Walter Scott
Ivanhoe
Walter Scott

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiunddreißigstes Kapitel.

Selbst Lukas Beaumanoir war gerührt durch Rebekkas Tapferkeit. Er war von Natur weder grausam noch hart. Nur Leidenschaften kannte er nicht, und seine hohen, wenn auch auf Irrtum fußenden Begriffe von der Pflicht hatten sein Herz allmählich verhärtet. Dazu kam noch, daß er ein Leben der Askese geführt hatte und ihm die hohe Gewalt in die Hände gegeben war und er sich für verpflichtet hielt, Unglauben und Ketzerei auszurotten. Als er daher auf das schöne Mädchen blickte, das ganz allein und ohne Freunde sich so mutig und entschlossen verteidigte, wich die gewohnheitsmäßige Strenge aus seinen Zügen. Er bekreuzte sich zweimal, als traue er dieser weichen Anwandlung nicht recht, da er ja sonst sein Herz als stahlhart kannte.

»Mädchen,« sagte er dann, »wenn das Mitleid, das ich jetzt empfinde, dem Einfluß, den deine höllische Kunst über mein Herz gewonnen hat, zuzuschreiben ist, so ist deine Schuld sehr groß. Aber ich will es lieber den sanfteren Empfindungen der Natur zuschreiben und der Trauer, daß in einem so schönen Geschöpf soviel Verworfenheit steckt. Bereue, meine Tochter – bekenne deine Zauberei – wende dich ab von deinem falschen Glauben – umarme dieses heilige Zeichen, und es soll jetzt und hinfüro gut um dich stehen! In einer Schwesterngemeinde sollst du leben und büßen und beten, und du wirst es nie bereuen. Tust du das, so sollst du am Leben bleiben. Was hat das Gesetz Mosis an dir getan, daß du dafür sterben möchtest?«

»Es war das Gesetz meiner Väter! In Donner und Sturm, in Blitz und Gewölk ist es auf dem Berge Sinai gegeben worden. Doch vergebt, ich bin ein Mädchen und kann nicht für meine Religion streiten, aber ich kann für sie sterben, wenn es Gottes Wille ist. – Ich bitte Euch, gewährt mein Gesuch um einen Kämpfer!«

»Gebt mir den Handschuh,« erwiderte Beaumanoir. »Dies,« fuhr er fort, das zarte Gewebe und die feinen Finger betrachtend, »ist fürwahr ein leichtes gebrechliches Pfand für ein so tödliches Beginnen. Sieh, Rebekka, wie dieser Handschuh sich zu unsern schweren, eisernen verhält, so steht deine Sache gegen die des Tempels, denn es ist unser Orden, den du herausgefordert hast.«

»Werft meine Unschuld in die Schale,« versetzte sie, »und die Seide wird den Stahl aufwiegen.«

»Du beharrst also auf deiner Weigerung, deine Schuld zu gestehen, und hältst deine kühne Herausforderung aufrecht?«

»Ich halte sie aufrecht, edler Herr.«

»So sei es denn in Gottes Namen,« sagte der Großmeister, »und so mag denn Gott die Wahrheit ans Licht bringen!«

»Amen!« setzten die Präzeptoren hinzu, und dieses Wort lief durch die ganze Versammlung.

»Meine Brüder,« sprach der Ordensmeister, »Ihr seid vielleicht der Ansicht, wir hätten diesem Weibe das Gottesurteil abschlagen können. Aber wenn sie auch eine Jüdin und eine Ungläubige ist, so ist sie doch eine Fremde und ohne Schutz, und Gott verhüte, daß sie den Schutz unserer Gesetze umsonst anrufe. Wem, meine verehrten Brüder, sollen wir dieses Pfand nun ausliefern? Wen sollen wir zu unserm Kämpfer in diesem Gottesgerichte ernennen?«

»Brian de Bois-Guilbert, den die Sache vor allem angeht,« antwortete der Präzeptor von Goodalricke. »Er weiß überdies auch am besten, wie es mit der Wahrheit in diesem Falle steht.«

»Wenn aber unser Bruder Brian,« versetzte Beaumanoir, »unter dem Banne des Zaubers steht?«

»Gegen einen Streiter in einem Gottesgericht kann kein Zauber bestehen.«

»Du sprichst wahr, Bruder. Albert Malvoisin, gib dieses Pfand Bois-Guilbert! Bruder,« wandte er sich dann an diesen, »wir erteilen dir den Befehl, männlich deinen Kampf zu bestehen, ohne an dem guten Ausgang für die gute Sache zu zweifeln. Dir, Rebekka, tragen wir auf, von heute ab binnen drei Tagen einen Kämpfer zu stellen.«

»Das ist eine kurze Frist für eine Fremde, die nicht Euers Glaubens ist, einen Streiter zu finden, der für sie Ehre und Leben wagen soll,« entgegnete Rebekka.

»Wir können sie nicht verlängern. Der Kampf muß vor unsern Augen ausgefochten werden, und wichtige Geschäfte rufen uns am vierten Tage von hier fort.«

»So geschehe denn Gottes Wille,« sagte Rebekka. »Auf ihn setze ich mein Vertrauen, ist doch für ihn zur Rettung ein Augenblick gleich einem Jahrhundert.«

»Es wäre nur noch übrig,« sagte der Großmeister, »einen passenden Platz für den Kampf und – so Gott will – für die Vollstreckung des Urteils zu bestimmen. Wo ist der Präzeptor dieses Hauses?«

Albert Malvoisin hielt noch immer Rebekkas Handschuh zwischen den Fingern und sprach eindringlich, aber leise mit Bois-Guilbert.

»Wie?« fragte der Großmeister. »Will er das Pfand nicht annehmen?«

»Er will es annehmen – er hat es angenommen, hochwürdiger Vater,« antwortete Albert von Malvoisin, indem er rasch den Handschuh unter dem Mantel verbarg. – »Als Platz zum Kampfe werden sich die Schranken von St. Georg am besten eignen, sie gehören zum Päzeptorium, und wir halten darauf unsere kriegerischen Übungen ab.«

»Gut,« sagte der Großmeister. »In diesen Schranken, Rebekka, soll sich dein Kämpfer einfinden. Geschieht dies nicht oder fällt dein Kämpfer im Gottesurteil, so sollst du in den nämlichen Schranken den Tod einer Zauberin sterben, unserm Urteil gemäß. Dieser Spruch ist in die Ordensbücher einzutragen. Lest ihn laut vor, damit sich niemand entschuldigen könne, daß er nichts davon gewußt habe.«

Einer der Kaplane trug das Urteil in das Ordensbuch ein. Als er mit Schreiben fertig war, las der andere es vor, indem er es zugleich aus dem Normännisch-Französischen ins Englische übersetzte:

»Rebekka, eine Jüdin, Tochter des Isaak von York, ist der Zauberei, der Verführung und anderer böser Künste angeklagt, die sie gegen einen Ritter des heiligen Tempels ausgeübt haben soll. Sie leugnet ihre Schuld, erklärt das wider sie abgelegte Zeugnis für falsch, gottlos und unredlich und will dies durch ein Gottesgericht beweisen. Sie will einen Kämpfer stellen, der sie vertreten soll, auf ihre eigenen Kosten und Gefahr. Ihr Pfand wird dem Ritter vom heiligen Orden des heiligen Tempels Zions, Sir Brian de Bois-Guilbert übergeben, er soll diesen Kampf für seinen Orden und sich selber bestehen, denn er ist von der Angeklagten beleidigt und gepeinigt worden. Der dritte Tag von diesem ab ist durch unsern hochwürdigen Vater Lukas, Marquis von Beaumanoir, für diesen Kampf festgesetzt worden, und als Platz sollen die Schranken von St. Georg bei Templestowe dienen. Der Großmeister fordert die Angeklagte auf, sich durch ihren Kämpfer in diesen Schranken vertreten zu lassen, widrigenfalls sie als eine der Hexerei und Verführung überführte Person des Todes sterben soll. Der Großmeister bestimmt ferner, daß der Kampf in seiner Gegenwart abgehalten und dabei durchaus nach den ritterlichen Bestimmungen verfahren werden soll. Gott fördere die gerechte Sache!«

»Amen!« sprach der Großmeister, und die Menge sprach es nach.

Rebekka sagte nichts, sondern sah ein Weilchen mit gefalteten Händen zum Himmel, dann wandte sie sich um und fragte: »Ist wohl jemand hier, der aus Liebe zur guten Sache oder für reichen Lohn den Auftrag einer Unglücklichen ausrichten will?«

Alles schwieg, denn niemand wagte sich angesichts des Großmeisters die Teilnahme an der verleumdeten Gefangenen merken zu lassen. Endlich sprach Higg, der Sohn Snells: »Ich bin nur ein armer Krüppel, aber daß ich mich wieder ein wenig bewegen kann, das verdanke ich der barmherzigen Hilfe dieses Mädchens. Ich will deine Botschaft übernehmen, so gut es ein Krüppel kann.«

»Gott ist der Lenker aller Dinge,« sagte Rebekka. »Meine Botschaft zu überbringen, ist die Schnecke ebenso sicher wie der wildeste Falle. Geh zu Isaak von York – hier hast du genug, daß du dir ein Pferd beschaffen kannst – gib Isaak diesen Zettel. Mein Glaube steht fest, daß ich nicht eines solchen Todes sterben soll, sondern einen Kämpfer finden werde.«

Die Botschaft, die Higg an Isaak von York zu bringen hatte, lautete folgendermaßen:

»Mein Vater! Ich bin zum Tode verurteilt wegen eines Verbrechens der Zauberei. – Mein Vater, wenn ein tapferer Mann gefunden werden kann, der mit Schwert und Lanze gemäß der Sitte der Nazarener, am dritten Tage von heute ab in den Schranken von St. Georg bei Templestone für mich kämpfen will, so wird ihm vielleicht der Gott meiner Väter Kraft zur Verteidigung der hilflosen Unschuld verleihen. Wo nicht, so laß die Jungfrauen unseres Volkes um mich trauern, wie um eine Abgeschiedene, wie um eine Blume, die unter der Sichel gefallen ist. Schau dich um, ob du Hilfe für mich finden kannst. Ein Nazarener wäre vielleicht willens, für mich zu den Waffen zu greifen, Wilfried von Ivanhoe, der Sohn Cedrics des Sachsen, aber er wird jetzt noch nicht imstande sein, das Gewicht der Rüstung zu tragen. Demungeachtet sende ihm aber meine Botschaft, denn er hat großes Ansehen unter den Tapferen seines Volkes und findet vielleicht einen andern. Jedenfalls sage ihm, diesem Wilfried von Ivanhoe, daß Rebekka, ob sie nun am Leben bleibt oder stirbt, unschuldig ist an dem Verbrechen, dessen sie angeklagt ist. – So es Gottes Wille ist, daß dir, alter Mann, eine Tochter genommen werden soll, so bleibe nicht länger in diesem Lande des Blutvergießens und der Grausamkeit, sondern ziehe nach Cordova, wo dein Bruder in Sicherheit lebt.«

Am Abend nach ihrem Prozeß vernahm Rebekka an der Tür ihres Gemaches ein Klopfen.

»Herein!« rief sie, »wenn du ein Freund bist, und bist du ein Feind, so kann ich dir den Eintritt nicht verwehren.«

»Ich bin, ebensogut Freund wie Feind, je nach dem Ausfall dieser Unterredung,« erwiderte Brian de Bois-Guilbert.

Erschrocken über die Erscheinung dieses Mannes, dessen grenzenlose Leidenschaft sie als die Ursache all ihres Unglückes betrachtete, wich Rebekka behutsam und mit Bangen bis in die fernste Ecke des Zimmers zurück. »Du hast keine Ursache, Rebekka, mich zu fürchten.«

»Ich fürchte Euch nicht, Herr Ritter!« versetzte sie, wenn auch ihr fliegender Atem die Worte Lügen strafte. »Mein Glaube steht fest, und ich fürchte Euch nicht. Doch was führt Ihr im Schilde? Erklärt es mir kurz. Wenn Ihr nichts anderes wollt, als das Elend betrachten, das Ihr geschaffen habt, und Euch daran weiden, so sagt es, und dann überlaßt mich mir selber.«

»Du bist im Irrtum,« antwortete der Templer, »wenn du mir die Schuld an dieser Wendung gibst, die ich weder vorhersehen noch verhindern konnte. Hätten sich nicht dieser fanatische Dummkopf und der Narr Goodalricke darein gemischt, so wäre nicht ein Präzeptor, sondern ein gewöhnliches Mitglied des Ordens zum Kämpfer für dich erwählt worden. Dann wollte ich selber – denn darauf war mein Plan angelegt, als ich dir das Blatt in die Hände spielte – als dein Kämpfer in den Schranken erscheinen, verkleidet als fahrender Ritter, der mit Schwert und Lanze auf Abenteuer auszieht. Und dann hätte Beaumanoir meinetwegen zwei oder drei der hier anwesenden Ritter zu Kämpfern ernennen können – ich hätte sie alle aus dem Sattel geworfen. Dann, Rebekka, wäre deine Unschuld erwiesen gewesen, und deiner Dankbarkeit wollte ich es überlassen, den Sieger zu belohnen.«

»Das ist eitles Geprahle, Ihr brüstet Euch mit dem, was Ihr hättet tun wollen. So aber habt Ihr meinen Handschuh angenommen, und mein Kämpfer, wenn überhaupt ein so verlassenes Geschöpf wie ich einen findet, muß Eurer Lanze in den Schranken gegenübertreten. Und bei alledem wollt Ihr Euch noch in das Licht eines Freundes und Beschützers stellen?«

»Dein Freund und Beschützer will ich auch noch sein,« erwiderte der Templer ernst. »Doch höre wohl, welche Gefahr ich dabei auf mich nehme und wie gewiß mir Entehrung droht, und mach mir keinen Vorwurf, wenn ich meine Bedingungen stelle, bevor ich alles, was das Leben bis jetzt für mich teures hatte, für das Leben eines jüdischen Mädchens hinopfere. Wenn ich nicht in den Schranken erscheine, Rebekka, so verliere ich Ehre und Rang, so verliere ich, was für mich der Odem der Brust ist – die Achtung der Brüder und die Hoffnung, das hohe Amt zu bekleiden, das jetzt der bigotte Geck Lukas de Beaumanoir innehat. Dieses Schicksal ist mir sicher, wenn ich nicht in den Schranken wider dich auftrete. Wenn ich aber in den Schranken erscheine, so muß ich die Ehre meiner Waffen aufrecht erhalten, und ob du nun einen Kämpfer hast oder nicht, du mußt doch am Pfahle sterben oder am Scheiterhaufen, denn es lebt kein Ritter, der mit gleichem Vorteil oder gar mit Erfolg gegen mich gekämpft hatte – keiner außer Richard Löwenherz und seinem Günstling Ivanhoe. Der letztere ist wie du selber weißt, noch nicht imstande, die Rüstung zu tragen, und Richard ist in fremdem Lande gefangen. Wenn ich also in den Schranken erscheine, so stirbst du, selbst wenn sich irgend ein junger Hitzkopf finden sollte, der sich für dich zum Kampfe stellt.«

»Warum wiederholt Ihr das so oft?«

»Weil du dein Schicksal von jeder Seite betrachten sollst.«

»Gut, so wendet das Blatt um und laßt mich die Kehrseite sehen.«

»Wenn ich in den unglückseligen Schranken erscheine,« fuhr Bois de Guilbert fort, »so stirbst du eines langsamen grauenvollen Todes; erscheine ich nicht, so bin ich ein entehrter ausgestoßener Ritter, der Zauberei und der Gemeinschaft mit Ungläubigen schuldig. Mein ruhmvoller Name wird ein Spott und ein Schimpf. Verlustig gehe ich der Ehre, des Ranges und einer Macht, wie sie selbst Kaiser nicht erreichen. Meinen gewaltigen Ehrgeiz opfere ich, meine hochfliegenden Pläne vernichte ich, und dennoch, Rebekka,« und er warf sich Rebekka zu Füßen, »dennoch will ich diese Größe opfern, diesem Ruhm entsagen, diese Macht fahren lassen, selbst da ich sie schon halb erreicht habe, alles das, alles das aufgeben, sobald du sagst: ich nehme dich zu meinem Geliebten an. – Rebekka, höre mich! Um deinetwillen will ich dem Ruhm und dem Ehrgeiz entsagen, und wir wollen zusammen fliehen! Rebekka, England ist nicht die Welt – auch nicht Europa. Es gibt noch Länder, die weit genug für meinen Ehrgeiz sind. Wir wollen nach Palästina gehen, dort habe ich einen Freund, Konrad von Montserrat, er ist ebenso frei wie ich von den albernen Vorurteilen, die hier unsere freigeborene Vernunft in Fesseln legen. Dort schaffe ich mir neue Wege zur Größe.« – Mit großen Schritten ging er ungestüm hin und her. – »Europa soll den lauten Fußtritt dessen vernehmen, den es ausgestoßen hat. Du sollst eine Königin werden, Rebekka, auf dem Berge Karmel will ich den Thron errichten, den ich mir mit meiner Tapferkeit erobern will – und statt des lang ersehnten Stabes will ich ein Szepter ergreifen!«

»Ein Traum ist das!« versetzte Rebekka.– »Ein Trugbild der Nacht! – Gewänne es Wirklichkeit, es könnte mich nicht locken! – Nimmer würde ich die Macht, die Ihr errungen hättet, mit Euch teilen!«

»Nimmer, Rebekka?« rief der Templer. »Wohlan! Versagst du mir die Liebe, so bleibt der Ehrgeiz mein! Beiden will ich nicht entsagen!«

»So sei Gott mir gnädig, denn menschliche Hilfe scheint nicht zu erhoffen,« sprach die Jüdin.

»So ist es,« erwiderte der Ritter. »Du bist stolz, aber an mir hast du darin einen dir Ebenbürtigen gefunden. Wenn ich mit gefällter Lanze in die Schranken reite, dann hält mich keine menschliche Rücksicht mehr ab, meine ganze Kraft zu zeigen. Dann denke an dein Schicksal – an den gräßlichen Tod, wie ihn nur die ärgsten Verbrecher gestorben sind. Verzehrt von den Flammen auf dem brennenden Holzstoße – verstreut die Asche in alle Winde – kein Stücklein bleibt zurück von dem holden Bilde, das einst lebte und sich regte! – Rebekka! Diese Vorstellungen vermag kein Weib zu ertragen – du mußt meinen Vorschlag annehmen!«

»Bois-Guilbert,« antwortete die Jüdin, »Ihr kennt das Herz des Weibes nicht, oder Ihr habt nur solche kennen gelernt, die ihre besseren Empfindungen verloren haben. Ich sage Euch, stolzer Templer, in Euern wildesten Schlachten habt Ihr nicht mehr Mut gezeigt, als das Weib offenbart, wenn es um Pflicht oder Liebe leiden muß. Ich bin ein Weib, verwöhnt und verzärtelt, und scheue die Gefahr und bin empfindlich gegen jeden Schmerz – aber wenn wir beide in die Schranken treten, du, um zu kämpfen, ich, um zu leiden – so sagt es mir ein fester Glaube: mein Mut wird den deinen überflügeln! – Lebe wohl! Ich verliere keines weiteren Wortes an Euch, die Zeit, die auf Erden noch der Tochter Jakobs vergönnt ist, muß anders verbracht werden. Sie muß den Tröster suchen, der zwar sein Antlitz von ihrem Volke abgewendet hat, der aber doch noch immer denen Gehör schenkt, die aufrichtig und wahrhaftig zu ihm beten.«

»So scheiden wir denn,« sagte Bois-Guilbert. »Wollte Gott, wir hätten einander nie getroffen, oder du wärst christlichen Glaubens oder edler Herkunft.«

»Die Fürsten Judas sind nicht mehr; niedergetreten sind sie wie abgemähtes Gras und vermischt mit dem Staube des Weges. Aber,« rief Rebekka, »es gibt noch viele unter den Juden, die ihren hohen Ahnen keine Schande machen, und zu denen soll die Tochter Isaaks gezählt werden. Fahret wohl! Ich beneide Euch nicht um Euern blutigen Ruhm, noch um Eure barbarische Abkunft von den Heiden des Nordens, noch um Euern Glauben, der immer auf Euern Lippen ist, doch nie in Euern Handlungen und Euerm Herzen wohnt!«

»Beim Himmel! Mich hält ein Zauber fest!« sprach Bois-Guilbert. »Schönes Wesen, so jung, so liebreizend, so ohne Todesfurcht, und doch verurteilt, in Schmach und Marter zu sterben! Wer sollte nicht um dich weinen! Die Träne, seit zwanzig Jahren meinem Auge fremd, jetzt rinnt sie, indem ich dich ansehe! Allein es muß sein! Nichts kann dein Leben retten. Du und ich, wir sind beide Werkzeuge eines unerbittlichen, unwiderstehlichen Schicksals, das uns mit sich reißt, wie zwei vortreffliche Schiffe im Sturm gegeneinanderstoßen und so untergehen. Vergib mir und laß uns wenigstens als Freunde scheiden. Vergebens habe ich deinen Entschluß bestürmt, und auch der meine steht so fest, wie die diamantenen Tafeln des Geschickes.«

»So legen die Menschen die Folgen ihrer wilden Leidenschaften dem Schicksal zur Last,« erwiderte Rebekka. »Doch ich vergebe dir, Bois-Guilbert, bist du gleich schuld an meinem frühen Tode – ich vergebe dir so bereitwillig, wie je das Schlachtopfer dem Henker vergab. Edle Gedanken schweben über deinem Gemüt, aber deine Seele gleicht dem Garten eines trägen Gärtners, Unkraut ist hoch aufgewuchert, und keine echte Blüte kann sich mehr entfalten.«

»Ja, ich bin, wie du mich geschildert hast, stolz, ungezügelt und wild. Diese Geistesstärke habe ich mir inmitten einer Schar von blöden Toren und listigen Heuchlern bewahrt, und so habe ich mich über sie emporgeschwungen. Von Jugend auf war ich ein Kind der Schlacht – hoch fliegen meine Pläne, unbeugsam und starrsinnig verfolge ich sie – so muß ich auch bleiben – stolz, unerschütterlich, unbeugsam und nimmer wankend! – Das will ich der Welt beweisen. – Lebe wohl!«

Und er ging hinaus.


 << zurück weiter >>