Hermann Sudermann
Heimat
Hermann Sudermann

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Vierte Szene

Magda. Marie.

Marie. Aber Magda!

Magda. Ja, mein Herz! So bin ich durch die Welt gekommen. – Biegen oder brechen; das heißt, ich bieg mich nicht. Mach's ebenso!

Marie. Ach, du mein lieber Gott!

Magda. Armes Kind! Ja, ja, in diesem Hause verlernt man dergleichen. Hab ich mich doch schon gestern schändlich biegen müssen... Du – aber unser altes Mamachen da – die ist ganz nett. (Nach dem Bilde der Mutter emporweisend, in ernstem Sinnen.) Und die da oben!... Besinnst du dich auf sie?

Marie (schüttelt den Kopf).

Magda (sinnend), Starb zu früh!... Wo bleibt Papa? Mir ist bange nach ihm! Und bange vor ihm... Jetzt, mein Kindchen, jetzt wird gebeichtet.

Marie. Ich kann nicht.

Magda. Zeig mir mal das Medaillon!

Marie (entschlossen). Da!

Magda (öffnend). Ein Leutnant. Natürlich! Bei uns ist's immer ein Tenor.

Marie. Ach, Magda, das ist kein Scherz. Das ist mein Schicksal.

Magda. Wie nennt sich denn dieses Schicksal?

Marie. Vetter Max ist's.

Magda (pfeift). Warum heiratest du denn den guten Jungen nicht?

Marie. Tante Fränzchen wünscht eine bessere Partie für ihn und gibt ihm darum die Kautionssumme nicht, die er haben muß. Solche Abscheulichkeit!

Magda. Si. C'est bête, ça! Und wie lange liebt ihr einander?

Marie. Ach, das ist schon gar nicht mehr wahr.

Magda. Und wie trefft ihr euch?

Marie. Hier im Hause.

Magda. Ich meine – abseits – unter vier Augen.

Marie. Wir haben keine Heimlichkeiten miteinander. Ich glaube, diese Rücksicht ist man sich und seiner Würde schuldig.

Magda. Komm mal her... Ganz dicht... Sag mal aufrichtig... Ist dir nie der Gedanke gekommen, diesen ganzen Plunder von Rücksicht und Würde von dir abzuschütteln und mit dem geliebten Manne auf und davon zu gehn – irgendwohin – ganz egal – und wenn du dann still daliegst, an seine Brust geschmiegt, ein – Hohngelächter anzustimmen über die ganze Welt, die hinter dir versunken ist?

Marie. Nein, Magda, solche Gedanken kommen mir nicht.

Magda. Aber sterben würdest du für ihn?

Marie (aufstehend und die Arme ausbreitend). Tausend Tode würd' ich für ihn sterben.

Magda. Mein armer Liebling! (Vor sich hin.) Alles machen sie zunichte. Von der gewaltigsten aller Leidenschaften bleibt in ihrer Hand nichts übrig als so ein blasses, entsagendes bißchen Sterbenwollen.

Marie. Von wem sprichst du?

Magda. Nichts, nichts! Du – wieviel macht denn diese sogenannte Kaution?

Marie. Sechzigtausend Mark.

Magda. Wann möchtest du heiraten? Muß es jetzt gleich sein, oder hat es bis Nachmittag Zeit?

Marie. Treib doch keinen Spott mit meinem Kummer.

Magda. Wenigstens Zeit zum Depeschieren mußt du mir doch lassen. Man kann doch so viel Geld nicht immer bei sich tragen.

Marie (versteht langsam und sinkt dann mit dem jubelnden Aufschrei) Magda! (zu ihren Füßen nieder).

Magda (nach einem Schweigen). Werde glücklich – liebe deinen Mann! – Und wenn du dein Erstes stolz auf deinen erhobenen Armen der Welt ins Gesicht hältst – (mit zorniger Emphase die Hände ausstreckend) so ins Gesicht! – dann denke an eine, die... Ach du glückseliges Menschenkind! (Erschreckend.) Man kommt! Steh auf!


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