Hermann Sudermann
Heimat
Hermann Sudermann

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Siebente Szene

Die Vorigen. Schwartze.

Schwartze. Guten Morgen, mein lieber Pfarrer! Gehn Sie nur voraus in die Laube. Ich komme nach.

(Pfarrer ab.)

Nun, hast du gut geschlafen, mein Kind? (Küßt sie auf die Stirn.)

Magda. Famos. In meiner alten Kammer fand sich auch mein alter Kinderschlaf.

Schwartze. Den hattest du verloren?

Magda. Nun, du nicht?

Schwartze. Man sagt, ein gutes Ge- – – Komm zu mir, mein Kind.

Magda. Gern, Papa. – Nein, laß mich zu deinen Füßen sitzen. Da hab ich deinen schönen weißen Bart dicht vor mir. – Wenn ich ihn seh, muß ich immer an die Weihnachtsnacht denken und an stille, eingeschneite Felder.

Schwartze. Mein Kind, du weißt deine Worte schön zu setzen... Wenn du sprichst, glaubt man ringsum Bilder zu sehn. Hierorts ist man nicht so gewandt... Dafür braucht man auch hier nichts zu verheimlichen.

Magda. Da wären wir also... Sprich dich ruhig aus, Papa.

Schwartze. Ja, das muß ich... Du weißt sehr wohl, welche Bedingung du dem Pfarrer für mich aufgetragen hast.

Magda. Die du halten wirst?

Schwartze. Was ich verspreche, pfleg ich zu halten. Aber siehst du, der Argwohn – ich kann machen, was ich will, aber der Argwohn, der liegt wie ein Alb –

Magda. Na, was argwöhnst du?

Schwartze. Das weiß ich nicht... Du bist ja wunder wie herrlich vor uns erschienen... Doch Prunk und weltliche Ehre und – Gott weiß was! – blenden das Auge des Vaters nicht. Auch das warme Herz scheinst du dir ja bewahrt zu haben. Das glaubt man wenigstens, wenn man dich sprechen hört... Aber in deinem Auge, da ist was, was mir nicht gefällt, und um die Mundwinkel herum, da sitzt der Hohn.

Magda. Du lieber, guter alter Papa!

Schwartze. Siehst du! Selbst diese Zärtlichkeit war nicht die einer Tochter gegen ihren Vater. – Auf die Art tändelt man mit einem Kinde, ob es nun jung ist oder alt... Und bin ich auch nur ein einfacher Soldat, lahm und verabschiedet, deinen Respekt fordre ich mir heim, mein Kind.

Magda (aufstehend). Ich hab ihn dir nie verweigert.

Schwartze. Das ist gut... Ah, das ist gut, meine Tochter... Glaub mir, wir sind hier nicht so einfältig, wie es dir scheinen mag. – Auch wir haben Augen zu sehn und Ohren zu hören, daß der Geist des sittlichen Aufruhrs durch die Welt geht... Die Saat, die in die Herzen fallen soll, fängt an zu faulen... Was früher Sünde war, wird ihnen Gesetz... Sieh, mein Kind, du gehst jetzt bald weg – weg. – Wohin? – Ich weiß es nicht. – Ob du wiederkommen wirst? – Aber wenn du wiederkommst, mich findst du im Grabe.

Magda. O nicht doch, Papa.

Schwartze. Nun, das steht in Gottes Hand. – Aber ich fleh dich an – komm her, mein Kind – ganz dicht – so! (Er zieht sie nieder und nimmt ihren Kopf zwischen seine Hände.) Ich fleh dich an – gib mir den Frieden für meine Sterbestunde. Sag mir, daß du rein geblieben bist an Leib und Seele. Und dann zieh gesegnet deines Wegs.

Magda. Ich bin – mir treu geblieben, lieber Vater.

Schwartze. Worin? Im Guten oder Bösen?

Magda. In dem, was – für mich – das Gute war.

Schwartze (verständnislos). In dem, was – für dich – das –?

Magda (aufstehend). Und nun quäl dich doch nicht länger! Laß uns diese paar Tage still genießen... Sie werden ja rasch genug zu Ende sein...

Schwartze (brütend). Ich möchte ja – ich möchte dich gern – und ich hab dich ja auch lieb mit dem ganzen Schmerz, den ich um dich ausgestanden hab – jahrelang. – (Drohend aufgerichtet.) Ich muß aber doch wissen, wer du bist.

Magda (abgewendet). Lieber Vater –

(Es klingelt.)


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