William M. Thackeray
Die Geschichte von Pendennis / Band 3
William M. Thackeray

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel

Fanny nimmt einen neuen Arzt

Hätte Helene den Verdacht hegen können, daß mit Pens wiederkehrender Gesundheit auch seine unglückliche Voreingenommenheit für die kleine Fanny wiedererwachen würde? Obwohl sie nach ihrer Unterredung mit dem Major nie ein Wort hinsichtlich dieser jungen Person fallen ließ, und obschon sie allem Anschein nach Fannys Existenz vollkommen ignorierte, so hielt Frau Pendennis doch eine eigentümlich strenge Wacht über alles Tun und Treiben des Monsieur Pendennis, wollte ihn unter dem Vorwande, daß er noch krank wäre, kaum aus den Augen lassen, und war besonders besorgt, daß ihm wenigstens gegenwärtig alle Mühe des Briefschreibens erspart bliebe. Höchstwahrscheinlich sah Arthur auf seine Briefe mit einiger Beängstigung, höchstwahrscheinlich erwartete er täglich, wenn er sie an der Familientafel empfing und fühlte, wie seine Mutter ihn beobachtete (obschon die gute Seele ihre Augen auf ihren Teelöffel oder ihr Buch geheftet zu haben schien), eine kleine Handschrift zu sehen, die er erkannt haben würde, obwohl er sie bis jetzt noch nie gesehen hatte, und sein Herz schlug, wenn er Briefe mit seiner Adresse erhielt. War er mehr erfreut oder verdrießlich, daß Tag auf Tag verging, ohne daß seine Erwartungen sich verwirklicht hatten, und erleichterte es sein Herz, daß kein Brief von Fanny kam? Obwohl ohne Zweifel bei 67 derartigen Angelegenheiten, wenn Lovelace Clarissens überdrüssig ist (oder umgekehrt), es für beide Parteien am besten ist, sofort zu brechen, und jedes, nachdem der Versuch einer Vereinigung fehlgeschlagen, seinen eigenen Weg zu gehen und seinen Pfad durchs Leben allein zu verfolgen, so hat doch unsere Eigenliebe oder unser Mitleid oder unser Sinn für Schicklichkeit ein solch plötzliches Abbrechen nicht gern. Ehe wir der Welt ankündigen, daß unsere Firma Lovelace & Co. ihren Verpflichtungen nicht nachkommen kann, versuchen wir, einen Vergleich zustande zu bringen; wir haben traurige Zusammenkünfte von Teilhabern, wir verzögern das Schließen des Ladens und die traurige Ankündigung des Mißgeschicks. Es muß eintreten, aber wir verpfänden unsere Juwelen, um die Dinge noch ein bißchen länger auf den Beinen zu erhalten. Im ganzen, glaube ich, war Pen eher verdrießlich, daß er keine Vorwürfe von Fanny hörte. Was! Konnte sie von ihm scheiden und sich nicht einmal nach ihm umsehen? Konnte sie sinken und nicht einmal ihre kleine Hand emporhalten und schreien: »Hilf, Arthur!« Nun, nun, sie sinken nicht alle unter, die sich auf diese Reise wagen. Einige wenige ertrinken, wenn das Fahrzeug zerschellt, aber die meisten werden bloß naß und krabbeln wieder ans Ufer. Und des Lesers Erfahrung von Herrn A. Pendennis, Esquire, vom Obern Tempel, wird ihn in den Stand setzen, zu sagen, ob dieser Herr zu der Klasse von Leuten gehörte, von denen es wahrscheinlich ist, daß sie sinken, oder von denen, die oben schwimmen.

Obgleich Pen bis jetzt noch zu schwach war, um 68 auch nur eine halbe Meile weit zu gehen, und man ihm wegen seiner kostbaren Gesundheit nicht gestatten konnte, in einem Wagen allein und ohne eine Wärterin als Begleitung auszufahren, so konnte Helene doch nicht zugleich auch über Herrn Warrington Wache halten, und sie hatte keine Autorität, um diesem Herrn zu wehren, nach London zu gehen, wenn ihn Geschäfte dorthin riefen. In der Tat, wenn er gegangen und dort geblieben wäre, würde die Witwe, aus besonderen guten Gründen, vielleicht froh gewesen sein; aber sie wies diese selbstsüchtigen Wünsche von sich, sobald sie sich derselben bewußt wurde oder sie sich eingestand; und indem sie sich Warringtons großer Teilnahme und seiner Dienste und seiner steten Freundschaft für ihren Sohn erinnerte, empfing sie ihn fast wie ein Glied ihrer Familie mit ihrer gewöhnlichen schwermütigen Güte und unterwürfigen Ergebenheit. Indes erriet sie doch eines Morgens, als seine Angelegenheiten ihn in die Stadt riefen, irgendwie, was Warringtons Auftrag war, und daß er nach London gegangen wäre, um für Pen Nachrichten über Fanny einzuziehen.

Wirklich hatte Arthur mit seinem Freunde über die Sache gesprochen und ihm ausführlich erzählt, welcher Art seine Abenteuer mit Fanny gewesen wären (Abenteuer, die der Leser schon kennt) und was er in bezug auf sie fühlte. Er war Gott sehr dankbar, daß er der großen Gefahr entgangen war, wozu Warrington herzlich Amen sagte; daß er sich keines besonderen Vergehens bewußt wäre, über das er sich in seinem Benehmen zu ihr Vorwürfe zu machen hätte, aber daß er, 69 wenn sie sich trennten, wie sie es mußten, doch gern Lebewohl sagen und die Hoffnung aussprechen möchte, sie würde ihm ein freundliches Andenken bewahren. In seiner Unterhaltung mit Warrington sprach er über diese Dinge mit solchem Ernste und so bewegt, daß Georg, der sich ebenfalls sehr lebhaft für die Trennung ausgesprochen hatte, zu fürchten begann, daß sein Freund nicht so gründlich geheilt wäre, als er sich zu sein rühmte, und daß, wenn die beiden wieder zusammenkommen sollten, alle Gefahr und Versuchung noch einmal durchgekämpft werden mußte. Und mit welchem Resultat? »Es ist ein harter Kampf, Arthur, und man kann leicht dabei zu Fall kommen,« sagte Warrington, »und der beste Mut für uns arme Sünder ist, vor der Gefahr zu fliehen. Ich würde nicht sein, was ich jetzt bin, wenn ich nach dem, was ich jetzt predige, gehandelt hätte.«

»Und was ist es, was du getan hast, Georg?« fragte Pen begierig. »Ich weiß, daß etwas los war. Erzähle davon, Warrington.«

»Es war etwas, das nicht wieder gut gemacht werden kann und das frühzeitig meine ganzen Lebensverhältnisse zugrunde richtete,« antwortete Warrington. »Ich sagte, daß ich es dir eines Tages erzählen wollte, Pen, und ich werde es tun, aber jetzt nicht. Nimm denn die Moral ohne die Fabel hin, Pen, mein Junge, und wenn du einen Mann sehen willst, dessen ganzes Lebensglück durch einen unglückseligen Stoß gegen einen Felsen, an dem er als Knabe scheiterte, zerschellt ist, – hier steht einer vor dir, Arthur, und damit will ich dich gewarnt haben.« 70

Wir haben gezeigt, daß Herr Huxter, als er an seine Freunde zu Hause nach Clavering schrieb, erwähnte, daß es einen vornehmen Klub in London gäbe, dessen Mitglied er wäre, und daß er dort einen irischen Offizier von Distinktion zu treffen gewohnt wäre, der ihm unter anderen Neuigkeiten jene Nachricht von Pendennis mitgeteilt hatte, die der junge Chirurg nach Clavering übermittelt hatte. Dieser Klub war kein anderer, als das Küchenstübchen, wo der Schüler von St. Bartholomäus gewohnt war, den General zu treffen, dessen Eigentümlichkeiten in Dialekt, Erscheinung, Haltung und Unterhaltung viele junge Leute, die das Küchenstübchen als einen Ort nächtlicher Unterhaltung und Erholung zu besuchen pflegten, höchlichst ergötzten. Huxter, dem die Natur ein schönes Talent verliehen hatte, alles nachzuäffen, ob es nun ein beliebter tragischer oder komischer Schauspieler, ein Hahn auf einem Düngerhaufen, ein Korkstöpsel, der in eine Flasche gepfropft wird oder herausfliegt, oder ein irischer Offizier von vornehmen Verbindungen, der sich nur zu bereitwillig zum Gegenstande der Nachahmung darbot, sein Geschwätz losließ und seinen armen alten Körper zu einem Bücklinge zwang, wenn Getränk, ein Zuhörer oder sonst eine Gelegenheit sich darboten, studierte unseren Freund, den General, mit ganz besonderer Aufmerksamkeit und machte den ehrwürdigen Herrn manche Nacht nach. Ein Köder, aus einem Glase Grog für sechs Pence bestehend, wurde von dem wackeren alten Manne sicher verschluckt, und wer war unter dem Einflusse dieser Flüssigkeit glücklicher als er, seine Geschichten von den Triumphen seiner 71 Tochter und seinen eigenen in der Liebe, im Kriege, beim Gelage und in der vornehmen Welt zu erzählen? So wurde Huxter in den Stand gesetzt, seinen Freunden mancherlei Bilder von Costigan vorzuführen, von Costigan, wie er ein Duell im Phönixpark ausfocht – von Costigan und seinem Zusammentreffen mit dem Herzog von York – von Costigan an der Tafel seines Schwiegersohnes, umgeben von der Noblesse seines Landes – von Costigan, wie er in seiner Betrunkenheit heulte, bei welcher Gelegenheit er es zur Gewohnheit hatte, zu vertrauten Freunden über die Undankbarkeit seiner Tochter zu lamentieren und zu äußern, wie seine grauen Haare einem frühzeitigen Grabe zueilten. Und so war unser Freund die Ursache, daß eine Menge junger Leute ins Küchenstübchen kamen, die die Getränke des Wirtes vertilgten, während sie sich an den Eigentümlichkeiten des Generals ergötzten, so daß der Herr Wirt, in Anbetracht des Geldes, das sie in sein Haus brachten, manche von den Schwächen des letzteren verzieh. Es war dies sicherlich nicht die höchste Stellung im Leben, noch eine solche, die wir einem alten Manne, den wir achteten, besonders wünschen könnten, aber von diesem alten Buffo darf man behaupten, daß er eben keinen genauen Begriff hatte, wie seine Stellung im Leben keine hohe wäre; und daß in seinem whiskyvermischten Blute kein schwarzer Tropfen, noch in seinem duseligen Gehirn ein bitteres Gefühl gegen irgendein sterbliches Wesen war. Sogar sein Kind, seine grausame Emilie, würde er an sein Herz gezogen und ihr mit Tränen in den Augen vergeben haben, und was kann man mehr von der christlichen 72 Barmherzigkeit jemandes sagen, als daß er tatsächlich bereit ist, denjenigen zu vergeben, die ihm alles Gute und Liebe erzeigt haben und mit denen zu streiten er im Unrecht ist?

Unter den jungen Leuten, die das Küchenstübchen besuchten und sich dort am Umgang mit Kapitän Costigan erheiterten, war die Ansicht im Umlaufe, daß der Kapitän aus Furcht vor Manichäern oder aus sonst einem Wunsche, verborgen zu bleiben, ein Geheimnis aus dem Orte, wo er lebte, machte und in irgendeinem wunderlichen Neste wohnte. Auch wollte der Wirt des Hauses, den man über die Sache befragte, auf keine Erkundigungen Antwort geben, da sein Grundsatz war, daß er die Herren, die sein Zimmer besuchten, nur in diesem Zimmer kannte; daß, wenn sie, nachdem sie ihre Zeche als anständige Leute bezahlt und sich als solche benommen, dieses Zimmer verließen, seine Verbindung mit ihnen aufhörte, und daß er, selbst als anständiger Mann, es bloß für eine ungehörige Neugier hielt, zu fragen, wo andere anständige Leute lebten. Ebenso wich selbst in seinen allerbetrunkensten und vertraulichsten Momenten Costigan jeder Erwiderung auf Fragen oder Anspielungen aus, die über diesen Gegenstand an ihn gerichtet wurden. Es war kein besonderes Geheimnis dabei, wie wir, die wir mehr als einmal die Ehre gehabt haben, seine Gemächer zu betreten, sahen, aber in den Wechselfällen eines langen Lebens war er ziemlich oft gewohnt gewesen, in Häusern zu residieren, wo Verborgenheit zu seiner Bequemlichkeit notwendig gewesen und wo die Erscheinung eines Besuchers ihm eher alles andere als Vergnügen gemacht haben würde. 73 Daher kam es denn, daß von Witzbolden oder leichtgläubigen Personen allerhand Legenden über den Ort, wo er hauste, in Umlauf gesetzt wurden. Man behauptete, daß er gewöhnlich in einem Schilderhause auf der City schliefe oder in einem Fiaker in einer Wagenremise, wo ein Fiakerbesitzer ihm Obdach gewährte, oder in der Säule des Herzogs von York usw., wobei die tollsten dieser Geschichten von dem verschmitzten und phantasiereichen Huxter ausgingen. Denn Huxter war, wenn ihm die Gesellschaft von ›seinen Herrchen‹ nicht Stillschweigen auferlegte und wenn er unter seinen guten Freunden war, ein ganz anderer Bursche als der Jüngling, den wir durch Pens anmaßendes Benehmen geduckt gesehen haben; von seiner Familie zu Hause angebetet, war er das Leben und die Seele des Kreises, mit dem er zusammentraf, mochte es nun an der festlichen Tafel oder an dem Seziertisch sein.

An einem leuchtenden Septembermorgen, als Huxter sich in einer Kaffeekneipe in Covent Garden an einer Schale Mokka gütlich tat, nachdem er eine köstliche Nacht in Vauxhall vertanzt hatte, erspähte er den General, der die Henriettenstraße heruntergeschwankt kam, mit einem Haufen brüllender zerlumpter Gassenbuben auf den Fersen, die ihre Betten unter den Brückenbogen zeitig verlassen hatten und schon nach einem Frühstück und des Lebens Nahrung und Notdurft für den Tag herumstreiften. Der arme alte General war nicht in dem Zustande, daß der Spott und die Witze dieser jugendlichen Bettler großen Eindruck auf ihn machten; die Fiakerkutscher am Fiakerstande und die Bootsführer kannten ihn und machten ihre Glossen 74 über ihn; die Polizeidiener blickten ihm nach und jagten die Jungen mit Blicken voll Verachtung und Mitleid von ihm weg; was kümmerten aber die Verachtung und das Mitleid der Männer, was die Witze verworfener Gassenkinder jetzt den General? Er taumelte mir verglasten Augen die Straße entlang, indem er gerade noch soviel Besinnung besaß, um zu wissen, wohin seine Bestimmung ihn führte, und um seinen gewohnten Pfad heimwärts zu verfolgen. Er ging so oft wie irgend jemand in London zu Bett, ohne zu wissen, wie er hineingekommen war. Er erwachte und fand sich dort; und er fragte nicht wieso, und eben lavierte er auf dieser seiner täglichen und gefahrvollen Reise, als Huxter ihn von seinem Sitze in der Kaffeekneipe aus erspähte. Seinen Freund erkennen, seine zwei Pence bezahlen (in der Tat hatte er bloß noch achtzehn Pence übrig, sonst würde er ein Cab von Vauxhall aus genommen haben, um sich nach Hause fahren zu lassen) war bei dem flinken Huxter das Werk eines Augenblicks. Costigan tauchte hinab in die Durchgänge des Dury Lanetheaters, wo Schnapsbuden, Austernläden und Theatergarderoben in Fülle vorhanden sind, deren Eigentümer jetzt hinter ihren Fensterläden eingeschlafen waren, als der rosige Morgen ihre Schornsteine erleuchtete; und durch diese Höfe folgte Huxter dem General, bis er die Oldcastle Street erreicht hatte, in der sich das Tor von Shepherds Inn befindet.

Hier geriet, gerade als er die Heimat zu Gesicht bekam, ein unglückliches Stückchen Apfelsinenschale zwischen den Absatz des Generals und das Pflaster und ward die Ursache, daß der arme alte Teufel nach 75 rückwärts zu Boden schlug. Huxter rannte augenblicklich auf ihn zu, und nach einer Pause, während welcher der alte Krieger, schwindlich von seinem Falle und dem vorher genossenen Whisky, so gut er es vermochte, seinen duseligen Verstand zusammennahm, hob der junge Wundarzt den hinkenden General auf und bot ihm sehr freundlich und gutmütig an, ihn nach Hause zu führen. Einige Zeit lang weigerte sich der verwirrte Kapitän auf die Frage, die der Student der Medizin ihm vorlegte, zu antworten und zu sagen, wo seine Wohnung wäre; er erklärte, daß sie ganz in der Nähe wäre und daß er sie ohne viel Schwierigkeit fände; und er machte sich von Huxters Arm los und schoß ein Stück vorwärts, als ob er unbegleitet sein Haus erreichen wollte, aber er taumelte und torkelte so sehr, daß der junge Wundarzt darauf bestand, ihn zu begleiten, und es endlich mit vielen besänftigenden, aufmunternden Ausrufen und tröstenden Phrasen durchsetzte, daß er des Generals schmutzige alte Hand unter das stecken konnte, was er seine eigene ›Flosse‹ nannte, und den alten Burschen, der kläglich ächzte, die Straße entlang führte. Er stand still, als er vor das altertümliche Tor kam, das mit dem Wappenschilde des ehrenwerten Shepherd geschmückt ist. »Hier ist's,« sagte er und lenkte nach dem Portale hin, zog mit Erfolg an der Torklingel, was sofort den alten Herrn Bolton, den Portier, herausbrachte, der eine ingrimmig-mürrische Miene machte und innerlich raisonnierte, wie er dies jeden Morgen zu tun pflegte, wenn an ihm die Reihe war, diesen frühzeitigen Vogel einzulassen.

Costigan versuchte Bolton auf einen Augenblick 76 durch eine artige Unterhaltung zu fesseln, jener aber wollte nicht. »Lassen Sie mich in Ruhe,« sagte er, »gehen Sie in Ihr Bette, Kapitän, und halten Sie anständige Leute nicht ab, sich in das ihrige zu legen.« So schwankte der Kapitän quer über den viereckigen Platz und erreichte seine Treppe, die er mit dem wackeren Huxter auf den Fersen hinaufstolperte. Costigan hatte einen eigenen Schlüssel, den Huxter für ihn in das Schlüsselloch steckte, so daß es nicht nötig war, den kleinen Herrn Bows aus dem Schlafe zu wecken, in den der alte Musikant erst seit kurzer Zeit gefallen war, und nachdem Huxter seinem betrunkenen Patienten beim Ausziehen behilflich gewesen und sich vergewissert hatte, daß keine Knochen gebrochen waren, half er ihm ins Bett und legte nasse Kompressen auf eins seiner Knie und Schienbeine, was sich Costigan, zugleich mit seiner Hose, die sie umhüllte, bei seinem Fall ernstlich zerschunden hatte. Im Alter des Generals und bei seiner Körperbeschaffenheit heilen solche Wunden, wie er sie sich zugezogen, nur langsam; eine tüchtige Entzündung folgte, und der alte Bursche lag einige Tage krank, litt Schmerzen und hatte Fieber.

Herr Huxter machte sich mit großer Zuversicht und Emsigkeit an die Behandlung seines interessanten Patienten und besorgte dieselbe mit gebührendem Geschick. Er besuchte seinen Freund Tag für Tag und tröstete ihn durch lebhaftes Geplauder und Gespräch über die Abwesenheit aus der Gesellschaft, deren Costigan bedurfte und deren Zierde er war; und er gab der Wärterin des Invaliden spezielle Instruktionen betreffs der Quantität von Whisky, die der Patient zu sich nehmen 77 dürfte – Instruktionen, welche er, da der arme alte Bursche viele Tage lang nicht allein von seinem Bette oder Sofa wegkommen konnte, auf keine Weise zu übertreten vermochte. Als Bows, Frau Bolton und unsere kleine Freundin Fanny dazu ermächtigt waren, warteten sie am Bette des Generals auf, und man machte es dem alten Kriegsmanne während seines Unglücks so bequem als nur möglich.

So wurde denn Huxter, dessen leutselige Manieren und gesellschaftliche Fähigkeiten ihn schnell in ein näheres Verhältnis zu allen Personen brachten, deren Bekanntschaft er machte, ziemlich schnell in Shepherds Inn wie zu Hause, und zwar sowohl mit unseren Bekannten in dem Dachstübchen als auch mit denen in der Portierswohnung. Es war ihm, als hätte er Fanny schon irgendwo gesehen, er war dessen sicher, aber es war kein Wunder, daß er sich ihrer nicht genau erinnerte, denn das arme kleine Ding erzählte ihm nie, wo sie ihn getroffen, und er selbst hatte sie zu einer Zeit gesehen, wo seine Ansichten sowohl von Personen wie von Recht und Unrecht durch die Aufregung des Trinkens und Tanzens sehr umwölkt waren, und außerdem war die kleine Fanny sehr verändert und mitgenommen durch das Fieber, die Gemütsaufregung und die leidenschaftliche Liebe und Verzweiflung, welche die vergangenen drei Wochen auf das Haupt dieses kleinen Opfers ausgegossen hatten. Ihr Köpfchen hing jetzt zu Boden, und sehr bleich und welk sah das Gesichtchen aus, und viele viele Male hatten die traurigen Augen in die des Briefträgers geschaut, wenn er in das Inn kam, und das kranke Herz war noch mehr gesunken, 78 wenn er vorbeiging. Als Herrn Costigan das Unglück passierte, war Fanny sehr froh, eine Gelegenheit zu haben, jemandem nützlich zu sein und ihm Gutes tun zu können – irgend etwas tun zu können, worüber sie vielleicht ihre eigenen kleinen Schmerzen vergaß; sie fühlte, daß sie dieselben leichter trug, wenn sie ihre Pflicht tat, obwohl ich meine, daß aus ihren Augen manche Träne in den Hafergrützschleim des alten Irländers fiel. Ach, laß es! rühre den Hafergrützschleim schön um und fasse Mut, kleine Fanny! Wenn jeder, der unter deinem Leiden gelitten hat, stracks daran sterben sollte, was für ein schönes Jahr würden die Leichenbitter haben!

Ob nun aus Mitleid mit seinem einzigen Patienten oder aus Vergnügen an seiner Gesellschaft – jedenfalls fand Herr Huxter jetzt Veranlassung, Costigan wenigstens zwei- oder dreimal täglich zu besuchen, und wenn einmal aus der Portierswohnung niemand die Aufwartung beim General besorgte, so war es sicher, daß der junge Doktor ihnen irgendeine ganz besondere Anweisung in seiner eigenen Wohnung zu erteilen hatte. Er war ein gutmütiger Bursche, er machte oder kaufte den Kindern Spielzeug, er brachte ihnen Aepfel und Bonbons oder eine Maske mit und erschreckte sie damit und rief ein Lächeln auf dem Gesichte der bleichen Fanny hervor. Er nannte Frau Bolton bloß Frau B. und war sehr intim, familiär und zutunlich mit dieser Dame, so ganz verschieden von jenem ›hochmütigen herzlosen Tier‹, wie Frau Bolton jetzt einen gewissen jungen Herrn unserer Bekanntschaft nannte, den sie jetzt nicht mehr ausstehen zu können beteuerte. 79

Von dieser Dame, die sehr frei mit der Sprache herausging, erfuhr denn Huxter bald, was es für eine Bewandtnis mit der Krankheit hatte, die augenscheinlich an der kleinen Fanny nagte, und welcher Art Pens Benehmen gegen dieselbe gewesen wäre. Frau Boltons Bericht von der Sache war, wie man sich denken kann, keine ganz unparteiische Erzählung. Man würde nach ihrer Geschichte gedacht haben, daß der junge Herr eine Reihe der hartnäckigsten und schändlichsten Winkelzüge angewandt hätte, um das Herz des Mädchens zu gewinnen, daß er ihr die feierlichsten Versprechungen gebrochen hätte und ein Elender wäre, wert von jedem Verteidiger gekränkter Frauenehre gehaßt und gezüchtigt zu werden. Huxter war, in seiner gegenwärtigen Gemütsverfassung über Arthur und von der Beleidigung des letzteren verletzt, natürlich bereit, alles für bare Münze zu nehmen, was zuungunsten dieses unglücklichen Wiedergenesenden gesagt wurde. Aber warum schrieb er denn nicht, wie er vordem getan, heim nach Clavering und gab einen Bericht über Pens schlechte Aufführung und alle die darauf bezüglichen Einzelheiten, die jetzt zu seiner Kenntnis gekommen waren? Er zeigte einmal in einem Briefe seinem Schwager an, daß jener ›nette junge Mann‹, Herr Pendennis, mit Mühe einem Fieber entgangen wäre, und daß ohne Zweifel ganz Clavering, ›wo er doch so beliebt wäre‹, sich über seine Genesung freuen würde, und er erwähnte, daß er einen interessanten Fall von Beinbruch, einen Offizier von Distinktion, in Behandlung hätte, der ihn in der Stadt zurückhielte; was aber Fanny Bolton betrifft, so tat er ihrer in seinen Briefen nicht mehr 80 Erwähnung – nicht mehr, als Pen selbst getan hatte. Oh, ihr Mütter daheim, wieviel bildet ihr euch ein, von euren Jungen zu wissen? Wie viel bildet ihr euch ein, zu wissen?

Es lag aber auch kein Grund vor, warum Huxter nicht mit Bows hätte sprechen sollen, und so erzählte Herr Sam sehr kurze Zeit nach jenem Gespräche mit Frau Bolton dem Musikus von seiner früheren Bekanntschaft mit Pendennis, beschrieb ihn als einen verdammt hochnäsigen Halunken und drückte den Entschluß aus, seinen unverschämten Kopf mit den Fäusten zu bearbeiten, sobald er nur gesund genug geworden wäre, sich ihm als Mann gegenüberzustellen.

Da geschah es, daß Bows seinerseits seine Version der Geschichte erzählte, von der Arthur und Fannychen der Held und die Heldin waren, wie sie nicht auf seine Veranstaltung zusammengetroffen wären, sondern durch eine Tölpelei des alten Irländers, der jetzt mit gebrochenem Schienbeine im Bette lag – wie Pen in der Sache mit Männlichkeit und Selbstüberwindung gehandelt hätte – wie Frau Bolton eine Närrin wäre; und er teilte die Unterhaltung mit, die er, Bows, mit Pen gehabt, und die Empfindungen, die der junge Mann geäußert hätte. Vielleicht war Bows Geschichte die Ursache, daß sich in der Brust von Pens Ankläger einige Gewissensbisse regten, und dieser Herr gestand offen ein, er hätte sich über Arthur geirrt, und er zog seinen Plan, Herrn Pendennis auf den Kopf zu hauen, zurück.

Aber das Aufhören seiner Feindseligkeit gegen Pen verminderte nicht Huxters Aufmerksamkeiten gegen Fanny, die der unglückliche Herr Bows mit seiner 81 gewöhnlichen Eifersucht und Bitterkeit der Seele bemerkte. »Ich brauche nur jemand gut zu sein,« dachte der alte Bursche, »gleich ist sicherlich jemand da, der mir vorgezogen wird. Es ist immer dasselbe Unglück mit mir gewesen, seit meiner Jugend bis jetzt, wo ich sechzig Jahr alt bin. Was kann ich besseres erwarten, als ausgelacht zu werden? Für die Jungen ist der Erfolg und das Glücklichsein, und nicht für alte Narren wie mich. Ich habe mein ganzes Leben lang die zweite Geige gespielt,« sagte er mit bitterem Lachen; »wie kann ich denken, daß das Glück sich ändern wird, nachdem es so lange gegen mich gewesen ist?« Dies war die egoistische Weise, in der Bows den Stand der Dinge ansah, obgleich wenige Leute, die einen Blick auf das bleiche gramerfüllte Gesicht des unglücklichen kleinen Mädchens taten, dachten, er hätte irgendeine Ursache zur Eifersucht. Fanny nahm Huxters gutmütige Bemühungen, sie zu trösten, und seine gütigen Aufmerksamkeiten freundlich hin. Sie lachte dann und wann über seine Späße und Spiele mit ihren kleinen Schwestern, versank aber schnell wieder in eine Niedergeschlagenheit, die Herrn Bows zur Genüge hätte beweisen sollen, daß der Neuankömmling bis jetzt noch keinen Platz in ihrem Herzen hätte, wenn der eifersüchtige Herr Bows imstande gewesen wäre, mit klaren Augen zu sehen.

Aber Bows war das nicht imstande. Fanny schrieb Pens Stillschweigen irgendwie dem Dazwischentreten Bows zu. Fanny haßte ihn. Fanny behandelte Bows mit steter Grausamkeit und Ungerechtigkeit. Sie wandte sich von ihm weg, wenn er sprach – sie 82 empfand Ekel vor seinen Versuchen, sie zu trösten. Ein hartes Leben und einen grausamen Dank für seine Teilnahme bekam Herr Bows. Als Warrington nach Shepherds Inn als Pens Gesandter kam, fragte er (zweifellos auf vorherige Verabredung mit der Hauptperson, für die er bei diesem delikaten Geschäfte handelte) nach der Wohnung des Herrn Bows und bekam Fräulein Fanny nicht einmal zu Gesicht, als er am Eingange zum Inn stillstand und seine Erkundigung einzog. Warrington wurde natürlich in die Wohnung des Musikus gewiesen und fand ihn dort mit der Wartung des Patienten beschäftigt, aus dessen Stube er kam, um seinen Gast zu begrüßen. Wir haben gesagt, daß sie vorher schon miteinander bekannt gewesen waren, und die beiden schüttelten sich recht herzlich die Hand. Nach einigen einleitenden Worten sagte Warrington, daß er von seinem Freunde Arthur Pendennis und dessen Familie gekommen wäre, um Bows für seine Aufmerksamkeit beim Beginne von Pens Krankheit und für seine Freundlichkeit zu danken, mit der er aufs Land hinausgeeilt wäre, um den Major zu holen.

Bows erwiderte, es wäre dies bloß seine Pflicht und Schuldigkeit gewesen, er hätte, als er Pens Verwandte zu suchen gegangen, nie geglaubt, er würde den jungen Herrn lebend wiedersehen, und er freue sich herzlich, daß Herr Pendennis genesen wäre und daß er seine Freunde bei sich hätte. »Glücklich diejenigen, welche Freunde haben, Herr Warrington,« sagte der Musikus. »Ich könnte in diesem Dachstübchen mich hinlegen, und niemand würde sich um mich kümmern oder sich etwas daraus machen, ob ich lebendig oder tot wäre.« 83

»Was! nicht einmal der General, Herr Bows?« fragte Warrington.

»Der General liebt seine Whiskyflasche mehr als alles in der Welt,« antwortete der andere; »wir leben aus Gewohnheit und weil es für uns paßt, zusammen, er kümmert sich um mich nicht mehr als Sie. Was ist es, das Sie mich fragen wollen, Herr Warrington? Sie sind nicht gekommen, mich zu besuchen, das weiß ich sehr wohl. Niemand kommt, um mich zu besuchen. Wegen Fanny, der Portierstochter, sind Sie gekommen – das sehe ich sehr wohl. Sehnt sich Herr Pendennis, nun er gesund geworden ist, danach, sie wieder zu sehen? Macht seine Hoheit der Sultan etwa den Vorschlag, ihr das Taschentuch zuzuwerfen? Sie ist sehr krank gewesen, Herr, die ganze Zeit seit dem Tage, wo Frau Pendennis sie zur Tür hinauswarf – sehr gütig von einer solchen Dame, nicht wahr? Das arme Mädchen und ich, wir fanden den jungen Herrn im Fieber rasen, wo er niemand kannte und niemand ihm aufwartete, als seine betrunkene Aufwärterin – sie wachte Tag und Nacht bei ihm. Ich machte mich auf, um seinen Onkel zu holen. Mama kommt und wirft Fanny heraus. Der Onkel kommt und läßt mich den Fiaker bezahlen. Sagen Sie den Damen und Herren meine Komplimente und teilen Sie ihnen mit, wir wären beide sehr sehr dankbar. Ei, eine Gräfin hätte sich nicht besser benehmen können, und für die Frau eines Apothekers, wie Frau Pendennis es ist, wie man mir gesagt hat, ist ihr Benehmen wahrhaftig ungemein aristokratisch und nobel. Sie sollte auf ihrem Kutschenschlage einen doppelt vergoldeten Mörser nebst Keulen führen.« 84

Ohne Zweifel war es Herr Huxter, von dem Bows die Verhältnisse von Pens Eltern erfahren hatte, und wenn er Pens Partei gegen den jungen Chirurgen und die Fannys gegen Herrn Pendennis nahm, so geschah es, weil der alte Herr so ärgerlicher Laune war, daß er Lust hatte, aller Welt zu widersprechen.

Warrington war neugierig und nicht unangenehm berührt von den Ausfällen und dem Ingrimm des Musikanten. »Ich hörte nie etwas von diesen Vorgängen,« sagte er, »oder wurde doch nur sehr unvollkommen durch Major Pendennis von ihnen unterrichtet. Was sollte eine Dame machen? Ich glaube (ich habe nämlich nie mit ihr über den Gegenstand gesprochen), daß sie irgendwie meinte, das junge Frauenzimmer und mein Freund Pen ständen miteinander – auf – auf einem zu vertrauten Fuße, was Frau Pendennis natürlich nicht gutheißen konnte –«

»Oh, natürlich nicht, mein Herr. Immer sprechen Sie sich aus, mein Herr, sagen Sie ohne Umstände, was Sie meinen, sagen Sie, daß der junge Herr aus dem Tempel das Mädchen aus Shepherds Inn opferte, he? Und so mußte sie denn aus der Tür geworfen oder in dem doppelt vergoldeten Mörser mit der Keule lebendig zerstampft werden, beim Jupiter! Nein, Herr Warrington, damit war's nichts, da wurde nichts geopfert, oder wenn etwas geopfert wurde, so war Herr Arthur das Opfer und nicht das Mädchen! Er ist ein rechtschaffener Bursche, obschon er die Nase hoch trägt und bisweilen ein Laffe ist. Er kann wie ein Mann fühlen und wie ein Mann vor der Versuchung fliehen. Ich gestehe das zu, obgleich es mir Schmerz macht, ich 85 gestehe es. Er hat ein Herz, ja, aber das Mädchen hat keins, Herr. Das Mädchen wird alles mögliche tun, um einen Mann zu erobern – und ihn dann von sich stoßen, ohne eine Gewissensregung, Herr. Wenn sie sich selbst weggeworfen hat, Herr, so wird sie es fühlen und darüber heulen. Sie hatte das Fieber, als Frau Pendennis sie herausstieß, und sie fing mit dem Doktor, Doktor Goodenough, zu liebeln an, der kam, um sie zu heilen. Nun hat sie sich mit einem anderen Bengel eingelassen – einem anderen Pflasterkasten, ha! ha! verdammt, Herr, sie liebt Mörser und Keule und hängt an den Pillenschachteln, sie ist ihnen gar so gut und hat sich einen Kerl aus St. Bartholomäus angeschafft, der, um ihre Schwestern zu unterhalten, durch ein Pferdekummet feixt und ihre Melancholie wegzaubert. Gehen Sie hin, mein Herr, und sehen Sie es sich an; höchstwahrscheinlich ist er jetzt in der Portiersstube. Wenn Sie Nachricht über Fräulein Fanny einziehen wollen, so müssen Sie zum Doktor gehen, Herr, und nicht zu einem alten Fiedler wie mir! Leben Sie wohl, mein Herr. Da ruft auch mein Patient nach mir.«

Und aus der Schlafkammer des Kapitäns ließ sich eine Stimme vernehmen, eine wohlbekannte Stimme, die sagte: »Ich möchte einen Tropfen zu trinken haben, Bows, ich bin durstig.« Und Warrington, vielleicht nicht böse, zu hören, daß die Dinge so stünden und daß Pens verlassenes Mädchen sich tröstete, nahm Abschied von dem ingrimmigen Musikanten.

Wie es der Zufall wollte, ging er gerade an der Portiersstube vorbei, als Herr Huxter die Kinder mit 86 der Maske ängstigte, von der wir oben gesprochen haben, und Fanny lächelte matt über seine Possen. Warrington lachte bitter. »Sind alle Weiber wie diese?« dachte er. »Ich glaube, es gibt eine, die nicht so ist,« fügte er mit einem Seufzer hinzu.

In Piccadilly traf Georg, der auf den Omnibus nach Richmond wartete, mit Major Pendennis zusammen, der ebenfalls dorthin wollte, und er erzählte dem alten Herrn, was er von Fanny gesehen und gehört hatte.

Major Pendennis war höchlichst entzückt und machte, wie man es von solch einem Philosophen erwartet haben wird, genau dieselbe Bemerkung, die Warrington entschlüpft war. »Die Weiber sind eine wie die andere«, sagte er. »La petite se console. Sapperlot, wenn ich in der Schule im »Telemach« las: Calypso ne pouvait se consoler, – Sie wissen, wie's weiter geht, Warrington, – da sagte ich stets, es wäre abgeschmackt. Abgeschmackt, bei Gott, und das ist es auch! Und so hat sie sich denn wirklich einen neuen Soupirant angeschafft, das kleine Portierstöchterchen? Verteufelt hübsches kleines Mädchen! Wie toll Pen sein wird – he, Warrington? Aber wir müssen es ihm nach und nach beibringen, oder er wird in solch eine Wut geraten, daß er ihr wieder nachläuft. Wir müssen den jungen Menschen menagieren.«

»Ich meine, Frau Pendennis müßte erfahren, daß sich Pen bei der Sache sehr gut benommen hat. Sie hält ihn augenscheinlich für schuldig, und nach Herrn Bows Bericht handelte Arthur nur wie ein rechtschaffner Mensch,« sagte Warrington. 87

»Mein lieber Warrington,« entgegnete der Major mit einem etwas bestürzten Blicke. »Bei dem angegriffenen Zustande der Gesundheit der Frau Pendennis ist, glaube ich, der allerbeste Weg, den wir einschlagen können, der, kein einziges Wort über den Gegenstand zu verlieren – oder, halt, überlassen Sie es mir, ich werde mit ihr darüber sprechen – es ihr so nach und nach beibringen, wissen Sie, und so weiter. Ich gebe Ihnen mein Wort, ich werde es tun. Und so hat sich denn also Calypso getröstet!« Und er kicherte über diese ihn sehr zufriedenstellende Wahrheit glückselig während des übrigen Teils der Fahrt in der Ecke des Omnibus.

Pen war sehr begierig, von seinem Abgesandten zu hören, was das Ergebnis der Mission des letzteren gewesen wäre, und sobald die beiden jungen Leute allein sein konnten, sprach der Abgesandte als Erwiderung auf Arthurs hastige Fragen folgendes:

»Du erinnerst dich deines Gedichtes ›Ariadne in Naxos‹, Pen,« sagte Warrington; »verteufelt schlechte Poesie war's, das ist sicher.«

»Après?« fragte Pen in einem Zustaude großer Aufregung.

»Als Theseus Ariadne verließ, erinnerst du dich, was ihr da passierte, junger Mensch?«

»Es ist eine Lüge, es ist eine Lüge! Du kannst das nicht meinen!« rief Pen, indem er in die Höhe fuhr und sein Gesicht sich rötete.

»Setz dich nieder, Dummkopf,« sagte Warrington und stieß Pen mit zwei Fingern wieder auf seinen Sitz nieder. »Es ist so, wie es ist, besser für dich,« sagte er 88 traurig als Antwort auf das zornige Erröten auf Pens Antlitz.



 << zurück weiter >>