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Es gibt keinen Ausweg.

Es gibt keinen Ausweg für dich. Du mußt Rechenschaft ablegen. Du mußt dich vor der Zivilisation rechtfertigen. Sie stellt Fragen an dich, die du beantworten mußt. Du mit deinen Millionen. Du mit deinen Tausenden. Du mit deinem Taler. Du mußt dich rechtfertigen. Die Zivilisation untersucht ihre Taler. Jeden Taler prüft sie auf Gerechtigkeit. Sie geht hinter den Namen des Talers zurück auf seinen Charakter. Du kannst der Untersuchung nicht entgehen. Es gibt keine Zugeständnisse und keine Ausnahmen. Der Privatbesitz muß sich vor der Seele rechtfertigen. Die Seele heißt Zivilisation.

Wir werden jeden Taler rein waschen. Wir wollen waschen und waschen, bis er rein ist. Jeder Taler ist uns verdächtig. Jeder Taler ist so blutig wie die Hände der Lady Macbeth. Der Privatbesitz ist mit Grausamkeit verwoben und vermischt. Wir müssen den Besitz menschlich gestalten. Der Besitz läßt heute den einen hungern, um den andern zu ernähren. Wir wollen die Eigentumsfrage so gestalten, daß niemand hungern soll und alle satt werden. Wir wollen nicht den kleinsten Wertgegenstand ungeprüft lassen. Wir wollen alles Eigentum der härtesten Anklage aussetzen. Der erste Taler des Armen, der letzte Taler des Reichen, der gestohlene Taler des Diebes, der erbettelte Taler des Mönchs, der beschmutzte Taler der Dirne, der jungfräuliche Taler der Tugend – alle müssen sie vor dieselbe Schranke kommen, sie alle müssen sich vor demselben Gerichtshof rechtfertigen, sie alle müssen vor demselben Tribunal des Herzens beichten. Es gibt keinen Ausweg. Du meinst, du könnest dich mit deinen Talern um die Katheder der Professoren in den Hochschulen, oder um die Stühle der Redakteure in den Bureaus herumdrücken. Du meinst wenn du deine Taler in die Gebete der Priester einlegen könntest, würde alles vergeben werden. Du meinst, wenn deine Taler vom Dichter gefeiert, vom Sänger besungen, vom Maler gemalt würden, könnten sie den gefährlichen Fragen ausweichen. Aber wenn der Reim gereimt, das Lied gesungen, das Bild gemalt ist, wenn die willkommenen Pausen gezählt sind, bleibt immer die Frage noch übrig, forschend, eure ummauerten Besitztümer ewig ausforschend.

So oft in der Welt eine Ungerechtigkeit auftaucht, muß jeder Taler vor dem Herzen zur Rechtfertigung erscheinen. Manche werden bestätigt, manche verurteilt, manche erlangen Vergebung. Aber Rechenschaft müssen alle ablegen. Jeder Taler in der Welt muß sich vor dem bleichen Gesicht des Kindes der Nebengasse verantworten. Jeder Taler muß sich vor den überarbeiteten Männern und Weibern verantworten und vor den Mietskasernen und den ungedeckten Tischen. Jeder Taler muß sich vor der Arbeiterschaft verantworten. Jeder Taler muß wieder zum Herzen zurückkommen und die Erlaubnis zu leben einholen. Ohne den Arbeiter kann kein Taler existieren. Ohne die Einwilligung des Arbeiters kann kein Taler müßig gehen. Ohne den Arbeiter kann kein Taler Jachtfahrten oder Bankette veranstalten oder sich mit Juwelen schmücken in der Muße des Ausbeutens. Es gibt keinen Ausweg. Ihr habt euren Luxus genossen. Jetzt wird er zurückberufen. Die Arbeiterschaft findet, daß sie zu freigebig war. Sie weiß nicht, warum sie euch im Ueberfluß sollte schwelgen und sich selbst hungern lassen. Sie hat die rosigen Wangen eurer Kinder mit den bleichen Gesichtern ihrer eigenen Lieblinge verglichen. Sie hat zuerst an sich selbst einige Fragen gestellt. Nun stellt sie dieselben Fragen an euch. Sie fordert euch auf, daß ihr über euch selbst Rechenschaft gebet. Sie verlangt, daß ihr eure höheren Gewinne begründet. Warum sollten sich die anhäufen? Was habt ihr denn getan, sie zu verdienen? Was tut ihr, ihnen Lebenskraft zu verleihen? Sie ruft euch ab von euren Vorrechten. Was habt ihr für euch vorzubringen? Anträge auf Nichterscheinenmüssen oder Unzuständigkeit werden nicht genehmigt. Stellvertreter und Anwälte werden nicht anerkannt. Ihr müßt persönlich erscheinen. Der Gerichtshof ist versammelt, um euch zu hören, ob ihr krank seid oder gesund. Ihr müßt mit dem eigenen Munde antworten. Ihr müßt selbst plädieren. Dies ist ein Gerichtshof, der kein Ausbleiben entschuldigt. Ihr dürft eure Sache nicht verschleppen. Ihr müßt eure Verteidigung führen. Ihr müßt mit jedem Taler hierherkommen und seinen Ursprung verantworten. Denn dies ist der Gerichtshof der industriellen Demokratie. Dies der Versammlungsort der Wahrheiten. Jeder Taler muß von der Gerechtigkeit beglaubigt sein. Jeder Taler, den die Gerechtigkeit nicht beglaubigen kann, ist verfallen. Hierher seid ihr geladen. Hierher müßt ihr kommen. Sprecht. Wir hören.

Eure Städte und eure Vermögen sind so groß. Und das Herz ist so klein. Und doch müssen eure Städte und eure Vermögen die Billigung des Herzens erlangen. Wenn ihr die Gunst des Herzens, welche die Gunst der Gerechtigkeit ist, nicht habt, werden eure Städte entvölkert und eure Vermögen vernichtet. Wagt ihr's, eine Stadt ohne Herz groß zu nennen? Wagt ihr's, einen einzelnen, anspruchslosen Menschen, der ein Herz hat, klein zu nennen? Nun kommt herbei, laßt uns hören, was ihr vorzubringen habt. Schaut der Arbeiterschaft ins Gesicht und sagt ihr die Wahrheit über euch. Die Arbeiterschaft ist sehr anständig mit euch verfahren. Sie hat eure Uebergriffe lange geduldet. Sie hat eure Räubereien nie geradezu übelgenommen. Ihr habt auf dem Rücken der Arbeiterschaft Königreiche und Geldstaaten aufgebaut. Die Kosten der Bildung habt ihr der Arbeiterschaft angerechnet. Jede Universität stellt eine Erpressung dar. Die Promenadewege der Muße, die von der Arbeiterschaft gebaut sind, habt ihr benützt. Von der Arbeiterschaft habt ihr jede Art von Pflasterzoll eingetrieben auf denselben Straßen, die ohne die Arbeiterschaft niemals gebahnt worden wären. Nun endlich beginnt die Arbeiterschaft zu sehen, zu hören, zu fragen. Was habt ihr vorzubringen? Es gibt keinen Ausweg.

Die Arbeiterschaft wird ihre Waffen nicht von Erdbeben und Springfluten entlehnen. Sie wird nur auf ihre eigenen Wege hinausströmen, ihre eigenen Heimstätten beziehen, ihre eigenen Vergnügungen genießen, Maß und Form ihres eigenen Willens bestimmen, und es euch überlassen, ihr auf dem einzigen Wege euch anzuschließen, der euch vor der Vernichtung bewahren wird. Die Arbeiterschaft wird nichts zerstören. Sie zerstört nicht einmal euch. Sie wird alles verwerten. Sogar euch wird sie verwerten. Die Arbeiterschaft behauptet nicht, ihr seiet unnütz. Sie sagt, ihr seid nützlich. Und um euch gegen euch selbst zu beweisen, wird sie euch benützen. Sie wird euch nicht länger müßig gehen lassen. Denn sie hat beschlossen, daß der Müßiggänger nicht mehr müßig gehen darf. Nur wer arbeitet, soll Muße haben. Die Arbeiterschaft sagt, daß ihr eure Muße haben sollt, wenn ihr sie verdient habt. Aber auf Kosten von anderen sollt ihr fernerhin keine Muße genießen. Die Arbeiterschaft glaubt, daß ihr blind und taub seid. Sie glaubt, daß ihr die Schreie der Armen nicht gehört, ihre elenden Wohnstätten nicht gesehen habt. Die Arbeiterschaft glaubt, daß wenn ihr wüßtet, woher das Uebermaß eurer Renten käme, ihr auf die Nutznießung verzichten würdet. So wird denn die Arbeiterschaft euch belehren. Die beste Belehrung für Zweifler ist Arbeit. Wer Arbeit tut, weiß was Arbeit heißt und was ihr gebührt. Es gibt keinen Ausweg.

Kommt herbei, ihr mit euren Jachten und Parfümen, ihr mit euren Ueberschüssen und Vorzugsrechten, ihr mit euren herrschaftlichen Ländereien und Palästen. Kommt, bringt eure Taler. Erklärt sie. Laßt keinen zurück. Ihr werdet alle erklären müssen. Dies ist das Gericht letzter Instanz. Anderen Gerichtshöfen seid ihr entgangen. Hier ist das ewige Auge. Hier ist das ewige Ohr. Ja, hier ist das ewige Herz. Nennt es Arbeiterschaft. Nennt es Gerechtigkeit. Nennt es Zivilisation. Gleichgültig, wie ihr es nennt. Hier ist der Ort, wo der anfangslose Gott anfängt und der endlose Gott endigt. Dies geweihte Gehege, dies heilige Freiland. Dies Tal der Frage, diese Bergeshöhe der Prüfung. Hier steht die lang gefesselte Arbeiterschaft der Welt endlich in Freiheit und verlangt, daß ihr Rechenschaft gebet. Es gibt keinen Ausweg.


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