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Ich will mitzählen.

Ich will mitzählen. Ich will nicht abseits stehen. Ich bin gerne bereit, unter der Menge zu bleiben. Ich bin bereit zu dienen, ohne daß jemand mich kennt. Die bescheidenste Arbeit in der Sache ist nicht zu hoch für mich. Die höchste Arbeit in der Sache ist nicht zu bescheiden für mich. Hier stehe ich. Ich bin bereit. Ich will mitzählen. Ob er früh komme oder spät, ich werde den Ruf hören. Ertönt deine Stimme, so wird sie mich aus dem tiefsten Schlaf wecken. Durch das Getöse des lärmenden Tages wird sie zu mir dringen. Gott wartet nicht irgendwo in der Ferne, daß man ihn anbete. Gott ist in der Sache. Und in der Sache bete ich Gott an. Die Zähler sind unterwegs. Sie machen ihre Runde und schreiben feierlich ihre Verbündeten ein. Ich will mitzählen.

Glaubst du, du möchtest übersehen werden? Glaubst du, du wärest froh, wenn in der Liste dein Name fehlte? Wir sind alle gleich. Wir sind gut und schlecht geschaffen. Wir sind so schön wie eine schöne Gottesidee und so häßlich wie ein häßlicher Teufelsgedanke. Aber trotz unsres Durcheinanders kann jeder Mensch als Einer zählen. Mehr will ich nicht zählen. Aber als Einer ganz. Und dieser Eine soll etwas bedeuten. Diesem Einen soll die ganze Ehre seines allgemeinen Amtes zuteil werden. Ich kann meine Eins gemein machen oder heilig. Ich kann sie zu einem Sonnenstrahl machen oder zu einem Schatten. Meine Sache ist es, sie zum Inhalt der edelsten Triebe zu machen. Warum sollte ich mich so nieder als möglich einschätzen? Das ist nicht Bescheidenheit, sondern Feigheit. Ich muß mich hoch einschätzen. Und meine Schätzung muß sich bewähren. Ich will mitzählen. Ich will den Sieg solch erhabener Einreihung davontragen. Ich will meinen Namen nicht obenan in der Liste. Wo er kommt, ist mir gleichgültig. Nur darin stehen muß er. Ich will zum Vorrat der Liebe der Welt gehören. Das Leben ist ein verfehltes, das irgendwo anders mitrechnet. Mich soll man nicht für innerlich tot halten. Ich will lebendig sein an Leib und Seele. Und dann mitzählen. Zum Vorrat der Liebe gezählt werden.

Wohin gehörst du, lieber Bruder? Zählst du auf seiten der Liebe? Bist du ein erlöstes Wesen, das zur Göttlichkeit der Zahl Eins erweckt ist? Oder bist du noch an einen Pfahl gebunden als eine Null im Nichts eines gleichgültigen Herzens? Ich glaube, auch du willst mitzählen. Mitzählen zugunsten der Kinder des nächsten Frostes. Zugunsten des größten Glaubens. Zugunsten der Menschheit, nicht gegen sie. Auf seiten des Fortschritts, nicht auf seiten des Stillstands. Auf seiten der Unterdrückten. Auf seiten des allgemeinen Glücks. Auf seiten des Wachstums, nicht auf seiten der Entartung. Was ist das Leben nütze, wenn es am Leben Verrat übt? Was ist das Leben nütze, wenn es mit dem Rückschritt geht? Die Entscheidung ist da. Du mußt vorwärts oder zurück. Du kannst nicht bleiben, wo du bist. Du mußt einen Entschluß fassen und dich auf den Strom der Geschichte hinauswagen. Die Menschheit rechnet die Herzen zusammen. Wird dein Herz mitzählen? Wird dein Wille zerfallen? Wird er zerteilt werden in Narrheit und Glauben? Oder wird dein Wille als eine Einheit für den Tempel gesalbt werden? Wenn du nicht Eins zählst, was zählst du dann? Du bist hohl. Du hast dich als ein leeres Gefäß zum Fest der Zukunft gebracht. Du hast den Bund gebrochen. Wirst du nur ein Brocken sein, der am Rand des Geschehens kauert? Wirst du am Wege stehen und zuschauen, wie alles getan wird – selbst tatlos? Willst du, daß die Krisis komme und du dich irgendwohin in die Dunkelheit flüchtest, zu warten, bis der Sturm vorübergefegt ist? Lieber mit der Reaktion gehen. Lieber gegen die Neue Welt sein. Lieber tapfer zurückschreiten, als wie ein Schwächling still stehen oder wie ein Feigling davonschleichen. Doch was mich betrifft, so zähle mich zum revoltierenden Fortschritt. Ich will mit dem neuen Tag vordringen. Ich will mit dem Strom schwimmen. Ich will ein Atom einfachster Erde sein, ein Tropfen gewöhnlichsten Wassers, ein nie gesehener Stern im weiten Weltraum. Aber mitzählen will ich.

Ich weiß nicht, wo die nächste Wegbiegung kommt. Aber ich weiß, daß wir nahe dabei sind. Ich weiß, daß wir das Licht schauen, wenn wir dort sind. Und ich will bei der Schar bleiben. Sind meine Füße auch wund, meine Augen müd; komme ich auch in Versuchung zu verzagen: Ich will doch bei den Pilgrimen ausharren. Ich weiß, wie das Leben, das wir hinter uns lassen, lockt. Aber ich weiß auch, daß vor uns die Gerechtigkeit ist. Das Leben von gestern lebten wir für die Wenigen. Das Leben von morgen wird für alle gelebt. Das Leben von gestern galt dem Besitz. Das Leben von morgen gilt der Menschheit. Wir fordern nicht mehr Nahrung und Kleidung. Wir fordern mehr Leben. Leben wollen wir. Ein Leben so voll, daß es von Leben überschäumt. Wenn wir Nahrung brauchen, um uns Leben zu schaffen, dann wollen wir Nahrung. Aber Leben ist es, was wir wollen. Leben für alle. Jeden Becher voll. Keiner soll darben und dürsten. Ich will mitzählen auf seiten des Lebens.

Was wird uns Leben schenken? Glaubst du nicht, daß es das Geld oder Privateigentum tun wird? Oder etwas, das um eine Entschädigung Leben verschenkt? Das Leben muß ein freies Geschenk sein. Die Gabe des Ganzen an das Ganze. Die Gabe aller an alle. Das Leben gehört allen. Halunken und Heiligen? Es gibt genug höchstes Leben für alle. Ich hoffe vom Leben, daß es sich ganz wiederfindet. Daß unter dem neuen System die Lücken sich füllen. Die geistigen Nachzügler werden alle mitkommen. Der Körper wird mit Nahrung, das Gehirn mit Gedanken, die Seele mit Träumen gefüllt mitkommen. Kein Mensch wird vorangehen auf Kosten von andern. Wer vorangeht, wird es nach dem freien Willen und als Abgesandter der andern tun. Er wird nicht sein Besitztum vergrößern. Er wird das Feld seiner Liebe erweitern. Aber es gibt irische Dinge, die nie mitkommen werden. Die Zinsen, die Profile, die Grundbesitzer, die Verkaufsurkunden, die Hypotheken, das Pfandrecht, Kauf und Verkauf – das alles wird nicht mitkommen. Ich sehe die Jagd. Ich sehe den dunkeln Pfad. Ich weiß, wir tasten umher, straucheln und werden müde. Aber wir tasten umher und wissen, daß wir einen Halt finden. Wir straucheln und erheben uns wieder. Wir werden nur müde, um auszuruhn, und ruhen nur aus, um dann weiterzugehn. Und wir sind der Wegbiegung nahe. Und dort werden wir zum Lichte gelangen. Und darum will ich mitzählen.


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