Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfzehntes Kapitel.

Wenn wir Weltleute sehen unsre Freunde
In's Unglück stürzen, reichen nicht die Hand
Zur Hülf', sogar erheben wir den Fuß,
Sie tiefer noch zum Grund hinabzustoßen,
Wie, ich bekenn' es, ich es euch gemacht;
Doch jetzo seh' ich, daß ihr aufwärts steigt,
Ich kann und will euch beistehn.

Neuer Weg, alte Schulden zu bezahlen.

 

Der Lord Keeper nahm mit sich auf sein Lager, das härter war, als das, worauf er sich gewöhnlich streckte, die nämlichen Gedanken des Ehrgeizes und der Staatssorgen, die den Schlummer von dem weichsten und schwellendsten Flaumbette verscheuchen. Er hatte lange genug mitten unter den sich bekämpfenden Strömungen der Zeit gesegelt, um die Gefahr derselben zu kennen, und die Nothwendigkeit einzusehen, sein Schiff dem vorherrschenden Winde zu überlassen, wenn er im Sturm dem Schiffbruch entgehen wollte. Die Natur seiner Geistesgaben und die mit denselben verknüpfte Behutsamkeit hatte ihm die Biegsamkeit des geschmeidigen alten Grafen von Northampton gegeben, der seine Kunst, womit er unter allen Staatsveränderungen von Heinrich VIII. bis auf Elisabeth Stand hielt, frei aus dem Umstand erklärte, daß er von dem Weidenbaum und nicht von dem Eichbaum herstamme. Es war daher zu allen Zeiten die Politik von Sir William Ashton, die Veränderungen am politischen Gesichtskreis zu beobachten, und sich, noch ehe der Kampf entschieden war, in ein gutes Vernehmen mit der wahrscheinlich siegenden Partei zu setzen. Seine zeitbeobachtende Gabe war wohl bekannt, und erweckte die Verachtung bei den kühneren Häuptern der beiden Parteien. Doch seine Talente waren nützlich und anwendbar, und seine Rechtskenntniß wurde hochgeachtet, und hierdurch bedeckte er andere Mängel so gut, daß die Machthaber froh waren, seine Dienste empfangen und belohnen zu können, jedoch ohne ihm ein unbegränztes Vertrauen und eine vollkommene Achtung zu schenken.

Der Marquis von A– hatte allen seinen Einfluß aufgeboten, um eine Veränderung im schottischen Cabinet zu bewirken, und seine letzten Pläne waren so wohl angelegt, und so geschickt unterstützt worden, daß ihre glückliche Ausführung fast gewiß schien. Doch fühlte er sich weder so stark, noch so selbstvertrauend, daß er es vernachlässigt hätte, neue Streiter zu seiner Fahne zu werben. Die Gewinnung des Lord Keeper wurde für nicht unwichtig gehalten, und ein Freund, der die Verhältnisse und den Charakter desselben kannte, wurde zu seiner politischen Bekehrung ausersehen.

Als dieser Herr, dessen eigentlicher Zweck unter einem Höflichkeitsbesuch verborgen gehalten wurde, auf Ravenswood Castle ankam, fand er den Lord Keeper von der Besorgniß beunruhigt, daß seine persönliche Sicherheit von dem Herrn von Ravenswood bedroht sei. Die Sprache, welche die blinde Sibylle, die alte Alice, gegen ihn geführt hatte; die unerwartete Erscheinung von Ravenswood mit Waffen in der Schloßgemarkung, unmittelbar darauf als er vor ihm gewarnt worden war; die kalte und stolze Begegnung, die er für den Dank erfuhr, womit er ihn für seine Hülfe in der Noth belud, dies Alles hatte einen tiefen Eindruck auf Sir William gemacht.

Sobald der politische Agent des Marquis merkte, woher der Wind blase, so begann er Zweifel und Besorgnisse einer anderen Art zu erwecken, die den Lord Keeper kaum weniger beunruhigen mußten. Er erkundigte sich mit scheinbarer Theilnahme, ob der verwickelte Rechtsstreit von Sir William mit der Familie Ravenswood beendigt sei, und ob keine weitere Berufung mehr stattfinden könne. Der Lord Keeper bejahte diese Frage; aber der Fragende war zu wohl unterrichtet, als daß er sich dadurch hätte irre machen lassen. Er zeigte ihm auf eine unwidersprechliche Art, daß einige der wichtigsten Punkte, die zu seinen Gunsten gegen das Haus Ravenswood entschieden worden wären, nach dem Unionsvertrag zur Revision vor das brittische Oberhaus gebracht werden könnten, ein Gerichtshof, vor dem der Lord Keeper eine instinktartige Furcht hatte. Dieser Rechtsweg kam an die Stelle der Appellation an das alte schottische Parlament, oder, wie der Kunstausdruck war, der Protestation zur Rechtsrevidirung.

Der Lord Keeper, nachdem er eine Zeit lang die Gesetzlichkeit eines solchen Verfahrens angefochten hatte, war am Ende gezwungen, sich mit der Unwahrscheinlichkeit zu trösten, daß der junge Herr von Ravenswood im Parlament Freunde finden würde, die sich mit einer so schwierigen Sache befassen könnten.

»Tröstet Euch nicht mit falscher Hoffnung,« sagte der verschmitzte Freund; »es ist möglich, daß in der nächsten Parlamentssitzung der junge Ravenswood mehr Freunde findet als Ew. Herrlichkeit selbst.«

»Das wäre Etwas, das ich sehen möchte,« sagte der Lord Keeper spöttisch.

»Und doch,« sagte sein Freund, »sind dergleichen Dinge vor uns und zu unserer Zeit gesehen worden. Viele sind heute an der Spitze der Geschäfte, die vor ein paar Jahren im Verstecke um ihr Leben zitterten: und Mancher ißt heute auf Silbergeschirr, der gezwungen war, seinen Haferbrei aus einer hölzernen Schüssel zu essen; und manch einstiges hohes Haupt ist in einem eben so kurzen Zeitraum in der gemeinen Menge verschwunden. Scott von Scotstarrets ›Schwankender Stand der schottischen Staatsmänner‹, von welcher merkwürdigen Denkschrift Ihr mir ein Manuscript gezeigt habt, ist in unserer Zeit in Erfüllung gegangen.«

Der Lord Keeper antwortete mit einem tiefen Seufzer, daß diese Veränderungen nichts Neues in Schottland wären, und daß man sie schon vor den Zeiten des angeführten Satyrikers gekannt hätte. »Es ist manches Jahr verflossen,« sprach er, »seit Fordun als ein altes Sprüchwort angeführt hat: Neque dives, neque fortis, sed nec sapiens Scotus, praedominante invidia, diu durabit in terra

»Und seid versichert, mein geschätzter Freund,« war die Antwort, »daß selbst Eure langen Staatsdienste und Eure gründliche Rechtsgelehrsamkeit Eure Person und Güter nicht sichern werden, wenn der Marquis von A– mit einer Partei in das brittische Parlament kommt. Ihr wißt, der verstorbene Lord Ravenswood war sein naher Verwandter, da die Gemahlin desselben im fünften Grade von dem Ritter von Tillibardine abstammte, und ich bin fest überzeugt, daß er dem jungen Ravenswood die Hand bieten, und sich als sein guter Verwandter zeigen werde. Warum sollte er es nicht thun? – Ravenswood ist ein thätiger und verständiger Junge, der sich mit Zunge und Händen zu helfen weiß; er ist ein solcher, der leicht Freunde unter seinen Verwandten findet, denn er ist kein hülfloser und unfähiger Mephiboseth, der sicherlich für Alle eine Bürde bleibt, die ihn aufheben. Und also, wenn diese Ravenswood'schen Händel vor das Oberhaus kommen, dann werdet Ihr finden, daß Ihr mit dem Marquis einen Tanz zu wagen habt.«

»Das wäre eine schlechte Belohnung,« sagte der Lord Keeper, »für meine langen Staatsdienste und für die alte Achtung, die ich der edlen Familie und der Person Sr. Herrlichkeit immer geschenkt habe.«

»Ei was!« entgegnete der Agent des Marquis; »es ist umsonst, auf altes Verdienst und auf alte Achtung zu blicken, mein Herr – es handelt sich um frisches Verdienst, um gegenwärtige Achtungsbeweise, das ist's, was ein Mann, wie der Marquis, in diesen schlüpfrigen Zeiten fordern mag.«

Der Lord Keeper sah nun die volle Absicht von seines Freundes Gespräch ein; aber er war zu behutsam, eine bestimmte Antwort zu geben.

»Er wüßte nicht,« sagte er, »was für einen Dienst der Lord Marquis von einem Manne von seinen geringen Fähigkeiten verlangen könne, der nicht immer zu seinem Befehl gestanden hätte, so weit sich dies mit der Pflicht gegen König und Vaterland vertrüge.«

Nachdem er auf diese Art nichts gesagt hatte, während er doch Alles gesagt zu haben schien, denn die Ausnahme war dazu gemacht worden, um späterhin alles Beliebige darunter zu bringen, änderte Sir William Ashton das Gespräch, und ließ den nämlichen Gegenstand nicht mehr vorkommen. Sein Gast reiste ab, ohne den verschmitzten alten Staatsmann dahin gebracht zu haben, seine künftige Verfahrungsweise zu erklären, doch hegte er die Gewißheit, ihn in einer sehr zarten Sache mit Besorgnissen erfüllt, und einen Grund zu ferneren Unterhandlungen gelegt zu haben.

Als er dem Marquis von seiner Unterhandlung Rechenschaft ablegte, kamen beide überein, den Lord Keeper nicht zum Gefühle seiner Sicherheit zurückkommen zu lassen, und ihm mit neuen Beunruhigungen zuzusetzen, zumal während der Abwesenheit seiner Lady. Sie wußten es wohl, daß ihr stolzer, hochfahrender, herrschsüchtiger Sinn ihn mit dem ihm fehlenden Muthe versehen würde, daß sie der gegenwärtig herrschenden Partei, mit welcher sie die ersten Verbindungen unterhalte, unabwendig zugethan wäre, und daß sie ungescheut die Familie Ravenswood (deren altes Ansehen die neuerrungene Würde ihres Gemahls in den Schatten stellte) in einem solchen Grade haßte, daß sie ihr eigenes Haus würde auf's Spiel gesetzt haben, in der Hoffnung, das ihres Feindes völlig zermalmen zu können.

Aber Lady Ashton war gegenwärtig abwesend. Die Angelegenheit, die sie so lange in Edinburghgehalten hatte, hatte sie später nach London geführt, nicht ohne die Hoffnung, die Ränke des Marquis durchkreuzen zu können, denn sie stand in großer Gunst bei der berühmten Sarah, Herzogin von Marlborough, mit welcher sie, was den Charakter betraf, große Aehnlichkeit hatte. Es war nöthig, ihrem Gemahle noch vor ihrer Rückkunft hart zuzusetzen, und in dieser Absicht schrieb der Marquis vorläufig den Brief an den Herrn von Ravenswood, den wir in einem früheren Kapitel mitgetheilt haben. Der Brief war mit Fleiß so gestellt, daß es in der Macht des Schreibers blieb, einen so großen oder so kleinen Antheil an dem Schicksal seines Verwandten künftighin zu nehmen, als für den Fortgang seiner eigenen Pläne gut sein möchte. Aber wie abgeneigt auch der Marquis als Staatsmann sein mochte, sich bloßzustellen, oder die Rolle eines Beschützers anzunehmen, während er nichts zu geben hatte; es muß zu seiner Ehre gesagt werden, daß er wirklich eine starke Neigung fühlte, dem Herrn von Ravenswood gefällig zu sein, sowohl als dessen Namen zu gebrauchen, um dem Lord Keeper in Schrecken zu setzen.

Der Bote, der diesen Brief überbrachte, mußte nahe bei dem Wohnsitze des Lord Keeper vorbei. Er hatte die Weisung, in dem dem Thore des Schloßparks benachbarten Dorfe sein Pferd ein Hufeisen verlieren zu lassen, und, während der Schmied des Ortes dasselbe ersetze, die äußerste Unruhe über den Zeitverlust zu äußern, und in seiner Ungeduld zu verstehen zu geben, daß er mit einer Botschaft des Marquis von A– an den Herrn von Ravenswood beauftragt sei, die Leben und Tod beträfe.

Diese Neuigkeit wurde alsbald von verschiedenen Seiten mit Zusätzen zu dem Ohre des Lord Keepers gebracht, und jeder Berichterstatter sprach von der außerordentlichen Eile des Boten, und von der erstaunlich kurzen Zeit, worin er seine Reise vollendet hatte. Der ängstliche Staatsmann hörte schweigend zu; aber im Geheimen erhielt Lockhard den Auftrag, die Rückkehr des Boten zu erwarten, ihm in dem Dorfe aufzulauern, ihm wo möglich mit starken Getränken zuzusetzen, und alle Mittel, gute oder schlechte, anzuwenden, um den Inhalt des Briefes kennen zu lernen, dessen Ueberbringer er gewesen war. Indeß da man diesen Anschlag vorausgesehen hatte, so kehrte der Boote aus einer anderen, entfernten Straße zurück, und entging so der ihm gelegten Schlinge.

Nachdem man eine Zeitlang vergeblich auf ihn gewartet hatte, wurde Mr. Dingwall beauftragt, sich bei seinen Clienten in Wolf's Hope zu erkundigen, ob wirklich ein Diener des Marquis von A– auf dem benachbarten Schlosse eingetroffen wäre. Leicht erlangte man hierüber Gewißheit, denn Caleb war eines Morgens um fünf Uhr in dem Dorfe gewesen, um zwei Krüge Ale und etwas Salm zu borgen, und der arme Bote war vierundzwanzig Stunden bei der Smatrash krank gelegen in Folge einer Mahlzeit von gesalzenem Salmen und saurem Bier. Also war das Bestehen einer Verbindung zwischen dem Marquis und seinem unglücklichen Verwandten, das Sir William Ashton eine Zeit lang für ein Märchen gehalten hatte, über allen ferneren Zweifel erhaben.

Die Besorgniß des Lord Keepers wurde sehr ernsthaft. Das Recht, von den Beschlüssen des Civilgerichtes an die Parlamentsstände zu appelliren, die vormals für inkompetent angesehen worden waren, war in vielen Fällen angerufen, und in einigen zugestanden worden, und er hatte keinen geringen Grund, über den Ausgang beunruhigt zu sein, wenn das englische Haus der Lords geneigt sein sollte, auf die Appellation des Herrn von Ravenswood zur Revidirung des Rechts einzugehen. Das Haus konnte einem billigen Rechtsanspruch Gehör geben, – vielleicht nach allgemeineren Rechtsgründen entscheiden, die dem Lord Keeper nicht ganz so günstig waren, als das buchstäbliche Gesetz. Ueberdies, da er, wiewohl unrichtig, nach den Gerichtshöfen urtheilte, wie er sie selbst in den Zeiten vor der schottischen Union gekannt hatte, so mochte der Lord Keeper nur zu sehr Recht haben, zu glauben, daß in dem Hause, vor welches sein Prozeß gebracht werden sollte, die alte schottische Maxime, die in vorigen Zeiten nur zu sehr bekannt worden war, die Oberhand gewinnen möge – zeige mir den Mann, so zeig' ich dir das Recht. Der hohe und unparteiische Charakter der englischen Rechtspflege war damals in Schottland wenig bekannt, und die Ausbreitung derselben über das letztere Land war einer der unschätzbarsten, durch die Union gewonnenen Vortheile. Indeß dieß war ein Glück, welches der Lord Keeper, der unter einem anderen System gelebt hatte, nicht vorauszusehen vermochte. In dem Verluste seines politischen Einflusses sah er den Verlust seines Prozesses. Jeder Bericht, der ihm inzwischen zugekommen war, hatte ihm das Gelingen von des Marquis Plänen wahrscheinlicher gemacht, und der Lord Keeper begann es für unerläßlich zu halten, sich nach einer Zuflucht gegen den kommenden Sturm umzuschauen. Sein scheuer Charakter stimmte ihn zu Mitteln des Vergleichs und der Versöhnung. Der Vorfall mit dem wilden Bullen, geschickt benutzt, konnte, glaubte er, eine Annäherung und Versöhnung zwischen Ravenswood und ihm befördern. Er würde dann, wo möglich, erfahren, was derselbe für Ansichten von der Kraft seines Rechtes habe, und von den Mitteln, es durchzusetzen, und vielleicht möchten die Sachen zu einem Vergleiche gebracht werden können, da die eine Partei reich, und die andere gänzlich arm sei. Eine Versöhnung mit Ravenswood gab ihm wahrscheinlich Muße, mit dem Marquis von A– sein eigenes Spiel zu spielen. »Und überdies,« sagte er zu sich selbst, »es ist eine großmüthige Handlung, dem Erben einer gesunkenen Familie aufzuhelfen; und sollte er von der neuen Regierung mit freundschaftlicher Wärme unterstützt werden, wer weiß, ob dann meine Tugend keinen anderen Lohn fände, als in sich selbst?«

So dachte Sir William Ashton, indem er mit einer nicht ungewöhnlichen Selbsttäuschung seine eigennützigen Absichten mit der Farbe der Tugend bedeckte; und als er erst so weit war, schweifte seine Einbildungskraft noch weiter. Er fing an, sich vorzustellen, daß, wenn eine solche Heirath den größeren Theil seiner Rechtsforderungen beschwichtigen möchte, es wohl schlechtere Partieen für seine Tochter Lucie geben könnte – die Familienehre von Ravenswood könnte hergestellt werden – Lord Ravenswood sei ein alter Titel, und eine Heirath würde gewissermaßen den Besitz des größeren Theils der Güter dieser Familie in den Händen des Lord Keeper's gesetzlicher machen, und die Herausgabe des kleineren Theils weniger bitter.

Mit diesen ungeordneten und vielfachen Plänen im Kopf benutzte der Lord Keeper eine wiederholte Einladung von Lord Bittlebrains, und kam so auf wenige Meilen von Wolf's Crag. Er fand Lord Bittlebrains abwesend, wurde aber von der Dame höflich empfangen, die ihres Gemahls alsbaldige Heimkehr erwartete. Sie drückte ihr besonderes Vergnügen darüber aus, Miß Ashton zu sehen, und befahl zur Belustigung des Lord Keeper's die Meute loszulassen. Der Letztere nahm diesen Vorschlag mit Freuden an, da er dadurch Gelegenheit erhielt, Wolf's Crag auszukundschaften, und vielleicht eine Bekanntschaft mit dem Eigenthümer zu machen, wenn ihn die Jagd aus seinem einsamen Wohnsitze herauslocke. Lockhard war beauftragt, seinerseits mit den Bewohnern des Schlosses Bekanntschaft zu machen, und wir haben gesehen, wie er seine Rolle spielte.

Der zufällige Sturm war dem Lord Keeper zu seinem Plane, mit dem jungen Ravenswood Bekanntschaft zu machen, förderlicher, als seine ausschweifendsten Hoffnungen erwartet hätten. Seine Furcht vor dem persönlichen Groll des jungen Mannes war bedeutend vermindert worden, seit er ihm so furchtbar durch seine Rechtsansprüche erschien, und durch die Mittel, dieselben geltend zu machen. Jedoch obwohl er mit Recht glaubte, daß man nur in verzweifelten Verhältnissen zu verzweifelten Mitteln greife, so war er doch nicht ohne eine geheime Furcht, die sein Herz pochen machte, als er sich auf einmal innerhalb des Thurmes von Wolf's Crag befand, eines wegen seiner Stärke und Einsamkeit für einen Auftritt der Gewalt und Rache so geeigneten Platzes. Der finstere Empfang, der ihnen zuerst von Ravenswood zu Theil ward, und die Schwierigkeit, die er fühlte, diesem beleidigten Edelmann zu erklären, was für Gäste unter seinem Dache wären, besänftigten diese Unruhe nicht, so daß, als Sir William Ashton hinter sich das Hofthor mit Gewalt zuschlagen hörte, die Worte Alicens in seinem Ohre wiederklangen, daß er die Sache mit dem stolzen Geschlecht der Ravenswood zu weit getrieben habe, und daß sie sich ihre Zeit zur Rache ausersehen würden.

Die offene Gastlichkeit, welche Ravenswood hierauf seinem neuen Bekannten zeigte, schlug die Besorgnisse nieder, welche durch diese Bemerkungen erweckt werden konnten, und es entging Sir William Ashton nicht, daß er Luciens Anmuth und Schönheit diese Veränderung im Benehmen seines Wirthes verdanke.

Alle diese Gedanken drängten sich ihm auf, als er von dem Geheimzimmer Besitz nahm. Die eiserne Lampe, das ungeschmückte Gemach, das mehr einem Gefängniß, als einem Schlafzimmer glich, das wilde und dauernde Geräusch der Wogen, die an den Fuß des Felsens schlugen, auf welchen das Schloß gegründet war, das Alles betrübte und beunruhigte seinen Sinn. Der Sturz dieser Familie war größten Theils seinen glücklichen Anschlägen zuzuschreiben, doch sein Gemüth war listig, nicht grausam; also war für ihn der Anblick dieser Armuth und dieses Elends, die er verursacht hatte, gerade so peinlich, wie es für eine gefühlvolle Hausfrau peinlich sein müßte, der Schlachtung von Lämmern und Geflügel beizuwohnen, die auf ihren Befehl getödtet werden. Und wenn er an die Doppelwahl dachte, einen großen Theil der Beute an Ravenswood herauszugeben, oder den Erben dieses verarmten Hauses als ein Mitglied seiner eigenen Familie anzunehmen; da war es ihm zu Muthe, wie der Spinne, wenn ihr ganzes Gewebe, das so kunstvoll und fein angelegt war, durch den Schwung eines Besens vernichtet wird. Wenn er dann in der Sache zu weit gehen sollte, so erhob sich für ihn die gefährliche Frage, die sich mancher gute Ehemann, wenn es ihn gelüstete, frei zu handeln, schon aufgeworfen hat, ohne sich darauf eine befriedigende Antwort geben zu können: Was wird mein Weib – was wird Lady Ashton sagen? Kurz er kam am Ende zu dem Entschluß, zu dem sich schwächere Gemüther so oft wenden. Er wollte die Ereignisse abwarten, die vorkommenden Gelegenheiten zu seinem Vortheil benutzen, und sein Betragen darnach einrichten. Und mit dieser zeitgewinnenden Politik bereitete er sein Gemüth zur Ruhe.

 


 << zurück weiter >>