Ludwig Tieck
Abdallah
Ludwig Tieck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Kapitel.

Abdallah hatte geendigt und stand langsam auf. – Ha! rief er fürchterlich, welch ein bleiches Feuer schlägt über mir zusammen und nagt an meinen Gebeinen? – Warum sieht das richtende Schicksal aus tausend glühenden Augen so fürchterlich auf mich herab?

Abdallah, sprach Omar und ging ihm näher, 68 Abdallah, der Mondschein umgiebt dich und die Sterne flimmern über dir.

Der Mondschein? Die Sterne? O sie sind auf ewig untergegangen! – Sie werden mich nicht wieder grüßen, – dann ging Abdallah zu Omar, und sagte zu ihm leise und langsam: Omar! bewahre mich vor Wahnsinn!

Was hast du gesehen? fragte ihn Omar.

Abdallah stand in Gedanken und schwieg, bis sich das wilde Keuchen seiner Brust sich etwas besänftigt hatte, dann sprach er:

Ich stieg in die Kluft hinab wie ein Träumender, der laute Donner der zusammenspringenden Felsen weckte mich aus meinem Taumel. – Ich tappte unendliche kalte, feuchte Wände hinab, ein fürchterliche Stille ging vor mir her, ich hörte in der entsetzlichsten Einsamkeit nichts als das Wehen meines Athems, der sich die Mauer hinabschleifte und das Dröhnen meiner Tritte. – Meine Zähne klapperten vor kaltem Schauder, und ein Grausen setzte mir die Hände in den Rücken und trieb mich weiter. – Plötzlich kam es nur wie ein Heereszug entgegen, mit Trommeten und Paukenwirbeln, wie einem Sieger, der in seiner Heimath empfangen wird. – Donner wälzten sich durch die hallenden Gewölbe, Waldströme stürzten sich rauschend herab, und ein Hohngelächter borst mir von allen Seiten entgegen. O es war ein Gewirre, das jeden meiner Sinne betäubte und zu neuen Schrecknissen wieder weckte. – Oft schwieg es und wie Flöten und Nachtigallengesänge flüsterte es über mir und weckte hämisch die Erinnerung meiner Kinderjahre in meinem innersten Herzen, – und plötzlich brachen dann wieder die 69 Donner und Siegestöne hervor, und das Hohngelächter schallte von neuem und jagte meine Seele zur Verzweiflung. –

Itzt versank und erlosch alles wieder rund umher und die Einsamkeit und Stille streckten sich wieder vor mir aus, tausend Schrecken flogen um mich herum und saußten mit kaltem Fittig um mein Haupt. – Eine nasse Felsenwand stand vor mir, – ich tappe zur Seite – unerbittlich streckt sich mir ein Fels entgegen, – ich stürze rückwärts, – auch dort der Weg durch eine Klippe verriegelt.

Ich warf mich nieder, ich zerfleischte mein Gesicht, mein Gebrüll sprang fürchterlich von den Felsen zurück, ich verfluchte mich und dich und betete von neuem in noch gräßlichern Verwünschungen. – Plötzlich wehte es wie ein Wind über mir hin, es flüsterte und zischte und aus dem Felsen leuchteten sanfte Schimmer. – In mannichfaltigen Verschränkungen webten und flutheten sie in tausend Farben zusammen, die Strahlen schossen hin und her und leckten die Felsenmauer und rollten sich dann in eine große Flamme. Aus der Flamme streckte sich langsam ein weißgebleichtes Todtengebein hervor und steckte kalt und klappernd an meinen Finger einen Ring, dann ging die Hand wieder in den Schein zurück. – Itzt fuhr das Feuer wüthend auf und ab und ein heller Sonnenschein sprang plötzlich aufrecht und stieß mit dem Haupte an die Felsendecke, und itzt sah' ich – o wären meine Augen ewig verblindet! – Hätte vor dieser Stunde mich der Todesengel mit seinem Schwert geschlagen, – ich sahe, – o verflucht, dreimal verflucht sei die Stunde meiner Geburt! – den Leichnam meines Vaters, fürchterlich geschwollen 70 und mit entstellten Zügen und die scheußliche Hand reckte sich noch einmal hervor und zeigte auf ihn hin. –

Der Schein versank, die Felsen sprangen krachend auseinander und das schauderhafte Getön kömmt mir wieder schneidend entgegen, wie ein Heer von bösen Engeln, die in gräßlicher wüthender Schadenfreude mit den Höllenpauken die Verdammten begrüßen, – das Hohngelächter trat mir wieder frech entgegen, ach! und hinter mir schleppte sich das fürchterliche Bild meines gemordeten Vaters, als wenn es die Hand ausstreckte, mich festzuhalten, – ich flohe mit kalten Schweißtropfen auf der Stirn, bis mir endlich das verworrene Getöse nur wie aus tiefer ungewisser Ferne nachtönte. – Ich ging durch hundert Gewölbe, ich drängte mich durch unendliche Klüfte, wand mich durch tausend Felsenspalten kalt und ohne Leben hindurch, – und immer weiter dehnte sich mein Weg, ich schrie um Hülfe, mein Geschrei erklang durch hundert gewundene Oeffnungen und verhallte wie der Wind in der Ferne,.– ich stürzte durch neue Felsengemächer und alle meine Klagen kamen ohne Trost zu mir zurück. – Schon verließen mich meine Kräfte, schon wollt' ich mich verzweifelnd niederwerfen und lebendig eingegraben ein Dasein enden, das mir nur Qualen verhieß, – als ein mächtiger Donner die Erde über mir auseinander riß. – Dem gräßlichsten aller Tode entronnen stürzte ich der Rettung und dem Lichte entgegen und dankte.

Abdallah schwieg und ein neuer Schauder ergriff ihn. – Omar! Omar! schrie er plötzlich aus. – Sieh! sieh! da liegt das bleiche, fürchterlich verzerrte Bild und sieht mich mit den todten Augen an, – o warum hast du es nicht in die Kluft zurückgeschleudert, und sie dann auf ewig. auf ewig verschlossen!

71 Omar antwortete nicht und sah ihn wehmüthig an. – Abdallah stand lange und starrte auf einen Punkt, dann fragte er ohne sich umzusehen: – Nur meines Vaters Tod kann mich glücklich machen?

Das Schicksal hat es ausgesprochen, das fürchterliche Wort, antwortete Omar.

Beide gingen langsam und schweigend zur Stadt zurück.



 << zurück weiter >>