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Und es läuft alles darauf hinaus.

Mein Bruder, daß wir dies wissen, ist herrlich:

Es ist herrlich zu wissen, daß letzten Endes in der Welt nichts verkehrt ist,

Es ist herrlich zu wissen, daß die Liebe in der Welt nicht am rechten Platze sein mag, doch daß sie in der Welt stets einen Platz hat,

Es ist herrlich zu wissen, daß das Falsche in der Welt einen wahren Platz hat,

Es ist herrlich zu wissen, daß das Grausame in der Welt einen freundlichen Platz hat,

Es ist herrlich zu wissen, daß es in der Welt nichts Böses gibt, das nicht einen guten Platz in der Welt hätte,

Es ist herrlich zu wissen, daß selbst das Leid einen heiteren Platz in der Welt hat:

O, mein Bruder, es ist herrlich zu wissen, es ist herrlich zu wissen: Wann alles an seinen Platz zurückkehrt, ist es herrlich zu wissen.

Und es läuft alles darauf hinaus.

Und es läuft alles darauf hinaus. Daß die Welt sich selbst betrogen hat. Daß sie ihre Probleme gelöst geglaubt hat. Daß sie geträumt hat, ihre Schurkerei sei Gerechtigkeit. Die Welt reibt sich die Augen. Bald wird sie aufwachen. Dann werden die Kirchen und die Schulen und die Wohltäter und Stifter weniger für sich zu sagen wissen. Diese Welt ist so gar geworden, daß sie verbrannte. Sie ist so tugendhaft gewesen, daß sie alle Gewohnheiten der Tugend ablegte. Sie ist so gerecht gewesen, daß sie die Gerechtigkeit aus den Augen verlor. Die Welt wird dir sagen, daß ihr nichts fehlt. Die Priester werden dir sagen, daß der Welt nichts fehlt. Die Politiker, die Geldmacher, selbst die Geld Verlierer, die ausgestoßenen Arbeiter dieser Welt werden dir sagen, daß der Welt nichts fehlt. Alles wird dir sagen, daß der Welt nichts fehlt. Und doch zweifelt die Welt wieder an sich selbst. Fährt fort zu fürchten, daß nicht alles in Ordnung sei. Sie hat Träume und Alpdrücken. Sie zittert in kaltem Schweiß. Sie ist so sicher. Und ist doch gar nicht sicher. Sie ist so fröhlich und weint doch. Alles liegt im Frieden. Und doch hat sie Heere und Flotten zum Beweise des Friedens. Sie glaubt an die Heiligkeit des Lebens. Und dann zerstört sie das Leben, um zu zeigen, wie sehr sie ihrem eigenen Glauben treu ist. Die Welt ist ihr eigenes Opfer. Sie hat ihr Problem verkehrt angefaßt. Sie hat das Kleine laut und das Große leise gesagt. Diese Welt hat große Sprüche gemacht. Sie ist nie bescheiden gewesen, wenn sie ihre Vorzüge anpries. Unterdessen haben die Menschen gekämpft und gedarbt. Dies ist eine Welt des Geschäfts. Ein Geschäft unterbietet das andre. Ein Geschäft wird gegen das andre ausgespielt. Denn diese Welt ist nicht eine Welt der Seelen. Die Seele steht demütig beim Geschäft und bittet um sein Wohlwollen. Die Welt hat jetzt genug von ihrem Reichtum gesprochen. Von ihrem physischen Mut. Sie hat solange geschwatzt, bis es die Seele ekelte. Wir wissen, was die Welt für den Leib tun kann. Für den Magen. Für das Klassensystem. Für die Gesellschaft. Für die Großen. Aber was die Welt für die Seele tun kann, wissen wir nicht. Sie hat die Seele verleugnet. Den Schmutz nimmt sie an, für leiblichen Lohn. Die ganze Zeit her hat die Seele gewartet, gewartet, gewartet. Sie war geduldig. Sie beklagte sich nicht. Sie wartete auf ihre Stunde. Ich erkläre, daß ihre Stunde jetzt da ist.

Seid eurer stolzen Zivilisation nicht allzu sicher. Glaubt nicht, daß die Verhältnisse für jeden Widerstand zu groß seien. Die Zivilisation ist eine meisterhafte Sophistin. Nichts ist groß, als die Seele. Profit ist nicht groß. Noch Lohn. Noch des Grundbesitzers Pacht. Noch des Geldverleihers Zins. Ihr rechnet daraus Millionen zusammen und sagt, das sei groß. Von allen Dingen im Weltall sind jene die kleinsten. Der geringste Ansatz zu einer Pfennig-Tugend ist mehr wert als all eure Millionen gestohlenen Lasters. Ihr seid so riesengroß. Ihr seid so riesengroß, daß euch auf allen Seiten das sündige Fett aufquillt. Die Zivilisation mit ihren wampigen Backen und ihrem feisten Hals will, daß ich vor ihr krieche und sie demütig anbete. Ich finde jedoch die Zivilisation nicht anziehend. Sie wäre schon gut, wenn ihr Soll nicht größer wäre als ihr Haben. Würden wir sie nur nach ihrem Haben beurteilen, so müßten wir sie verehren. Aber wenn die Rechnungen alle zusammengestellt sind, muß die Zivilisation ihren Bankrott erklären. Sie ist nicht ohne Kapital. Aber die Hauptsache ist verschleudert. Von einigen Partnern ist sie im Stich gelassen worden. Sie hat die Verbindung mit der sozialen Gerechtigkeit verpaßt. Sie hat immer gemeint, sie könnte die Reichen reich machen mit der Armut der Armen. Die Armut der Armen bedeute nichts. Es sei nicht die Sache der Zivilisation, für alle zu sorgen, vielmehr dürfe sie ihren parteiischen Launen nachgeben und mit dem Individuum willkürlich schalten und walten. Grillen. Schmeichelei, Zufall. Alles, nur kein Prinzip. Alles, nur das universale Rettungsmittel nicht. Die Zivilisation hat ihr Konkurrenzleben zu Ende gelebt. Sie hat den vollen Preis dafür bezahlt. Den barbarischen Preis. Sie geht am Abend zu Bett, um sich in das Elysium hineinzuträumen. Am Morgen wacht sie auf in der Gosse.

Ist das, was wir da sehen, das Beste, was die Zivilisation aufzuweisen hat? Ein besseres Symbol hat sie nicht, als den Diebstahl? Wir fragen sie: Wer ist dein Herr? Und sie zeigt uns ihre Pachterträgnisse. Sie zeigt uns die Scheine der Schuldner. Sie bringt uns Zinstabellen. Sie legt uns die Gewinnabschlüsse der Geschäfte vor. Solche Dinge sind unsre Herren, sagt die Zivilisation. Sie zeigt uns Männer, die ums Geld alles schreiben. Sie zeigt uns Künstler, die ums Geld alles malen. Sie zeigt uns einen Mann, der ums Geld jede Art von Schuhwerk herstellt. »Geld,« sagt die Zivilisation: »Geld ist mein Herr.« Die Weiber verkaufen ihren Leib um Geld, sagt die Zivilisation. Das Weib, sagt sie, ist mein Symbol. Die Männer kaufen Seelen um Geld, sagt die Zivilisation. Der Mann, sagt sie, ist mein Symbol. Die Kinder gehen von der Wiege in die Fabrik, sagt die Zivilisation. Das Kind, sagt sie, ist mein Symbol. Wer nichts tut, genießt das Leben am meisten, sagt die Zivilisation. Der Nichtstuer, sagt sie, ist mein Symbol. Ich lasse Männer, sagt die Zivilisation, und Frauen und oft auch Kinder sich zu Tode arbeiten: und die, wiederholt sie, sind mein Symbol. O ja! sagt die Zivilisation: Japan und Rußland liegen im Krieg. Japan und Rußland, sagt sie, sind mein Symbol. Ich bin eine große Sache, sagt die Zivilisation: ich habe viel Platz gebraucht; deswegen mußte die Gerechtigkeit gehen. Platz, sagt die Zivilisation, ist mein Symbol. Es ist wahr, sagt sie, daß alle Menschen mit allen Menschen im Streit liegen. Aber das, sagt sie, Streit ist mein Symbol. Zollhäuser, sagt sie. Hunger, sagt sie. Menschen, die ihre Arbeit hassen. Ueppigkeit und Schmutz, sagt sie. Das Weib die Sklavin des Mannes. Der Mann der Sklave seines Herrn, sagt sie. Die Kinder die Sklaven der Sklaven von Sklaven, sagt die Zivilisation. Fabriken. Läden. Sträflingstruppen. Imperialismus. Bureaukratismus und Korruption. Zuchthäuser. Sagt die Zivilisation. All das, sagt die Zivilisation, und mehr als das, Schlimmeres als das, die Höllen unter den Höllen, das, das, sagt die Zivilisation, ist mein Symbol.

Hier sollen wir stehen bleiben? Ist dies das Ziel der Fahrt? Ist der Hunger des Kindes das Ziel der Fahrt? Ist all diese Verwüstung das Ziel der Fahrt? Ist Haß, Groll, Streit das Ziel der Fahrt? Ist Diebstahl das Ziel der Fahrt? Sind schlaflose Nächte und schlafmüde Tage das Ziel der Fahrt? Ist der Mitmensch als Feind das Ziel der Fahrt? Hier sollen wir stehen bleiben? Stehen bleiben bei sozialem Unrecht? Stehen bleiben, wo wir jetzt sind? In diesem Laufgraben verschwinden? Niedergemacht in der Wut wirtschaftlichen Kampfes? Hier und so soll die Fahrt enden? Ist dies das beste, was der Traum von Gerechtigkeit für die Menschheit tun kann? Bei Gott, nein! Dies ist nur ein Anfang. Dies ist ein schlimmes Ende, das einem guten Anfang den Weg bahnt. Dies ist der Augenblick, wo Zeiten der Gewalttat sich in Zeiten der Liebe wandeln. Dies ist der Uebergang. Dies ist die geheimnisvolle Wölbung des Regenbogens. Hier trifft Verheißung und Erfüllung zusammen. Hier grenzt der dunkelste Schatten an das hellste Licht. Und es läuft alles darauf hinaus. Das Schlimmste kommt, ehe das Beste kommt. Und darauf läuft alles hinaus.

 

Dies ist der Augenblick, wo Zeiten der Gewalttat sich in Zeiten der Liebe wandeln.
Dies ist der Uebergang, dies die geheimnisvolle Wölbung des Regenbogens,
Hier grenzt der dunkelste Schatten an das hellste Licht:
Das Schlimmste kommt, ehe das Beste kommt.

 


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