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Vierunddreißigstes Kapitel.

Wer kommt von dem Brautgemache?
Azrael, der Todesengel.

Thalaba.

 

Nach dem erschütternden Auftritte, der auf dem Schlosse stattgefunden hatte, wurde Lucie auf ihr Zimmer gebracht, wo sie eine Zeit lang in völliger Betäubung verblieb. Später jedoch, im Laufe des folgenden Tages, schien sie sich erholt zu haben. Sie gewann zwar nicht ihre vollen Kräfte, aber eine Art flüchtigen Leichtsinnes, der ihrem Charakter und ihrer Lage fremd war, und der zuweilen von tiefer Stille und Niedergeschlagenheit und mürrischer Laune unterbrochen wurde. Lady Ashton wurde sehr unruhig und befragte die Aerzte der Familie. Aber da ihr Puls eine Veränderung erlitt, so konnten sie nur sagen, daß die Krankheit im Gemüthe sei, und sie empfahlen leichte Bewegung und Zerstreuung. Miß Ashton spielte nie auf den Auftritt in dem Staatszimmer an. Es schien zweifelhaft, ob sie sich dessen bewußt wäre: denn oft sah man sie ihre Hand zum Halse heben, als wenn sie das Band suche, das man von ihr genommen hatte, und wenn sie es nicht fand, so murmelte sie erstaunt und verdrießlich: »Es war das Band, das mich an's Leben knüpfte.«

Ungeachtet aller dieser bedenklichen Zeichen konnte Lady Ashton die Heirath ihrer Tochter nicht aufschieben, nachdem sie so weit gegangen war. Es kostete ihr viele Unruhe, Bucklaw nur die schöne Seite vorzuhalten. Sie wußte wohl, daß, wenn er einmal einen Widerwillen von Seiten ihrer Tochter sähe, er den Vertrag zu ihrer eigenen großen Schande brechen würde. Sie entschloß sich daher, daß, wenn Lucie fortführe, sich leidend zu verhalten, die Vermählung auf den bereits anberaumten Tag gefeiert werden solle, und sie hoffte, daß eine Veränderung von Ort, Lage und Verhältnissen auf das leidende Gemüth ihrer Tochter geschwinder und einflußreicher wirken würde, als die langsamen Kuren, welche die Aerzte empfahlen. Die Sucht, seine Familie zu vergrößern, und sich gegen die Pläne des Marquis von A– zu rüsten, verleitete Sir William Ashton, eine Sache zu befördern, die er nicht hätte hindern können, auch wenn er es gewollt hätte. Was die jungen Männer, Bucklaw und Colonel Ashton, betrifft, so betheuerten sie, daß es nach Allem, was vorgefallen wäre, höchst schimpflich sein würde, die anberaumte Vermählungszeit nur um eine Stunde zu verschieben, weil man den Aufschub allgemein der Einschüchterung, die Ravenswood durch seinen Besuch und seine Drohungen eingeflößt habe, zuschreiben würde.

In der That, Bucklaw wäre nicht fähig gewesen, auf dieser Beschleunigung zu bestehen, wenn er die Gesundheit und den Gemüthszustand von Miß Ashton gekannt hätte. Die Sitte erlaubte nur einen geringen Verkehr zwischen Bräutigam und Braut, ein Umstand, den Lady Ashton so wohl benutzte, daß sich Bucklaw des wahren Gesundheits- und Gemütszustandes seiner unglücklichen Verlobten gar nicht versah.

Am Tage vor der Vermählung schien Lucie in ihrer leichten Laune zu sein. Sie betrachtete mit einer Art von mädchenhafter Neugier die verschiedenen Anzüge und andere Dinge, welche für die Mitglieder der Familie in Bereitschaft gesetzt worden waren.

Der Morgen brach klar und heiter an. Die Hochzeitsgäste strömten in glänzenden Haufen von allen Seiten herbei. Nicht allein die Verwandten von Sir William Ashton, die edlen Stammesgenossen seiner Frau und die zahlreichen Freunde und Verwandten des Bräutigams waren glänzend beritten und festlich geschmückt bei dieser feierlichen Gelegenheit zugegen, sondern fast jede presbyterianische Familie von Rang auf fünfzig Meilen in der Runde beeilte sich, sich bei diesem Anlasse einzufinden, den man als einen Triumph über den Marquis von A– betrachtete. Reichliche Erfrischungen erwarteten die Gäste bei ihrer Ankunft, und als sie genommen waren, hieß es zu Pferde. Die Braut wurde von ihrem Bruder Heinrich und ihrer Mutter herbeigeführt. Die Fröhlichkeit, die sie am vergangenen Tage gezeigt hatte, war einer tiefen Schwermuth gewichen, die jedoch diesem ernsten Augenblicke nicht unangemessen war. Es war ein Glanz in ihren Augen und eine Farbe auf ihren Wangen, die man seit lange an ihr nicht mehr gesehen hatte, und die in Verbindung mit ihrer großen Schönheit und dem Reichthum ihres Anzuges bewirkten, daß ihr Eintritt mit allgemeinem Beifallsgemurmel begrüßt wurde, worin sich die Damen selbst nicht enthalten konnten, einzustimmen. Während man sich zum Ritt anschickte, tadelte Sir William Ashton, ein Mann des Friedens und der Förmlichkeit, seinen Sohn Heinrich, daß er sich ein überlanges, seinem Bruder, dem Colonel Ashton gehöriges Schwert, angegürtet habe.

»Wenn du bei diesem friedlichen Anlasse,« sagte er, »eine Waffe haben mußt, warum hast du nicht den kurzen Dolch genommen, der zu diesem Behuf von Edinburgh geschickt worden ist?«

Der Knabe vertheidigte sich, indem er sagte, »daß derselbe verloren sei.«

»Du hast ihn versteckt, scheint es,« sagte sein Vater, »um mit dem langen Dinge da, das Sir William Wallace hätte tragen mögen, großthun zu können. Doch genug, besteige nun dein Pferd, und gib auf deine Schwester Acht.«

Der Knabe gehorchte, und erhielt seinen Platz in der Mitte des glänzenden Zuges. In diesem Augenblicke war er zu voll von seiner Person, seinem Schwert, seinem verbrämten Mantel, Federhut und zugerittenem Pferd, um einem anderen Dinge Aufmerksamkeit zu schenken; aber später erinnerte er sich bis zu seiner Todesstunde, daß, als die Hand seiner Schwester, womit sie sich auf dem Sattel hinter ihm stützte, seine Hand berührt habe, habe sie sich feucht und kalt wie ein Marmorgrabstein angefühlt.

Weit über Thal und Hügel schimmernd, erreichte der Brautzug endlich die Pfarrkirche, die er fast anfüllte, denn ohne die Diener waren über hundert Herren und Damen dabei zugegen. Die Vermählung geschah nach dem Ritus des presbyterianischen Glaubens, zu welchem Bucklaw jüngst übergetreten war.

Außerhalb der Kirche wurden reichliche Spenden an die Armen der benachbarten Pfarreien vertheilt unter der Leitung von Johnny Mortheuch, der vor Kurzem aus dem trübseligen Aufenthalte in der Einsiedelei versetzt worden war, um die Küsterstelle an der Pfarrkirche von Ravenswood auszufüllen. Frau Gourlay mit zweien ihrer Altersgenossen, den nämlichen, welche bei Alicens Todtenwache gewesen waren, saßen beiseit auf einem platten Grabstein, und verglichen neidisch den Antheil, den sie bei der Spendevertheilung gehabt hatten.

»Johnny Mortheuch,« sagte Annie Winnie, »hätte seine alten Bekanntinnen besser bedenken sollen, so vornehm er auch aussieht in seinem neuen, schwarzen Rocke. Ich habe nur fünf Häringe statt sechse bekommen, und dies Sechsstüberstück sieht nicht wie gut aus, und ich schwöre, daß dies Stückchen Rindfleisch ein Paar Loth leichter ist, als alle anderen, die vertheilt worden sind, und es ist ein Stück aus den Knieflechsen, und das Eurige, Maggie, ist ein Rückenstück.«

»Meins, sagte sie?« murmelte die gliederlahme Hexe, »meins ist halb Knochen, meiner Treu'. Wenn die Vornehmen den armen Tröpfen etwas geben, wenn man zu ihren Hochzeiten und Leichen kommt, so sollt' es doch auch, denk' ich, etwas sein, woran man sich gütlich thun könnte.«

»Ihre Geschenke,« sagte Ailsie Gourlay, »werden nicht aus Liebe für uns ausgetheilt – und es ist ihnen gleichviel, ob wir dabei fett oder mager werden. Sie würden uns Steine statt Brodes geben, wenn es mit ihrer Eitelkeit bestehen könnte, und doch sollen wir dankbar sein, wie sie's nennen, als wenn sie uns aus Lieb' und Neigung etwas gäben.«

»Das ist wahr gesprochen,« antwortete ihre Gefährtin.

»Aber, Ailsie Gourlay, Ihr seid die älteste von uns dreien, habt Ihr je eine so große Hochzeit gesehen?«

»Ich will nicht sagen ja,« antwortete die Hexe, »doch ich denke bald eine eben so hübsche Leiche zu sehen.«

»Und das wäre mir eben so lieb,« sagte Annie Winnie, »denn die Austheilung dabei ist eben so groß, und man braucht nicht freundlich zu thun und Komplimente zu machen und dem Teufelspacke Glück zu wünschen, das uns wie's dumme Vieh behandelt. Mir gefällt's, wenn ich meine Leichenportion in die Schürze packen, und meinen alten Reim dazu brummen kann, –

Meinen Laib in der Schürze, meinen Pfennig im Sacke,
Du bist nicht vornehm und ich nicht vom Packe« Reginald Scott erzählt von einem alten Weibe, welches so viele Wunderkuren verrichtete, daß man sie der Zauberei verdächtig hielt. Als man ihre Verfahrungsart untersuchte, fand es sich, daß die einzige Belohnung, welche sie annehmen wollte, ein Laib Brod und ein Silberpfennig war, und daß das mächtige Zaubermittel, womit sie so manche Kuren verrichtete, der in dem Texte mitgetheilte Knüttelvers war..

»Das ist richtig, Annie,« sagte das gliederlahme Weib. »Gott sende uns grüne Weihnachten und einen vollen Kirchhof!«

»Aber ich möchte wissen, Frau Gourlay – denn Ihr seid die älteste und weiseste von uns – an wen von diesen Hochzeitsgästen zuerst die Reihe kommt, gestreckt zu werden?«

»Seht Ihr dort das Zierpüppchen,« sagte Frau Gourlay, »das von Gold und Juwelen glitzert, und das man auf den Schimmel hebt, hinter dem Wildfang in Scharlach, mit seinem langen Schwert?«

»Aber das ist die Braut!« sagte ihre Genossin, deren hartes Herz eine Art von Mitleid fühlte, »das ist die leibhaftige Braut selbst! Ei, so jung, so geputzt und so hübsch – und ist ihre Zeit so kurz?«

»Ich sage Euch,« sagte die Sibylle, »sie ist schon bis an den Hals im Leichentuch – wer's hört, mag's glauben. Ihr Sand hat nur wenige Körner, um auszulaufen, und kein Wunder – man hat ihn genug geschüttelt. Die Blätter an den Bäumen verwelken schon; aber sie wird es nicht mehr sehen, wenn der Martiniwind dieselben zwingt, im Kreise zu tanzen.«

»Ihr habt sie drei Monate gewartet,« sagte das gliederlahme Weib, »und Ihr habt zwei rothe Goldstücke erhalten, oder ich irre mich sehr.«

»Ja, ja,« antwortete Ailsie mit einem giftigen Lächeln, »und Sir William Ashton hat mir einen schönen, rothen Rock dafür versprochen – einen Pfahl und eine Kette und ein Theerfaß. Was haltet Ihr von einem solchen Trinkgeld, wofür man mehr als achtzig Nächte immer früh auf und spät zu Bette war bei seiner kränklichen Tochter? Aber er kann sein Geschenk für seine eigene Frau behalten, Gevatterinnen.«

»Ich habe sagen hören,« sagte Annie Winnie, »daß die Lady Ashton ein pfiffiges Weibsbild wäre.«

»Seht Ihr sie dort,« sagte Frau Gourlay, »wie sie auf ihrem grauen Wallach stolz zum Kirchhof hinausreitet? – so hübsch und schöngeputzt sie auch dahinreiten mag, so steckt doch mehr Teufelei in dem Weib als in den schottischen Hexen, die je bei Mondschein über Nord-Berwick Law geflogen sind.«

»Was pappelt ihr da von Hexen, verfluchte Vetteln?« sagte Johnny Mortheuch; »wollt ihr eure Schelmereien selbst auf dem Kirchhofe treiben, und der Braut und dem Bräutigam ein Leid zufügen? Macht, daß ihr heim kommt, denn wenn ich meinen Stock in Bewegung setze, dann sollt ihr mir den Weg geschwinder finden, als es euch lieb ist.«

»Gemach, Herrchen!« antwortete Ailsie Gourlay, »wie wir so vornehm thun in unserem schwarzem Rock und wohlgepudertem Kopf, als wenn wir es nie gekannt hätten, was Hunger und Durst heißt! Ohne Zweifel werden wir heute Abend die Geige kratzen auf dem Schloß mit andern Bierfiedlern der Nachbarschaft. Laßt sehen, ob die Wirbel halten, Johnny – das ist Alles, Mann.«

»Seid Zeugen, gute Leute,« sagte Mortheuch, »daß sie euch mit Unheil bedroht und mich behext. Wenn mir oder meiner Fiedel diesen Abend was Anderes als Gutes begegnet, dann will ich den ärgsten Hexenstreich daraus machen, den sie je begangen hat. Ich will sie vor Presbyterium und Synode bringen, ich bin selbst ein halber Geistlicher nun, wo ich Küster in einer bewohnten Pfarrei bin.«

Der gegenseitige Haß zwischen diesen Hexen und den übrigen Menschen hatte das Herz jener gegen alle festlichen Eindrücke verhärtet; dies war keineswegs der nämliche Fall bei der großen Menge. Der Glanz des Brautzuges, die bunten Anzüge, die feurigen Pferde, der fröhliche Anblick der schönen Frauen und stattlichen Herren, die bei dieser Gelegenheit versammelt waren, hatte die gewöhnliche Wirkung auf das Volk. Das wiederholte Geschrei: »Ashton und Bucklaw auf immer!« die Pistolen-, Flinten- und Musketenschüsse, welche den Brautschuß gaben, bezeugten die Theilnahme, welche das Volk dem Zuge schenkte, als es denselben auf seiner Rückkehr zum Schlosse begleitete. War auch hier und da ein älterer Bauer oder sein Weib, die sich über den Pomp der neugebackenen Familie aufhielten, und an die Tage der längst herabgekommenen Ravenswood gedachten, selbst diese nahmen ihren Weg zu dem Schlosse, wo Speise und Trank für Reiche und Arme bereit war, und bezeugten trotz ihrer Vorurtheile den Einfluß des Amphitrion où l'on dine.

Also von Reichen und Armen begleitet, kehrte Lucie zu ihres Vaters Hause zurück. Bucklaw benutzte sein Vorrecht, neben der Braut zu reiten; aber da ihm dies was Neues war, so bestrebte er sich mehr, seine Person und seine Reitkunst zu zeigen, als sich besonders an sie zu wenden. Unter tausendfachem Jubelgeschrei kamen sie glücklich auf dem Schlosse an.

Es ist bekannt, daß die Hochzeiten vor Zeiten mit einer Oeffentlichkeit gefeiert wurden, welche das Zartgefühl unserer Tage verschmäht. Die Hochzeitsgäste bei der gegenwärtigen Gelegenheit wurden mit einem Mahle bewirthet, das den verschwenderischsten beigezählt werden mußte. Die Ueberreste desselben wurden, nachdem auch die Dienerschaft ihre Lust daran gebüßt hatte, unter das jubelnde Volk vertheilt, und manches Faß Ale brachte die Fröhlichkeit außerhalb des Schlosses mit der, welche darinnen herrschte, in Uebereinstimmung. Der größte Theil der Herren verweilte nach der Sitte der Zeit beim Trinkgelage und den besten Weinen, während die Damen, für den Ball geschmückt, der immer ein Hochzeitsfest beschloß, ungeduldig ihre Ankunft in der Staatsgallerie erwarteten. Spät am Abend hob man das Gelage auf, und die Herren strömten nach dem Saal, wo sie, durch den Wein und den freudigen Anlaß erheitert, ihre Schwerter bei Seite legten und ihre ungeduldigen Damen zum Tanze führten. Die Musik hallte von der Gallerie an der verzierten Decke des Prunksaales wieder. Nach der strengen Sitte der Zeit hätte die Braut den Ball eröffnen sollen; aber Lady Ashton, die ihre Tochter wegen ihrer Gesundheit entschuldigte, bot als Stellvertreterin ihrer Tochter Bucklaw ihre Hand.

Während Lady Ashton voll Anmuth das Haupt erhob, das Zeichen zum Beginn des Tanzes erwartend, ward sie durch eine unerwartete Veränderung in den Verzierungen des Gemaches so betroffen, daß sie ausrief: »Wer hat es gewagt, die Gemälde zu vertauschen?«

Alle sahen auf, und diejenigen, welche den gewöhnlichen Zustand des Gemachs kannten, bemerkten mit Erstaunen, daß das Portrait von Sir William Ashtons Vater von seinem Platze weggenommen war, und daß an seine Stelle das Bild von Sir Malise Ravenswood Zorn und Rache der versammelten Gesellschaft zuzublicken scheine. Die Vertauschung mußte stattgefunden haben, während die Gemächer leer waren, aber man hatte sie nicht bemerkt, bis die Kerzen und Lichter der Wandleuchter für den Ball angezündet wurden. Das stolze und hitzige Gemüth der Männer veranlaßte dieselben, auf eine Untersuchung der Sache zu dringen, die sie als eine Beleidigung für ihren Wirth und sich selbst ansahen; aber Lady Ashton, die sich wieder gefaßt hatte, gab die Sache für den Einfall eines im Schlosse geduldeten, schwachsinnigen Weibes aus, dessen Einbildungskraft, wie man bemerkt hätte, durch die Erzählungen, die Frau Gourlay von der vorigen Familie zu machen beliebte, sehr angegriffen worden sei. Das anstößige Bild wurde alsbald entfernt, und der Ball wurde von Lady Ashton mit einer Anmuth und Würde eröffnet, welche den Reiz der Jugend ersetzten, und das übertriebene Lob der älteren Mitglieder der Gesellschaft fast rechtfertigten, das ihre Geschicklichkeit im Tanze über die der jungen Leute weit erhob.

Als Lady Ashton sich niedersetzte, war sie nicht erstaunt, zu finden, daß ihre Tochter das Gemach verlassen habe, und sie folgte ihr selbst, begierig, dem Eindrucke zu begegnen, den ein Umstand wie die geheimnißvolle Vertauschung der Bilder war, auf die Nerven derselben haben könne. Dem Anscheine nach fand sie ihre Besorgnisse ungegründet, denn nach einer Stunde kehrte sie zurück, und sprach leise zu dem Bräutigam, der sich von den Tänzern entfernte, und aus dem Saale verschwand. Die Instrumente spielten nun die rauschendsten Tänze, die Tanzenden ergaben sich ihrem Vergnügen mit einem von Lust, Jugend und Fröhlichkeit erzeugten Eifer, als auf einmal ein heller, durchdringender Schrei den Tanz und die Musik aufhielt. Alle standen erstarrt, doch als der Schrei wiederholt wurde, riß Colonel Ashton eine Kerze von dem Wandleuchter, und forderte den Schlüssel der Brautkammer von Heinrich, dem derselbe als dem Brautführer anvertraut worden war, und eilte von Sir William, Lady Ashton und ein Paar näheren Verwandten begleitet, dorthin. Die Hochzeitsgäste warteten auf ihre Rückkehr mit starrem Entsetzen.

Der Colonel Ashton, an der Thüre des Gemaches angekommen, erhielt auf sein Klopfen und Rufen keine Antwort als ein gedämpftes Stöhnen. Er zögerte nicht länger, die Thüre zu öffnen, er wurde aber hierin von etwas gehindert, das wider die Thüre lag. Als es ihm gelungen war aufzuthun, fand er den Bräutigam an der Schwelle ausgestreckt liegen, und um ihn herum Alles im Blute schwimmen. Ein Schrei des Entsetzens entfuhr allen Anwesenden, und die Ballgäste, von neuem Schrecken ergriffen, stürzten durcheinander dem Schlafgemache zu. Colonel Ashton flüsterte seiner Mutter zu: »Sucht nach ihr – sie hat ihn ermordet!« zog sein Schwert, stellte sich vor den Eingang, und erklärte, »daß er Niemanden zulassen würde, als den Geistlichen und einen anwesenden Arzt.« Durch den Beistand dieser wurde Bucklaw, der noch athmete, vom Boden erhoben, und nach einem anderen Gemache gebracht, wo sich seine Freunde voll Argwohn und murmelnd um ihn drängten, um die Meinung des Arztes zu erfahren.

Während dieser Zeit suchten Lady Ashton, ihr Gemahl und ihre Begleiter Lucie in dem Brautbette und dem Gemache vergeblich. Es war keine geheime Thüre in dem Zimmer, und sie begannen zu vermuthen, daß sie sich aus dem Fenster gestürzt haben müßte, als einer der Begleiter, der seine Kerze niedriger hielt als die Uebrigen, etwas Weißes in der Ecke des altmodischen Kamins, das im Gebrauche war, entdeckte. Hier fanden sie das unglückliche Mädchen, halb sitzend, halb liegend mit aufgelöstem Haar, ihr Nachtkleid zerrissen und blutbefleckt, mit gläsernen Augen und die Züge von wildem Wahnsinn verzogen. Als sie sich entdeckt sah, schnatterte sie, schnitt Gesichter, und deutete auf sie mit ihren blutigen Fingern mit der Haltung einer frohlockenden Besessenen.

Schnell wurde weibliche Hülfe aufgeboten, die unglückliche Braut wurde nicht ohne Anwendung von Gewalt überwältigt. Als man sie über die Schwelle brachte, blickte sie zu Boden und äußerte die ersten verständigen Worte, die sie bis jetzt gesprochen hatte, indem sie mit einem grinsenden Frohlocken sagte: »So, ihr habt euren hübschen Bräutigam aufgehoben?« Sie wurde von ihrer schaudernden Umgebung nach einem anderen, entlegneren Zimmer gebracht, wo man ihr die Hülfe reichte, die ihr Zustand heischte, und sie enge bewachte. Die Pein ihrer Eltern, das Entsetzen und die Verwirrung Aller, die auf dem Schlosse waren, die wüthenden Vorwürfe zwischen den Freunden der beiden Parteien übertrafen alle Beschreibung.

Der Wundarzt war der erste, den man mit einiger Geduld anhörte; er erklärte, daß die Wunde Bucklaws, obwohl schwer und gefährlich, keineswegs tödtlich sei, daß sie dies aber werden könnte durch Unruhe und hastige Ortsveränderung. Dies beschwichtigte Bucklaws zahlreiche Freunde, die zuerst darauf bestanden hatten, daß er jedenfalls von dem Schlosse nach dem nächsten ihrer Häuser gebracht werden müßte. Sie verlangten jedoch noch immer, daß unter Berücksichtigung des Vorgefallenen vier von ihnen als Wache am Krankenbette ihres Freundes gelassen werden, und daß gleichfalls eine angemessene Anzahl ihrer Diener wohlbewaffnet auf dem Schlosse verbleiben sollten. Nachdem diese Bedingung von dem Colonel Ashton und seinem Vater angenommen worden war, verließen die übrigen Freunde des Bräutigams in später, finsterer Nacht das Schloß. Die nächsten Sorgen des Arztes wurden der Miß Ashton geschenkt, die, wie er erklärte, in einem sehr gefährlichen Zustande sei. Anderweitiger ärztlicher Beistand wurde alsbald herbeigerufen. Die ganze Nacht verblieb sie im Wahnsinn. Am Morgen verfiel sie in einen ganz bewußtlosen Zustand. Den nächsten Abend, sagten die Aerzte, würde die Krisis der Krankheit eintreten. So war es: denn obgleich sie aus ihrer Erstarrung mit einem Anschein von Ruhe erwachte, und es zuließ, daß man ihre Nachtkleider wechselte, und in Ordnung brachte; so schien doch, sobald sie ihre Hand zum Halse brachte, als wenn sie das unselige blaue Band suche, ein Strahl der Erinnerung sie auf einmal zu erhellen, den Seele und Leib nicht aushalten konnten. Zuckungen folgten auf Zuckungen, bis der Tod sich einstellte, ohne daß sie fähig gewesen wäre, ein erklärendes Wort über den schrecklichen Auftritt zu äußern.

Der Provinzialrichter des Distrikts kam den Tag nachher, an welchem die junge Lady verschieden war, und stellte, wiewohl mit aller Schonung für die gebeugte Familie, seine pflichtgemäße Untersuchung dieses traurigen Ereignisses an. Aber man fand nichts, was die allgemeine Annahme, daß die Braut in einem plötzlichen Anfall von Wahnsinn den Bräutigam auf der Schwelle des Gemaches verwundet habe, zur klaren Gewißheit erhoben hätte. Die unselige Waffe wurde in dem Zimmer mit Blut befleckt gefunden. Es war der nämliche Dolch, den Heinrich am Vermählungstage hatte tragen sollen, und den seine unglückliche Schwester wahrscheinlich an dem Abend, wo er ihr unter anderen für die Hochzeit bestimmten Gegenständen gezeigt worden war, zu sich gesteckt hatte.

Die Freunde Bucklaw's hofften, daß er bei seiner Genesung einiges Licht über dies dunkle Ereigniß geben würde, und sie bedrängten ihn mit Fragen, denen er eine Zeit lang unter dem Vorwand von Schwäche auswich. Als er jedoch in sein eigenes Haus gebracht worden war, und als ein Genesender betrachtet wurde, versammelte er die Personen, Männer sowohl als Frauen, die ihn über dies Ereigniß mit Fragen gedrängt hatten, und dankte ihnen für die Theilnahme, die sie ihm bewiesen hatten, sowie für die Anerbietungen, die ihm von ihnen gemacht worden waren. »Ich wünsche jedoch, meine Freunde,« sagte er, »daß ihr es nicht vergessen möchtet, daß ich weder eine Geschichte zu erzählen, noch eine Unbilde zu rächen habe. Sollte mich in Zukunft eine Dame über die Vorfälle jener unglücklichen Nacht befragen, so werde ich stumm bleiben und sie so betrachten, als wünsche sie, ihre Freundschaft mit mir zu brechen: mit einem Wort, ich werde nicht mehr mit ihr reden. Doch sollte mir ein Herr die nämliche Frage thun, so werde ich seine Unhöflichkeit für eine Einladung nach dem Spaziergang des Herzogs Ein Spaziergang in der Nähe von Holyroodhause, der seinen Namen daher hat, daß der Herzog von York, später Jakob II., während seines Aufenthalts in Schottland denselben oft besuchte. Er war lange der Ort, wo man Zweikämpfe abzumachen pflegte. ansehen, und ich will hoffen, daß er sich demgemäß betragen wird.«

Eine so deutliche Erklärung bedurfte keiner Auslegung, und bald darauf stand Bucklaw als ein ernsterer und weiserer Mann von seinem Krankenbette auf, als er sich bisher gezeigt hatte. Er verbannte Craigengelt aus seiner Nähe, gab ihm jedoch eine Unterstützung, die, gut angewandt, ihn gegen Mangel und Versuchung zu sichern vermochte.

Bucklaw ging später in's Ausland, und kehrte nicht mehr nach Schottland zurück; auch hörte man nie von ihm, daß er auf die Umstände seiner unglücklichen Heirath angespielt habe. Manchen Lesern mag dies Alles romantisch, überspannt und als aus der wilden Einbildungskraft des Verfassers geflossen, vorkommen, erfunden um den gewöhnlichen Heißhunger für das Schreckliche zu befriedigen; doch diejenigen, welche mit der Privatgeschichte von Schottland während der Periode, in welcher unsere Geschichte spielt, befreundet sind, werden trotz der erborgten Namen und der erfundenen Zwischenvorfälle in den Einzelheiten der Haupthandlung eine nur wahre Erzählung erkennen.

 


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