Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 3
Julius Stettenheim

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19 IV.

Herrn Wippchen in Bernau.

Der Umstand, daß sämmtliche Journale einander ziemlich ähnlich sehende Berichte über den Aufenthalt unseres Kronprinzen in Madrid bringen, veranlaßt uns zu der Bitte an Sie, sich nunmehr den spanischen Besuchs-Anekdoten zuzuwenden. Derlei pflegt auf das Publikum einen besonderen Reiz auszuüben. Wir wären Ihnen für die baldige Gewährung unserer Bitte besonders dankbar.

Ergebenst

Die Redaktion.

* * *

Bernau, den 6. December 1883.

Nur, um vor der Zeit mein Pulver nicht zu zersplittern, habe ich bis jetzt die einzelnen Hofanekdoten nicht mitgetheilt, sondern sende sie Ihnen heute zusammen. Sie hätten mir also keinen Wink vom Zaunpfahl zu brechen brauchen. Einem 20 Neuling gegenüber wäre dies nöthig gewesen, ich aber bin – verzeihen Sie das harte Wort! – ein Altling in meinem Beruf und weiß daher, was die Anekdote für die Berichterstattung bedeutet. Sie ist für den Leser Manna und Ambrosia. Findet der Leser sie nicht, so wirft er seine Blicke enttäuscht in die Ecke. Wohnen einem Feste höchste und allerhöchste Herr- und Frauschaften bei, so verlangt der Leser, daß ihm auch nicht der kleinste Cercle, den sie machen, verloren gehe, und daß ihm jede geistreiche Bemerkung, welche der Fürst zu den Umstehenden herabläßt, wiederholt werde. Ein gewissenhafter Berichterstatter wird also genau so räuspern, wie der Fürst spuckt, und jeden Brosamen, der einem König einfällt, aufheben und weiterverbreiten. So ich.

Die spanische Reise erkläre ich hiermit für beendet. Der Kronprinz wird noch einige Städte des Königreichs besuchen und dann die Heimreise antreten. Ueberall, wohin er seine Füße setzt, wird sich ihm die Bevölkerung zu denselben legen, und so wird sich nur wiederholen, was ich bereits, die Feder im Arm, wie eine gute Schildwache geschildert habe. Darf ich auch meine Bitte um einen Vorschuß von 40 M. wiederholen? Nein? Nun, dann bitte ich um einen solchen von 50 M.

* * *

21 Madrid, den 4. December 1883.

W. Ihr Berichterstatter ist matt, als hätte Louise ihn bereitet. Nichts ist bekanntlich schwerer als eine Reihe von schönen Rebhühnern zu ertragen, und in einem Meer von Freuden wünscht man bald wie Tannhäuser über alle Venusberge zu sein. Vom frühen Morgen bis in die sinkende Luna nichts als Feste und Jubel, daß man schließlich den Kopf brummen hört und doch nicht weiß, wo einem derselbe steht. So habe ich mich denn heute in meine vier spanischen Wände zurückgezogen, um meinen Lesern, gleichsam zu meiner Erholung, einige Kleinigkeiten aus den letzten Tagen nachzutragen.

Das Hoffest am Freitag war glänzend. Ich will nicht der Ballhorn dieses Balles werden, indem ich nach Worten suche, ihn zu schildern. Welch ein Kreis, welche Namen! Hier ein Cortez, dort ein Torquemada, hier ein Espartero, dort ein Velasquez. Die Damen waren derart mit Edelsteinen gepflastert, daß ich sagen muß, sie waren mit ausgeschnittenen Diamanten bekleidet, die in einer Fluth vom reinsten Wasser schwammen. Meine Augen waren in einer Weise geblendet, daß sie sich freuten, als sie endlich mit Wohlgefallen auf der Infantin Eulalia ruhen konnten. Nach dem Schnellfandango nahmen die Majestäten und der Kronprinz das Souper mit den Granden ein. Der Malaga und Malvasier flossen in Strömen. Einmal hatte mir der Diener mein Glas halbvoll geschänkt. Sofort rief ich: »Ich mag 22 es gerne leiden, wenn auch der Becher überschäumt.« Er verstand mich und ging vorüber. Nun, stolz will ich den Spanier.

Während des Tanzes wohnte ich einem hübschen Zug der Königin-Mutter Isabella bei. Ich hatte die hohe Frau nie gesehen und muß sagen, daß sie seit dieser Zeit älter und so stark geworden ist, daß ihr sogar das Cerclemachen schwer wird. Sie tanzte eine el Ole, mußte indeß den Tanz unterbrechen, weil die Musik zu rasch spielte. Trotzdem schenkte sie sämmtlichen Orchestermitgliedern das Leben.

* * *

Es war in Toledo in der Waffenfabrik. In der Begleitung des Königs befand sich der Herzog Alba, der plötzlich eine Klinge auf die Erde legte und ausrief: Wer liebt das deutsche Reich nicht?

Was soll das heißen? fragte der Kronprinz.

Nun, sagte der König, der furchtbare Herzog will Jeden, der sich meldet, über die Klinge springen lassen.

Ein neuer Beweis für das gute Einvernehmen zwischen Deutschland und Spanien.

* * *

23 Die spanische Grandezza ist historisch und sprichwörtlich. Ich war so glücklich, einer Scene beizuwohnen, deren Grandezza mich so bezauberte, daß ich sie der Vergangenheit entreißen muß.

Am 25. November fand im Beisein des Hofes und seines hohen Gastes die feierliche Einweihung des neuen Gebäudes der Rechtsakademie statt. Der Präsident Romero de Robledo hielt die Eröffnungsrede. Wir lauschten uns die Ohren aus, es war so still, daß man keinen Apfel zur Erde fallen hören konnte. Da entstand ein Gedränge, und ein Gelehrter, der ausweichen wollte, stolperte und stürzte vor den erhabenen Füßen des Königs zu Boden.

Was es auch sei, sprach der König, es sei Euch gewährt!

Und was war es? Der Gelehrte hatte sich das Knie zerschlagen. Der König nahm trotzdem sein Wort nicht zurück.

* * *

Wie in Deutschland, so sind auch in Spanien die einst fortschrittlichen Granden conservativ geworden und mit der liberalen Richtung der Regierung sehr unzufrieden. Folgendes Histörchen mag dies beweisen. Vor einiger Zeit hatte ein Maltheserritter Audienz bei Sr. Majestät und stellte ihm vor, er sei kürzlich, durch Spanien reisend, auf unverbrannte menschliche Gebeine gestoßen, der König möge daher 24 Gedankenfreiheit nehmen. Der König war sehr aufgebracht, nannte ihn einen sonderbaren Posa und sagte zu einem Palastbeamten: »Der Ritter wird fortan ungemeldet hinausgeworfen.«

Dieser Vorfall hat in allen liberalen Kreisen Madrid's große Befriedigung hervorgerufen.

* * *

Die musikalische Soirée, welche von der Munizipalität im Stadthause veranstaltet worden war, verlief herrlich. Der Kronprinz wurde von dem Oberbürgeralkalden feierlich empfangen. Die erlesenste Gesellschaft Madrids füllte die Räume derart, daß für den diplomatischen Körper kaum Platz vorhanden blieb. Auf dem Concertprogramm standen mehrere von Cid componirte Romanzen und viele deutsche Lieder. Als nun das Lied »Bei einem Wirthe, wundermild« gesungen wurde, fragte der französische Botschafter, von wem es gedichtet sei.

De Uhland, lautete die Antwort.

Verdrießlich entfernte sich der Franzose. Er hatte Uhlan verstanden.


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