Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Wir erzählten vorhin, daß eine weibliche Gestalt an der Thüre von Moultrassie-Hall erschien, und daß man die wohlbekannte Stimme Alexiens ihren Vater bewillkommen hörte, da sie Grund gehabt hatte, seinetwegen sehr besorgt zu sein.

Julian, der seinem Führer mit klopfendem Herzen in den erleuchteten Saal folgte, war daher darauf vorbereitet, zu sehen, wie die, welche er am innigsten liebte, ihren Vater umschlang. Sobald sie sich aus des Vaters Armen gewunden hatte, erblickte sie den unerwarteten Gast, der in seiner Gesellschaft gekommen war. Ein tiefes Erröthen, worauf schnell eine Todesblässe folgte, und wieder ein leichteres Roth, verrieth ihrem Geliebten deutlich genug, daß seine plötzliche Erscheinung ihr nicht gleichgültig war. – Er verbeugte sich tief, – eine Höflichkeit, die sie eben so förmlich erwiederte; doch wagte er nicht näher zu treten, indem er das zarte Verhältniß seiner und ihrer Lage gleichmäßig empfand. Bridgenorth wandte seinen kalten, starren, schwermüthigen Blick erst auf ihn, dann auf sie. »Mancher,« sagte er ernsthaft, »würde in meinem Falle diese Zusammenkunft vermieden haben; aber ich habe Vertrauen zu euch beiden, wiewohl Ihr jung und mit den Schlingen umgeben seid, die eurem Alter zu drohen pflegen. Es sind Personen in diesem Hause zugegen, die nichts von Eurer Bekanntschaft wissen sollten. Daher seid klug, und verhaltet Euch als Fremde gegen einander.«

Julian und Alexie tauschten gegenseitig Blicke, als sich ihr Vater von ihnen abwandte, und mit einem Lichte, das im Vorsaale stand, sie zu den Zimmern führte. Es lag wenig Trost in diesem Austausch der Blicke, denn das Traurige in Alexiens Miene war mit Furcht vermischt, und auf Julians trübem Gesicht verrieth sich ein ängstliches Gefühl des Zweifels. Auch waren diese Blicke nur flüchtig; denn Alexie sprang auf ihren Vater zu, nahm ihm das Licht aus der Hand, und ging vor ihm her, um Beide in das große eichene Zimmer zu führen, worin, wie früher erwähnt worden, Bridgenorth die Stunden der Niedergeschlagenheit nach dem Tode seiner Frau und seiner Familie zugebracht hatte. Es war jetzt, wie zum Empfang einer Gesellschaft, erleuchtet, und mehrere Personen, nach der Sitte der Puritaner jener Zeit gekleidet, waren darin versammelt.

Julian warf erst nur flüchtige Blicke auf die Reihe ernsthafter und finsterer Gesichter, aus welchen diese Gesellschaft bestand, die es vielleicht aufrichtig meinten mit ihren Ansprüchen auf eine höhere Reinheit des Betragens und der Sitten, bei welchen aber dieser hohe Ruhm durch eine übertriebene Strenge in Kleidung und Benehmen etwas beschränkt wurde. Ihre Kleidung war gleichförmig, ein schwarzer Mantel und ein steif und dicht anliegendes Wams, ohne Besetzung oder irgend eine Stickerei, schwarze niederländische Beinkleider und Strümpfe, und eckig auslaufende Schuhe mit großen von Sarscheband gemachten Rosen. Einige hatten große weite Stiefeln von Kalbleder, und fast jeder war mit einem langen Rapier umgürtet, welches an ledernen Riemen um einen einfachen Gurt von Büffel- oder schwarzem Leder hing. Ein paar der ältern Gäste, deren Haare durch die Zeit dünn geworden waren, hatten den Kopf mit einem Käppchen von schwarzer Seide oder Sammet bedeckt, welches zwischen die Ohren und über den Schädel gezogen, und kein Haar hervorlassend, die erstern auf jene ungefällige Art hervorragen ließ, die man auf alten Gemälden bemerken kann, und welche den Puritanern die Benennung »spitzöhrige Stutz- oder Rundköpfe« zuzog.

Diese Männer saßen an der Wand, jeder in seinem alten, hochlehnigen, langbeinigen Stuhle, ohne einander anzusehen, noch, wie es schien, mit einander zu sprechen, sondern in ihre eignen Gedanken vertieft.

Major Bridgenorth ging mit geräuschlosem Schritt und mit einem eben so gesetzten und ernsten Wesen an dieser Gesellschaft vorüber. Er hielt vor jedem nach der Reihe, und theilte, wie es schien, im Vorübergehen die Vorgänge des Abends und die Umstände mit, unter welchen der Erbe vom Schloß Martindale gegenwärtig ein Gast zu Moultrassie-Hall geworden sei. Jeder schien bei seinem kurzen Bericht sich wie bezaubert zu regen, und die meisten von ihnen warfen, als sie die Erzählung ihres Wirthes hörten, auf Julian einen Blick der Neugier, gemischt mit stolzer Verachtung und dem Bewußtsein ihrer geistigen Ueberlegenheit, obgleich manchmal der mildere Einfluß des Mitleidens sichtbar genug war. Julian würde dieses peinigende Augenspiel mit größerer Ungeduld ausgehalten haben, wäre er nicht mit Beobachten der Bewegungen Alexiens beschäftigt gewesen, welche durch's Zimmer schlüpfte, und bloß sehr kurz und leise mit einem und dem andern der Gesellschaft, die sie anredeten, sprechend, ihren Platz neben einer alten Dame nahm, die eine dreifache Haube trug, das einzige Frauenzimmer in der Versammlung war, und ein so eifriges Gespräch mit ihr anknüpfte, daß Alexie wohl zu entschuldigen war, wenn sie den Kopf nicht emporrichtete, oder nach Niemand weiter in der Gesellschaft sich umsah.

Ihr Vater that eine Frage an sie, auf die sie zu antworten genöthigt war; nämlich wo Deborah wäre.

»Sie ist bald nach Sonnenuntergang ausgegangen,« antwortete Alexie, »um einige alte Bekannte in der Nähe zu besuchen, und ist noch nicht wieder zurück.«

Bridgenorth ließ in der Miene seinen Unwillen merken, und nicht zufrieden damit, erklärte er seinen bestimmten Entschluß, daß dieselbe nicht länger ein Mitglied seiner Familie bleiben sollte. »Ich will,« sagte er laut und ohne auf die Anwesenheit der Gäste Rücksicht zu nehmen, »solche Personen, und nur solche um mich haben, welche sich in den nüchternen und sittsamen Gränzen einer christlichen Familie zu halten wissen. Wer mehr Freiheit verlangt, muß uns verlassen, da er nicht zu uns gehört.«

Ein tiefes, nachdrückliches, summendes Geräusch verrieth die Billigung der Anwesenden, und schien die Entlassung der unglücklichen Wärterin zu entscheiden, die, wie nun entdeckt worden, über die Gränzen hinausgeschweift war. Selbst Peveril, ob er gleich bei seiner früheren Bekanntschaft mit Alexien beträchtliche Vortheile aus der interessirten, geschwätzigen Frau geerntet hatte, mußte ihre Entlassung billigen; so sehr wünschte er, daß Alexie, in der Stunde der Verlegenheit, die bald kommen könnte, durch das entschlossene Benehmen und den Rath einer Person ihres Geschlechts von bessern Sitten und unzweideutigerer Rechtschaffenheit, als Deborah besaß, wohlthätig unterstützt würde.

Fast sogleich nach dieser Eröffnung zeigte ein Dienstbote in Trauer sein hageres, eingeschrumpftes und runzliges Gesicht im Zimmer, und meldete mit einer Stimme, die mehr einer Todtenglocke, als dem Herold eines Gastmahls glich, daß im Nebenzimmer Erfrischungen aufgetragen wären. Bridgenorth ging, mit seiner Tochter auf der einen, und der oben bezeichneten Dame auf der andern Seite, ernst voran, und führte selbst seine Gesellschaft, die ihm mit wenig Rücksicht auf Ordnung und Ceremonie folgte, in das Speisezimmer, wo ein nahrhaftes Abendessen angerichtet war.

So wurde Peveril, ob er gleich nach den gewöhnlichen Gesetzen des Anstands auf den Vortritt einigen Anspruch hatte, unter den Letzten gelassen, die das Zimmer verließen, und er hätte gar den Nachzug beschlossen, wenn nicht einer von den Gästen, der selbst zurückgeblieben war, sich verbeugt, und dem jungen Peveril den Vorrang in der Gesellschaft abgetreten hätte, den sich Andere angemaßt hatten.

Dieser Zug von Höflichkeit bewog Julian natürlich, genauer zu forschen, wer ihm diese Artigkeit erwies; und er stutzte, als er unter dem niedergedrückten Sammetkäppchen und über den kurzen Kragenbändern das Angesicht Ganlesse's, wie er sich nannte, seines Gesellschafters vom vorigen Abend, entdeckte. Er betrachtete ihn immer wieder von Zeit zu Zeit, besonders als sich alle an die Tafel gesetzt hatten, wo dieß ohne Verletzung des Anstands eher thunlich war. Erst wankte er in seinem Glauben, und war sehr geneigt, die Wahrheit seiner Vermuthung zu bezweifeln, denn der Unterschied der Tracht war so groß, daß er das Ansehen beträchtlich veränderte, und die Züge selbst, weit entfernt, etwas Ausgezeichnetes oder Interessantes zu haben, waren alltäglich. Aber der Eindruck auf seine Seele erneute und verstärkte sich, bis er sich entschloß, mit besonderer Aufmerksamkeit das Benehmen dessen zu belauschen, der seine Blicke so auf sich gezogen hatte.

Während eines sehr langen Tischgebets, welches einer von der Gesellschaft sprach, bemerkte Julian, daß jener Mann mit ächt puritanischer Ehrerbietung zuhörte. Seine Augen waren emporgerichtet, und sein ungeheurer Hut, mit einem hohen Kopf und breitem Rande, in beiden Händen vor sich gehalten, stieg und fiel mit dem Tone der Stimme des Sprechenden. Doch als das leichte Geräusch stattfand, welches das Rücken der Stühle u. dgl. begleitet, wenn man sich zur Tafel setzt, begegnete Julians Auge dem Blicke des Fremden, aus dessen Augen nun ein Ausdruck spöttischer Laune und Verachtung leuchtete, welcher ein inneres Belächeln der Ernsthaftigkeit seines gegenwärtigen Benehmens zu verrathen schien.

Julian suchte seinen Blick wieder aufzufassen, um sich zu überzeugen, daß er sich nicht über die Bedeutung dieses flüchtigen Ausdrucks geirrt hätte, aber der Fremde gab ihm keine weitere Gelegenheit dazu. Er hätte durch den Ton seiner Stimme entdeckt werden können, aber der Fremde sprach wenig, und nach der Sitte der ganzen Gesellschaft nur leise.

Wenn dieß aber wirklich derselbe Ganlesse war, mit welchem Julian am verflossenen Abend sich in Gesellschaft befunden, und welcher sich der Fähigkeit gerühmt hatte, jede eben beliebige Rolle zu spielen, was konnte die Absicht seiner gegenwärtigen Verkleidung sein? Er war, wenn man seinen Worten glauben durfte, ein Mann von einiger Bedeutung, der es wagte, der Gefahr jener Offiziere und Berichterstatter Trotz zu bieten, vor welchen damals alle Stände zitterten; auch würde er, wie Julian meinte, sich wahrscheinlich nicht ohne irgend einen wichtigen Zweck einer solchen Maske, wie dieser, bedient haben, die demjenigen nur lästig sein konnte, dessen Unterhaltung ihn als einen Freund eines leichtsinnigen Lebens und einer freien Denkungsart ankündigte. Erschien er hier aus guter oder böser Absicht? Betraf seine Anwesenheit das Haus des Ritters Peveril, oder dessen Sohn, oder Bridgenorth's Familie? War Ganlesse's wirklicher Charakter dem Herrn des Hauses bekannt, der so unbiegsam in Allem war, was sowohl Sitten als Religion anging? Wo nicht, konnten nicht die Ränke eines so schlauen Kopfs Frieden und Glück Alexiens stören?

Dieß waren Fragen, die sich Peveril mit aller Ueberlegung nicht zu beantworten wußte. Seine Blicke flogen von Alexien auf den Fremden, und neue Besorgnisse und neuer unbestimmter Argwohn, welche die Wohlfahrt dieses geliebten und liebenswürdigen Mädchens betrafen, mischten sich mit der tiefen Bangigkeit, die schon sein Herz in Rücksicht seines Vaters und des Hauses seines Vaters erfüllte.

In diesem Aufruhr seines Gemüths befand er sich, als die Gesellschaft nach einem eben so langen Dankgebet, als das erste Tischgebet war, von der Tafel aufstand, und sogleich zur Familienandacht berufen ward, wobei Bridgenorth ein Kapitel aus Jeremias vorlas und erklärte.

Als Bridgenorth geendigt hatte, forderte er die Versammlung auf, sich mit ihm im Gebete zu vereinigen; und bei einer kleinen Veränderung, die in der Stellung der Personen bei'm Niederknieen entstand, fand sich Julian neben seiner geliebten Alexie. Eine kurze Zeit war zum stillen Gebet eingeräumt, während welcher Peveril ihre leise Bitte um den verheißenen Segen des Friedens, und um Huld gegen die Menschheit hören konnte. Als sie sich endlich erhob, sah er Thränen in ihren Augen, und ein Blick, mit dem sie in diesem Augenblick ihn ansah, zeigte mehr zärtliche Theilnahme für ihn in seinen verfallenen Glücksumständen, und in seiner abhängigen Lage, als er von ihr hatte damals erlangen können, da sein zeitliches Vermögen so sehr das ihrige zu übertreffen schien.

Erfreut und gestärkt durch die Ueberzeugung, daß ein Herz in der Gesellschaft, und zwar dasjenige, in welchem er am innigsten einen Platz sich zu sichern wünschte, an seinem Kummer Theil nehme, fühlte er sich stark genug, Alles, was noch folgen möchte, auszudauern, und erschrack nicht vor dem finstern, stillen Lächeln, mit welchem einer nach dem andern in der Versammlung ihn ansah, als sie auf dem Wege zu ihren verschiedenen Nachtherbergen sich beim Abschiede mit einem triumphirenden Blicke an einem Menschen weideten, den sie als ihren gefangenen Feind betrachteten.

Alexie ging auch an ihrem Geliebten vorbei, mit niedergesenkten Augen, und erwiederte seine tiefe Verbeugung, ohne sich emporzurichten. Das Zimmer war nun leer, bis auf Bridgenorth und seinen Gast oder Gefangenen. Der Major nahm einen alten messingenen Leuchter vom Tisch, und sagte, indem er den Weg zeigte: »Ich muß einen unhöflichen Kammerdiener machen und Euch zu einem Schlafzimmer führen, das vielleicht unbequemer ist, als Ihr einzunehmen gewohnt seid.«

Julian folgte ihm stillschweigend eine altmodische Wendeltreppe innerhalb eines Thurmes hinauf. Am Ende derselben war eine kleine Kammer, wo eine gewöhnliche Pritsche, zwei Stühle und ein kleiner, steinerner Tisch die einzige Geräthschaft ausmachten. »Euer Bett,« fuhr Bridgenorth fort, als wünschte er ihr Beisammensein zu verlängern, »ist nicht das weichste, aber Unschuld schläft so gut auf Stroh, als auf Flaumfedern.«

»Betrübniß, Herr Major,« antwortete Julian, »findet auf keinem von beiden Ruhe. Allein, sagt mir doch – denn Ihr scheint eine Frage von mir zu erwarten – was wird das Schicksal meiner Eltern sein, und warum trennt Ihr mich von ihnen?«

Bridgenorth wies, statt der Antwort, mit dem Finger auf das Zeichen des Pulvers in seinem Gesicht.

»Das,« sagte Julian, »ist nicht der wahre Grund Eures Verfahrens gegen mich. Es ist nicht möglich, daß Ihr, der Ihr Soldat gewesen und ein Mensch seid, über meinen Versuch zur Vertheidigung meines Vaters betroffen oder unwillig seid. Ueber Alles aber könnet Ihr nicht glauben, und ich muß hinzusetzen, glaubet Ihr auch wirklich nicht, daß ich meine Hand gegen Eure Person erhoben haben würde, wäre nur ein Augenblick Zeit zum Wiedererkennen gewesen.«

»Ich mag das Alles zugeben,« sagte Bridgenorth, »aber was gewinnet Ihr damit in meiner guten Meinung, oder in Hinsicht der Leichtigkeit, womit ich Euch das Unrecht vergeben kann, das Ihr an mir verüben wolltet? – Ihr seid in Haft bei mir, als einer Magistratsperson, angeklagt der Begünstigung des abscheulichen, blutigen und heidnischen Anschlags zur Errichtung des Pabstthums, der Ermordung des Königs, und der allgemeinen Niedermetzelung aller echten Protestanten.«

»Und aus welchen Gründen darf mich Jemand eines solchen Verbrechens beschuldigen?« sagte Julian. »Ich habe kaum von dem Complot gehört, außer etwa auf dem Wege des gemeinen Gerüchts, welches, weil es von sonst nichts spricht, sich hütet, selbst über diesen Gegenstand etwas Bestimmtes zu sagen.«

»Es mag für mich hinreichen, Euch zu sagen,« gab Bridgenorth zur Antwort, »und vielleicht ist es schon ein Wort zu viel – daß Ihr, entdeckter Ränkemacher – ein ausgespürter Spion seid, der Zeichen und Botschaften zwischen der päbstischen Gräfin von Derby und der katholischen Partei in London überbringt. Ihr habt Eure Sache nicht mit sonderlicher Klugheit geführt, Alles dieß ist wohl bekannt, und kann genugsam bewiesen werden. Zu dieser Beschuldigung, deren Ihr Euch wohl bewußt seid, sind diese Männer, Everett und Dangerfield, nicht abgeneigt, aus Erinnerung Eurer Physiognomie noch andere Vorfälle hinzuzufügen, welche Euch gewiß Euer Leben kosten werden, wenn Ihr vor ein protestantisches Geschwornen-Gericht kommt.«

»Sie lügen wie Schurken,« sagte Peveril, »wenn sie mich der Theilnahme irgend eines Complots, es sei gegen den König, die Nation, oder die Verfassung der Religion, bezüchtigen; und, was die Gräfin betrifft, so hat sich ihre Rechtlichkeit zu lange und zu stark bewiesen, um sie in solchen beleidigenden Verdacht verwickeln zu dürfen.«

»Was sie bereits gethan hat,« sagte Bridgenorth mit sich verfinsterndem Gesicht, »gegen die treuen Kämpfer für reine Religion, hat hinlänglich bewiesen, wessen sie fähig ist. Sie hat sich auf ihren Felsen begeben, und sitzt, wie sie meint, in Sicherheit, wie der Adler, der nach seinem blutigen Mahle ausruht. Aber der Bogen des Jägers kann sie noch erreichen – der Pfeil ist gespitzt – der Bogen ist gespannt – und man wird bald sehen, ob Amalek oder Israel siegen soll. Was aber dich betrifft, Julian Peveril – warum sollt' ich dir's verhehlen? – Mein Herz jammert um dich, wie das eines Weibes um ihr Erstgebornes. Dir will ich, auf Kosten meines eigenen Rufs – vielleicht auf Gefahr persönlichen Verdachts – denn wer wird in diesen Tagen des Zweifels davon ausgenommen sein? – Dir, sage ich, will ich Mittel zur Flucht reichen, die dir sonst unmöglich sein würde. Die Treppe dieses Thurms geht in die Gärten hinab – das Pförtchen ist aufgeklinkt – zur rechten Seite sind die Ställe, wo du dein eignes Pferd finden wirst – nimm es und begib dich nach Liverpool. – Ich will dir Anweisung an einen Freund, Namens Simon Simonson, geben, einen von denen, die von den Prälaten verfolgt wurden, und hier wird er deine Reise aus dem Königreiche befördern.«

»Herr Major,« sagte Julian, »ich will Euch nicht täuschen. Sollt' ich Euer Anerbieten zur Rettung annehmen, so würde es geschehen, um einen höhern Ruf, als den zur bloßen Selbsterhaltung, zu erwarten. Mein Vater ist in Gefahr – meine Mutter voll Betrübniß – die Stimme der Religion und der Natur ruft mich an ihre Seite. Ich bin ihr einziges Kind – ihre einzige Hoffnung – ich will ihnen helfen oder mit ihnen umkommen.«

»Ihr seid toll,« sagte Bridgenorth, »helfen könnt Ihr ihnen nicht – umkommen wohl mit ihnen, und selbst ihren Untergang beschleunigen; denn zu den Anklagen, mit denen Euer unglücklicher Vater belastet ist, würde keine geringe Verstärkung hinzukommen, wenn sein Sohn sich als vertrauter Agent der Gräfin von Derby zeigte, welcher ihre Festung gegen die protestantischen Commissionäre behaupten half, und von ihr abgeschickt wurde, eine Communication mit der päbstischen Partei in London zu eröffnen.«

»Ihr habt mich zweimal als einen solchen Agenten angegeben,« sagte Peveril, der sein Stillschweigen nicht für Einräumung der Beschuldigung, die er doch als einigermaßen wohl gegründet fühlte, angenommen wissen wollte. »Welche Gründe habt Ihr zu einer solchen Behauptung?«

»Wird es zum Beweise meiner genauen Kenntniß Eures Geheimnisses hinreichen,« antwortete Bridgenorth, »wenn ich Euch die letzten Worte wiederhole, welche die Gräfin zu Euch sprach, als Ihr das Schloß der Ketzerin verließet? So sprach sie: »Ich bin eine verlassene Wittwe, welche der Kummer selbstsüchtig gemacht hat.«

Peveril stutzte, denn dieß waren die eigenen Worte der Gräfin; aber er faßte sich sogleich, und erwiederte: »Verhalte es sich mit Eurer Kenntniß, wie es wolle, ich leugne doch Alles standhaft ab, so fern es irgend eine Schuld auf mich bringt. Es gibt keinen Menschen, der einer treulosen Gesinnung oder eines verrätherischen Plans weniger schuldig wäre. Was ich für mich selbst sage, das will ich auch, nach meinem besten Wissen, in Hinsicht der edlen Gräfin sagen und behaupten, der ich für meine Erziehung verpflichtet bin.«

»So gehe denn in deiner Hartnäckigkeit zu Grunde!« sagte Bridgenorth, wandte sich schnell um, und verließ die Kammer, und Julian hörte ihn die enge Treppe hinabeilen, als wenn er seinem eignen Entschlusse nicht traute.

Mit schwerem Herzen, doch mit dem Vertrauen auf eine allwaltende Vorsehung streckte sich Peveril auf sein Lager nieder.



 << zurück weiter >>