Hermann Sudermann
Heimat
Hermann Sudermann

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Zweite Szene

Marie. Max v. Wendlowski.

Marie. Max, Sie haben da nette Geschichten gemacht.

Max. Ich verstehe Sie nicht, Marie.

Marie. Haben Sie mir etwa diese Blumen nicht geschickt?

Max. Donnerwetter! Meine Mittel erlauben mir wohl, Ihnen von Zeit zu Zeit ein Veilchensträußchen à 50 Pfennig zu überreichen. Hiermit hab ich nichts zu schaffen.

Marie (nach der Klingel gehend). Und die von gestern?

Max. Ebensowenig.

Marie (klingelt. Therese erscheint). Werfen Sie die Blumen in die Müllgrube.

Therese. Ach, die schönen!

Marie. Sie haben Recht! (Zu Max.) Der Pfarrer würde in diesem Falle sagen: Wenn die Gottesgabe uns nicht freut, so müssen wir wenigstens sorgen, daß andre daran Freude haben. Würd' er das nicht sagen?

Max. Das kann schon sein.

Marie. Tragen Sie die Blumen in die Gärtnerei zurück. Es ist doch Zimmermann?

(Therese nickt.)

Man möchte sie, wenn möglich, verkaufen und das Geld dem Pfarrer Heffterdingk für die Hospitalkasse schicken.

Therese. Jetzt gleich?

Marie. Wenn Sie den Kaffee aufgebrüht haben. Servieren werd ich ihn dann selbst.

(Therese ab.)

Welche Beleidigung! Ich brauche Ihnen nicht erst zu versichern, Max, daß ich niemandem einen Schimmer von Berechtigung gegeben habe.

Max. Das weiß ich, Marie.

Marie. Und Papa war böse... Getobt hat er... Weil ich heimlich gedacht habe, Sie wären's, hielt ich stille... Wenn er den Unglücklichen zwischen die Finger bekäme, dem ging's schlecht.

Max. Glauben Sie, zwischen meinen Fingern ging's ihm besser?

Marie. Mit welchem Rechte dürften Sie?

Max (bittend). Marie! (Faßt ihre Hand.)

Marie (sich sanft losmachend). Max – ich bitte Sie – nichts davon! Sie kennen jede Falte meines Herzens – aber wir haben Rücksichten zu nehmen.

Max (seufzend). Die Rücksichten – ach!

Marie. Mein Gott, Sie wissen ja, in welcher Welt wir leben. Ein jeder hat hier vor dem andern Angst, weil jeder von der guten Meinung des andern abhängt... Sind so ein paar anonyme Blumen schon imstande, mich ins Geklätsch zu bringen, wieviel mehr –

Max (nickt nachdenklich).

Marie (die Hand auf seine Schulter legend). Max, Sie wollten noch einmal wegen der Kaution mit Tante Fränzchen reden.

Max. Geschehn.

Marie. Und?

Max (achselzuckend). Solange sie lebt, keinen Heller.

Marie. Es gibt nur einen, der uns helfen könnte!

Max. Papa?

Marie. Um Gottes willen. Lassen Sie ihn ja nichts merken. Er wäre imstande, Ihnen das Haus zu verbieten.

Max. Was tu ich denn seinem Hause?

Marie. Sie wissen ja, wie er ist seit unsrem Unglück – Er denkt immer, er habe einen Makel abzuwaschen. Und jetzt gerade, wo die ganze Stadt von Musik widerhallt, wo alles ihn an Magda erinnert –

Max. Und wenn sie nun eines Tages wiederkäme?

Marie. Nach zwölf Jahren. Die kommt nicht wieder. (Weint.)

Max. Marie!

Marie. Sie haben recht. Weg damit! Weg damit!

Max. Und wer könnte uns helfen?

Marie. Wer sonst als der Pfarrer?

Max. Ja, richtig, der Pfarrer.

Marie. Der kann ja alles. Der geht ja mit den Menschenherzen um, als ob – Und dann ist er mir immer noch wie ein Verwandter. Er sollte ja mein Schwager werden.

Max. Ja, aber sie wollte nicht.

Marie. Schelten Sie nicht, Max. Sie hat wohl büßen müssen.

(Es klingelt.)

Oh, vielleicht ist er das.

Max. Nein, nein – ich vergaß, Ihnen zu sagen. Der Regierungsrat von Keller hat mich gebeten, ihn heute bei euch einzuführen.

Marie. Ei, ei, was will der?

Max. Er möchte sich an den Missions- – na, überhaupt an unsern Anstalten beteiligen. Ich weiß nicht – vielleicht – na, jedenfalls will er morgen der Komiteesitzung beiwohnen.

Marie. Ich gehe die Eltern wecken.

Therese (bringt eine Karte.) Bitte!

(Therese ab.)

Marie. Machen Sie die Honneurs so lange. (Ihm die Hand reichend.) Und über den Pfarrer reden wir noch?

Max (lächelnd). Trotz der Rücksichten?

Marie. Mein Gott – ich bin zudringlich – nicht wahr?

Max. Marie!

Marie. Nein, nein – reden wir nicht – adieu. (Ab.)


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