Hermann Sudermann
Heimat
Hermann Sudermann

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Fünfte Szene

Die Vorigen. Marie, ein Teebrett mit Kaffeetassen tragend, verneigt sich freundlich vor dem aufstehenden Keller.

Schwartze. Herr von Keller – meine Tochter – meine einzige Tochter!

Keller. Ich hatte bereits das Glück!

Marie. Ich kann Ihnen keine Hand zum Willkommen bieten, Herr von Keller. Nehmen Sie statt dessen eine Tasse Kaffee.

Keller (sich bedienend, mit einem Rundblick). Ich bin glücklich, daß Sie mich wie einen alten Bekannten des Hauses behandeln.

Schwartze. Und wenn's an uns läge, so soll bald ein Freund des Hauses daraus werden. – Und das ist keine schöne Redensart, denn ich kenne Sie, Herr Regierungsrat, und in diesen Zeiten, in denen alle Bande der Moral und Autorität zu zerreißen drohen, da ist es doppelt geboten, daß die Männer, die für die gute, alte, sozusagen familienhafte Gesittung eintreten wollen, die nötige Fühlung miteinander bekommen.

Keller. Ein ernstes und wahres Wort! Dergleichen hört man nicht mehr auf dem großen Markte, wo die Ideen der Zeit in die beliebte kleine Münze umgesetzt werden.

Schwartze. Ideen der Zeit! Hähähähä. Ja, ja! Aber kommen Sie in die stillen Heimstätten, wo dem Könige wackere Soldaten erzogen werden und sittsame Bräute für sie. Da wird kein Lärm gemacht mit Vererbung und Kampf ums Dasein und Recht der Individualität – da passieren keine Skandalgeschichten – da schert man sich den Teufel um die Ideen der Zeit, und doch ruht hier die Blüte und die Kraft des Vaterlandes... Sehn Sie dieses Heim! Da gibt's keinen Luxus – kaum einmal den sogenannten guten Geschmack – verschossene Decken – birkene Möbel – stockige Bilder – und doch – wenn Sie die Abendsonne durch die weißen Gardinen so freundlich auf all das Gerümpel scheinen sehn, sagt Ihnen da nicht ein Gefühl: Hier wohnt das Glück?

Keller (nickt wie in Ergriffenheit).

Schwartze (vor sich hinbrütend). Hier könnt' es wohnen.

Marie (zu ihm eilend). Papa!

Schwartze. Jajaja! Sehn Sie, in diesem Hause herrscht ganz altmodisch noch die väterliche Autorität. – Und wird herrschen, solange ich lebe. Und bin ich denn ein Tyrann? Redet doch! – Ihr müßt's doch wissen!

Marie. Du bist doch der beste, der liebste –

Frau Schwartze. Er ist so leicht erregbar, Herr Regierungsrat!

Schwartze. Seid ihr nicht gut aufgehoben? Halten wir nicht zusammen, wir drei? Und an so was rüttelt nun die Zeit, pflanzt Widerspenstigkeit in die Herzen der Kinder, sät Mißtrauen zwischen Mann und Weib (sich erhebend) und wird nicht eher ruhen, als bis die letzte Heimat in Trümmer sinkt und wir einsam und scheu auf den Straßen herumvagieren wie die verlaufenen Hunde. (Sinkt von seiner Erregung ermattet in den Sessel zurück.)

Frau Schwartze. Du solltest dich nicht so ereifern, Papa – du weißt, das schadet dir. (Geht zu ihm.)

Max (macht Keller ein Zeichen).

Keller (leise). Gehn?

Max (nickt).

Keller. Über den Gegenstand ließe sich noch manches Interessante plaudern, Herr Oberstleutnant – ich glaube ja, Sie sehn zu schwarz – aber meine Zeit ist leider –

Schwartze. Zu schwarz – hä – zu schwarz! Na, nehmen Sie's einem alten Mann nicht übel, wenn er ein bißchen in Hitze gerät.

Keller. Jung ist, wer sich entrüsten kann, Herr Oberstleutnant... Ich glaube, ich bin ein Greis gegen Sie.

Schwartze. Na, na! (Drückt ihm die Hand.)

Keller. Gnädige Frau! Gnädiges Fräulein! (Ab.)

Max (verabschiedet sich gleichfalls).

Schwartze. Und grüß mir das Bataillon, mein Sohn.

Max. Zu Befehl, lieber Onkel. (Ab.)


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