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Wirst du bereit sein?

Wirst du bereit sein? Wirst du's hören, wenn die Stunde schlägt? Wirst du am rechten Platze sein? Wirst du in bester Verfassung dort sein? Was hast du getan, um dich auf die Krisis vorzubereiten? Wenn Gefahr nahte. Und wenn die Verantwortung auf dich fiele. Wärest du ihr gewachsen? Du sagst, du überlassest das den Großen? Du wollest in der Linie dienen? Entziehe dich nicht. Du selbst bist vielleicht der Große. Wie, wenn dich der erhabene Augenblick an dem kritischen Punkt fände? Willst du der Krisis sagen, sie solle warten, solange du nach einem Retter suchest? Es ist mir gleichgültig, wer du bist. Ich fordre dich auf, dich zum Großsein zu rüsten. Ich sage, die Aufforderung kann direkt an dich ergehen. Du darfst nicht ausbleiben. Und sie kann zu jeder Minute deines Lebens an dich ergehen. Es ist deine Pflicht, in Rufweite zu sein. Es ist deine Pflicht, gerüstet zu sein. Krisen pflegen nicht nach Helden zu suchen. Sie kommen, wann und wo sie wollen. Und der Mensch, der auf dem Weg der Aufgabe steht, muß sie auf sich nehmen. Und bist du der rechte Mann, wenn die Aufgabe kommt, so wirst du ihr auch gerecht. Und bist du nicht der rechte Mann dazu, so wirst du ihr nicht gerecht. Und ich kenne deinen Glauben. Und ich weiß, daß du der rechte Mann sein willst. Und darum warne ich dich. Denn ich sehe Feuerzeichen, überall auf allen Bergesgipfeln. Und ich weiß, daß du jederzeit, von der Arbeit oder vom Spiel weg, dazu berufen werden kannst, diese heilige Verantwortung zu übernehmen. So spreche ich denn zu dir: Sei bereit. Denn die Herrgötter, deine Brüder in der Not, könnten dich rufen. Und wenn sie rufen, so mußt du ihnen antworten nach ihrem Begehren.

Es kümmert mich viel weniger, wenn ich einen andern schuldig finde, als wenn ich mich selbst schuldig finde. Was habe ich getan, mich zu der Auferstehung zu rüsten? Mit wie viel eigener Kraft werde ich in das neue Leben eintreten? Werde ich es als Reicher oder als Armer beginnen? Als Geber oder als Bettler? Wenn die Krisis morgen käme, wäre ich in der Lage, ihr zu begegnen? Die alten Theologen pflegten uns zu sagen, wir sollten immer bereit sein zu sterben. Das sage ich auch. Ich sage noch mehr. Ich sage, wir sollten immer bereit sein zu leben. Sind wir, ohne vorhergehende Warnung, bereit zu leben? Nicht für uns selbst. Für unsre Nebenmenschen. Denn unter der neuen Gottesherrschaft kann es sich kein Mensch so einrichten, daß er für sich allein lebt. Das Leben muß ein Leben in der Gemeinschaft sein, oder es ist kein Leben. Jedes Sonderleben ist unfruchtbar. Wie weit bist du für das Gemeinschaftsleben gerüstet? Für das Leben heimlichen Dienstes? Für das Leben durchschnittlicher Größe? Könntest du es morgen schon leben, wenn der Ruf an dich erginge? Oder würdest du noch deine großen Männer brauchen? Deine großen Männer hast du schon heute. Was tun sie für dich? Kannst du in der Zukunft mehr von ihnen erwarten? Jeder muß sich selbst der große Mann sein. Willst du dich noch auf Ausnahmen stützen? Willst du dich noch auf Führer verlassen? Hast du noch die Absicht, dein Geschick von Beamten und Vorgesetzten abhängig zu machen? Besitzest du nicht in dir selbst die Flamme eines glückspendenden Lebens? Nährst du diese Flamme nicht? Sparst du die Schätze auf, die am Wendepunkt der Schlacht, in der entscheidenden Stunde des Friedens, dich in stand setzen würden, den Menschen Gerechtigkeit zu erweisen, wenn sie dich rufen? Denn du mußt wissen, daß das Notsignal auch auf deinem Pfade aufleuchten kann. Ich staune, wenn ich dich die Zeit vergeuden sehe. Ich staune, wenn ich dich deinen Feind beschimpfen höre. Ich staune, daß du all diese Kraft dir nicht aufsparst. Ich glaube, du wirst sie ganz brauchen, wenn du dich bereit machen willst. Gott ist gut. Die Religion ist gut. Aber Sichrüsten ist auch gut. Vielleicht noch besser. Vielleicht wäre derselbe Gott, den du anbetest, und dieselbe Religion, die du verkündest, am besten anzubeten und zu verkünden durch die Vorbereitung aus den heiligen Ruf.

Ihr seid es so gewöhnt, unter Herren zu dienen. Ihr seid so lange Untertanen von Königen gewesen. Und von Parlamenten und Präsidenten. Und ihr habt solch falsche Scheu vor Fachleuten. Vor Männern, die reden und schreiben. Vor den bloß dekorativen Richtern gesellschaftlicher Werte. Daß ihr euch einbildet, die Führer und Fachleute würden euch begleiten, wenn ihr in das neue Leben hinüberschreitet; ihr müßtet euch immer noch von ihnen die Gesetze sozialer Organisation vorschreiben lassen. Ihr verherrlicht das Führertum. Ihr wagt es nicht, euch den Himmel als eine Demokratie vorzustellen. Wie kann ein Ort oder ein Geschehnis, das von Gebietern und Geboten abhängt, der Himmel sein? Wie ist eine soziale Demokratie möglich, deren Existenz von außerordentlichen Führern abhängig wäre? Einerlei, wer du bist. Du bist der Auserwählte. Bist du es nicht, dann ist es keiner. Die ganze Entwicklung läuft auf deine Berufung hinaus. Wenn du dich weigerst, den Ruf anzunehmen, oder wenn du ihm unvorbereitet folgst, so muß die Geschichte den Bankrott erklären, und das soziale Paradies wird unvollendet bleiben. Alles hängt von dir ab. Du bist dein eigener Atlas. Auf deinen Schultern muß das soziale Gemeinwesen ruhen. Auf deinen allein? Auf den deinen so gut wie auf den Schultern von andern. Ich glaube nicht, daß du dir der Größe deiner Aufgabe bewußt bist. Ich mache dich zur Zielscheibe meiner Vorwürfe und Herausforderungen. Wenn du den Ruf in diesem Augenblick hörtest, wärest du bereit, ihm zu antworten? Nicht wie ein Anhänger seinem Führer. Sondern wie ein Mann im Glied einem Mitkämpfer. Tüchtige Taten seien die Antwort. Denn wenn du auf jene unbefahrene See ausfährst, so segelst du ohne Führer. Du hast deine Karte, aber keine Order. Du hast keine Befehlshaber, die dir sagen, was du zu tun hast. Man erwartet von dir, daß du wissest, was zu tun ist, auch ohne Peitsche und Sporn. Wirst du bereit sein? Nützest du die Gegenwart aus zum Vorteil der Zukunft? Läßt du deinen Mut stark werden, deine Weisheit reifen? Bist du heute besser gerüstet als gestern? Wirst du morgen noch besser gerüstet sein? Ist deine Lampe mit Oel gefüllt? Dein Gehirn mit Ideen? Dein Herz mit Liebe? Wenn der kritische Tag kommt, wirst du keine Zeit haben, nach Krücken zu laufen oder Fragen zu stellen und zu beantworten. Deine ganze Ausbildung mußt du dir jetzt holen. Du hast von einer Welt ohne Herren geträumt. Der einzige Ersatz für eine Welt mit einem Herrn ist eine Welt, wo jeder Mensch sein eigener Herr ist. Bist du dein eigener Herr? Wenn du die Stimme hörst, wirst du bestürzt ausrufen: »Wartet: Ich sehe meinen Weg nicht!«? Oder wirst du sogleich frisch antworten: »Hier bin ich, bereit, und weiß, was zu tun ist«?


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