Ludwig Tieck
Abdallah
Ludwig Tieck

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Neuntes Kapitel.

Abdallah blieb lange stumm, der Mond schien blutig durch die purpurnen Vorhänge auf den Boden, im kalten Ernst saß Omar neben ihm.

Omar! rief endlich Abdallah, von der entsetzlichsten Angst und Verzweiflung gefoltert, – Omar! er umschlang ihn wüthend mit den Armen. – Alles, alles ist fort, nur du bleibst unauflöslich mein, ja, du hast es mir geschworen, – du liebst den Vatermörder noch, – o ja, du kannst ihn nicht hassen. – O könnt' ich mich stürmend in deinen Busen drängen und dort meine Wohnung bauen, und in dir mich gegen alle diese Schrecken verschanzen. – Könnte sich meine Seele in 239 die deinige retten! – du antwortest nicht, mein Omar, – o sprich! – horch! wie entsetzlich die Todtenstille um uns flüstert! – sprich!

Omar lachte laut auf, Abdallah bebte zurück. –

Du lachst? – schrie er wüthend, – Omar, komm, wir wollen uns beide wahnsinnig spielen und mit den Nägeln unsre Gesichter zerkratzen, damit ich mich im Spiegel nie wieder kenne! – Omar, willst du deinen Freund nicht schützen?

Suche Schutz beim Schicksal und bei Gott! sagte Omar lachend.

Du hast sie mir gestohlen! rief Abdallah aus, gieb mir mein Eigenthum zurück! –

Er stürzte auf Omar zu und ergriff ihn wüthend bei der Brust.

Ich kann es dir nicht wiedergeben, antwortete Omar kalt, ich gehöre Mondal an. –

Abdallah stürzte mit neuen Schrecken rückwärts. – Mondal? schrie er, – o so ist es dennoch alles wahr? – Mondal!

Er saß starr und leblos da, alle Fürchterlichkeiten hatten seine Kräfte erschöpft. –

Itzt mußt du alles wissen, sprach Omar, diese Quaalen hab' ich dir bis zuletzt aufgespart, damit du nicht darben dürftest. – Wisse, ich war es, der Ali Selim's Verschwörung verrieth, meine Abreise war eine Lüge um dich und Selim zu täuschen. – Mondal! meine Rechnung ist richtig und ich bin frei!

Abdallah wand sich in zuckenden Krämpfen, es zermalmte seinen Busen und er konnte lange nicht sprechen. – Du hast es meisterlich vollbracht, sagte er endlich, ich möchte dir verzeihen, wenn ich es nicht wäre, der zum 240 Abdallah verdammt worden ist; o wechsle mich mit dem elendesten Gewürme aus, und ich will jauchzen. – Sogar der armseligste Trost fehlt mir, mich zu laben, es ist auf dieser Erde kein Elenderer als ich; der gefolterte Sklave, der gespießte Verbrecher würde sich nicht gegen den glücklichen Gemal Zulma's austauschen lassen, o könnte mir die Wonne werden, daß ich ein Bösewicht würde, der unter Millionen Quaalen auf der Folter in Stücken gerissen würde, und nicht dieser Abdallah. –

Omar sahe triumphirend auf ihn hin: – Es war keine leichte Arbeit, sagte er, diese schöne Seele so zu verstümmeln.

Abdallah fuhr auf. – Erinnere mich daran nicht, schrie er mit den Zähnen knirschend, Hämischer! nicht diese Erinnerungen! – Omar, sieh wie weit du mich in den Abgrund hinabgerissen hast, laß mich nun ganz hinunterspringen! – Du gehst zu Mondal zurück, o nimm mich mit dir, laß mich nicht zurück, – ich muß ihn kennen lernen und sein Freund werden, ich will ihm bald ähnlich sein, meine Prüfung habe ich schon überstanden.

Er blickte matt empor. – Omar war nicht mehr da, ein unbekanntes gräßliches Wesen saß neben ihm. – Abdallah stürzte wie eine Leiche zurück. –

Das hagre Gesicht beugte sich fürchterlich auf ihn herab. – Elender, krächzte es, – dies ist Omars wahre Gestalt, wenn er die lästige Larve abnimmt, – so kannst du ihn ewig nicht ertragen. –

Abdallah lag noch ohne Bewegung auf dem Polster. –

Es hob sich neben ihm auf, ging zur Thür, er hörte sie öffnen, der Fremde ging hinaus und schloß sie hinter sich wieder zu. – 241

 


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