William M. Thackeray
Die Geschichte von Pendennis / Band 3
William M. Thackeray

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Siebzehntes Kapitel

Der Major gibt weder sein Geld noch sein Leben her

Am nächsten Morgen in der Frühe wurden die Fensterladen bei Pendennis durch Morgan geöffnet, der wie gewöhnlich mit einem vollkommen ernsten und respektvollen Gesichte erschien und die Kleider des alten Herrn, mehrere Kannen voll Wasser und kunstreich geordnete Toilettenbedürfnisse mitbrachte.

»Sind Sie's?« fragte der alte Herr aus seinem Bette. »Ich werde Sie nicht wieder in meinen Dienst nehmen, verstehen Sie.«

»Ich habe auch nicht das mindeste Verlangen, wieder angenommen zu werden, Major Pendennis,« sagte Herr Morgan mit ernster Würde, »noch Ihnen oder irgend jemand auf der Welt zu dienen. Aber da ich wünsche, daß Sie, solange Sie in meinem Hause bleiben, es bequem haben sollen, so kam ich herauf, um zu besorgen, was nötig ist.« Und noch einmal, und zwar zum letzten Male, breitete Herr James Morgan 353 das silberne Toilettennecessaire aus und strich das glänzende Rasiermesser auf dem Streichriemen.

Als diese Geschäfte beendigt waren, wendete er sich mit unbeschreiblicher Würde an den Major und sagte: »Da ich der Meinung bin, daß Sie wahrscheinlich um eine achtbare Person in Verlegenheit sein würden, bis Sie sich eingerichtet hätten, so habe ich gestern abend mit einem jungen Manne gesprochen, der jetzt hier ist.«

»Wirklich,« sagte der Krieger im Zeltbett.

»Er hat in den ersten Familien gelebt, und ich kann für seine Achtbarkeit einstehen.«

»Sie sind ungeheuer höflich,« grinste der alte Major. Und tatsächlich war Morgan nach den Vorkommnissen des vergangenen Abends in seinen eigenen Klub im ›Rade der Fortuna‹ gegangen und hatte dort Frosch, einen Reisekammerdiener, der eben von einer mit dem jungen Lord Cubley gemachten Tour ins Ausland zurückgekommen und gegenwärtig disponibel war, angetroffen; er hatte Herrn Frosch erzählt, daß er, Morgan, »einen verfluchtigen Zank mit seinem Herrn gehabt und die Absicht habe, sich ganz vom Geschäfte zurückzuziehen, und daß, wenn Frosch eine vorübergehende Anstellung brauchen täte, er wahrscheinlich solche kriegen könnte, wenn er in Bury Street nachfragen wolle.«

»Sie sind sehr gefällig,« sagte der Major, »und Ihre Empfehlung wird wahrhaftig alles nur mögliche Gewicht haben.«

Morgan errötete; er fühlte, daß sein Herr ihn ›zum Naren habe‹. »Der Mann hat Ihnen schon 354 früher aufgewartet, Herr Major,« sagte er mit großer Würde. »Lord De La Pole gab ihn seinem Neffen, dem jungen Lord Cubley, und er hat ihn auf seiner Tour ins Ausland begleitet, und da er nicht mit nach Fitzurse Castle gehen mag, weil Frosch eine schwache Brust hat, und er die Kälte von Schottland nicht ertragen kann, so steht es ihm frei, bei Ihnen in Dienste zu treten oder nicht, wie es Ihnen beliebt.«

»Ich wiederhole, Herr Morgan, daß Sie über die Maßen artig sind,« sagte der Major. »Kommen Sie herein, Frosch – es wird recht gut mit Ihnen gehen – Herr Morgan, wollen Sie wohl die große Gefälligkeit haben, sich nun zu – –«

»Ich werde ihm zeigen, was nötig ist, Herr Major, und was Sie stets getan wünschen. Bitte, möchten Sie hier oder im Klub das Frühstück einnehmen, Major Pendennis?«

»Mit Ihrer gütigen Erlaubnis werde ich hier frühstücken, und nachher wollen wir unsere kleinen Arrangements treffen.«

»Wie es Ihnen gefällig ist, Herr Major.«

»Wollen Sie mich jetzt verbinden, indem sie das Zimmer verlassen?«

Morgan zog sich zurück; die übermäßige Artigkeit seines Herrn machte ihn fast so wütend, als die bittersten Worte des Majors. Und während der alte Herr seine geheimnisvolle Toilette macht, wollen auch wir uns bescheidentlich zurückziehen.

Nach dem Frühstück beschäftigten sich Major Pendennis und sein neuer Adjutant mit den Vorbereitungen zu ihrem Auszuge. Die Einrichtung des alten 355 Junggesellen war nicht sehr kompliziert. Er belästigte sich mit keiner nutzlosen Garderobe. Eine Bibel (die seiner Mutter), ein Reisehandbuch, Pens Novelle (elegant in Kalbleder gebunden), und die Depeschen des Herzogs von Wellington, nebst einigen Kupfern, Karten und Porträts dieses berühmten Generals sowie von mehreren Souveränen dieses Landes und deren Gemahlinnen, und von dem General, unter dem der Major Pendennis in Indien gedient hatte, bildeten seine literarische und künstlerische Sammlung, er war stets bereit, ein paar Stunden, nachdem er Befehl erhalten, zu marschieren, und auf dem Boden befanden sich noch immer die Koffer, in denen er vor etwa fünfzehn Jahren sein Eigentum in die Wohnung gebracht hatte, und die hinreichten, all seine Güter in sich aufzunehmen. Diese brachte das junge Frauenzimmer, die die Arbeit im Hause besorgte und der Frau Brixham unter dem Namen Betty und Herrn Morgan unter ihrem Spitznamen Slavey bekannt war, von ihrem Ruheplatze herunter, stäubte und reinigte sie gebührend unter den Augen des schrecklichen Morgan. Sein Benehmen war verhalten und feierlich, er hatte zu Frau Brixham bis jetzt noch kein Wort über seine Drohungen von vergangener Nacht gesprochen, aber er sah aus, als ob er sie in Ausführung bringen wollte, und die arme Witwe erwartete zitternd ihr Schicksal.

Der alte Pendennis beaufsichtigte, mit seinem Spazierstock bewaffnet, das Einpacken seines Habs und Gutes unter den Händen des Herrn Frosch, und die Slavey verbrannte diejenigen von seinen Papieren, die er nicht aufheben wollte, riß Türen und Fenster auf, 356 bis alle Räume leer waren, und jetzt wurden alle Kisten und Kasten geschlossen, ausgenommen sein Pult, das bereit war, die Schlußrechnung Herrn Morgans aufzunehmen.

Dieses Individuum erschien nun und brachte seine Bücher. »Da ich Sie privat zu sprechen wünsche, so werden Sie vielleicht die Güte haben, Frosch zu ersuchen, daß er hinuntergeht,« sagte er beim Eintritt.

»Holen Sie ein paar Fiaker, Frosch, bitte – und warten Sie unten, bis ich nach Ihnen klingle,« sagte der Major. Morgan sah Frosch unten anlangen, beobachtete ihn, wie er die Straße entlangging, um seinen Auftrag auszuführen, und brachte seine Bücher und Rechnungen zum Vorschein, die einfach und sehr leicht zu berichtigen waren.

»Und nun, Herr Major,« sagte er, nachdem er die Anweisung, die sein einstiger Herr ihm gab, in die Tasche gesteckt und seinen Namen in dem Buche mit einem dicken Striche unterzeichnet hatte, »und nun, wo diese Rechnung zwischen uns abgeschlossen ist, Herr, will ich mit Ihnen wie mit meinesgleichen reden,« (Morgan hörte sich selbst gern sprechen, da er ein Mensch war, der sich gern das Vergnügen machte, als öffentlicher Redner aufzutreten, wo er nur Gelegenheit hatte, sei es im Klub oder im Zimmer der Hausverwalterin) »und ich muß Ihnen sagen, daß ich im Besitz eines gewissen Geheimnisses bin.«

»Und darf ich wohl fragen, von welcher Art, bitte?« fragte der Major.

»Es ist ein wertvolles Geheimnis, Major 357 Pendennis, wie Sie recht gut wissen. Ich weiß von einer Heirat, die keine Heirat ist – von einem ehrenwerten Baronet, der nicht mehr verheiratet ist, als ich es bin, und dessen Frau mit jemand anders verheiratet ist, wie auch Sie wissen, Major Pendennis.«

Pendennis verstand sofort alles. »Ha! Dies erklärt Ihr Betragen. Sie haben vermutlich an der Tür gehorcht,« sagte der Major und sah sehr hochmütig aus; »ich hatte vergessen, nach dem Schlüsselloche zu sehen, als ich in jenes Wirtshaus ging, sonst würde ich vielleicht gemerkt haben, was für eine Art Mensch dahinter steckte.«

»Ich glaube, daß ich so gut meine Pläne haben darf, wie Sie?« antwortete Morgan. »Ich kann mein Geheimnis erfahren, und ich kann auf Grund dieses Geheimnisses handeln, und ich kann dieses Geheimnis wertvoll finden, so gut wie irgend jemand anders. Ein armer Diener kann ebenso gut sein bißchen Glück haben, wie ein vornehmer Herr, oder etwa nicht? Setzen Sie ja nicht Ihre hochfahrige Miene auf, Herr Major, und kommen Sie mir nicht mit dem Aristokratengesichte. Das ist bei mir lauter dummes Zeug. Ich bin ein Engländer, jawohl, und so gut wie Sie.«

»Worauf zum Teufel läuft dies Geschwätz hinaus? Und wiefern geht das Geheimnis, das Sie erhorcht haben, mich an? Das möchte ich gern wissen,« sagte Major Pendennis mit großer Majestät.

»Wiefern geht es mich an, ei gar? Wie großartig wir sind! Wiefern geht es meinen Neffen an? möchte ich wissen. Wiefern geht Sie der Sitz meines 358 Neffen im Parlamente an, diese Geschichte von der Bigamie? Wie hängt das damit zusammen? Was, sind Sie der einzige, der ein Geheimnis weiß und Geschäfte damit macht? Warum sollte ich nicht die Hälfte vom Gewinne haben, Major Pendennis? Ich habe es auch entdeckt. Und nun hören Sie mal. Ich will nicht unbillig mit Ihnen sein. Geben Sie mir was Ordentliches dafür, und ich will es bei mir behalten. Mag Herr Arthur seinen Sitz im Parlament und seine reiche Frau immerhin nehmen, wenn Sie es mögen; ich will sie ja nicht heiraten. Aber ich will meinen Anteil haben, so wahr mein Name James Morgan ist. Und wenn ich ihn nicht – –«

»Und wenn Sie ihn nicht kriegen, was denn?« fragte Pendennis.

»Wenn ich ihn nicht kriege, werde ich's ausplaudern und alles erzählen. Ich werde Clavering zugrunde richten und ihn und seine Frau wegen Bigamie verklagen – so wahr mir Gott helfe, das werde ich! Ich werde die Heirat des hoffnungsvollen Früchtchens von einem Neffen umschmeißen und den Herrens oben zeigen, wie Sie und er dieses Geheimnis benutzen, um Sir Francis einen Sitz im Parlamente abzuzwingen und seiner Frau 'nen Haufen Geld abzupressen.«

»Herr Pendennis weiß von dieser Angelegenheit nicht mehr, als ein neugeborenes Kind, Herr Morgan,« schrie der Major entsetzt. »Ebenso wenig wie Lady Clavering und Fräulein Amory.«

»Machen Sie das 'nem Dummen weiß, Major,« entgegnete der Kammerdiener. »Dergleichen Versicherungen schlagen bei mir nicht an.« 359

»Zweifeln Sie an meinem Worte, Sie Schuft?«

»Keine Grobheiten. Ich kümmere mich nicht 'nen Pfifferling darum, ob Ihr Wort wahr ist oder nicht. Ich sage Ihnen, Major, daß ich mir daraus ein hübsches Jahrgehältchen zu machen beabsichtige, denn ich habe euch alle miteinander im Sacke, und ich bin kein solcher Narr, daß ich euch laufen ließe. Ich sollte denken, daß Sie mir zusammen leicht so ein fünfhundert Pfündchen geben könnten. Zahlen Sie mir jetzt das erste Viertelchen aus, und ich werde so still wie ein Mäuschen sein. Geben Sie mir gleich 'ne Anweisung auf fünfundzwanzig Pfund. Da liegt gerade Ihr Scheckbuch auf dem Pulte.«

»Und da ist noch etwas, Sie Schuft,« schrie der alte Herr. In dem Pulte, auf das der Kammerdiener wies, befand sich ein kleines doppelläufiges Pistol, das dem alten Gönner von Pendennis, dem indischen Oberbefehlshaber, gehört und ihn auf manchem Feldzuge begleitet hatte. »Noch ein Wort, Sie Schurke, und ich schieße Sie übern Haufen wie einen tollen Hund. Halt – zum Donnerwetter, ich tu's auf der Stelle. Was, Sie wollen mich anfallen? Sie wollen einen alten Mann schlagen, Sie lügenhafter Lump? Knien Sie nieder und sprechen Sie Ihr Gebet, denn, bei Gott im Himmel, Sie müssen sterben!«

Das Gesicht des Majors stierte wütend nach seinem Gegner, der ihn einen Augenblick erschrocken ansah und im nächsten mit dem Geschrei »Mord!« nach dem offnen Fenster sprang, unter dem sich zufällig ein Polizeidiener auf seinem Posten befand. »Mord! Polizei!« brüllte Herr Morgan. 360

Zu seinem Erstaunen rollte Major Pendennis den Tisch weg und ging an das andere Fenster, das ebenfalls offen war. Er winkte dem Polizeidiener. »Kommen Sie nur hier herauf, Polizist,« sagte er und ging dann und stellte sich vor die Tür.

»Sie elender Schleicher,« sagte er zu Morgan, »die Pistole ist die letzten fünfzehn Jahr nicht geladen gewesen, wie Sie recht gut gewußt haben könnten, wenn Sie nicht so eine feige Kanaille wären. Der Polizeidiener kommt jetzt, und ich werde ihn hinaufschicken und Ihre Koffer durchsuchen lassen; ich habe Grund zu dem Glauben, daß Sie ein Dieb sind, mein Herr Morgan. Ich weiß, daß Sie einer sind. Ich werde beschwören, daß die Sachen mir gehören.«

»Sie schenkten Sie mir – Sie schenkten Sie mir!« schrie Morgan.

Der Major lachte. »Wir werden sehen,« sagte er; und der schuldbewußte Kammerdiener entsann sich mehrerer feiner Hemden mit Batistbusenstreifen – eines gewissen Rohrs mit goldenem Knopfe – eines Opernglases, das er hinunterzubringen vergessen und das er nebst gewissen Kleidungsstücken seines Herrn in Gebrauch zu nehmen sich angemaßt hatte, da der alte Stutzer sie nicht mehr trug und sich nicht mehr darum kümmerte.

Polizeidiener X. trat ein, gefolgt von der erschrockenen Frau Brixham und ihrer Hausmagd, die an der Tür gewesen waren und es einigermaßen schwierig gefunden hatten, sie vor den Skandalliebhabern der Straße zu verschließen, die den Spektakel zu sehen wünschten. 361

Der Major begann sogleich zu sprechen.

»Ich habe Ursache gehabt, diesen betrunkenen Schurken aus dem Dienst zu jagen,« sagte er. »Sowohl gestern Abend als heut Morgen beleidigte und griff er mich an. Ich bin ein alter Mann und nahm eine Pistole zur Hand. Sie sehen, sie ist nicht geladen, und dieser feige Halunke schrie, ehe er verletzt war. Ich bin froh, daß Sie gekommen sind. Ich beschuldigte ihn eben, mir mein Eigentum entwendet zu haben, und verlangte eine Durchsuchung seiner Koffer und seines Zimmers.«

»Den Samtmantel haben Sie die letzten drei Jahre nicht getragen, auch die Westen nicht, und ich dachte, ich dürfte die Hemden nehmen, und ich – ich will schwören, daß ich das Opernglas wieder hinlegen wollte,« brüllte Morgan, der sich in Wut und Angst wand.

»Der Mensch gesteht ein, daß er ein Dieb ist,« sagte der Major ruhig. »Er ist jahrelang in meinen Diensten gewesen, und ich habe ihn mit aller erdenklichen Güte und allem Vertrauen behandelt. Wir wollen mal hinaufgehen und seine Koffer untersuchen.«

In diesen Koffern hatte Herr Morgan Dinge, die er vor den Augen der Welt gern verborgen gehalten hätte. Herr Morgan, der Wucherer, gab seinen Kunden nicht nur Geld, sondern auch Waren. Er versorgte junge Verschwender mit Schnupftabaksdosen und Busennadeln, Juwelen und Bildern und Zigarren, und diese Zigarren, Juwelen und Bilder waren von sehr zweifelhafter Qualität. Die Vorzeigung derselben auf einem Polizeibureau, die Aufdeckung seines 362 heimlichen Geschäfts und die Auffindung der dem Major gehörigen Gegenstände, die er sich in der Tat mehr angeeignet als gestohlen hatte – würden zum guten Rufe Herrn Morgans eben nicht beigetragen haben. Er sah wie ein jämmerliches Bild des Schreckens und der Niederlage aus.

»Was, er will mich niederwerfen?« dachte der Major. »Ich will ihn jetzt zerschmettern und ein Ende mit ihm machen.«

Aber er hielt inne. Er sah auf das entsetzte Gesicht der armen Frau Brixham, und er dachte einen Augenblick bei sich, daß der Mensch, wenn er festgenommen und ins Gefängnis gebracht würde, am Ende Eröffnungen machen werde, die besser verschwiegen blieben, und daß es am besten wäre, nicht zu streng mit einem verzweifelten Menschen zu verfahren.

»Halt,« sagte er, »Polizist. Ich will selber mit diesem Manne sprechen.«

»Klagen Sie Herrn Morgan des Diebstahls an?« fragte der Polizeidiener.

»Ich habe bis jetzt noch keine Anklage vorgebracht,« sagte der Major mit einem bezeichnenden Blicke auf seinen Mann.

»Ich danke Ihnen, Herr,« flüsterte Morgan ganz leise.

»Gehen Sie, bitte, hinaus und warten Sie vor der Tür, Polizist. – Nun, Morgan, Sie haben ein Spiel mit mir gemacht, und Sie haben nicht den größten Gewinn davon gehabt, mein guter Mann. Nein, weiß Gott, Sie haben nicht den größten Gewinn davon gehabt, obwohl Sie den schönsten Trumpf hatten, 363 und Sie haben mir jetzt gleichfalls zu bezahlen, Sie Halunke!«

»Ja, Herr Major,« sagte der Diener.

»Ich habe erst innerhalb der letzten Woche die Machenschaften entdeckt, die Sie getrieben haben, Sie Schuft. Der junge de Boots von den Blauen erkannte in Ihnen den Menschen, der in die Kaserne kam und Geschäfte machte, zu einem Drittel in Geld, zu einem andern Drittel in kölnischem Wasser und wieder zu einem Drittel in französischen Kupferstichen, Sie vermaledeiter duckmäusiger alter Sünder! Ich vermißte nicht das Mindeste, noch kümmerte ich mich auch nur die Bohne um etwas von dem, was Sie entwendet haben, Sie Schafskopf, aber ich schoß aufs Geratewohl ab und es traf – traf ins Schwarze, bei Gott. Verdamm mich, ich bin ein alter Kriegsknecht, Meister Morgan.«

»Was wollen Sie denn von mir, Herr Major?«

»Das werde ich Ihnen gleich sagen. Ihre Schuldverschreibungen tragen Sie vermutlich in jener verdammten großen ledernen Brieftasche bei sich, nicht wahr? Sie werden auf der Stelle die Schuldverschreibung der Frau Brixham verbrennen.«

»Herr, ich habe keine Lust, mein Eigentum fahren zu lassen,« knurrte der Diener.

»Sie haben ihr vor fünf Jahren sechzig Pfund geliehen. Sie und jener arme Teufel von einem Versicherungsschreiber, ihr Sohn, haben Ihnen jedes der Jahre seitdem fünfzig Pfund bezahlt, und Sie haben eine Schuldverschreibung, die Ihnen das Recht gibt, ihre Möbel zu verkaufen und außerdem noch ihre 364 Verschreibung auf hundertfünfzig Pfund. Sie erzählte mir das gestern abend. Beim Jupiter, Herr Morgan, Sie haben das arme Weib genug bluten lassen.«

»Ich werde es nicht aufgeben,« sagte Morgan. »Wenn ich's tue, will ich gleich – –«

»Polizist!« rief der Major.

»Sie sollen die Schuldverschreibung haben,« sagte Morgan. »Sie wollen mir doch nicht mein Geld nehmen, Sie, ein großer Herr?«

»Ich werde Ihrer sogleich bedürfen,« sagte der Major zu X., der hier eintrat und sich dann wieder zurückzog.

»Nein, mein guter Herr,« fuhr der alte Herr fort; »ich habe durchaus kein Verlangen, weitere Geldgeschäfte mit Ihnen zu machen, aber wir wollen ein Stückchen Papier mit etwas beschreiben, das Sie die Güte haben werden zu unterzeichnen. Doch nein, halt! – Sie sollen's selber schreiben; Sie haben in der letzten Zeit ungeheure Fortschritte im Schreiben gemacht und haben jetzt eine sehr gute Hand. Sie werden sich nun niedersetzen und schreiben, wenn's beliebt – dort, an jenem Tische – so – lassen Sie mich mal sehen – wir können eigentlich auch das Datum hinsetzen. Schreiben Sie, Bury Street, St. James, 12. Oktober 18–!«

Und Morgan schrieb, wie ihm geheißen, und wie der unbarmherzige alte Major fortfuhr: –

»Ich, James Morgan, in außerordentlicher Armut in den Dienst des Herrn Arthur Pendennis, Esquire, zu Bury Street, St. James, Majors im Dienste Ihrer Majestät, gekommen, bekenne, daß ich 365 fünfzehn Jahr hindurch reichlichen Lohn und gehöriges Kostgeld von meinem Herrn empfangen habe. – Sie können dagegen, wie ich überzeugt bin, nichts vorbringen,« sagte der Major.

»Fünfzehn Jahr hindurch,« schrieb Morgan.

»Während dieser Zeit,« fuhr der Diktator fort, »habe ich es durch meine eigene Bemühung und Klugheit dahingebracht, daß ich mir hinreichend viel Geld erworben habe, um das Haus, in dem mein Herr wohnt, zu kaufen und außerdem noch andere Ersparnisse zu machen. Unter anderen Personen, von denen ich Geld gezogen habe, kann ich meine gegenwärtige Abmieterin erwähnen, Frau Brixham, die für sechzig Pfund, die ich ihr vor fünf Jahren vorgeschossen habe, mir die Summe von zweihundertfünfzig Pfund Sterling zurückgezahlt und mir außerdem eine Schuldverschreibung über einhundertzwanzig Pfund ausgestellt hat, die ich ihr auf Verlangen meines letzten Herrn, des Major Arthur Pendennis, zurückerstatte und damit zugleich ihr Möblement freigebe, welches zu verkaufen ich durch eine Verschreibung das Recht hatte. – Haben Sie geschrieben?«

»Ich denke, wenn dieses Pistol geladen wäre, würde ich Ihnen 'ne Kugel durch den Kopf jagen,« sagte Morgan.

»Nein, das würden Sie bleiben lassen. Sie haben einen zu großen Respekt vor Ihrem wertvollen Leben, mein guter Mann,« antwortete der Major. »Wir wollen fortfahren und einen neuen Satz beginnen.«

»Und da ich, zum Danke für die Güte meines Herrn, ihm sein Eigentum gestohlen, wovon ich 366 gestehe, daß es sich oben in meinen Koffern befindet, und Lügen über seine und andere ehrenwerte Familien ausgestreut habe, so drücke ich hierdurch in Anbetracht seiner Nachsicht und Milde gegen mich meine Reue aus, daß ich dergleichen Lügen geäußert und ihm sein Eigentum entwendet habe, und erkläre, daß ich nicht wert bin, daß man mir glaubt, und daß ich hoffe – ja, weiß Gott, daß ich hoffe, mich für die Zukunft zu bessern. Unterzeichnet James Morgan.«

»Ich will verd– sein, wenn ich es unterzeichne,« sagte Morgan.

»Mein guter Mann, das werden Sie, ob Sie's nun unterschreiben oder nicht, weiß Gott,« sagte der alte Herr, seinen eigenen Witz bekichernd. »Vorwärts, ich werde keinen Gebrauch davon machen, verstehen Sie, bis – bis ich dazu gezwungen werde. Madame Brixham und unser Freund, der Polizeidiener draußen, werden es, hoffe ich bezeugen, ohne es zu lesen; und ich werde der alten Dame ihre Schuldverschreibung wiedergeben, und ihr, was Sie bestätigen werden, sagen, daß sie nun mit Ihnen quitt ist. Ich sehe aber, daß Frosch da mit dem Fiaker nach meinen Koffern zurückgekommen ist; ich werde in ein Hotel gehen. – Sie können jetzt hereinkommen, Polizist; Herr Morgan und ich haben unseren kleinen Disput abgemacht. Wenn Frau Brixham dies Papier unterzeichnen will, und Sie, Polizist, dasselbe tun wollen, so werde ich Ihnen beiden sehr verbunden sein. Frau Brixham, Sie und Ihr würdiger Hauswirt, Herr Morgan, sind quitt. Ich wünsche Ihnen Vergnügen mit ihm. Nun mag Frosch kommen und den Rest der Sachen einpacken.« 367

Frosch, unterstützt von der Slavey, schaffte unter der ruhigen Oberaufsicht Herrn Morgans die Koffer des Major Pendennis zu den wartenden Fiakern hinab; und Frau Brixham kam, als ihr Verfolger nicht dabei war, herbei und rief den Segen des Himmels auf den Major, ihren Retter und den besten, ruhigsten und gütigsten ihrer Mieter herab. Und nachdem er ihr einen Finger zum Abschiede hingereicht, den die demütige Dame mit einem Knix empfing, und über den sie im Begriff war, eine tränenreiche Rede zu halten, brach der Major diesen Abschiedssermon kurz ab und wandelte aus dem Hause nach dem Hotel in Jermyn Street, das sich nur ein paar Schritte von Morgans Tür befand.

Dieses Individuum, das aus dem Fenster der Wohnstube schaute, sandte seinem scheidenden Gaste eher alles andere als fromme Wünsche nach, aber der mannhafte alte Knabe war imstande, sich nicht durch Herrn Morgan in Angst setzen zu lassen, und warf ihm, als er mit seinem Stocke davonstolzierte, einen Blick tiefster Verachtung und Gemütsruhe zu.

Major Pendennis hatte sein Haus in Bury Street noch nicht viele Stunden verlassen, und Herr Morgan genoß sein otium eben in würdiger Weise, indem er auf den Türstufen den Abendnebel beobachtete und eine Zigarre schmauchte, als Arthur Pendennis, Esquire, der Held dieser Geschichte, an der wohlbekannten Tür erschien.

»Mein Oheim aus, Morgan, nicht wahr?« sagte er zu dem Diener, indem er sehr wohl wußte, daß Rauchen in Anwesenheit des Majors Hochverrat war. 368

»Major Pendennis ist aus, Herr,« sagte Morgan mit Würde, indem er sich verbeugte, aber nicht an das elegante Hausmützchen griff, das er trug. »Major Pendennis hat heute dies Haus verlassen, Herr, und ich habe nicht länger die Ehre, in seinen Diensten zu sein.«

»Wirklich? Und wo ist er jetzt?«

»Ich glaube, er hat vorläufig ein Logis in Cox' Hotel in Jermyn Street genommen,« sagte Herr Morgan und fügte nach einer Pause hinzu: »Bitte, Herr Pendennis, Sie sind wohl auf einige Stunden in der Stadt? Wohnen Sie im Gasthof oder zur Miete? Ich würde mich freuen, wenn ich die Ehre haben könnte, Ihnen dort meine Aufwartung zu machen, und würde Ihnen dankbar sein, wenn Sie mir ein Viertelstündchen Gehör schenken wollten.«

»Möchten Sie, daß mein Onkel Sie wieder annimmt?« fragte Arthur rücksichtslos und gutgelaunt.

»Ich wünsche dergleichen nicht, ich möchte ihn –« Der Mann warf ihm eine Minute lang einen brennenden Blick zu, hielt aber an sich. »Nein, Herr, ich danke Ihnen,« sagte er mit milderer Stimme, »ich wünsche nur mit Ihnen zu sprechen, und zwar in einer Angelegenheit, die Sie betrifft, und vielleicht hätten Sie die Gnade, einen Augenblick in mein Haus zu treten?«

»Wenn es nur eine oder zwei Minuten dauert, will ich Ihnen Gehör geben, Morgan,« sagte Arthur und dachte bei sich selbst: »Ich glaube, der Kerl will, ich soll sein Gönner sein,« und er trat in das Haus ein. Im vordersten Fenster befand sich bereits eine Karte, die bekannt machte, daß hier eine Wohnung zu 369 vermieten wäre, und nachdem er Herrn Pendennis in das Speisezimmer geführt und ihm einen Stuhl angeboten hatte, nahm Herr Morgan selbst einen und begann, ihm einige Aufschlüsse zu geben, von denen der Leser bereits Kenntnis hat.



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