentümlichen Exemplaren von Römlingen fühlte sich Prisca trotz der hämischen Schilderungen ihres Pagen ungemein hingezogen, und eines schönen Tages entschloß sie sich, dem Fräulein Friedrike Baumbach einen Besuch abzustatten.


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