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Siebenunddreißigstes Kapitel.

Der König wünschte sich mit dem Zustande der Kriegsvorräthe, Waffen und dergleichen, die im Tower aufbewahrt wurden, persönlich bekannt zu machen, und begab sich, von der Königin und einem zahlreichen Gefolge begleitet, zu Schiffe dahin. Während die Uebrigen sich nach Belieben in den andern Theilen des Towers zerstreuten, ging der König, begleitet von den Herzogen von Buckingham, von Ormond und einigen Andern, durch die wohlbekannte Halle, um das Zeughaus zu besichtigen.

»Wendet Eure Blicke,« sprach der Herzog von Ormond zu dem Könige, »auf die Bedrängniß so mancher Eurer Unterthanen. Ich will nur den alten, tapfern Ritter Gottfried Peveril vom Gipfel, seinen Sohn, und das unglückliche Haus Derby anführen. – Um Gottes willen, verwendet Euch für diese Schlachtopfer, welche die Schlingen dieses Schlangencomplots umschlungen haben, um sie todt zu drücken – schlagt die bösen Feinde zurück, die ihr Leben zu verschlingen suchen, und entreißet den Harpyen, die nach ihrem Vermögen schnappen, die gehoffte Beute. Heute gerade über acht Tage soll die unglückliche Familie, Vater und Sohn, zum Verhör über Verbrechen gebracht werden, an denen sie, ich spreche es dreist aus, eben so unschuldig ist, als irgend Jemand, der in dieser Versammlung steht. Um Gottes Willen, Ew. Majestät, lasset uns hoffen, daß, wenn die Vorurtheile des Volks sie verurtheilen sollten, wie sie es bei Andern gethan, Ihr zwischen die Blutjäger und ihre Beute treten werdet.«

Der König sah, wie er es wirklich war, äußerst verlegen aus.

Buckingham, zwischen welchem und Ormond eine beständige und fast tödtliche Feindschaft herrschte, mischte sich ein, um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben. »Das königliche Wohlwollen Ew. Majestät,« sagte er, »wird immer in Thätigkeit erhalten werden, so lange der Herzog von Ormond um Eure Person ist. Er trägt seinen Aermel nach altmodischem Schnitt, und darin immer einen Vorrath heruntergekommener Cavaliere und alte dürrbeinige Knaben mit Malvasiernasen, kahlen Schädeln, Storchbeinen und herzbrechenden Geschichten von Edgehill und Naseby.«

»Mein Aermel,« sagte Ormond, dem Herzog gerad' in's Gesicht sehend, »ist, ich gestehe es, nach altem Schnitt, aber ich hefte weder Meuchelmörder noch Räuber daran, wie ich an Röcken nach der neuen Mode befestigt sehe.«

»Das ist ein wenig zu viel in unsrer Gegenwart, Herr Herzog,« sagte der König.

»Nein, wenn ich meine Rede beweise,« sagte Ormond. – »Herr Herzog von Buckingham, wollet Ihr mir den Mann nennen, mit dem Ihr spracht, als Ihr aus dem Boot stiegt?«

»Ich sprach mit Niemanden,« sagte der Herzog hastig – »nein, ich irre mich, ich besinne mich, ein Kerl flüsterte mir in's Ohr, daß Einer, der, wie ich glaubte, London verlassen hätte, noch in der Stadt wäre; ein Mann, mit dem ich Geschäfte hatte.«

»War Jener der Bote?« sagte Ormond, indem er aus dem Haufen, der im Hofraum stand, einen langen finster aussehenden Mann bezeichnete, der in einen großen Mantel gehüllt, einen breiten heruntergeschlagenen Kastorhut und ein langes Schwert nach spanischer Art trug – kurz denselben Obersten, den der Herzog zur Aufsuchung Christians abgeschickt hatte, um ihn auf dem Lande zurück zu halten.

Als Buckinghams Augen der Richtung von Ormonds Finger gefolgt waren, konnt' er ein so tiefes Erröthen nicht verhindern, daß es dem Könige auffiel.

»Was ist das für ein neuer Spaß, Georg?« sagte er. »Ihr Herren, bringt den Kerl her. Bei meinem Leben, ein wild aussehender Schelm. – Hört, Freund, wer seid Ihr? Wenn Ihr ein ehrlicher Mann seid, so hat die Natur vergessen, es auf Euer Gesicht zu schreiben. Kennt ihn hier Niemand?«

»Er ist Vielen gut bekannt, Ew. Majestät,« antwortete Ormond; »und daß er auf diesem Platze, mit wohlbehaltenem Halse und mit ungefesselten Gliedern, einhergeht, ist, unter vielen andern ein Beweis, daß wir unter dem gnädigsten Fürsten Europa's leben.«

»Um aller Welt willen, mein Herzog, wer ist der Mann?« sagte der König. »Ihr sprecht geheimnißvoll – Buckingham erröthet – und der Schurke selbst verstummt.«

»Dieser Ehrenmann, Ew. Majestät,« antwortete der Herzog von Ormond, »den seine Bescheidenheit stumm macht, wenn sie ihn gleich nicht schamroth machen kann, ist der berüchtigte Oberst Blood, wie er sich nennt, dessen Versuch, sich der königlichen Krone Ew. Majestät zu bemächtigen, vor nicht gar langer Zeit in diesem nämlichen Tower von London stattfand.«

»Diese That wird nicht leicht vergessen,« sagte der König; »aber daß der Kerl lebt, beweiset sowohl die Milde Ew. Durchlaucht, als meine eigne.«

»Ich kann nicht läugnen, daß ich in seinen Händen war, Ew. Majestät,« sagte Ormond, »und wäre gewiß von ihm ermordet worden, hätte es ihm beliebt, mir auf der Stelle das Leben zu nehmen, anstatt mich – ich danke ihm für die Ehre – dazu zu bestimmen, zu Tyburn gehängt zu werden. Ich wäre sicherlich schnell aus dem Wege geräumt worden, hätte er mich des Messers, oder Pistols, oder sonst eines schleunigeren Mordwerkzeugs, als des Stricks, werth geachtet. – Seht ihn an! Wenn es der Bösewicht wagte, er würde in diesem Augenblicke, wie Caliban im Schauspiele, ausrufen: Ho, ho, ich wollte, ich hätt' es gethan!«

»Ei wahrhaftig, mein Herzog, er hat eine schurkische, höhnische Miene, die eben so viel zu sagen scheint; aber wir haben ihm verziehen, und Ihr gleichfalls.«

»Es würde mir übel angestanden haben,« sprach der Herzog von Ormond, »einen Angriff auf mein armes Leben streng zu ahnden, da Ew. Majestät geruhten, ihm seinen frechen und übermüthigern Versuch auf Eure königliche Krone zu vergeben. Aber ich muß es für ein Stück von der höchsten und äußersten Frechheit dieses blutdürstigen Raufbolds halten, von wem er auch immer jetzt unterstützt werden mag, daß er im Tower, dem Schauplatz eines seiner Bubenstreiche, oder vor mir erscheint, der ich beinahe das Opfer eines andern geworden wäre.«

»Ihr sollt in Zukunft Genugthuung erhalten,« sagte der König. – »Aber hört, Blood, wenn Ihr Euch wieder untersteht, Euch, wie jetzt, uns in den Weg zu werfen, so will ich des Henkers Messer und Eure schurkischen Ohren mit einander bekannt machen.«

Blood verbeugte sich, und sagte mit kalter Unverschämtheit: er sei bloß zufällig nach dem Tower gekommen, um sich mit einem vertrauten Freunde in einem wichtigen Geschäft zu besprechen. »Der Herr Herzog von Buckingham,« sagte er, »weiß, daß ich keine andere Absicht hatte.«

»Packt Euch fort, schurkischer Meuchelmörder,« sagte der Herzog, »wenn Ihr Euch wieder untersteht, meinen Namen anzuführen, so laß ich Euch in die Themse werfen.«

Blood, so zurückgetrieben, kehrte mit der übermüthigsten Gelassenheit um, und ging längs der Versammlung hinab fort, während ihm Alle verwundert nachsahen; so sehr war er wegen seiner frechen und verwegenen Bosheit berüchtigt.

Carl wollte gern alles Andenken an seine Erscheinung durch die Bemerkung verwischen: »es wäre eine Schande, wenn ein so verworfener Schurke der Anlaß zur Zwietracht zwischen zwei ausgezeichneten Männern von hohem Adel sein sollte;« und er ermahnte die Herzöge von Buckingham und Ormond, einander die Hände zu reichen, und ein Mißverständniß, das über einen so unwürdigen Gegenstand entsprang, zu vergessen.

Buckingham antwortete flüchtig: »die ehrwürdigen weißen Haare des Herzogs von Ormond rechtfertigen ihn hinlänglich, die ersten Eröffnungen zu einer Aussöhnung zu machen,« und demzufolge hielt er seine Hand zurück. Aber Ormond verbeugte sich und sagte, »der König habe keine Ursache, zu erwarten, daß der Hof durch Aeußerungen seiner persönlichen Empfindlichkeit beunruhigt werden sollte, weil ihm weder die Zeit zwanzig Jahre, noch das Grab seinen tapfern Sohn Ossory zurückgeben werde. Was den Bösewicht, der sich hier eingedrängt, betreffe, so sei er ihm verbunden, weil er durch den Beweis, daß die Milde Seiner Majestät sich selbst auf die allerärgsten Verbrecher erstrecke, seine Hoffnung verstärke, die Gnade des Königs für solche von seinen unschuldigen Freunden zu gewinnen, die sich jetzt, auf die gegen sie erhobenen gehässigen Anklagen in Betreff des papistischen Complots, im Gefängniß und in Gefahr befänden.«

Der König gab auf diese Mittheilungen keine andere Antwort, als daß er die Gesellschaft zur Rückkehr nach Whitehall sich einschiffen hieß; und so nahm er von den Offizieren des Towers, welche die Aufwartung hatten, mit einem jener artigen Complimente über ihren Diensteifer, wie sie Niemand besser auszudrücken verstand, Abschied, und gab zugleich strenge und sorgfältige Befehle für den Schutz und die Vertheidigung der ihnen anvertrauten Festung und Alles dessen, was sie enthielte.

Ehe er sich bei ihrer Ankunft in Whitehall von Ormond trennte, wandte er sich zu ihm um, und sagte: »Beruhigt Euch, Herr Herzog; – die Sache unsers Freundes soll in Betracht gezogen werden.«

An demselben Abend hatten der Generalfiscal, und North, der Lord-Oberrichter des Civilgerichts, Befehle, ganz in's Geheim in den Chiffinch'schen Zimmern (dem Mittelpunkte aller Liebes- und Geschäftsangelegenheiten) vor Seiner Majestät zur Verhandlung über besondere Staatssachen sich einzufinden.



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