Ludwig Tieck
Abdallah
Ludwig Tieck

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Zweites Kapitel.

Die Verschwornen hatten sich in dieser Nacht wieder in dem Pallast Selims versammelt und man war itzt im Begriff, heimlich auseinander zu gehen. – Der morgende Tag, sprach Selim, ist also zur Ausführung 90 unsers großen Entwurfs bestimmt? – Ihr habt es selbst beschlossen, es sei. – Das Glück geht uns entgegen und reicht uns zu unsrer Unternehmung die Hand.

Am folgenden Tage ward im Pallast des Sultans ein großes Fest gefeiert, zu dem schon alles bereitet war. Der ganze Pallast war dann in Freude und Lust berauscht, fast jedermann hatte dann Zutritt, die Wachten vernachlässigten ihr Amt und auf dieses Fest hatten die Verschwornen ihren Anschlag gegründet. – Man hatte Selims Freunde und Sklaven in dieser Nacht gerüstet, alles stand bereit zu dem furchtbaren Schlage, einem jeden war zu diesem großen Augenblick sein Amt angewiesen, Rüstungen und Harnische erklangen dumpf in den stillen Gewölben und durch die Einsamkeit der Nacht, Erwartung stand auf jeglichem Gesicht, alle Seelen waren stark wie die Sehne eines Bogens angezogen, schon zitterte der Pfeil, losgeschnellt nach seinem Ziel zu fliegen.

Seht! rief Selim, schon wankt die graue Dämmerung des Tages herauf, schon drängt sich ein bluthrother Streif hervor und erinnert uns an unsre Unternehmung. – Seid ihr es noch itzt zufrieden, daß heut der große Wurf gewagt werde?

Alle bejahten es einstimmig, nur Abubeker lehnte sich stillschweigend an die Mauer.

Nun dann, rief Selim aus, so sind wir frei!

Ich schwieg in eurer Versammlung, begann endlich Abubeker, denn die Menge hätte mich doch überstimmt, aber itzt laßt mich sprechen und handelt dann nach eurem Willen. – Diese Nacht war fürchterlich, ein kaltes Grausen nach dem andern ist meinen Rücken hinabgeschlichen – mögt ihr mich doch einen thörichten 91 Greis nennen, den das Alter wieder in die Kindheit zurückgeführt hat. – Als Omar von uns Abschied nahm und aus der Thür ging, hörtet ihr da nicht aus der Ferne ein Gelächter, das mein Blut in Eis verwandelte? – Hörtet ihr nicht über dem Pallast ein Gekrächz von Raben, die über uns, als ihre Beute hinwegflogen? Die Eulen winselten um das Dach und Hunde heulten vor der Thür, als wäre das Haus mit Leichen angefüllt. – Mir war, als sähe ich schadenfrohe böse Geister mit höhnischen Gesichtern durch die Spalten der Thür sehen und einen schwarzen Strich durch unsern Anschlag ziehen, der Todesengel hat uns in sein Buch eingezeichnet, sein Schwert liegt auf den Wink des Schicksals bereit. –

Der Morgen stieg in Säulen von Dampf empor und ein gedrängtes Heer von Raben flog krächzend von Osten her, und flatterte von neuem über das Dach des Pallastes. –

Seht! rief Abubeker, – da steigt die Unglücksvorbedeutung von neuem herauf! Diese Vögel des Todes krächzen uns noch einmal unser Schicksal entgegen. Der heutige Tag sträubt sich unwillig unter der Last, die wir auf ihn legen wollen; wartet auf einen günstigeren, wo uns das Glück seine holden Zeichen entgegensendet. –

Die ganze Versammlung sahe auf Selim, der itzt zu reden anfing:

Ihr tretet alle ungewiß zurück, von einer schwarzen Ahndung hart angeredet, ihr werfet zaghaft euren Vorsatz von euch und entflieht, und ihr glaubt, daß auch ich zu euch hinübertreten werde und dem großen Entwurf Lebewohl sage. – Abubeker, du hast das Blut 92 aus allen Wangen gejagt und die Furcht sitzt auf derselben Stelle, auf welcher der Muth vorher thronte. Ha! wessen Auge darf sich anmaßen, in die Geheimnisse der Natur zu schauen und ihre Winke zu deuten? Wer versteht die räthselhafte Schrift, in der der Ewige der dienstbaren Welt ihre Gesetze schreibt? Sie enträthseln wollen, heißt nicht den tiefen Sinn verstehen. Deine Aengstlichkeit hat hier geirrt, Abubeker; welches kühne und große Unternehmen wird erst auf die Einwilligung ungewisser Vorbedeutungen warten? Wer könnte handeln, wenn Thiere erst seinen Vorsatz bestätigen müßten? Ward der Mensch darum über diese Wesen gesetzt, um vor ihnen zu zittern? – Und laß diese Vorbedeutungen selbst Wahrheit sagen, laß die Hunde der Nacht um unsern Leichnam heulen, muß darum unser Unternehmen nicht in Erfüllung gehen? Wenn wir nun zugleich mit Ali sterben, so sind wir nicht unglücklich, denn unser Tod macht unsre Freunde glücklich. – Was werdet ihr bei den Gefahren thun, wenn ihr schon vor der dunkeln Ahndung der Gefahr zurückzittert? – Kein so begünstigender Tag als der heutige wird uns wieder entgegengehn; unverzeihliche Trägheit ist es, wenn wir unsre Arbeit stets von einem Tage zum andern uns selber aufbewahren, euer Muth erkaltet, der Sultan wird von unserm Vorhaben benachrichtigt, und dann erst haben diese unglücklichen Vorbedeutungen Wahrheit gesprochen. Wenn das Schicksal uns zürnt, so ist es mir erwünschter, noch heute seinen Zorn zu erfahren, als unter ängstlichen Erwartungen zu leben.

Abubeker selbst stimmte ihm etwas unwillig bei und die übrigen folgten seinem Beispiel. – Man beschloß 93 am Abend mit gewaffneter Hand in den Pallast zu dringen und Ali und sein Gefolge niederzumachen. – Alle warteten ungeduldig auf die ersten rothen Streifen des Abends.



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