Ludwig Tieck
Abdallah
Ludwig Tieck

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Drittes Kapitel.

Fürchterliche Gedanken warfen in der Nacht Abdallah hin und her, sein Auge starrte in die Finsterniß hinaus. Gräßlichkeiten zogen durch seinen Busen, Schauder jagten sich durch seine Gebeine, er wünschte mit Sehnsucht den Tag, die Dunkelheit um ihn her machte seine Seele noch schwärzer, oft schleppten seine heißen Wünsche seine sanftern Gefühle in Ketten hinter sich, oft riß sich sein Gefühl wieder los und rang seine Wünsche nieder. Er schien in zwei feindselige Wesen zerrissen, die unermüdet gegen einander kämpften.

Endlich erschlafften alle seine Kräfte, in seiner müden Seele starben alle seine Wünsche und Hoffnungen aus, gewaltsam schloß er in der Ermattung mit sich selbst einen Frieden.

Er sprang von seinem Lager auf, als kaum die erste graue Dämmerung des Tages die Schatten spaltete. Selim schlief noch und Abdallah verließ die Hütte. Er ging schnell unter den Bäumen auf und ab, er athmete die frische Luft des Morgens ein und wollte gewaltsam alle Gefühle von sich abwälzen, die ihn, wie lebendig eingegraben gleich Steinen drückten, aber er schlug vergeblich gegen die Mauern der Grube, kein Strahl des Tageslichtes wagte sich hinein.

Omar näherte sich ihm itzt und beide gingen schweigend auf und ab; Abdallah scheute sich, seinen Freund einen Blick in die Wüste seiner Seele thun zu lassen.

Was wühlt in deinem Innern so gewaltig? begann Omar, in der Nacht hört' ich dich seufzen. – Was ist dir, mein Abdallah?

169 Abdallah schwieg noch. – Nein, rief er plötzlich, – meine Seele ist zu schwach für diesen ewigen Streit! – die menschliche Natur erliegt dieser Gewalt, ich bin endlich müde und will mich selbst besiegt zu Boden werfen. – Er ergriff Omar's Hand. – Ja, Omar, höre das Gelübde, das ich vor dir ablegen will, – ich will, ich muß Zulma entsagen, mein Vater bleibe mir und Zulma gehe mir verloren; ich ward geboren, um den Becher des Glückes nicht zu kosten, ich willige in diese traurige Nothwendigkeit. –

Omar. Und was hat dich zu diesem Entschluß gebracht, der dir alle deine Hoffnungen kostet?

Abdallah. Meine Menschheit, – o! ich bezahle sie mit dem kostbarsten, was ich besitze, vielleicht weit über ihren Werth, denn ohne Zulma ist mir die Welt ausgestorben; ich entsage der höchsten Seligkeit auf ewig, das Gefühl der Liebe wird nie in meinem Busen wieder aufwachen, nur ihre Schmerzen bleiben mir auf immer zurück.

Abdallah erzählte seinem Lehrer itzt, was er gestern in der Stadt gesehn habe. – Diese Erinnerung, fuhr er dann fort, hat mir diese Nacht schlaflos gemacht; wenn ich die Augen schloß, weckten mich Ungeheuer durch Zuckungen auf, – o Omar, Omar, giebt es auf der Erde ein Wesen, das sein Elend mit dem meinigen messen könnte?

Omar. Und Abubekers Tochter wird deine Gattin?

Abdallah. Niemals, das Schicksal nimmt mir Zulma, aber kein andres Weib soll auch jemals in diesen Armen ruhn, diese Freiheit wird mir noch bleiben. Nein, ich will den Schwur nicht brechen, den ich zu Zulma's Füßen schwur. – Jeder Freude, jeder 170 Hoffnung sage ich Lebewohl, mit meinem Elend will ich in die Wüste ziehn und dort das Morgenroth mit meinen Thränen begrüßen und den Abend mit Klagen rufen, Seufzer sollen meine Sprache werden und die Wehmuth meine Gespielin. – Ja, Omar, dieses Glück ist mir noch übrig, diese Freude ist die einzige, die mir nicht kann genommen werden.

Omar. Auch nicht durch deines Vaters Gebot? – Er will, du sollst der Gemal Roxanens werden.

Abdallah. Nein, das kann er nicht wollen, wenn ich ihm dies Opfer bringe. Nein, ich komme ihm entgegen, o er wird es auch thun, er ist ja mein Vater, er liebt mich ja so wie ich ihn liebe: Zulma kann nicht meine Gattin werden, und Roxane soll es nicht. –

Omar. Und dann wirst du in deiner Einsamkeit mit leerem Herzen glücklich sein? –

Abdallah. Ich glaube es itzt, und wenn ich es nicht kann, so will ich es wenigstens glauben. Alle meine Hoffnungen lasse ich dann in der Welt zurück, dem ersten Thoren will ich sie schenken, nur meinen Schmerz und die schönen Erinnerungen nehme ich mit mir. –

Omar. Wenn aber dein Vater auch zu diesem Glück nicht seine Einwilligung gäbe?

Abdallah. O, er kann es mir ja nicht beneiden; er ist nicht grausam. – Ich will itzt gleich zu meinem Vater gehn, er soll mir mein voreiliges Versprechen erlassen. – Dann geh ich aus der Welt und eine geräumige Höhle wird meine Wohnung, Bäume und Thiere sind meine Gesellschaft, ach, nach und nach werd' ich vergessen, was ich verloren habe, in der 171 Gesellschaft meines Kummers werd' ich zum Greise, und erzähle mir dann zum Abendzeitvertreib, wie ein geschwätziges Kind, meine Leiden selbst. – Nicht wahr, Omar? die Zeit legt Balsam auf jede Wunde? wir werden uns nach Jahren selber unkenntlich, was mir itzt Thränen auspreßt, darüber kann ich einst vielleicht lächeln? Endlich ermüdet die Quaal an mir und geht verdrossen hinweg, die Stunde durchläuft ihren Kreis und wir stehn an der schwarzen Pforte, und alles was wir litten, alles worüber wir uns freuten, liegt wie Schaum des Meeres hinter uns, dann erst sehn wir, daß wir nur nach Schatten griffen, wie Kinder, die die Hand nach dem Morgenroth ausstrecken und den fliehenden Regenbogen haschen wollen. – Alles ist in mir gestorben und wird nie wieder aufleben, die Flammen meiner Seele sind ausgelöscht, mein Busen ist Eis. Zulma ist todt, meine Liebe ist verschwunden, und was sonst in diesem Herzen brannte, das hast du erstickt, – nein, zürne nicht, Omar, ich verlange es nicht zurück, unter Felsen und verdorrten Wäldern brauch' ich nicht ein Mensch zu sein, was nützt mir dort die Tugend und der Glaube an Gott? Ich will mich auf ewig von der Menschheit losreißen und mit den Thieren verbrüdern. Ja, Omar, ich gehe zu meinem Vater.

Er kehrte schnell in das Zimmer zurück. Selim war noch nicht erwacht, und Abdallah kniete vor sein Bette und betrachtete aufmerksam seinen Vater, der süß lächelte, in holdselige Träume verloren. – Nein, sagte er leise, – jene Gedanken, die sich in der Nacht zu mir hinanschlichen, sind verflucht, – Gott! Wie konnt' ich sie nur denken, ohne mich zu verabscheuen? – diesen Greis, der mein Vater ist, – diesen, – nein, ich 172 mag es mir selber nicht gestehn. – Nein, dazu bin ich nicht in die Welt getreten, noch ist Rettung möglich, noch ist nicht die letzte Oeffnung zugefallen, durch die ich aus dem Felsenschlund entrinnen kann. – Wie sanft er schläft! – Wie er mich auch im Schlaf anlächelt! – Seine Vaterliebe fühlt die Nähe des geliebten, des einzigen Sohnes, – als meine Mutter gestorben war, war ich es, der ihn an das Leben festhielt, und ich! – Nein! die Hölle mag sich einen andern Zögling suchen,– meine Seele findet hier noch einen Ankergrund!

Der Vater erwachte und sahe Abdallah neben sich. – Was will mein Sohn? fragte er.

Abdallah küßte ihn und umarmte ihn glühend. – O Vater! rief er aus, – kannst du deinem Sohne eine Bitte abschlagen, die einzige, die letzte, die er von dir erflehen wird?

Selim. Was kann der arme Selim noch besitzen, das seinem Sohne nicht auch gehörte? – Doch nein, Abdallah, – mein Vermögen sind Thränen und Jammer, dies werde dir nicht.

Abdallah. Gieb mir deinen Segen, Vater. –

Selim legte die Hand auf das Haupt seines Sohnes.

Abdallah. Nein, Vater, ich will dich nicht täuschen, segne mich, wenn ich dir meine Bitte gesagt habe.

Selim. Sprich, mein Sohn, warum gehst du diesen Umweg zum Herzen deines Vaters?

Abdallah. O mein Vater! – Wenn du mich liebst, wenn dein Sohn nicht von dir gehaßt wird, o so nimm jenen Fluch zurück, mit dem du mir einst drohtest. – Abubekers Tochter kann nicht meine Gattin werden. –

173 Er bedeckte mit den Händen das Gesicht und warf sich nieder, Selim sahe starr auf ihn hin. –

Sie kann nicht? – fragte er kalt, – und was hat der Sohn an dem Willen seines Vaters zu tadeln?

Abdallah. O nicht diesen Ton, der mich verurtheilt, sprich gütiger mein Vater, oder ich muß verzweifeln! –

Selim. Du verlangst Güte, wo du mir nur Trotz giebst? Auch gegen den ungehorsamen Sohn soll ich zärtlich sein?

Abdallah. Nein, ungehorsam schelte mich nicht, – kein andres Mädchen soll meine Gattin werden, aber auch Roxane nicht. – Nur widerrufe jenen Fluch, Vater, wenn du nicht meine Verzweiflung sehen willst! –

Selim. Ich widerrufe nicht.

Abdallah stand auf und sahe ihn mit einem festen Blicke an. – Vater! rief er aus, an diesem Fluch hängt das ganze übrige Glück meines Lebens, meine letzte Tugend, mein Schicksal jenseit dieser Welt! – Widerrufe, Vater, du sollst, du mußt es, – o ja und du wirst es auch. –

Selim. Nein. In dreien Tagen wird Roxane deine Gattin, oder alle Verwünschungen, die ein Vater für seinen ungehorsamen Sohn vom Himmel herabflehen kann, fallen auf dein Haupt.

Ich kann nicht, sagte Abdallah kalt und langsam. – Du liebst mich, ja, Vater, – o wie wenig kostet dich diese Zurücknahme, – ach! und wüßtest du, wie viel sie mir gälte!

Selim. Zurück, Ungehorsamer! ich widerrufe nicht, das schwör' ich beim Himmel und der Pracht seiner Sonne! – Mein Wort kann ich nicht brechen, 174 das ich Abubeker gab, um die thörichten Launen eines Jünglings zu befriedigen, der seinem Vater trotzen will.

Abdallah warf sich wüthend nieder. – Du schwörst? rief er heftig. – Nun so schwör' ich hier auch beim Grabe des großen Propheten, beim Himmel und allen seinen Engeln, daß Roxane nie, nie, nie meine Gattin wird! –

Selim stand zornig auf. – Ich habe keinen Sohn mehr! sprach er heftig. – Ist das die Sprache, in der ein Sohn zu seinem Vater sprechen muß? Glaubst du mich durch Trotz zu beugen? O hier stoßen Felsen auf Felsen, ich wanke nicht in meinem Vorsatz. – Du hast den Sohn verläugnet, nun so will ich denn auch den Vater verläugnen! – Ich werfe meinen Fluch auf dich hin und mit Centnerlast möge er dich drücken. – Alles Unglück jage hinter dir dreimal Verfluchten her, der Himmel wende sein Angesicht von dir ab, wenn die Hölle nach dir die Arme ausstreckt; wenn du am Busen der Geliebten liegst, so fresse ein kaltes Grauen das Mark deiner Gebeine, in der Einsamkeit liege der Leichnam deines Vaters vor dir, den dein Ungehorsam zum Grabe reif macht; von Gewissensangst gefoltert, von allen Schrecken zum Leibeigenen erkauft, stirb unter Krämpfen und Verzuckungen.

Abdallah. O wirf nur Fluch auf Fluch, der Ewige hat mich schon seit der Geburt verflucht, dein Höllensegen findet nichts mehr zu vollenden. – Ha! so spricht ein Vater zum einzigen Sohn? dies ist die Einsegnung, die er mir auf die große Reise giebt. – Wer soll mich segnen, wenn der Vater mich mit diesen Flüchen verwünscht?

Selim. Fort aus meinem Angesicht! Du hast 175 meinem Unglück die Krone aufgesetzt! – Du gehörst mir nicht mehr! Ich hasse deinen Anblick! hinweg! daß ich nicht versucht werde, dir noch mehr zu fluchen!

Er verließ das Zimmer wüthend.

Nein! schrie Abdallah, mir soll keine Rettung bleiben! Ich steh in der Verdammniß eingekerkert, und mein Vater selbst nimmt den Schlüssel zur Pforte und wirft ihn auf ewig in's Meer; nun ist keine Befreiung möglich, die Hölle streckt den Arm über mich aus und läßt mich nicht entrinnen! – Er warf sich ohne Bewußtsein in einen Sessel und Omar trat herein. – Er sahe lange den Jüngling mit forschendem Auge an: Hat er deine Bitte erhört? fragte er besorgt.

Abdallah. Du siehst dies Kochen meiner Brust und fragst noch? O! wann könnte mir auch eine Hoffnung in Erfüllung gehn, wäre sie auch so armselig, daß sie der Bettler auf seinem Wege liegen ließe! – Ich darf nur wünschen und tausend Stimmen schreien: Nein! in meinen Wunsch. – Das Schicksal hat mich unter Millionen zu seinem grausamen Spiel erlesen. – O warum ward ich ein Mensch geschaffen?– Warum mußte ich hinter dem Vorhang hervorgestoßen werden, um den Zuschauern zum Gespött zu werden?

Omar. Und dein Entschluß?

Abdallah. O was kann ich noch wollen? – Welchen Entschluß kann ich noch fassen? Selbst das Elend, das ich mir wählte, ist keine Freistätte mehr für mich; wohin ich auch fliehen will, hält mich ein Abgesandter der Verdammniß fest, die Erde stürzt unter mir ein, jede Scholle, an der ich mich empor arbeiten will, giebt treulos nach, – was kann ich anders als mich dem Verderben überlassen?

176 Omar ging mit großen Schritten auf und ab, seine Augen funkelten, seine Mienen drohten fürchterlich. – Ha! rief er endlich aus, – dies ist der zärtliche Vater, der seinen Sohn so innig liebt! – Worte sind seine Liebe, unbarmherzig läßt er den Sohn an diesem ehernen Eigensinn verbluten! Kalt läßt er ihn liegen und sterben, hat er doch seine Vaterrechte behauptet!– Und dieser Grausame nennt sich meinen Freund! – Wie kann er ein Freund sein, da er kein Vater ist? Liebe ist ihm fremd, seine Tugend ist Trotz, Eigensinn seine Standhaftigkeit! – Ich kündige ihm meine Freundschaft auf, wer meinen Abdallah haßt, den hasse auch ich, Selim ist aus meinem Herzen gestoßen, ich will seinen Namen aus meinem Gedächtniß reißen! – Dir auch dieses Glück nicht zu gönnen! – Diese Hölle war ihm noch zu schön für seinen Sohn, er hat härtere Strafen für ihn ersonnen. – Die Liebe sei verwünscht, mit der ich einst sein Freund war, für dich geb' ich die feindselige Welt verloren, was liegt mir an diesem Selim? –

Abdallah. O wär' ich nicht Selims Sohn, o dann, dann wär' ich glücklich! – Aber boshaft weht mir das Schicksal alle Unmöglichkeiten zusammen! Nur für mich wird alles angeordnet zum fürchterlichen Scherz. – O könnt' ich den Sohn verläugnen, dann würde Selims Eigensinn bestraft werden können,– aber, – es kann, es darf nicht sein!

Omar. Du wolltest ihn verloren geben, um Zulma zu gewinnen. Seinen Eigensinn gegen deine Liebe. – Er sollte dir eine Verschreibung werden, durch die du einen Schatz einlösetest, der dich auf ewig vor dem Mangel sicherte? Ha, Abdallah, nein, nein, es kann, 177 es darf nicht sein! – Die Tugend, die Pflicht, – o wer kann es alles nennen, was dich von diesem Gedanken zurückreißt? –

Abdallah. O ich schmachte nach andern Speisen, ich bin mit Grausen gesättigt. – Führt mein Pfad zur Hölle, o so ist es besser durch einen kühnen Sprung, als durch Umwege dahinzukommen. Aber noch spricht eine Stimme in mir, die mich Sohn nennt, die laut um Hülfe schreien würde, wenn ich sie ersticken wollte, hundert Gefühle sind mit diesem Ton verbunden. – Das Entsetzen der Natur wäre in den Abdallah verkleidet, wenn ich so sehr alles vergessen könnte, was den Menschen zum Menschen macht.

Omar. Nein, du darfst dich nicht von ihnen losreißen, verachte sie, nur halte dich treu in ihrer Mitte; o dürftest du nicht die Freiheit, ein Mensch zu sein, mit allen Schätzen dieser Welt bezahlen! – Ja, die Unmöglichkeit stellt sich fürchterlich vor den Eigensinnigen hin und beschützt ihn unverwundbar, – aber Abdallah! sorge auch bei Tage und in der Nacht, wachend und schlafend, daß niemand die Wohnung deines Vaters entdecke und ein Sklave den Preis erringe, nach welchem du strebtest. –

Abdallah. O, ehe ich Zulma in eines andern Armen sehe, ehe –

Omar. Ehe?

Abdallah. Will ich sterben. –

Omar. Dann hast du die Leiden der Welt abgeschüttelt, aber keine der hiesigen Freuden geht mit dir. –

Abdallah. Ach, Omar, dann bin ich todt und die Welt nennt mich tugendhaft. – Doch wenn mir Gedanken folgen, wohin keiner unsrer Erdengedanken 178 dringt, – ach Omar, – werden mir dann nicht Freuden begegnen, die ich itzt nicht begreifen kann? – Kann ich itzt wünschen, was ich nicht begreifen kann? – Nur der Thor und der Verzweifelte tauscht ein gewisses Gut gegen ein ungewisses aus und glaubt zu gewinnen.

Omar. Und wenn nun unsre Rechnung hier unten schon völlig geschlossen würde? Wenn alle Anweisungen auf jenseit falsch und untergeschoben wären, und wer wird sich für ihre Aechtheit verbürgen? o dann – doch zurück von diesen Trostlosigkeiten! nein, Abdallah, ich habe dir nichts gesagt. – O, Abdallah; was hast du dann gegen deinen großen Verlust gewonnen?

Abdallah. Ich habe mich selbst verloren und das ist für den Elenden Gewinns genug. Dann drückt mich kein Gefühl und kein Gedanke quält mich, ich liege im kühlen Bette, von der Vergessenheit auf ewig zugedeckt, kein Morgenstrahl erweckt mich, keine Abendsonne bescheint mich. Alle Martern suchen mich dann vergebens auf, sie finden mich nicht; in den mütterlichen Armen der Erde gehalten scheucht die Zärtliche jedes Ungemach von dem schlafenden Sohne hinweg, eine ewige Ruhe umweht mich, kein Traum ängstigt meinen Schlaf, kein Schrecken kann mich zurückrufen.

Omar. Nicht sein? – O die menschliche Natur fährt vor dem Gedanken zurück, – wer wird Leben gegen Nichtsein austauschen? Kalt da zu liegen, ohne Gefühl und Gedanken, Würmern eine Wohnung, todt, vermodert und verächtlich, ein Scheusal jedem lebenden Auge: kein Schlaf, keine Ruhe, kein Schlummer, – sondern aus dem Reich der Lebendigen auf ewig hinausgestoßen, da gewesen und nicht mehr, giebt 179 es in der Sterblichkeit einen trostloseren Gedanken als: nicht da zu sein?

Abdallah. Nichtsein! O es ist wahr, die Einbildung erblaßt vor dieser Vorstellung, – Leben und Nichtsein. – Und wenn ich nun alles dem Halsstarrigen und seinen Entwürfen aufgeopfert habe, wenn leere Phantome und Feigheit die Schwelle meines Glücks bewacht haben, Omar, und ich gehe dann unter, auf ewig unter, – das Wesen, dem ich meine Seligkeiten sparte, ist nirgends aufzufinden, – o ist dies etwas anders, als die unsinnige Rechnung des Geizigen, der im ganzen Leben kargt, um nicht zu genießen und im Tode alles hinter sich läßt? –

Omar. Die Ewigkeit lacht spottend hinter dir her, – aber was willst du thun?

Abdallah. Ha! wer verdirbt nicht den Freund, um die Geliebte zu retten? Wer wagt nicht die Hälfte seines Vermögens, um das Ganze zu erhalten? – Und soll ich dem Eisenharten, oder dem Befehl des Fürsten gehorchen? Er fordert ihn, Ali mag sein Recht an ihn beweisen, der Diener darf nicht die Aufträge seines Herrn prüfen, ohne ungehorsam zu sein. – Und wo ist die Gränze zwischen Recht und Unrecht? – Mir ist es ewig verborgen, welche meiner Handlungen gut und welche böse wirkt; was die Menschen Tugend und Laster nennen, verstrickt sich hier oft unauflösbar. – Die Zukunft bildet unsern Willen aus, ohne uns um Rath zu fragen. Raschid war mein Freund, war ich es nicht, der ihn elend machte? – Wird er zu Ali zurückgebracht, o so hat ihn meine Freundschaft ermordet, ohne mich wäre er noch glücklich. – Unsre Thaten wandeln oft über viele Stufen unschuldig hinweg, ehe sie Verbrechen 180 werden, – kann die Schuld auf uns zurückfallen? Sollen wir den Fehler des Zufalls büßen? – Diese That – o ich mag sie nicht denken, – warum könnten ihre Folgen nicht glücklich werden? könnte sie sich nicht in den unergründlichen Strom weiß und unschuldig waschen? –

Omar. Aber den Vater, – dem du das Dasein dankst, – zwar nicht ein Dasein voll Freuden –

Abdallah. Nein, voll Todesschmerzen; o wie kann ich ihm für diese Welt voll Quaalen danken?

Omar. Nein, für dein Dasein kann der Felsenharte keinen Dank von dir fordern, denn dann hättest du Unrecht über seine Halsstarrigkeit zu klagen, über den fürchterlichen Fluch zu jammern, den er auf dich gelegt hat. – So lange er dann nicht dein Leben endet, hast du keine Ursach auf ihn zu zürnen.

Abdallah. In eine Hölle hat er mich verwiesen und dafür sollt' ich ihn lieben?

Omar. Er konnte aber nicht vorher wissen, daß dies Leben dir Pein zubereiten würde, – freilich, eben so wenig, ob es dich glücklich machen würde.

Abdallah. Nicht er, ein blindes Ohngefähr hat mich in das Leben gerufen. – Wußte mein Vater denn im voraus, daß gerade ich, dieser Abdallah, sein Sohn werden würde? –

Omar. Wäre es nicht die Pflicht des Sohnes, vor dem rasenden Vater Schutz bei den Gesetzen zu suchen?

Abdallah. Vater, Sohn, nichts als leere Namen, der Verstand muß sich nicht vom Geschrei der Menge betäuben lassen, er zieht der Wahrheit ihre Hülle ab und sieht sie ohne Kleidung, Gewohnheit und Sitten 181 hindern ihn nie in seiner Forschung. – Nicht wahr, mein Omar?

Omar. Halt ein, Abdallah! Soll der Leichtsinnige der zärtlichen Vaterliebe, der Fürsorge vergessen? Soll er die Sorgen mit kaltem Undank vergelten? – Dankbarkeit ist das große Band, das sich unzertrennlich durch alle Wesen webt, jeder handelt für den andern, um sich in seiner Brust einen Pallast zu erbauen, an Dankbarkeit knüpft sich Liebe und Wohlwollen, Wohlthaten und Dank wechseln sich in dem Herzen der Aeltern und Kinder aus, ein Magnet in jeder Brust, der sich ewig anzieht.

Abdallah. Dies, ja dies ist das letzte Gefühl, das mich noch an ihn gefesselt hält, alle Fäden hat er durchgeschnitten, nur dieser eine ist ihm treu geblieben. –

Omar. Deine Erziehung war Selims Pflicht, aber nicht die hundert kleinen Wohlthaten, die er dir erzeigte, die tausend Freuden, die er dir zubereitete, das Wohlwollen, mit dem er dich durch das Knabenalter in die Jünglingsjahre begleitete, – dafür mußt du ihm danken.

Abdallah. Omar, es ist meine Pflicht ihn zu lieben.

Omar. Doch mit diesem furchtbaren Fluch nimmt der Geizige hundertfach zurück, was er dir gab; die Freude, die das große Glück deines Lebens entscheidet, versagt er dir mit eigensinniger Laune, Spielwerke hat er dir gegönnt, aber Lebensfreuden beneidet er dir, – er schenkt dir ein glänzendes Glas und fordert mit eigenmächtiger Gewalt alle schönen Hoffnungen deiner Zukunft von dir ein, du mußt in einer heißen Wüste verschmachten, weil er dir einst einen Trank aus der Quelle 182 schöpfte, du hast einer Freiheit genossen, wie ein Gefangener, der nicht weiter gehn darf, als seine Kette reicht; strebt er über ihr Maas hinaus, dann fühlt er die täuschende Freiheit, dann fühlt er sich an der unbarmherzigen Mauer festgehalten. –

Abdallah. O es ist schrecklich! – Welch ein Recht, welches Gesetzt liegt in dem Worte Vater, um diese unumschränkte Gewalt über ein Wesen zu haben, das er Sohn nennt? – Darf dieser Ton die Gesetze der Vernunft umstoßen und aus Menschenfreiheit schändliche Sklaverei machen? – Der Tod des Vaters macht den Sohn glücklich, – warum soll er sich nicht freuen dürfen, daß endlich das quälende Band aufgelöst wird? – Ist der Vater nicht hundertfach grausamer, der seinem Sohn in das Leben einen gräßlichen Fluch mitgiebt, von dem er hofft, daß er ihn elend machen soll? – Selim stirbt, – und Abdallah schleppt ein langes Leben wie eine unendliche Kette hinter sich, und an jedem Gliede hängt sich die Pein mit hundertfachen Martern, alle Glückseligkeiten fliehen vor dem fürchterlichen Gerassel zurück, – ist dies ein Vater, der seinen Sohn liebt, oder ein Unmensch, der sich an Todeszuckungen labt?

Omar. Ja, den Tod erdulden ist leicht, gegen den Schmerz der Pfeile, die ein quaalvolles Leben auf uns abschießt.

Abdallah. Warum ward dem Menschen die Vernunft gegeben, wenn er sich von einer blinden Gewohnheit will beherrschen lassen? Die Vernunft soll ihn begleiten und über seine Unternehmungen wachen. Die Gewohnheit darf nur den Unverständigen hinreissen, dem dieses Steuerruder fehlt, dieser muß furchtsam landen, wo er die übrigen landen sieht, und mit ihnen sein Schiff 183 wieder ausfahren lassen. Wagt er sich einst mit unnützer Kühnheit allein in die See hinaus, so wird er den spottenden Winden und Wellen ein Spiel. – Und welche Vernunft, – Omar, ich spreche es aus, – welche hält mich zurück? – – Sprich, denn ich sehe nichts! –

Omar. Unsre Vernunft prallt ohnmächtig von allen Dingen zurück, die jenseit der Menschheit liegen, wir verstehen nicht den Gang der Welt und die Schrift der Sterne – die schaffende Kraft und die Entstehung der Wesen wird uns ewig ein unbegreifliches Geheimniß bleiben, – aber eben dadurch, daß diese Weisheit nicht für das irdische Gehirn ist, werden wir deutlich auf die andre Seite zurückgewiesen. Die Natur winkt ihren Kindern zu, und eine laute Stimme ladet alle Wesen zur reichen Tafel ein und sagt ihnen laut: genießt!

Abdallah. Daß wir da sind, um zu genießen, das ist die Weisheit, die unser Verstand begreift. Jedes Wesen lebt nur in und für sich selbst in einer großen Leere, jeder einzelne Mensch ist das letzte Ziel, auf das sich alle Bestrebungen der Natur beziehen. – Sein Genuß ist es, warum er geschaffen ward, er hat das Recht, jedes andre Wesen, das ihn im Genießen hindert, aus seiner Bahn hinwegzustoßen. Der Stärkere besiegt den Schwächern, der Löwe bekämpft den Löwen, der Tiger den Tiger, der Mensch den Menschen. – Noch ist kein Gestorbener zurückgekommen und hat gegen diese Weisheit gepredigt, noch hat keiner die Geheimnisse der Ewigkeit verrathen, – bis der Leichnam wieder kömmt, bis todte Zungen dagegen lästern, werd' ich an diese Lehre glauben.

Omar. Was wir Tugend nennen, ist bloß Gewohnheit, nichts als ein Gesetz, um die Gesellschaft, die der 184 Mensch errichtet hat, aufrecht zu erhalten, ohne diese würde sie sich selbst vernichten. – Helden, Gesetzgeber, Weise sind tugendhaft, weil sie das Band der Gesellschaft fester ziehn, Mörder und Diebe nennen wir Bösewichter, weil sie dies Band zu zerreissen suchen. Sicherheit und Eigennutz schrieben zuerst den Unterschied dieser Namen. Daher kann Laster oft zur Tugend werden, wenn es das Wohl der Vereinigung befördert; schon mancher Mord war heilsam und mancher Diebstahl löblich, nur dies bestimmte Selims Vorsatz, den Dolch gegen Ali's Brust zu schleifen.

Abdallah. O ja, Laster und Tugend fließen in einen Strahl zusammen, es ist hohe Weisheit, daß man den Unverständigeren glauben läßt, sie wären von Ewigkeit her geschieden. –

Omar. Ach, Abdallah, daran hatt' ich nicht gedacht, daß du mir einst diese Lehren so fürchterlich wiederholen würdest, – o wäre mein Scharfsinn gewachsen, damit ich dir widersprechen könnte! – Zulma mag es einst versuchen.

Abdallah. Zulma? – O Himmel! Omar, sollte sie mich nicht zu Thaten aufrufen dürfen, durch die ich sie dem hartnäckigen Schicksal abränge; nur diese That führt mich in ihre Arme und sie wird mein Zögern schelten.

Omar. Doch wenn nun diese That, diese einzige, dich auf immer elend machte? –

Abdallah. O wenn ich daran glauben soll, so kann ich meinem Elende auf keinem Wege entrinnen. – In Zulma's Armen bin ich unglücklich, meines Vaters Fluch liegt auch in der einsamen Wüste schwer auf meiner Seele, noch größeres Elend steht neben Roxanen. – Welcher Ausweg bleibt mir übrig? 185

Omar. Nun so ergreife den Pfad, auf welchem die meisten Blumen blühen, wo der Rasen am hellsten lacht, wo der Himmel blau über der freundlichen Landschaft liegt. Itzt, itzt eben stehst du am Scheidewege. –

Abdallah. Werd' ich aber mit Zulma glücklich sein? –

Omar. Hör' ich diesen Zweifel aus Abdallah's Munde? Von denselben Lippen, die neulich in trunkener Wonne nicht Worte fanden? – Oder ist es nur Schwachheit, die aus dir spricht? Eine Unentschlossenheit, die gern glücklich sein möchte, ohne doch die Schwierigkeiten der Unternehmung zu tragen? die Fluth stürmt hinter dir her, aber du scheust dich, den schroffen Felsen zu erklettern, der dir die Rettung anbietet.

Abdallah. Nein, – nein, – Selim stirbt, und kann ich ihm sein voriges Glück wieder zurückgeben? Wird sein ganzes Leben nicht eine einzige wehmüthige Erinnerung sein? Ein ewiger Kampf von Schmerz und Hoffnung? – Er verliert hier nichts, er kann im Tode nur gewinnen, er dauert, oder löscht aus, – es ist besser, nicht zu sein, als an dem Joch eines quaalvollen Lebens zu schleppen. Selim kann mit Zuversicht sterben, er muß es jenseit besser finden: denn er läßt keine Freude zurück, den letzten Kranz, Vaterfreude, hat er muthwillig zerrissen.

Omar. Der schwache Greis, der schon an der Schwelle des Todes steht –

Abdallah. Ha! wenn meine große Aufopferung ihm Unsterblichkeit gewönne, – ha! dann könnt' ich diesen Kampf in meinem Busen dulden, dann könnt' ich Roxanens Gatte werden, oder ohne Klagen mit meinem Fluch in die Wüste ziehn, ja, könnt' ich ihm durch 186 meine Quaalen auch nur noch ein Menschenalter erkaufen, – aber der unerbittliche Tod lacht über mich. Selim muß sterben, bald sterben, vielleicht ist er schon in wenigen Stunden nicht mehr.

Omar. Wer würde dir dann nicht verzeihen, wenn du bereutest, daß du mit diesem unvermeidlichen Tod dein Glück nicht der eilenden Zeit abgekauft hättest? Dieser Athemzug erwirbt dir Zulma, ist er ausgelöscht, dann kannst du dieses Kleinod durch tausend Leben nicht erkaufen.

Abdallah. Und liegt ihm denn selbst an diesen wenigen Stunden, die ihm noch zugezählt sind? Du hast es selbst gehört, wie sehr er den Tod wünscht, seit er mit seiner letzten Hoffnung zerfallen ist. – Itzt würde der Tod seine Hoffnung sein, wenn wir eine Gewißheit hoffen könnten. – Soll ich mich bedenken, ihn glücklich zu machen, oder warten, bis er sich selbst den Dolch in die Brust stößt? –

Omar. Das Land mit seinen Bürgern war die Freude deines Vaters, einst ein neues Glück zu säen und die schöne Saat aufschießen zu sehen, dies war der feurigste seiner Wünsche, die kühnste seiner Hoffnungen. Für seine Mitbürger unternahm er das große Wagestück, auf das er sein Glück und sein Leben setzte,– die Würfel fielen unglücklich. – Roxane sollte deine Gattin werden, um die Ernte jener Aussaat einzunehmen, aber das Verhängniß verschwor sich gegen ihn und an einem Tage ward alles zernichtet. – Der Wille deines Vaters könnte entschuldigt, deine Aufopferung gelobt werden, wenn du auch itzt auf diesem Wege den Zweck deines Vaters erreichen könntest, – aber sieh umher, tausend Unmöglichkeiten spotten deines Scharfsinns. – 187

Abdallah. Aber Zulma, Zulma kann mich dorthin führen, wohin mich Roxane führen sollte, sie giebt mir den Thron dieses Reichs, und ich rotte die Dornen aus, die Ali pflanzte, dann kömmt der schöne, der große Entwurf meines Vaters zur Reife, neue Sterne gehen über dieses Land auf, ich verwandle es in einen Garten voll schöner Blüthen. – Nicht wahr, Omar, mein Vater würde sich nicht einen Augenblick bedacht haben, mich dem Wohl des Landes aufzuopfern? – Und ich säume ihn dem Glück der Bürger hinzugeben? Das Opfer thut meinem Herzen wehe, aber der Segen der Nachkommen wird mich einst belohnen.

Omar. Und Zulma! – Sollte sie in den Armen eines andern deiner vergessen? Solltest du einst ihrem Pallast als ein unbekannter Sklave vorübergehn und sie von ihrem Gatten umschlungen, einen fremden Blick auf dich herabwerfen? – Solltest du einst als Bettler vorübergehn und von der geliebten Zulma mit Verachtung abgewiesen werden?

Abdallah. Nein, nein, das soll nie geschehen, so lange ein Herz in meinem Busen schlägt, ist sie mein, noch mein letzter Blutstropfe würde für ihren Besitz kämpfen, so lange ich noch Gedanken habe ist sie der Inhalt meiner Gedanken und alle meine Kräfte laufen nach diesem Ziele.

Deiner Bestimmung, sagte Omar, kannst du dich nicht widersetzen. Steht diese That in jenem großen Buche, welcher Finger will die ewigen Züge verlöschen? Deinetwegen wird das große Gewebe nicht inne halten, der Faden wird hineingeschlagen und nicht um seinen Willen gefragt. –

Abdallah stand in tiefen Gedanken. –

188 Du kannst nicht gut, du kannst nicht böse handeln, fuhr Omar fort, ein Geist ist es, der in den Millionen Leben glüht, du und ich, Selim und Zulma sind nur ein Wesen, du arbeitest stets für und gegen dich, du kannst eigenmächtig über deine Handlungen den Ausspruch fällen, und diese gut und jene böse nennen, wer mag dir widersprechen?

Abdallah sahe starr vor sich nieder, dann wollten beide das Zimmer verlassen, Selim kam ihnen zornig entgegen. – Fort! Verbannter! rief er aus, so lange der Fluch auf deinem Haupte liegt, so lange hass' ich dein Angesicht! Hinweg! damit ich dich nicht mit neuen Verwünschungen belade!

Omar blieb bei Selim zurück, und Abdallah ging traurig und zürnend in das Dickicht des Waldes, wo eine einsame Stille ihn begrüßte, nur von einem leisen Wiegen der Baumwipfel unterbrochen. Dunkle Schatten lagen übereinander, kein Sonnenstrahl schlich sich auf den grünen Rasen herab. –

O der Eiskalte! rief Abdallah laut, wie leicht es ihm wird, ewige Quaalen auf mich herabzubitten! – und ich zögre und bedenke seinen Tod, – ihm wird es so leicht, mich ewig zu verderben, und ich kann diese Gefühle in meiner Brust nicht niederwerfen. Kann dieser einzige Verlust nicht tausendfachen Gewinn geben? Kann das Land und Zulma nicht laut dies Leben von mir fordern? und da er es selbst verachtet und für seine Mitbürger hinzugeben brennt? –

Ach und was vermag ich gegen das eiserne Schicksal? gegen die dicken Mauern schlagen vergebens meine Kräfte an, – wenn es sein soll, – o dieser Gedanke selbst ist mir vor meiner Geburt schon vorgeschrieben, ich kann 189 nichts als ihn nachdenken, – in den ewigen Gesetzen liegt die Sünde, – die Hand mordet, die den Dolch ergreift, nicht das Werkzeug, das der größern Kraft wider Willen nachgeben muß. – O das ist ein Gedanke, der mich dem Wahnsinn entgegen führen könnte. – Alle meine Wünsche gehen hier unter, mein Wille ist todt, – ich muß, ich muß es vollbringen, und dann erst wird das Werkzeug aus den Händen gelegt. – Wo finden meine Gedanken auf diesem Meere einen Ort der Ruhe? – Wo eine Insel, an die sie im Sturme landen können? –

Er setzte sich in das Gras unter einen dichten Baum und sahe starr dem Spiel der Mücken und Gewürme auf der Erde zu. –



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