William M. Thackeray
Die Geschichte von Pendennis / Band 3
William M. Thackeray

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Elftes Kapitel

Erklärt vielleicht das zehnte Kapitel

Die Kenntnis von den Angelegenheiten der Familie Clavering, die Major Pendennis durch Strong und durch seine eigene persönliche Einmischung als Hausfreund erlangt hatte, war der Art, daß sie den alten Herrn beinahe in all seinen Plänen innehalten ließ, die er einst zugunsten seines Neffen gehegt haben mochte, Arthur eine Frau mit zwei solchen Schwiegervätern zu geben, wie die beiden würdigen Männer waren, die die arglose und unglückliche Lady Clavering in der Heiratslotterie als ihr 230 Los gezogen hatte, hieß niemandem eine Wohltat erweisen. Und obwohl der eine gewissermaßen den anderen neutralisierte, und die Erscheinung Amorys oder Altamonts in der Oeffentlichkeit das Signal zu seiner augenblicklichen Aufgreifung und verdienten Abstrafung – denn der flüchtige Verbrecher hatte den ihn beaufsichtigenden Beamten erschlagen – und sein unausbleibliches Ende ein Strick gewesen sein würde, falls er wieder vor britische Behörden gekommen wäre, so konnte es dennoch keines Vormunds Wunsch sein, seinem Mündel ein Weib zu sichern, deren Erzeuger man sich in solcher Weise vom Halse schaffen mußte; die Ansicht des alten Herrn war daher allezeit dahin gegangen, Altamont würde, mit dem Galgen vor den Augen, sich in acht nehmen, erkannt zu werden, während zu gleicher Zeit Clavering, über den er die Drohung, sich zu entdecken, hielt, da er bei Amorys Erscheinen alles verlieren würde, ein Sklave in den Händen der Person sein müßte, die um ein so verhängnisvolles Geheimnis wüßte.

Aber wenn die Begum Claverings Schulden noch viele Male bezahlte, so würde ihr Reichtum samt und sonders für diesen unverbesserlichen Schurken vertan werden, und ihre Erben, möchten sie nun sein, wer sie wollten, würden nach ihrem Tode nur leere Truhen finden, und Fräulein Amory würde, statt ihrem Gatten ein gutes Einkommen und einen Sitz im Parlamente einzubringen, diesem Individuum nur ihre Person und ihren Stammbaum mit der beklagenswerten Note sus. per coll. beim Namen des letzten männlichen Sprossen ihrer Familie mitbringen. 231

Es fand sich indessen, als der alte Ränkeschmied sich diese Dinge in seinem Gemüte überlegte, daß noch ein anderer Ausweg offen war, der dem Leser vor Augen treten wird, der sich die Mühe geben will, einer Unterhaltung zuzuhören, die bald darauf zwischen Major Pendennis und dem ehrenwerten Baronet, dem Mitgliede für Clavering, stattfand.

Wenn jemand, der in pekuniärer Verlegenheit ist, aus dem Kreise seiner gewöhnlichen Freunde und Genossen verschwindet, – sozusagen untertaucht, daß ihn der Schwarm von Vögeln, mit denen er zu fliegen gewohnt ist, nicht mehr sieht, so ist es zum Verwundern, in was für sonderbaren und entlegenen Winkeln er oft wieder emporkommt, um Atem zu schöpfen. Ich habe einen Pflastertreter von Pall Mall und Stutzer von Rotter Row gekannt, der in nicht unbeträchtlichem Grade Anspruch auf den Namen eines Mannes von Welt hatte, aber plötzlich aus dem Kreise seiner Kameraden in den Klubs und dem Parke verschwand und dann äußerst glücklich und leutselig in einer Achtzehnpennykneipe in Billingsgate entdeckt wurde, und ein anderer Herr von großer Gelehrsamkeit und vielem Verstande (wollte ich sagen, es wäre ein Schriftsteller gewesen, so würden gewisse Kritiker darauf schwören, daß ich das Literatentum beleidigen wolle) schickte mir einst, als er auf der Flucht vor dem Konstabler war, seine Adresse aus einem kleinen Wirtshause, das »Der Fuchs unter dem Hügel« heißt und im finstersten und höhlenähnlichsten Durchgange im Strand gelegen ist. Solch ein Mann mag unter solchen Umständen wohl ein Haus 232 haben, aber er ist nie in seinem Hause, und er hat eine Adresse, wo man Briefe zurücklassen kann, aber nur Einfaltspinsel gehen in der Hoffnung hin, ihn dort zu sehen. Nur ein paar Getreue wissen, wo er zu finden ist, und haben den Schlüssel zu seinem Versteck. So war es denn nach dem Streite mit seiner Frau und den hierauf folgenden Unglücksfällen unmöglich, Sir Francis Clavering zu Hause anzutreffen. »Die ganze Zeit, seit ich ihm wegen meines Buches nachjage, das vierzehn Pfund beträgt, kommt er vor drei Uhr nicht heim und tut, als ob er schlafen täte, wenn ich ihm morgens sein Wasser reinbringe, und entwischt, wenn ich hernach unten bin,« bemerkte Herr Lightfoot zu seinem Freunde Morgan, indem er seinen Wunsch aussprach, zu Mylady zu gehen, dort Haushofmeister zu werden und sein altes Frauenzimmer zu heiraten. Ebensowenig kam der Baronet, nach seinem Zanke mit Strong, diesem zu nahe, sondern floh in andere Spelunken, die außer dem Bereich der Vorwürfe des Chevaliers lagen – ja womöglich außer dem Bereich des Gewissens, dem manche von uns durch einen Wechsel des Schauplatzes und andere Schliche und Kniffe zu entwischen versuchen.

So kostete es dem älteren Pendennis, obschon er aus guten Gründen eifrig danach strebte, Pens Nachbar auf dem Lande und Vertreter im Parlamente zu sehen, nicht unbeträchtliche Mühe und Zeit, ehe er ihn in eine solch vertrauliche Stimmung und Unterhaltung hineintreiben konnte, als für die Zwecke, die der Major im Auge hatte, notwendig war. Denn seit der Major als Hausfreund aufgenommen worden war und 233 Kenntnis von Claverings ehelichen und pekuniären Angelegenheiten erlangt hatte, vermied ihn der Baronet, wie er stets all seine Sachwalter und Agenten vermied, wenn es eine Rechnung zu berichtigen oder eine Geschäftssache zwischen ihnen zu besprechen gab, und nie einer Bestellung nachkam, wenn der Zweck derselben nicht die Aufnahme von Geld war. Auf diese Weise machte der Major, ehe er diesen höchst scheuen und schüchternen Vogel einfing, mehr als einen vergeblichen Versuch, ihn abzufassen. Den einen Tag war es eine höchst unschuldig aussehende Einladung zum Essen in Greenwich, wo man ein paar Freunde antreffen würde; der Baronet nahm die Einladung an, schöpfte aber irgendwie Verdacht und kam nicht, indem er es dem Major (der allerdings die Absicht hatte, den Freundeskreis in seiner Person zu vertreten) überließ, seinen Köder allein zu verspeisen; bei einer anderen Gelegenheit schrieb der Major an ihn und bat um eine Unterredung von zehn Minuten, und der Baronet bestätigte auf der Stelle den Empfang des Schreibens und bestellte ihn auf den nächsten Tag Punkt (er unterstrich das Wort ›Punkt‹ sorgfältig) vier Uhr in Bays Klub; aber obschon vier Uhr herankam, wie es denn im Laufe der Zeit und des Schicksals nicht anders sein konnte, so stellte sich doch kein Clavering ein. In der Tat, hätte er sich von Pendennis zwanzig Pfund geborgt gehabt, so hätte er nicht schüchterner sein und eifriger wünschen können, den Major zu vermeiden, und dieser letztere fand, daß es zweierlei wäre, jemand zu suchen und jemand zu finden.

Ehe der Tag zu Ende ging, an dem der Gönner 234 Strongs dem Chevalier die Wohltat so vieler Segenswünsche ins Gesicht und so vieler Flüche hinter seinem Rücken hatte zuteil werden lassen, hatte Sir Francis Clavering, der den Ratgebern seiner Frau sein Wort verpfändet und einen Eid geleistet hatte, nie wieder einen Wechsel zu ziehen oder zu akzeptieren und mit dem Taschengelde sich zu begnügen, welches sein geopfertes Weib ihm noch immer zukommen ließ, dennoch glücklich seinen achtbaren Namen auf ein Stück Stempelpapier geschrieben, das der Freund des Baronets, Herr Moses Abrams, mit dem Versprechen fortgetragen hatte, den Wechsel von jemand »abmachen« zu lassen, mit dem Herr Abrams so glücklich war, in freundschaftlichem Verhältnis zu stehen. Und es traf sich, daß Strong von diesem Geschäfte an dem Orte hörte, wo man die Wechselformulare ausgefüllt hatte, im Hinterstübchen von Herrn Santiagos Zigarrenladen nämlich, wo der Chevalier gewohnt war, ein Stündchen des Abends zu verbringen.

»Er ist wieder auf dem alten Pferde,« erzählte Herr Santiago seinem Kunden. »Er und Moses Abrams waren in meiner Stube. Moses schickte meinen Jungen nach einem Formular. Es muß ein Wechsel auf fünfzig Pfund gewesen sein. Ich hörte, wie der Baronet zu Moses sagte, er solle ihn zwei Monate zurückdatieren. Er will dann vorgeben, es sei ein alter Wechsel und er habe ihn vergessen, als er neulich mit seiner Frau abgeschlossen. Ich glaube, sie werden ihm jetzt, wo seine Rechnung klar ist, wieder etwas Geld geben.« Jemand, der die Gewohnheit hat, seinen unglückseligen Namen unter Wechsel auf sechs Monate zu setzen, hat 235 die Genugtuung, auch zu wissen, daß seine Angelegenheiten bekannt und besprochen und seine Unterschrift unter den schlechtesten Schurken und Halunken Londons herumgegeben ist.

Der Laden des Herrn Santiago war nahe bei St. James Street und Burg Street, wo wir die Ehre gehabt haben, unsern Freund, den Major Pendennis, in seiner Wohnung zu besuchen. Der Major wandelte gemächlich nach seiner Residenz zu, als Strong, brennend vor Wut und duftend nach Havannazigarren, auf demselben Pflaster ihm entgegenschritt.

»Verwünschte Kerls, diese jungen Leute, wie sie doch alles mit ihrem Tabaksrauche vergiften!« dachte der Major. »Hier kommt so ein Lümmel mit einem Schnurrbarte und einer Zigarre. Jeder, der raucht und einen Schnurrbart trägt, ist ein gemeiner Geselle. Oh, es ist Herr Strong. – Sie befinden sich doch hoffentlich wohl, Herr Strong?« und der alte Herr wollte, indem er dem Chevalier einen herablassenden Bückling machte, eben in sein Haus treten und richtete mit zitternder Hand den polierten Hausschlüssel nach dem Schlosse der Tür.

Wir haben erzählt, daß bei den langen und trübseligen Besprechungen und Verhandlungen über die Bezahlung der letzten Schulden Sir Francis Claverings Strong und der Major beide als Freunde und Ratgeber der unglücklichen Familie des Baronets zugegen gewesen waren, Strong blieb stehen und hielt seinem Kollegen in Ordnung dieser Angelegenheit die Hand hin, und der alte Pendennis streckte ihm ein Paar unanmutige Finger entgegen. 236

»Was bringen Sie für gute Neuigkeiten?« sagte der Major Pendennis, der dem anderen gegenüber immer noch die Gönnermiene beibehielt und sich herabließ, eine Bemerkung an ihn zu richten, denn der alte Pendennis hatte sich sein Lebenlang stets in guter Gesellschaft bewegt, daß er sich unbestimmt einbildete, er tue gemeinen Leuten eine Ehre an, wenn er mit ihnen rede. »Immer noch in der Stadt, Herr Strong? Sie sind hoffentlich hübsch wohl?«

»Meine Neuigkeiten sind schlimme Neuigkeiten, Herr Major,« antwortete Strong; »sie betreffen unsere Freunde in Tunbridge Walls, und ich würde gern einmal mit Ihnen darüber sprechen. Clavering macht wieder seine alten Dummheiten, Major Pendennis.«

»Was Sie sagen! Bitte tun Sie mir den Gefallen, mit mir in meine Wohnung zu kommen,« sagte der Major mit erwachter Teilnahme, und das Paar trat ein und nahm von seinem Empfangszimmer Besitz. Nachdem er sich gesetzt hatte, entledigte sich Strong gegen den Major seiner Entrüstung und sprach ein langes und breites über Claverings Unbedachtsamkeit und verräterische Hinterlist. »Den werden keine Versprechungen binden, Herr Major,« sagte er. »Sie erinnern sich, wie wir mit Myladys Advokaten zusammentrafen, wo es ihm nicht hinreichte, sein Ehrenwort zu geben, sondern er es für nötig hielt, auf den Knien vor seiner Frau einen Eid abzulegen und wo er nach einer Bibel klingelte und das Verderben auf seine Seele herabbeschwor, wenn er je wieder einen Wechsel ausgeben wollte. Und eben heute hat er einen unterschrieben und wird Ihnen für bares Geld soviel als 237 Ihnen beliebt, unterschreiben; er wird jedermann hintergehen, seine Frau, sein Kind oder seinen alten Freund, der ihm hundertmal wieder auf die Beine geholfen hat. So gibt es da zum Beispiel einen Wechsel von ihm und mir, der nächste Woche fällig sein wird –«

»Ich dachte, wir hätten alles bezahlt –«

»Nicht diesen,« sagte Strong errötend. »Er bat mich, nichts zu erwähnen, und – und – ich hatte bloß die Hälfte des Geldes dafür, Major. Und sie werden mir nun auf den Pelz rücken. Aber ich mache mir nichts daraus, ich bin an so etwas gewöhnt. Es ist Lady Clavering, die mir leid tut. Es ist eine Schande, daß dies gutherzige Weib, die ihn schon so oft aus dem Gefängnisse losgekauft hat, durch seine Herzlosigkeit zugrunde gerichtet werden soll. Ein Pack von Wechselgaunern, Boxern und Schuften aller Art ziehen sein Geld, und er macht sich kein Gewissen daraus, einen ehrlichen Kerl über Bord zu werfen. Würden Sie es wohl glauben, er hat Geld von Altamont genommen – Sie wissen, wen ich meine?«

»Wirklich? Von diesem sonderbaren Menschen, der, wie mich dünkt, einmal betrunken in Sir Francis Haus kam?« sagte Major Pendennis mit unerschütterlich ruhigem Gesichte. »Wer ist nur dieser Altamont, Herr Strong?«

»Weiß es wirklich nicht, wenn Sie es nicht wissen,« antwortete der Chevalier mit einer Miene, die Staunen und Verdacht ausdrückte.

»Um offen mit Ihnen zu reden,« sagte der Major, »ich habe meine Vermutungen. Ich hege den Verdacht, 238 merken Sie wohl, bloß den Verdacht, daß es im Leben unseres Freundes Clavering, der, wie wir beide uns im Vertrauen gestehen müssen, Kapitän Strong, einer der lockersten Vögel in meiner ganzen Bekanntschaft ist, ohne Zweifel verschiedene seltsame Geheimnisse und Geschichten gibt, von denen weder er, noch auch einer von uns, wünschen dürfte, daß sie bekannt würden. Und sehr wahrscheinlich weiß dieser Mensch, der sich Altamont nennt, irgendeine Geschichte von Clavering und hat ihn irgendwie in Händen und drängt ihm kraft seines Mitwissens Geld ab. Ich kenne mehrere der besten Männer von den besten Familien Englands, die in dieser Weise heimlich Geld zahlen. Aber ihre Privatangelegenheiten gehen mich nichts an, Herr Strong, und man darf nicht glauben, daß ich, weil ich zu jemand gehe und bei ihm zu Tische bin, in seine Geheimnisse gucke oder für sein ganzes vergangenes Leben verantwortlich bin. Und so ist es auch mit unserem Freunde Clavering; ich nehme großen Anteil wegen seiner Frau und seiner Tochter, die ein sehr reizendes Geschöpf ist; und als Ihre Ladyschaft mich bat, tat ich einen Blick in ihre Angelegenheiten und versuchte sie zu ordnen; ich werde dies auch noch öfter tun, verstehen Sie wohl, so gut es meine schwachen Kräfte und Fähigkeiten gestatten, wofern ich mich nützlich machen kann. Und wenn man mich aufforderte, Sie verstehen, wenn man mich aufforderte und – beiläufig, dieser Herr Altamont, Herr Strong? Wie steht es mit diesem Herrn Altamont? Ich glaube, Sie sind mit ihm bekannt? Befindet er sich in der Stadt?«

»Ich wüßte nicht, daß ich den Beruf hätte, zu 239 wissen, wo er ist, Major Pendennis,« sagte Strong, indem er aufstand und mit verdrießlicher Miene seinen Hut nahm, denn die Gönnermiene und impertinente Vorsicht des Majors beleidigte den wackeren Herrn nicht wenig.

Pendennis' Benehmen verwandelte sich sogleich vom hochnäsigen Ton in eine pfiffige Gutgelauntheit. »Ah, Kapitän Strong,« sagte er, »ich sehe, Sie sind gleichfalls vorsichtig und mit vollem Rechte, mein guter Herr, mit vollem Rechte. Wir wissen nicht, was für Ohren die Wände haben könnten, mein Herr, oder zu wem wir am Ende sprechen, und als Mann von Welt und alter Soldat – als alter und ausgezeichneter Soldat, wie ich mir habe sagen lassen, Kapitän Strong – wissen Sie recht wohl, daß es nichts nutzt, blindlings drauflos zu feuern; Sie mögen Ihre Gedanken haben, und ich mag zwei und zwei zusammenzählen und die meinigen haben. Aber es gibt Dinge, die ihn nicht betreffen und wovon mancher besser nichts wüßte, ha, nicht wahr, Kapitän? und welche ich z. B. nicht eher wissen mag, als ich Ursache habe, sie zu erfahren, und das ist, glaube ich, auch Ihr Grundsatz. Hinsichtlich unseres Freundes, des Baronets, meine ich mit Ihnen, es würde höchst geraten sein, wenn er von seinem unseligen Treiben abgehalten würde, und ich tadele es aufs strengste, wenn jemand sein Wort nicht hält oder sich so aufführt, daß er seiner Familie Kummer bereitet oder ihr irgendwie Verdruß macht. Das ist meine volle und rückhaltslose Meinung, und ich bin überzeugt, es ist auch die Ihrige.«

»Sicherlich,« meinte Herr Strong trocken. 240

»Freue mich sehr, das zu hören, bin entzückt, daß ein alter Kriegskamerad mit mir so vollkommen übereinstimmt. Und ich bin über das glückliche Zusammentreffen außerordentlich froh, das mir das Vergnügen Ihres Besuches verschaffte. Guten Abend. Danke Ihnen. Morgan, zeigen Sie dem Kapitän Strong die Tür.«

Strong, dem Morgan voranschritt, nahm Abschied von Major Pendennis; der Chevalier nicht wenig erstaunt über die Klugheit des alten Burschen, und der Kammerdiener, um die Wahrheit zu sagen, ganz ebenso verblüfft über die Schweigsamkeit seines Herrn. Denn Herr Morgan schlich in seiner Eigenschaft als vollendeter Bedienter so leise wie ein Schatten im Hause hin und her und hatte, da sich's gerade so machte, während des letzten Teils der Unterhaltung seines Herrn mit seinem Besuche sehr nahe der Tür gestanden und ein gutes Teil von dem Gespräche der beiden Herren gehört, ja viel mehr sogar, als er zu begreifen imstande war.

»Wer ist jener Altamont? Wissen Sie irgend etwas von ihm und Strong?« fragte Herr Morgan Herrn Lightfoot bei der nächsten passenden Gelegenheit, wo sie im Klub zusammentrafen.

»Strong ist sein Geschäftsmann, zieht dem Herrn seine Wechsel, indossiert sie und besorgt seinen ganzen Krempel u. dgl.,« erwiderte Herr Lightfoot. »Wissen Sie, Herr Morgan, dieses Drachensteigenlassen erfordert immer zwei oder drei, damit das Papier gehörig geht. Altamont setzte seinen Topf übers Feuer beim Derbyrennen und gewann einen schönen 241 Batzen Geld. Ich wollte, mein Herr könnte wo was herkriegen und ich könnte bekommen, was in meinem Buche steht.«

»Denken Sie, daß Mylady seine Schulden noch einmal bezahlen wird?« fragte Morgan. »Sehen Sie das herauszubekommen für mich, Lightfoot, und es soll Ihr Schade nicht sein, mein Junge.«

Major Pendennis hatte oft lachend gesagt, sein Kammerdiener Morgan sei ein weit reicherer Mann als er selbst, und in der Tat hatte dieser schlaue und schweigsame Bediente durch lange fortgesetztes sorgfältiges Spekulieren während der Jahre, die er in Diensten des Majors verbracht, wo er die Bekanntschaft vieler anderer Bedienten von Distinktion gemacht, von denen er die Verhältnisse ihrer Herrschaften erfahren hatte, eine beträchtliche Summe Geldes zusammengebracht. Als Herr Arthur sein Besitztum antrat, aber nicht eher, hatte Morgan den jungen Herrn in Erstaunen versetzt, indem er ihm sagte, daß er eine kleine Summe Geldes hätte, so fünfzig oder hundert Pfund etwa, die er vorteilhaft anzulegen wünschte; vielleicht könnten die Herren vom Tempel, die sich auf Geldgeschäfte und dergleichen verständen, einem armen Teufel dazu verhelfen, sein Geld gut anzubringen. Morgan würde Herrn Arthur sehr verbunden sein, in der Tat sehr dankbar und verbunden, wenn Herr Arthur ihm jemand nennen könnte. Als Arthur lachend erwiderte, daß er von Geldsachen nichts verstände und durchaus keinen Weg wüßte, Morgan zu helfen, so war der letztere mit der unschuldigsten Miene von der Welt Herrn Arthur sehr dankbar, ganz 242 außerordentlich dankbar, und wenn Herr Arthur einmal ein wenig Geld bedürfen sollte, ehe seine Renten einkämen, so würde er sich vielleicht gütigst erinnern, daß der alte und getreue Diener seines Onkels etwas hätte, das er gern verborgen und sehr stolz sein würde, wenn er irgendwie einem von der Familie nützlich sein könnte.

Der Prinz von Fairoaks, der leidlich klug war und dem es nicht an barem Gelde fehlte, würde ebenso leicht auf den Gedanken gekommen sein, vom Bedienten seines Onkels zu borgen, als das Taschentuch des Kammerdieners zu stehlen, und war schon auf dem Punkte, auf Morgans Anerbieten eine hochmütige Antwort zu geben, als ihn der Humor, der in der Sache lag, davon abhielt. Morgan ein Kapitalist! Morgan, der ihm ein Darlehen anbot! Der Spaß war ausgezeichnet. Andererseits konnte der Mensch ja ganz unschuldig und sein Vorschlag ein einfaches gutmütiges Anerbieten sein. So hielt Arthur mit dem Sarkasmus, der ihm auf der Zunge lag, zurück und begnügte sich damit, Herrn Morgans gutgemeintes Anerbieten abzulehnen. Er erwähnte indes die Sache gegen seinen Onkel und wünschte dem letzteren Glück, einen solchen Schatz in seinen Diensten zu haben.

Es war damals, wo der Major meinte, daß Morgan, wie er glaube, in seiner langen Zeit höllisch reich geworden sein müßte; in der Tat hatte er auch das Haus in Burg Street, in dem sein Herr zur Miete wohnte, gekauft und wirklich durch seine Bekanntschaft mit der Familie Clavering und dadurch, daß er von seiner Herrschaft erfahren hatte, die Begum werde alle 243 Schulden ihres Gatten bezahlen, eine beträchtliche Summe Geldes damit verdient, daß er so viele von den Wechseln des Baronets aufgekauft hatte, als er nur durch Aufnahme von Geldern bezahlen konnte. Von diesen Geschäftchen wußte der Major jedoch nicht mehr, als die meisten Herrschaften von ihren Dienern wissen, die alle Tage mit uns leben und doch Fremde für uns bleiben; so streng ist der Brauch und so unbarmherzig der Unterschied zwischen Stand und Stand.

»So bot er dir also wirklich Geld an?« bemerkte der ältere Pendennis zu seinem Neffen. »Er ist doch ein höllisch schlauer Kerl und ein unermeßlich reicher Kerl, und es gibt manchen Edelmann, der gar gern einen solchen Kammerdiener in seinem Dienste haben und auch von ihm borgen würde. Und dabei hat er sich kein bißchen geändert, dieser Monsieur Morgan. Er besorgt seine Arbeit genau so gut wie immer – er ist stets bei der Hand, wenn ich die Klingel ziehe – schleicht sich durchs Zimmer so leise wie eine Katze – so höllisch hängt dieser Morgan an mir!«

An dem Tage, wo Strong seinen Besuch machte, überlegte der Major sich Pens Geschichte, und wie Morgan ihm behilflich sein könnte, und zog den Kammerdiener mit seinem Reichtum in jener ungenierten und rücksichtslosen Weise auf, die ein so hochgestellter Herr sich gegen ein so unseliges Geschöpf zu erlauben Lust haben konnte.

»Ich höre da, Sie haben einiges Geld zu verborgen, Morgan,« sagte der Major.

Das hat ihm Herr Arthur gesagt, hol ihn der Henker! dachte der Kammerdiener. 244

»Ich freue mich, daß die Stelle bei mir so gut ist.«

»Danke, Herr – ich habe keine Ursache, mich über meine Stelle oder meine Herrschaft zu beklagen,« erwiderte Morgan bescheiden.

»Sie sind ein guter Mensch, und ich glaube, Sie hängen sehr an mir, ich freue mich, daß Sie gut vorwärtskommen. Ich hoffe, Sie werden klug sein und nicht ein Wirtshaus pachten oder so etwas der Art.«

Ein Wirtshaus, dachte Morgan – ich in einem Wirtshause! – Der alte Narr! – Verdammt, wäre ich zehn Jahre jünger, ich wollte im Parlament sitzen, ehe ich stürbe, wahrhaftig, Herr Major. »Ich denke nicht an einen Gastwirt, Herr. Und ich habe auch meine kleinen Ersparnisse gut angelegt, Herr Major.«

»Sie machen wohl ein wenig in Wechselgeschäften, he, Morgan?«

»Ja, Herr, ein ganz klein wenig – ich – ich bitte um Verzeihung, Herr Major – aber darf ich wohl so frei sein, Ihnen eine Frage vorzulegen?«

»Immer heraus damit, mein guter Freund,« sagte der alte Herr gnädig.

»Ueber das Papier Sir Francis Claverings? Denken Sie, daß er noch ferner gut ist, Herr? Wird Mylady seinen Wechsel noch einmal einlösen?«

»Was, Sie haben bei dieser Geschichte bereits Geschäfte gemacht?«

»Ja, Herr Major, so ein bißchen,« antwortete Morgan, indem er die Augen niederschlug. »Und ich bekenne es auch frei, Herr Major; ich hoffe, ich darf mir die Freiheit nehmen zu sagen, daß noch ein 245 bißchen davon mich recht behaglich betten würde, wenn es sich so gut machte, wie das letztemal.«

»Ei der Tausend, wieviel haben Sie denn an ihm verdient, um Gotteswillen?« fragte der Major.

»I nun, ich habe einen schönen Schlag dabei gemacht, das gestehe ich zu, Herr Major. Ich wußte ein wenig, wie es stand, und machte durch Ihre Güte, Herr Major, Bekanntschaft mit der Familie, und da riskierte ich es mit ihm.«

»Sie taten was?«

»Ich legte mein Geld an, Herr Major – ich kaufte alles, was ich konnte, und borgte und kaufte damit Sir Francis Wechsel auf; viele davon trugen seinen Namen und den von dem Herrn, der eben fortgegangen ist, Edward Strong, Esquire, Herr Major, und natürlich wußte ich von dem Zank und Spektakel, der in Grosvenor Place stattfand, und da ich ebenso gut Geldgeschäfte machen kann wie andere Leute, so würde ich Ihnen sehr verpflichtet sein, wenn Sie mir sagen könnten, ob Mylady ihm noch einmal aushelfen wird.«

Obschon Major Pendennis über diese Mitteilung seines Bedienten so erstaunt war, als hätte er gehört, Morgan wäre ein verkleideter Marquis, im Begriffe, die Maske abzuwerfen und seinen Sitz im Hause der Peers wieder einzunehmen, und obschon er natürlich ärgerlich war über die Unverschämtheit des Kerls, der sich's unterstanden, vor seiner Nase und ohne sein Wissen reich zu werden, so hatte er doch eine angeborene Bewunderung für jedermann, der Geld und Glück repräsentierte, und fand, daß er Respekt vor 246 Morgan, ja sogar ziemliche Furcht vor diesem würdigen Bedienten hatte, als ihm die Wahrheit aufzudämmern begann.

»Na, Morgan,« sagte er, »ich darf Sie doch nicht fragen, wie reich Sie sind, und je reicher, desto besser natürlich für Sie. Und wenn ich Ihnen irgendwie eine Mitteilung machen könnte, die Ihnen von Nutzen wäre, so würde ich eilen, Ihnen behilflich zu sein. Aber offengestanden, wenn Lady Clavering mich fragt, ob sie noch mehr von den Schulden dieses Sir Francis bezahlen soll, so werde ich es ihr raten; und ich hoffe, sie wird es nicht tun, obgleich ich fürchte, daß sie es doch tun wird – und das ist alles, was ich Ihnen sagen kann. Und so wissen Sie also, daß Sir Francis aufs neue mit seinen – eh – mit seinem unbedachtsamen und unklugen Treiben beginnt?«

»Mit seinem alten Spielen, Herr Major – kann diesen Herrn nicht abhalten davon. Er will es durchaus.«

»Herr Strong sagte, daß ein gewisser Herr Moses Abrams im Besitze eines der Papiere Sir Francis Claverings sei. Wissen Sie etwas von diesem Herrn Abrams oder dem Betrage des Wechsels?«

»Weiß nichts von dem Wechsel, kenne aber den Abrams ganz gut, Herr Major.«

»Ich wollte, Sie könnten es für mich ausfindig machen. Und ich wollte, Sie könnten es ausfindig machen, wo ich Sir Francis Clavering sehen kann, Morgan.«

Und Morgan sagte: »Danke, Herr Major; ja, Herr Major, ich werde es besorgen, Herr Major,« und 247 zog sich aus dem Zimmer zurück, wie er hineingetreten war, mit seinem gewohnten schweigsamen Respekte und seiner ruhigen Demut, mit der er den Major seinem Nachdenken und Staunen über das, was er soeben gehört hatte, überließ.

Am nächsten Morgen berichtete der Kammerdiener dem Major Pendennis, daß er den Herrn Abrams gesehen hätte, wie hoch der Betrag des Wechsels wäre, den dieser Herr anzubringen wünschte, und daß der Baronet diesen Tag um ein Uhr ganz sicher im Hinterstübchen der Schenke zum »Rade der Fortuna« anzutreffen sein würde.

Bei dieser Bestellung war Sir Francis Clavering pünktlich, und als er um ein Uhr in der Stube der genannten Schenke saß, umgeben von Spucknäpfen, Windsorstühlen, lustigen Kupfern mit Boxern, Rennpferden und Schnelläufern, und den letzten Resten des Tabaksdampfs von vergangener Nacht – als, sagen wir, der Sproß eines alten Hauses an diesem erquicklichen Orte saß, vor einem zerlesenen Exemplar von »Bells Leben in London«, das stark mit Bier befleckt war, wandelte der höfliche Major Pendennis in das Gemach.

»Bist du es, alter Junge?« fragte der Baronet, in der Meinung, daß Herr Moses Abrams mit dem Gelde eingetroffen wäre.

»Wie geht es Ihnen, Sir Francis Clavering? Ich wünschte Sie zu sprechen und folgte Ihnen hierher,« sagte der Major, bei dessen Anblick der andere ein langes Gesicht machte. 248

Jetzt, wo er seinen Gegner vor sich hatte, war der Major entschlossen, ohne langes Besinnen einen flotten Angriff auf ihn zu machen, und eröffnete sogleich die Schlacht. »Ich weiß,« fuhr er fort, »wer der über alle Maßen berüchtigte Mensch ist, für den Sie mich hielten, Clavering, ich kenne auch das Geschäftchen, das Sie hierher geführt hat.«

»Das geht Sie doch wohl nichts an?« fragte der Baronet mit einem mürrischen und zugleich flehentlichen Blick. »Warum folgen Sie mir nur auf Schritt und Tritt und maßen sich den Befehl über mich an und mengen sich in meine Angelegenheiten, Major Pendennis? Ich habe Ihnen ja nie was zuleide getan. Ich habe nie Ihr Geld gehabt. Und ich habe keine Lust, mich in dieser Weise mit Ränken umgarnen und beherrschen zu lassen. Ich mag das nicht und werde es nicht leiden. Wenn Lady Clavering mir einen Vorschlag zu machen hat, so mag es auf dem regelmäßigen Wege und durch die Advokaten geschehen. Sie aber möchte ich nicht dabei wissen.«

»Ich komme nicht von Lady Clavering,« sagte der Major, »sondern aus meinem eigenen Antriebe, um es mit Ihnen noch einmal zu versuchen und Ihnen zuzureden, Clavering, und zu sehen, ob Sie vom Ruin abzuhalten sind. Es ist erst einen Monat her, als Sie bei Ihrer Ehre schwuren und eine Bibel haben wollten, den Eid zu bekräftigen, daß Sie keine Wechsel mehr akzeptieren, sondern sich mit dem Jahrgelde begnügen wollten, das Ihnen Lady Clavering gibt. Alle Ihre Schulden wurden unter dieser Voraussetzung bezahlt, und dennoch haben Sie Ihr Versprechen 249 gebrochen; dieser Herr Abrams hat einen Wechsel über sechzig Pfund von Ihnen.«

»Es ist ein alter Wechsel. Ich will einen feierlichen Eid darauf leisten, daß es ein alter Wechsel ist,« sagte der Baronet.

»Sie haben ihn erst gestern gezogen und ihn absichtlich drei Monate zurückdatiert. Bei Gott, Clavering, ich bin Ihrer Lügen jetzt überdrüssig, das muß ich Ihnen sagen. Ich habe keine Geduld mehr mit Ihnen, bei Gott! Sie betrügen jedermann, sich selbst eingeschlossen. Ich habe ein gutes Stück von der Welt gesehen, aber nie begegnete ich jemandem, der es Ihnen an Lug und Trug gleich getan hätte. Ich glaube, Sie lügen lieber, als Sie die Wahrheit sagen.«

»Sind Sie hierher gekommen, Sie – Sie alte, alte Bestie, um mich in Versuchung zu führen, auf – auf Sie loszufahren, und – und Ihnen eins herunterzuhauen, daß – daß Ihr alter Kopf abfliegt?« rief der Baronet mit einem giftigen Blick des Hasses auf den Major.

»Was, mein Herr?« brüllte der Major, indem er auf seine Füße sprang, seinen Rohrstock erfaßte und so grimmig ausschaute, daß der Ton des Baronets gegen ihn auf der Stelle ein anderer wurde.

»Nein, nein,« sagte Clavering jämmerlich; »ich bitte Sie um Verzeihung, ich meinte es nicht böse, wollte auch nichts Beleidigendes gegen Sie sagen, nur sind Sie so verflucht barsch gegen mich, Major Pendennis. Was ist es, das Sie von mir wollen? Warum haben Sie mir so nachgejagt? Wollen Sie auch Geld von mir? Beim Jupiter, Sie wissen, daß 250 ich keinen Schilling besitze,« und damit ging Clavering, seiner Gewohnheit nach, vom Fluchen ins Winseln über; Major Pendennis sah an dem Tone des anderen, daß Clavering wußte, sein Geheimnis wäre in den Händen des Majors.

»Ich habe keine Botschaft von irgend jemand, noch Ihnen einen Auftrag zu überbringen,« sagte Pendennis, »sondern komme bloß, um den Versuch zu machen, ob es nicht zu spät ist, Sie und Ihre Familie vom äußersten Ruin zu retten, das Ihnen durch die unglaubliche Unbedachtsamkeit Ihrer Lebensweise droht. Ich kannte Ihr Geheimnis –«

»Ich wußte es nicht, als ich sie heiratete; bei meinem Eid, ich wußte es nicht eher, als bis der verd– Schurke zurückkam und es mir selber erzählte; und es ist der Gram darüber, der mich so drauflos leben läßt, Pendennis, wahrhaftig, das ist es ganz allein,« heulte der Baronet, die Hände ringend.

»Ich wußte Ihr Geheimnis vom ersten Tage an, wo ich Amory betrunken in Ihren Speisesaal in Grosvenor Place kommen sah. Ich vergesse nie Gesichter. Ich entsinne mich, diesen Menschen in Sydney als Verbrecher gesehen zu haben, und er entsinnt sich meiner auch. Ich weiß seine Verurteilung, das Datum seiner Verheiratung und den Bericht von seinem Tode im Busche. Ich könnte darauf schwören, daß er es ist. Und ich weiß, daß Sie mit Lady Clavering nicht mehr verheiratet sind, als ich es bin. Ich habe Ihr Geheimnis gut bewahrt, denn ich habe keiner Seele erzählt, daß ich es weiß, – weder Ihrer Frau noch Ihnen bis zum heutigen Tage.« 251

»Arme Lady Clavering, es würde ihr einen furchtbaren Stoß geben,« wimmerte Sir Francis; »und es war nicht meine Schuld, Major; Sie wissen es, daß es nicht meine Schuld war.«

»Ehe ich Ihnen gestatte, fortzufahren, sich so zugrunde zu richten, wie Sie es tun, werde ich es lieber ihr und der ganzen Welt erzählen, Clavering; das schwöre ich Ihnen, wenn ich nicht zu einem Vergleich mit Ihnen komme, und Ihrer höllischen Torheit Zaum und Zügel anlegen kann. Durch Spielen, Schuldenmachen und Ausschweifungen aller Art haben Sie die Hälfte vom Vermögen Ihrer Frau und ihrer gesetzlichen Erben – bemerken Sie wohl – Ihrer gesetzlichen Erben – durchgebracht. Hier muß ein Ende gemacht werden. Sie können nicht zusammen leben, Sie sind nicht fähig, in einem großen Hause wie Clavering zu wohnen, und würden, ehe drei Jahre um wären, nicht einen Schilling übriglassen, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Ich habe mir überlegt, was geschehen muß. Sie sollen sechshundert Pfund jährlich haben, sollen ins Ausland gehen und davon leben. Sie müssen das Parlament aufgeben und sich so gut forthelfen, als Sie können. Wenn Sie sich weigern, so gebe ich Ihnen mein Wort, daß ich schon morgen die eigentliche Lage der Dinge bekannt werden lasse; ich werde schwören, daß es Amory ist, der, wenn es sich herausgestellt hat, daß es wirklich dieselbe Person ist, in das Land zurückgehen wird, woher er kam, und die Witwe von Ihnen und sich zugleich befreien wird. Und so verliert Ihr Knabe auf einmal alle Ansprüche auf das Vermögen des alten Snell, und es 252 geht auf die Tochter Ihrer Frau über. Habe ich mich jetzt ziemlich deutlich ausgedrückt?«

»Sie werden doch nicht so grausam sein gegen den armen Jungen, nicht wahr, Pendennis?« fragte der Vater, jämmerlich bettelnd; »hol's der Henker, denken Sie doch bloß an ihn. Er ist ein hübscher Junge, obschon er verteufelt wild ist, ja, das gestehe ich zu – er ist verteufelt wild.«

»Sie sind es, der grausam zu ihm ist,« sagte der alte Moralprediger. »Ja, mein Herr, Sie selbst werden ihn in drei Jahren unvermeidlich zugrunde richten.«

»Ja, aber vielleicht werde ich nicht immer solch verteufeltes Unglück haben; wissen Sie, das Glück muß sich drehen, und ich will mich ändern, bei Gott, ich will mich ändern. Und wenn Sie etwas gegen mich ausplaudern wollten, so würde es auch meine Frau treffen, Sie wissen das, ganz höllisch treffen.«

»Von Ihnen getrennt zu werden,« sagte der alte Major mit höhnischem Lächeln; »Sie wissen ja, sie mag mit Ihnen nicht weiter leben.«

»Aber warum kann Lady Clavering denn nicht im Auslande oder in Bath oder in Tunbridge oder weiß der Teufel wo, leben, und ich hier bleiben?« fuhr Clavering fort. »Ich bin lieber hier als im Auslande, und ich bin gern im Parlament. Es ist sehr bequem, im Parlamente zu sitzen. Es sind nur noch sehr wenige Sitze wie meiner übrig, und wenn ich ihn an Sie abträte, so sollte es mich nicht wundern, wenn das Ministerium mir dafür eine Gouverneurstelle auf einer Insel oder sonst was verteufelt Gutes dafür 253 gäbe, denn Sie wissen, ich bin ein Mann von verteufelt guter Familie und habe einen altadligen Namen, der einen hochbringen kann, und dergleichen mehr, Major Pendennis. Nun, sehen Sie denn das nicht ein? Denken Sie denn, daß man mir etwas verteufelt Gutes geben würde, falls ich meine Karten gut ausspielte? Und dann, wissen Sie, würde ich Geld ersparen und den verdammten Spielhöllen und dem Rouge et noir aus dem Wege geräumt sein – und – so möchte ich, bitte, lieber das Parlament nicht aufgeben.« In einem Augenblick jemand zu hassen und ihm Hohn zu sprechen, und im nächsten vor ihm zu weinen und im übernächsten vollkommen vertraulich und freundschaftlich mit ihm zu sein, war ein nicht ungewöhnliches Verfahren bei unserem wetterwendischen Baronet.

»Was Ihren Sitz im Parlamente betrifft,« sagte der Major mit etwas wie einem Erröten auf seiner Wange und einem gewissen Zittern, das jener nicht bemerkte, »so müssen Sie den, Sir Francis Clavering, – an mich abtreten.«

»Was! Wollen Sie denn dahinein, Major Pendennis?«

»Nein – ich nicht, aber mein Neffe Arthur ist ein sehr gescheiter Mensch und würde dort eine Rolle spielen, und wenn Clavering zwei Mitglieder hätte, so würde sein Vater höchstwahrscheinlich eins davon gewesen sein, und – und ich würde Arthur gern dort sehen,« sagte der Major.

»Verdammt, weiß er es denn auch?« fragte Clavering. 254

»Niemand außerhalb dieses Zimmers weiß irgend etwas,« entgegnete Pendennis; »und wenn Sie mir den Gefallen tun, werde ich meinen Mund halten. Wenn nicht, so bin ich ein Mann von Wort und werde tun, was ich gesagt habe.«

»Will Ihnen mal was sagen, Major,« sagte Sir Francis mit eigentümlich demütigem Lächeln, »Sie – Sie könnten mir wohl nicht mein erstes Quartal im voraus verschaffen, oder könnten Sie mir diesen großen Gefallen tun? Sie können alles bei Lady Clavering durchsetzen, und, bei meinem Eide, ich will diesen Wechsel bei Abrams abmachen. Der kleine verdammte Schuft, ich weiß, er will ein Geschäft mit mir machen – er macht es immer so, und wenn Sie das für mich tun könnten, werden wir sehen, Major.«

»Und ich denke, das beste für Sie würde sein, wenn Sie im September nach Clavering zur Jagd gingen und meinen Neffen mitnähmen und ihn vorstellten. Ja, das wird die beste Zeit sein. Und wir wollen versuchen und sehen, ob wir den Vorschuß bekommen können.« (Arthur mag ihm das borgen, dachte der alte Pendennis. Sapperlot, ein Sitz im Parlament ist seine hundertfünfzig Pfund wert.) »Und, verstehen Sie, Clavering, mein Neffe weiß von der Sache natürlich nichts. Sie haben im Sinne, sich zurückzuziehen; er ist von Clavering und ein guter Vertreter des Burgfleckens; Sie stellen ihn vor, und Ihre Leute stimmen für ihn – ganz einfach, wie Sie sehen.«

»Wann können Sie mir die hundertfünfzig Pfund verschaffen, Major? Wann soll ich kommen und Sie 255 besuchen? Werden Sie diesen Abend zu Hause sein oder morgen früh? Wollen Sie irgendwas hier genießen? Sie haben hier am Schenktische verteufelt gute Schnäpse. Ich trinke oft ein Gläschen Schnaps; es muntert einen so auf.«

Der alte Major wollte keine Erfrischung genießen, sondern erhob sich und nahm Abschied von dem Baronet, der mit ihm bis zur Tür des »Rades der Fortuna« ging und dann auf den Schenktisch zusteuerte, wo er bei der Wirtin ein Glas Wacholderbranntwein zu sich nahm; als dann ein Herr, der zur Boxerzunft gehörte, hereinkam (der im »Rade der Fortuna« wohnte und speiste), unterhielten er und Sir Francis Clavering und der Wirt sich von Boxerkämpfen und den Neuigkeiten in der Welt der Vergnügungen überhaupt; und endlich traf Herr Moses Abrams mit dem Ertrage vom Wechsel des Baronets ein, von dem seine eigenen nicht unerheblichen Kommissionsgebühren abgezogen waren, und von dem Reste gab Sir Francis seinem vornehmen Freunde in Greenwich ein Mittagessen zum besten und verbrachte die Nacht fröhlich und guter Dinge in Vauxhall.

Inzwischen rief Major Pendennis in Piccadilly ein Cab heran und fuhr nach Lamb Court im Tempel, wo er sich sogleich mit seinem Neffen zu eifrigem Gespräche einschloß.

Nach ihrem Gespräche schieden sie in sehr guter Stimmung, und es geschah infolge jener Unterhaltung, über die kein Bericht vorhanden ist, deren Thema der Leser aber trotzdem ziemlich leicht erraten kann, daß Arthur sich, wie wir bei dem Gespräch 256 mit Warrington hörten, aussprach, das im letzten Kapitel mitgeteilt wurde.

Wenn jemand versucht wird, etwas Verführerisches zu tun, so kann er hundert geistreich ausgedachte Gründe für die Befriedigung seines Willens ausfindig machen; und Arthur dachte wirklich recht sehr daran, wie gern er im Parlament sitzen und wie gern er sich dort auszeichnen würde und wie er nicht nötig hätte, sich groß darum zu kümmern, welche Partei er ergriffe, da ja Falschheit und Wahrheit auf beiden Seiten wäre. Und über diese und andere Angelegenheiten dachte er sich mit seinem Gewissen schon abzufinden, und der Sadducäismus sei ein recht bequemes und behagliches Glaubensbekenntnis.



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