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Siebentes Kapitel.

Jetzt, Billy Bewick, fasse Muth,
Und komm heran und höre mich;
Und so du bist ein Mann, wie es mir scheinen thut,
Komm' über den Damm und schlage dich.

Alte Ballade.

 

Der Herr von Ravenswood hatte, als er den Zufall entdeckte, der seinem Handpferd zugestoßen war, wieder den Paßgänger bestiegen, den er zuvor geritten hatte, und ritt, um das Thier zu schonen, im Schritt von der Herberge nach dem alten Thurme Wolf's Crag, als er hinter sich den Galopp eines Pferdes vernahm, und sich, nachdem er sich umgeschaut, von dem jungen Bucklaw verfolgt sah, der sich einige Minuten verspätet hatte, weil er der Versuchung, dem Wirth zum Fuchsbau ein Recept für das lahme Pferd zu geben, nicht widerstehen konnte. Diese Verspätung hatte er durch einen scharfen Galopp gut gemacht, und er holte Ravenswood ein, als derselbe durch ein weites Sumpfland setzte. »Halt, Sir,« schrie Bucklaw; »ich bin kein politischer Agent – kein Kapitän Craigengelt, dessen Leben zu kostbar ist, um es bei einem Ehrenkampfe auszusetzen. Ich bin Frank Hayston von Bucklaw, und Niemand beleidigt mich durch Wort, That, Zeichen oder Blick, ohne mir Rechenschaft dafür zu geben.«

»Das ist Alles recht schön, Herr Hayston von Bucklaw,« versetzte der Herr von Ravenswood mit der größten Gleichgültigkeit, »aber ich habe keinen Zwist mit Euch, und wünsche keinen zu haben. Unser Heimweg und unsere Lebensbahn sind weit von einander entfernt, und durchkreuzen sich nicht.«

»Nicht?« sagte Bucklaw aufbrausend. »Beim Himmel, ich sage doch – Ihr habt uns ränkevolle Abenteurer geheißen.«

»Erinnert Euch genau, Herr Hayston; Eurem Gesellschafter allein habe ich diesen Namen gegeben, und ich kenne ihn für nichts Besseres.«

»Folglich? Er war mein Gesellschafter, und Niemand soll meinen Gesellschafter beleidigen mit Recht oder Unrecht, so lange er bei mir ist.«

»Dann, Herr Hayston,« versetzte Ravenswood mit dem nämlichen Ausdruck, »solltet Ihr Eure Gesellschaft besser wählen, oder Ihr müßt als ihr Verfechter viel zu thun haben. Geht heim, Sir, schlaft wohl, und laßt Euren Zorn morgen vernünftiger sein.«

»Nicht so, Herr, Ihr habt Euren Mann mißverstanden; mit hohen Mienen und weisen Sprüchen ist die Sache nicht abgemacht. Ihr habt mich überdieß einen Eisenfresser genannt, und Ihr sollt das Wort zurücknehmen, ehe wir scheiden.«

»Meiner Treu', das geht kaum an,« sagte Ravenswood, »wenn Ihr mir keinen besseren Beweis für meinen Irrthum herbeibringt, als Ihr jetzt thut.«

»In diesem Fall, Herr,« sagte Bucklaw, »wenn Ihr Eure Unhöflichkeiten weder rechtfertigen, noch widerrufen, noch einen Zusammenkunftsort bestimmen wollt, macht Euch auf eine härtere Herausforderung gefaßt, obgleich es mir leid thun würde, gegen einen Mann, wie Ihr seid, so zu verfahren.«

»Ihr habt's nicht nöthig,« sagte Ravenswood; »es genügt mir, daß ich einen Zweikampf mit Euch zu vermeiden gesucht habe. Besteht Ihr darauf, so wird der Platz hier so gut, als ein anderer sein.«

»Steigt ab denn und zieht,« sagte Bucklaw, ihm ein Beispiel gebend. »Ich kannte und nannte Euch immer einen Ehrenmann; es thäte mir leid, Euch anders nennen zu müssen.«

»Ihr sollt keinen Grund dazu haben, Sir,« sagte Ravenswood, indem er abstieg, und sich zur Vertheidigung anschickte.

Ihre Schwerter kreuzten sich, und der Kampf begann von Seiten Bucklaws, der sich auf das Ding verstand, und seine Waffe mit großer Geschicklichkeit führte, mit vieler Hitze. Bei der jetzigen Gelegenheit nützte ihm jedoch seine Gewandtheit nichts, denn da er seinen Gleichmuth bei der verächtlichen Kälte, womit Ravenswood den Zweikampf lange verweigert und endlich gewährt hatte, verloren, und da ihn seine Ungeduld mit sich fortriß, so erwählte er mit unbesonnener Hitze die Rolle des Angreifers. Ravenswood blieb bei gleicher Geschicklichkeit und größerer Kaltblütigkeit nur auf seine Vertheidigung bedacht, und verschmähte es sogar, einige Vortheile zu benutzen, die ihm die Hitze seines Gegners darbot. Endlich bei einem verzweifelten Ausfall, den er mit einem zu schnellen Angriff begleitete, strauchelte Bucklaw mit dem Fuß, und fiel auf den kurzen Rasen des Kampfplatzes. »Behaltet Euer Leben, Sir,« sagte der Herr von Ravenswood, »und bessert es, wenn Ihr könnt.«

»Es wäre doch nur Flickwerk, fürchte ich,« sagte Bucklaw, aufstehend und sein Schwert aufhebend, mit weit weniger Verdrossenheit über den Ausgang des Kampfes, als man von seinem heftigen Gemüthe erwartet hätte. »Ich danke Euch für mein Leben, Herr,« fuhr er fort. »Hier ist meine Hand, daß ich Euch nicht übel will, weder für meine Niederlage, noch für Euer Waffenglück.«

Ravenswood sah ihn einen Augenblick scharf an, dann reichte er ihm die Hand. »Bucklaw,« sagte er, »Ihr seid ein braver Junge, und ich habe Euch Unrecht gethan. Ich bitte Euch herzlich für das Wort, womit ich Euch beleidigt habe, um Verzeihung; ich habe es übereilt und unbesonnen geäußert, und ich bin gewiß, daß es gänzlich unangemessen ist.«

»Seid Ihr dessen gewiß, Herr?« sagte Bucklaw, indem sein Gesicht seinen natürlichen Ausdruck von fröhlicher Sorglosigkeit und Kühnheit wieder annahm; »das ist mehr, als ich von Euch erwartet habe, denn die Leute sagen, daß Ihr nicht leicht Eure Meinung und Eure Rede zurücknehmt.«

»Nie, wenn ich sie wohl bedacht habe,« sagte Ravenswood.

»Dann seid Ihr ein wenig vernünftiger als ich, denn ich schlage mich immer zuerst mit meinem Freund, und hinterdrein verständige ich mich mit ihm. Fällt einer von uns, dann ist die Rechnung geschlossen; wenn nicht, die Männer sind nie aufgelegter zum Frieden, als nach dem Streit. Doch was will das Plärrmaul von einem Buben da?« sagte Bucklaw. »Ich wollte zu Gott, er wäre ein Paar Minuten früher gekommen! und doch hätte die Sache irgend einmal beendigt werden müssen, und dies Mittel ist vielleicht so gut als ein anderes.«

Als er gesprochen, kam der erwähnte Bube heran, einen Esel, den er ritt, nach dem Ziel seiner Eile prügelnd, und wie ein ossianischer Held seine Stimme vor sich her schickend: »Ihr Herren, rettet euch! denn die Wirthin läßt euch sagen, daß man in ihrem Hause den Kapitän Craigengelt gepackt hat, und daß man den Bucklaw sucht, und daß ihr darum zu reiten nöthig habt.«

»Meiner Treu', das muß wahr sein, Bursch',« sagte Bucklaw; »da nimm diesen silbernen Sixpence für deine Nachricht, und ich gäbe gern einem Anderen doppelt so viel, wenn er mir sagte, welchen Weg ich reiten sollte.«

»Das will ich, Bucklaw,« sagte Ravenswood; »reitet mit mir heim nach Wolf's Crag. In dem alten Thurme sind Verstecke, wo Ihr sicher liegen könnt, und wenn tausend Mann Euch suchten.«

»Aber das könnte Euch in Verlegenheit bringen, Herr, und wenn Ihr nicht bereits in der jakobitischen Schmiere seid, so ist's gar nicht nöthig, Euch hineinzuziehen.«

»Ganz und gar nicht; ich habe nichts zu fürchten.«

»Gut denn, so reite ich mit Euch, denn, die Wahrheit zu sagen, ich kenne den Ort nicht, wohin uns Craigengelt diese Nacht führen wollte; und ich weiß es gewiß, daß er, wenn man ihn erwischt hat, die ganze Wahrheit von mir und alle Lügen von Euch sagen wird, um aus der Klemme zu kommen.«

Und somit stiegen sie auf, und ritten in Gesellschaft davon, indem sie die gewöhnliche Straße mieden, und einsame Pfade durch wildes Moorland einschlugen, mit denen sie von der Jagd her wohl bekannt waren, und auf denen sich jeder Andere nur schwer zurechtgefunden hätte. Sie ritten eine Zeit lang ohne zu sprechen, und eilten, so sehr es der Zustand von Ravenswoods Pferd erlaubte, und als endlich Nacht um sie her war, verminderten sie ihre Eile, theils weil sie nur mit Mühe den Pfad erkannten, theils weil sie glaubten, nun aller Nachstellung und Verfolgung entgangen zu sein.

»Weil wir nun die Zügel ruhig hängen lassen,« sagte Bucklaw, »so möchte ich Euch wohl eine Frage thun, Herr.«

»Fragt immerzu,« sagte Ravenswood; »aber vergebt mir, wenn ich Euch nicht antworte, es sei denn, daß ich's für gut finde.«

»Gut, das ist klar,« antwortete der ehemalige Gegner – »Was in Teufels Namen konnte Euch, der Ihr in so gutem Leumund standet, nur einen Augenblick verleiten, mit so einem Landstreicher wie Craigengelt aufzuziehen, und mit so einem Hans Liederlich, wie mich die Leute nennen?«

»Das ist einfach, weil ich verzweifelt war, und verzweifelte Gefährten suchte.«

»Und was machte, daß Ihr heute mit uns bracht?« fragte Bucklaw wieder.

»Weil ich meinen Vorsatz geändert hatte,« sagte Ravenswood, »und weil ich wenigstens für jetzt auf mein Unternehmen verzichtet. Und da ich nun Eure Fragen frank und frei beantwortet habe, so sagt mir, was Euch mit Craigengelt in Verbindung gebracht hat, dem Ihr an Stand und Geist so überlegen seid?«

»Mit dem wahren Worte,« antwortete Bucklaw, »weil ich ein Narr bin, der seine ganze Habe verspielt hat. Meine Großmuhme, die Lady Girnington, hat, glaub' ich, statt des gewöhnlichen Lebensfadens ein wahres Seil, und so konnte ich mir nur von einer Regierungsveränderung etwas versprechen. Craigengelt war eine Art von liederlicher Bekanntschaft, er sah meine Lage, und wie man den Teufel immer zu Seiten hat, so erzählte er mir tausend Lügen von seiner Vollmacht von Versailles und von seinem Einfluß zu St. Germain, er versprach mir eine Hauptmannsstelle zu Paris, und ich war Esel genug, mich an seinem Degengehenk festzuhalten. Ich getraue mir zu sagen, daß er nun schon ein Dutzend hübsche Geschichten von mir der Regierung erzählt hat. Und das hab' ich endlich gewonnen mit Wein, Weibern, Würfel, Hahnen, Hunden, Pferden.«

»Ja, Bucklaw,« sagte Ravenswood, »Ihr habt wirklich in Eurem Busen die Schlangen genährt, die Euch nun stechen.«

»Das ist eben so schön als wahr, Herr,« versetzte sein Geselle; »aber mit Eurer Erlaubniß, in Eurem Busen habt Ihr eine große, derbe Schlange genährt, welche die anderen alle verschlungen hat, und welche Euch so gewiß verzehren wird, wie mein halbes Dutzend sich ein Mahl zurichten wird von dem, was von Bucklaw zwischen Mütze und Stiefelsohle noch übrig ist.«

»Ich hätte,« sagte der Herr von Ravenswood, »diese freie Sprache nicht angeben sollen, wie ich gethan. Wie nennt Ihr, sagt es grade heraus, die furchtbare Leidenschaft, die zu hegen Ihr mich beschuldigt?«

»Rachsucht, mein lieber Herr, Rachsucht, und wenn das eine so edelmännische Sünde ist, wie Wein und Saus und Braus mit ihrem Gefolge, so ist sie eben so unchristlich, und nicht so rein von Blut. Es ist besser, in einem Park einzubrechen, um ein Reh oder eine Dirne zu belauern, als um einen alten Mann zu erschießen.«

»Ich läugne diesen Vorsatz,« sagte der Herr von Ravenswood. »Bei meiner Seele, ich hatte nicht diesen Entschluß; ich gedachte nur, den Unterdrücker, bevor ich mein Vaterland verließe, zu sprechen, und ihm seine Gewaltstreiche und ihre Folgen vorzuhalten. Ich hätte ihm meine Beschwerden aufgezählt, und ihm dadurch das Innerste seiner Seele erschüttert.«

»Ja,« antwortete Bucklaw, »und er hätte Euch gepackt und um Hülfe gerufen, und dann hättet Ihr, vermuthe ich, ihm von seiner erschütterten Seele geholfen. Euer Blick, Eure Stellung allein hätten den alten Mann zu Tod erschreckt.«

»Erwägt die Veranlassung,« antwortete Ravenswood – »erwägt, daß Tod und Verderben die Folgen seiner herzlosen Grausamkeit waren – ein altes Geschlecht gestürzt, ein geliebter Vater gemordet! Wer in unseren vorigen Zeiten bei solchen Unbilden ruhig geblieben wäre, von dem hätte man geglaubt, daß er weder fähig sei, einen Freund zu unterstützen, noch einem Freunde zu begegnen.«

»Gut, Herr, es freut mich, zu sehen, daß es der Teufel mit Anderen eben so fein treibt, wie mit mir, denn wenn ich auf dem Sprung stehe, eine Tollheit zu begehen, so überredet er mich, daß dies das nöthigste, edelste und ritterlichste Ding von der Welt sei, und ich schwinge mich im Morast auf den Sattel, ehe ich's sehe, daß der Boden weicht. Und Ihr, Herr, hättet einen Mord – einen Todtschlag begehen können, aus lauter Ehrfurcht für Eures Vaters Gedächtniß.«

»In Eurer Rede ist mehr Weisheit, Bucklaw,« versetzte Ravenswood, »als man von Eurem Lebenswandel erwartet hätte. Es ist nur zu wahr, unsere Laster schleichen sich in so schöner Außenseite bei uns ein, wie die der Dämone, welche der Aberglaube mit dem Menschengeschlechte verkehren läßt, und man erkennt ihre natürliche Häßlichkeit nicht eher, bis man sie in die Arme geschlossen.«

»Aber man kann sie von sich stoßen,« sagte Bucklaw, »und das will ich dieser Tage thun, – das ist, wenn die alte Lady Girnington stirbt.«

»Habt Ihr nie das Wort jenes englischen Geistlichen gehört: ›Die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert?‹« – sagte Ravenswood – »das will sagen, daß man sie leichter faßt als ausführt.«

»Gut,« antwortete Bucklaw; »doch ich will noch in der heutigen Nacht beginnen, und nicht über ein Viertel Wein trinken, wenn nicht Euer Claret von außerordentlicher Güte ist.«

»Ihr werdet in Wolf's Crag wenig Versuchung finden,« sagte Ravenswood. »Ich weiß nicht, ob ich Euch mehr als ein Obdach zu versprechen habe, denn all' unser Wein und unser Vorrath sind bei der letzten Gelegenheit draufgegangen.«

»Möchte lange währen, ehe man zu etwas Aehnlichem den Vorrath nöthig hat,« antwortete Bucklaw; »aber Ihr hättet nicht die letzte Flasche zu einem Grablied trinken sollen; es ist kein Segen dabei.«

»Es ist, scheints mir, in Nichts Segen, was mich anlangt,« sagte Ravenswood. »Doch dort ist Wolf's Crag, und was sich daselbst vorfindet, steht Euch zu Diensten.«

Das Brausen der See hatte ihnen schon längst die Nähe der Klippen angekündigt, auf deren Gipfel der Stammvater des Geschlechts gleich dem Meeradler seinen Horst gegründet hatte.

Der blasse Mond, der bisher mit fliehenden Wolken gestritten, trat hell hervor, und zeigte ihnen den einsamen und nackten Thurm auf einer in das deutsche Meer hinausragenden Klippe. Auf drei Seiten war der Fels unzugänglich; auf der vierten, der Landseite, war er sonst von einem künstlichen Graben und einer Zugbrücke beschützt gewesen, aber die letztere war zerbrochen und eingestürzt, und der erstere war zum Theil ausgefüllt, so daß er einem Reiter den Weg nach dem engen Hofraum gewährte, der von zwei Seiten von baufälligen Ställen und Wirtschaftsgebäuden, und von der Landseite von einer mit Zinnen versehenen niedrigen Mauer eingeschlossen war, während die übrige Seite des Vierecks von dem Thurme selbst eingenommen wurde, der eng und hoch, von graulichen Steinen gebaut, im Mondlicht erschien wie ein schimmerndes, ungeheures Riesenscepter. Eine wildere, unheimlichere Wohnung könnte man sich schwerlich vorstellen. Das schwere und dumpfe Gebraus der Wogen, die sich ohne Aufhören tief unten am Fuße des Felsens brachen, war für das Ohr, was die Landschaft für das Auge war – der Ausdruck düsterer, ja fast furchtbarer Eintönigkeit.

Obwohl die Nacht noch nicht sehr vorgerückt war, so bemerkte man doch kein Lebenszeichen in dieser verlorenen Behausung, ausgenommen, daß ein einziges der schmalen Gitterfenster, die unregelmäßig in den Wänden des Gebäudes sich zeigten, in einem matten Lichte schimmerte.

»Da wohnt,« sagte Ravenswood, »der einzige Diener, der dem Hause Ravenswood übrig geblieben; und es ist gut, daß er hier geblieben, denn sonst hätten wir wenig Hoffnung, Licht oder Feuer zu finden. Doch folgt mir mit Vorsicht; der Weg ist schmal, und läßt nur ein einzelnes Pferd zu.«

In der That der Pfad führte über eine Landzunge, an deren Ende der Thurm stand, der mit alleiniger Rücksichtsnahme auf Festigkeit und Sicherheit und mit Hintansetzung jedes anderen Vortheils, wie die schottischen Barone zu thun pflegten, wenn sie ihre Lage wählten oder bauten, hier errichtet worden war.

Indem sie die von dem Eigentümer des Hauses empfohlene Vorsicht anwandten, gelangten sie glücklich in den Hofraum. Aber es währte lange, ehe sie, obgleich Ravenswood mit Macht an das niedrige Thor klopfte, und mit wiederholtem Rufen den Caleb aufforderte, aufzumachen und sie einzulassen, eine Antwort erhielten.

»Der alte Mann muß verreist sein,« sagte er endlich, »oder es ist ihm etwas zugestoßen, denn der Lärm, den ich gemacht habe, könnte die Siebenschläfer erwecken.«

Endlich antwortete eine schüchterne, stockende Stimme: »Herr – Herr von Ravenswood, seid Ihr es?«

»Freilich bin ich's, Caleb; mach' schnell auf.«

»Aber seid Ihr's auch in Eurem Fleisch und Blut? Denn ich wollte lieber fünfzig Teufeln begegnen, als meines Herrn Geist oder seiner Erscheinung, – drum packt Euch, wenn Ihr auch zehnmal mein Herr seid, oder kommt in Eurer irdischen Hülle, mit Gelenken und Gliedern.«

»Ich bin's selbst, alter Narr,« antwortete Ravenswood, »mit Leib und Leben, ausgenommen, daß ich halb todt vor Kälte bin.«

Das Licht verschwand an dem obersten Fenster, und indem es in langsamer Folge an den Schießscharten erglänzte, ließ es vermuthen, daß der Träger desselben unter vielem Bedenken die Schneckentreppe eines der Thürmchen heruntersteige, welche die Ecken der alten Burg verzierten. Dies zögernde Niedersteigen entlockte Ravenswood einige Ausbrüche von Ungeduld und seinem weniger geduldigen, lebhafteren Gefährten mehrere Schwüre. Caleb hielt noch einmal inne, ehe er die Thüre aufriegelte, und fragte wiederholt, ob es menschliche Gestalten wären, die um diese Zeit der Nacht Einlaß begehrten.

»Wär' ich bei Euch, alter Narr,« sagte Bucklaw, »ich wollte Euch genügende Beweise von meiner Leibhaftigkeit oblegen.«

»Oeffne die Thüre, Caleb,« sagte sein Herr in einem sanfteren Tone, theils aus Achtung für seinen alten, treuen Hausmeister, theils vielleicht, weil er dachte, daß böse Worte verloren wären, so lange Caleb eine starke, mit Eisen beschlagene Eichenthüre zwischen sich und den Sprechenden hätte.

Endlich riegelte Caleb mit zitternder Hand aus, öffnete die schwere Thüre, und stand vor ihnen mit seinem dünnen, grauen Haar, kahler Stirne und scharfgeprägten Zügen, die von der schimmernden Lampe erhellt wurden, die er in der einen Hand hielt, während er mit der anderen die Flamme bedeckte und schützte. Der scheue und höfliche Blick, den er um sich warf – die Wirkung des Lichtes auf sein weißes Haar und sein Gesicht würden ein gutes Bild gemacht haben, aber unsere Reisenden waren zu sehr auf ihre Sicherheit auf den sich erhebenden Sturm bedacht, als daß es ihnen möglich gewesen wäre, an das Malerische zu denken. »Seid Ihr es, mein lieber Herr? seid Ihr es wirklich?« rief der alte Diener. »Es thut mir leid, daß Ihr vor Eurer eigenen Thüre gewartet habt; doch wer hätte gedacht, Euch so bald zu sehen, und ein fremder Herr mit ein« – (Hier fing er an, beiseit zu sprechen, wie zu einer im Thurme befindlichen Person, und mit einer Stimme, die von denen im Hofe nicht gehört werden sollte) – »Mysie – Weib! tummle dich, was du kannst, und mache das Feuer an; nimm den alten dreibeinigen Stuhl, oder was du sonst findest, das lichtlohe brennt. – Ich besorge, wir sind nur schlecht vorgesehen, da wir Euch für einige Monate nicht erwarteten, wenn Ihr Eurem Range gemäß, wie sich's gebührt, bedient sein wollt; aber dennoch –«

»Dennoch, Caleb,« sagte sein Herr, »müssen unsere Pferde und wir dazu auf's Beste beherbergt werden. Ich hoffe, Ihr seid nicht böse, daß Ihr mich früher sehet, als Ihr erwartet habt?«

»Böse, Mylord! – Ich hoffe, Ihr sollt immer mein Herr sein mit rechtschaffenen Leuten, wie Eure edlen Väter diese dreihundert Jahre gewesen sind, und immer nach dem Belieben eines Dieners fragen. Böse, den Lord von Ravenswood auf einem seiner eigenen Schlösser zu sehen!« – (Hier sprach er wieder beiseit zu seiner hinter dem Vorhang verborgenen Gehülfin) – »Mysie, schlachtet die Bruthenne, ohne Euch lange zu besinnen; sorgt dafür, daß es geschwind geht – Ich sage nicht, daß es unsere beste Wohnung ist,« fügte er, an Bucklaw sich wendend, hinzu, »aber sie ist fest genug, daß Lord Ravenswood dahin fliehen – das heißt, nicht fliehen, sondern dahin sich zurückziehen konnte in unruhigen Zeiten, wie die uns'rigen, wo es ihm nicht anstand, auf einem seiner größeren und besseren Landsitze zu wohnen; indeß die meisten Leute glauben, daß die Außenseite von Wolf's Crag wegen ihres Alterthums eine genaue Betrachtung verdient.«

»Und Ihr scheint zu glauben, daß es uns an Zeit nicht fehlen solle, dieselbe anzustellen,« sagte Ravenswood, der sich an den Kunstgriffen ergötzte, die der Alte anwandte, sie vor der Thüre zurückzuhalten, bis seine Gehülfin Mysie im Inneren alles in Bereitschaft gesetzt hätte.

»Sprecht nicht von der Außenseite der Hauses, guter Freund,« sagte Bucklaw; »zeigt uns das Innere und unseren Pferden den Stall, das ist Alles.«

»Sehr wohl, Sir – sehr wohl – das ist ausgemacht, Sir – Mylord und jeder seiner edlen Freunde – –«

»Aber unsere Pferde, alter Freund – unsere Pferde; sie müssen zu Grunde gehen, wenn sie nach dem scharfen Ritt hier in der Kälte stehen bleiben, und meins ist für den Schinder zu gut; darum nochmals, unsere Pferde,« rief Bucklaw aus.

»Wahr – ja – eure Pferde – ja – ich will den Knechten rufen;« und mit starker Stimme rief Caleb, daß der alte Thurm wiederhallte: »John – William – Saunders: – Die Kerls sind ausgegangen oder schlafen,« bemerkte er, nachdem er auf Antwort gewartet hatte, die er, wie er wußte, möglicher Weise nicht erhalten konnte. »Es geht unordentlich zu, wenn der Herr nicht zu Hause ist, aber ich will selbst eure Thiere besorgen.«

»Das scheint mir das Beste,« sagte Ravenswood, »denn sonst wäre keine Hoffnung daß sie je besorgt würden.«

»Still, Mylord, – still, um Gotteswillen,« sagte Caleb beiseit zu seinem Herrn und in einem bittenden Ton, »wenn Ihr auf Euer Ansehen nichts haltet, denkt an das meinige; es wird uns schwer genug werden, eine erträgliche Nacht herauszubringen mit allen Lügen, die ich auftreiben kann.«

»Gut, gut, nichts mehr davon,« sagte sein Herr; »geht in den Stall. Es wird Heu und Hafer dort sein, denk' ich?«

»Freilich, vollauf;« er sagte dies frei und laut, und dann fügte er leise hinzu: »es war noch ein wenig Hafer und ein wenig Grummet von dem Begräbniß übrig.«

»Seht,« sagte Ravenswood, indem er die Lampe aus der widerstrebenden Hand des Dieners nahm; »ich will dem Gast die Stiege hinauf leuchten.«

»Ich kann daran nicht denken, Mylord; – wenn Ihr aber fünf Minuten oder zehn oder höchstens eine Viertelstunde Geduld haben wolltet, und die schöne Mondlandschaft von Baß- und North-Berwick Law betrachten, bis ich die Pferde besorgt habe, dann wollte ich Ew. Herrlichkeit und Euren Gast die Stiege hinauf begleiten, wie es sich geziemt. Und ich habe die silbernen Leuchter verschlossen, und die Lampe ist nicht anständig« –

»Einstweilen wird sie dienstlich sein,« sagte Ravenswood, »und Euch wird im Stalle das Licht nicht fehlen, denn wenn ich mich nicht trüge, so ist das halbe Dach offen.«

»Wohl wahr, Mylord,« versetzte der treue Diener, und fügte mit Geistesgegenwart hinzu; »und die faulen Schlingel von Dachdeckern sind noch nicht gekommen, es auszubessern.«

»Wenn ich über die Vorfälle meines Hauses scherzen wollte,« sagte Ravenswood, als er die Treppe hinauf leuchtete, »so würde mir der arme alte Caleb reichlichen Stoff dazu geben. Er hat die Leidenschaft, alle Dinge, die sich auf unseren elenden Haushalt beziehen, nicht so darzustellen, wie sie sind, sondern wie sie seiner Meinung nach sein sollten, und, die Wahrheit zu sagen, ich habe mich oft an den Nothmitteln ergötzt, welche der arme Kerl erfand, um das Ansehen der Familie zu retten, und mehr noch an den Ausflüchten, die er nahm, wenn es ihm nicht gelang, ein Ersatzmittel zu erfinden. Aber obgleich der Thurm keiner der geräumigsten ist, es würde mir schwer fallen, von außen das Gemach zu finden, wo das Feuer ist.«

Als er so gesprochen, öffnete er die Thüre der Halle. »Hier wenigstens,« sagte er, »ist weder Herd noch Herberge.«

Es war in der That ein Bild der Verlassenheit. Das große, gewölbte Zimmer, dessen Balken gleich denen von Westminster-Hall geordnet und an den Enden grob verziert waren, befand sich noch in dem Zustand, in welchem man es nach dem Leichenschmause von Allan Lord Ravenswood verlassen hatte. Umgestürzte Krüge, Töpfe, Kannen, Flaschen belasteten noch den großen Eichentisch – Gläser, diese zerbrechlicheren Werkzeuge der Schwelgerei, von denen viele mit Willen von den Gästen beim Beifalltrinken auf beliebte Toaste zerbrochen worden waren, bedeckten den geplatteten Boden mit ihren Trümmern. Die Silbergeschirre, die man von Freunden und Verwandten entlehnt hatte, waren sorgfältig bei Seite geschafft worden, sobald das eben so unnöthige, als unzeitige Festgepränge geendigt war. Kurz, nichts blieb zurück, das Wohlstand ankündigte; Alles zeigte die stattgehabte Schwelgerei und die gegenwärtige Verlassenheit. Die Wandbekleidung von schwarzem Tuch, die bei dem Trauerfest die zerfetzte und mottenzerfressene Tapete ersetzt hatte, war zum Theil abgerissen, und schwebte in unregelmäßigen Falten von der Wand herab, deren ungetünchte und unbearbeitete Mauersteine dadurch sichtbar wurden. Die umgeworfenen oder in Unordnung gebrachten Sitze zeugten von der leichtsinnigen Verwirrung, die das Trauergelasse beschlossen hatte. »Dies Gemach,« sagte Ravenswood, die Lampe hoch haltend – »dies Gemach, Herr Hayston, war voll Saus und Braus, als es voll Trauer sein sollte; so muß es denn von Rechtswegen jetzt voll Trauer sein, wo es voll Lust sein sollte.«

Sie verließen das trostlose Gemach, und stiegen die Treppe hinauf, und nachdem sie noch ein paar Thüren vergebens geöffnet hatten, gingen sie nach einem kleinen, mit Matten bedeckten Vorzimmer, wo sie zu ihrer großen Freude ein ziemlich gutes Feuer fanden, das Mysie mit Befolgung der Noth- und Hülfsmittel Calebs durch allerlei brennbare Dinge vergrößert hatte. Seelenvergnügt, mehr Bequemlichkeit zu finden, als das Schloß zu bieten schien, rieb sich Bucklaw tüchtig die Hände über dem Feuer, und horchte mit mehr Behaglichkeit auf die Entschuldigungen, welche der Herr von Ravenswood vorbrachte. »Wohlbehagen,« sagte er, »kann ich Euch nicht verschaffen, denn ich habe es für mich selbst nicht; es ist lange her, daß diese Wände nichts davon wissen, falls sie es je gekannt haben sollten. Obdach und Sicherheit kann ich Euch hoffentlich versprechen.«

»Das sind köstliche Dinge, Herr,« versetzte Bucklaw, »und mit einem Mund voll Essen und Wein Alles, was ich für diese Nacht begehre.«

»Ich fürchte,« sagte Ravenswood, »Euer Mahl wird kalt sein; ich höre die Berathung, die Caleb und Mysie darüber pflegen. Der arme Balderston ist halb taub, trotz anderer guten Eigenschaften, so daß Vieles, was er beiseit zu sprechen glaubt, von der ganzen Welt gehört wird, und gerade vor denen, vor welchen er seine geheimen Schliche am ersten verbergen möchte. – Horcht!«

Sie horchten, und hörten den alten Diener, der mit Mysie folgendermaßen verkehrte: »Grade darum mache das Beste daraus, Weib: es ist leicht, jedem Dinge ein schönes Gesicht zu geben.«

»Aber die alte Bruthenne? – sie wird zähe sein, wie Bogenstränge und Sohlleder.«

»Sag', es wär' ein Irrthum, – sag', es wär' ein Irrthum, Mysie,« versetzte der treue Hausmeister mit sanfter und tiefer Stimme; »nimm's auf dich, und laß das Ansehen des Hauses nicht leiden.«

»Aber die Bruthenne,« entgegnete Mysie, »sitzt in irgend einem Winkel der Halle, und ich fürchte ein Gespenst zu sehen, wenn ich im Dunkeln dahingehe; und könnte ich auch das Gespenst nicht sehen, so sähe ich eben so wenig die Henne, denn es ist stockfinster, und es ist kein anderes Licht im Hause, als das, welches der Herr bei sich hat. Und hätte ich auch die Henne, so müßte ich sie rupfen, ausnehmen und zurichten; und wie kann ich das thun, wenn sie bei dem einzigen Feuer sitzen, das wir haben?«

»Wahr, wahr, Mysie,« sagte der Hausmeister; »aber warte nur eine Weile, ich will sehen, ob ich ihnen geschickt die Lampe abnehmen kann.«

In dieser Absicht trat Caleb in das Gemach, ohne zu ahnen, daß sein Seitenspiel belauscht worden war. »Nun, alter Freund Caleb, können wir auf ein Nachtessen hoffen?« sagte der Herr von Ravenswood.

»Auf ein Nachtessen hoffen, Ew. Herrlichkeit?« sagte Caleb mit einem Anschein von Hohn über den aufgestellten Zweifel, – »kann das eine Frage sein in Ew. Herrlichkeit Haus? – Auf ein Nachtessen hoffen, das ist stark! – Doch Ihr verlanget keine Metzgerwaare? Wir haben fettes Geflügel vollauf, und das ist am Spieß oder auf dem Rost eher gar – Den fetten Kapaun, Mysie!« rief er hinaus mit einer Zuversicht, als wenn derselbe zu haben gewesen wäre.

»Gar nicht nöthig,« sagte Bucklaw, der sich aus Höflichkeit verbunden fühlte, den armen Hausmeister aus der Verlegenheit zu reißen, »wenn ihr etwas Kaltes habt oder einen Bissen Brod.«

»Das beste Erbsenbrod!« rief Caleb sehr erleichtert aus; »und was kaltes Fleisch anlangt, alles, das wir haben, ist kalt genug – obschon das kalte Fleisch und Pastetenbackwerk größten Theils nach dem Begräbniß, wie's Recht war, den Armen gegeben wurde; dennoch –«

»Kommt her, Caleb,« sagte der Herr von Ravenswood, »ich muß diese Sache kurz abmachen. Das ist der junge Laird von Bucklaw; er muß sich verstecken, und somit wißt Ihr – –«

»Er wird nicht empfindlicher sein, mein' ich, als Ew. Herrlichkeit,« antwortete Caleb mit Laune und einem beifälligen Nicken; »es thut mir leid, daß sich der Herr in dieser Verlegenheit befindet, aber ich bin froh, daß er nichts gegen unsern Haushalt sagen kann, denn seine eigene Klemme mag wohl der unseligen gleichen; – nicht daß wir uns in der Klemme befinden, verhüt's Gott,« fügte er hinzu, das Geständniß zurücknehmend, das er in der ersten Freude gethan; aber doch sind wir weit von dem entfernt, was wir waren, oder sein sollten. Was das Essen belangt – für was sollt' ich lügen? wir haben gerade noch den letzten Rest der Hammelskeule, die erst dreimal auf der Tafel war, und je näher am Knochen, je schmackhafter, wie Ew. Ehren wissen; und dann haben wir noch die Rinde des Schafkäses und ein wenig kostbare Butter – und – und – das ist Alles, was ich weiß.« Und mit großer Munterkeit brachte er seinen spärlichen Vorrath herbei, und setzte ihn mit allem Anstand auf ein rundes Tischchen zwischen die beiden Herren, die sich weder durch die Einfachheit, noch durch die Spärlichkeit des Mahles abhalten ließen, demselben Ehre anzuthun. Caleb bediente sie beim Mahle mit aller Pünktlichkeit, gleichsam als wollte er durch seine aufmerksame Behendigkeit verhüten, daß man eine weitere Bedienung vermisse.

Aber ach! wie wenig vermag die strengste Förmlichkeit bei einem solchen Anlasse, den Mangel körperlicher Nahrungsstoffe zu ersetzen! Bucklaw, der mit Gier einen ansehnlichen Theil der dreimal geplünderten Hammelskeule aufgespeist hatte, verlangte nun Ale.

»Ich getraue mich nicht, unser Ale zu empfehlen,« sagte Caleb; »der Mond war ungünstig, und letzte Woche hat's fürchterlich gedonnert; aber ein Wasser, wie's das Schloß hat, werdet Ihr selten sehen, Bucklaw, und das ist's, was ich Euch empfehle.«

»Aber wenn Euer Ale nichts taugt, so könnt Ihr uns wenigstens Wein geben,« sagte Bucklaw, der bei Erwähnung des reinen von Caleb so ernstlich angepriesenen Elementes den Mund verzog.

»Wein?« antwortete Caleb mit Sicherheit, »hier ist Wein genug; es sind erst zwei Tage her – leid thut mir die Veranlassung – da wurde hier so viel Wein getrunken, daß ein Schiff darin hätte schwimmen können. An Wein hat's in Wolf's Crag nie gefehlt.«

»So holet uns einigen, statt davon zu reden,« sagte sein Herr. Und Caleb ging mit Zuversicht hinaus.

In dem alten Keller versetzte er jedem leeren Fasse einen Stoß, und schüttelte es in der verzweifelten Hoffnung, so viel Claret auf dem Boden zu finden, um das große zinnerne Maß, das er trug, voll zu machen. Ach! jedes war zu gewissenhaft geleert worden, und mit allen Kunstgriffen und Nothmitteln, die er als Kellermeister besaß, konnte er nur ein halbes Viertel zusammenbringen, das annehmbar schien. Aber Caleb war ein zu guter Feldherr, als daß er das Feld geräumt hätte, ohne eine Kriegslist zur Deckung seines Rückzugs anzuwenden. Er ließ, als wäre er gestolpert, an der Thüre des Gemaches eine leere Flasche fallen, rief Mysie, den Wein aufzuwischen, der nicht verschüttet worden war, und setzte die andere Flasche auf den Tisch in der Hoffnung, daß die Herren daran genug haben würden. Und so war es, sogar Bucklaw, ein geschworner Freund der Reben, fühlte keine Versuchung, seinen ersten Angriff auf den Weinkeller von Wolf's Crag zu erneuern, und begnügte sich gezwungen mit einem Trunke hellen Wassers. Endlich machte man Anstalten zur Ruhe, und da das Geheimzimmer dazu ausersehen ward, so hatte Caleb die besten und annehmbarsten Ausflüchte für jeden Mangel an Gerätschaften, Bettung u. s. w.

»Wer,« sagte er, »hätte gedacht, daß wir das Geheimzimmer nöthig haben würden? seit der Gowrie-Verschwörung ist es nicht gebraucht worden, und ich durfte nie einem Weibe den Eingang wissen lassen, oder, Ew. Ehren wird's zugeben, es wäre nicht lange ein Geheimzimmer geblieben.«

 


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