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Sechszehntes Kapitel.

Ich habe einen kleinen Auftrag an euch, wegen
dessen Ausrichtung ihr mich entschuldigen müsset. Es
ist ein Anerbieten, wozu mich Freundschaft auffordert,
und keineswegs beleidigend für euch, da ich nichts
wünsche, als Billigkeit auf beiden Seiten zu sehen.

König und nicht König.

 

Als Ravenswood am Morgen mit seinem Gaste zusammenkam, hatte die düstere Stimmung seines Gemüthes wieder die Oberhand gewonnen. Auch er hatte die Nacht eher in Ueberlegung als mit Schlummer hingebracht, und die Gefühle, die er gegen Lucie Ashton nährte, hatten einen scharfen Kampf mit denen zu bestehen, die er so lange gegen ihren Vater genährt hatte. Die Hand seines Familienfeindes in Freundschaft zu fassen, ihn unter seinem Dache zu bewirthen, mit ihm die Höflichkeiten und Artigkeiten der Hausfreundschaft zu wechseln, das war eine Demüthigung, der sich sein stolzer Sinn nicht ohne Widerwillen fügte.

Aber da das Eis einmal gebrochen war, so war der Lord Keeper entschlossen, es nicht wieder frieren zu lassen. Es hatte zu seinem Plan gehört, Ravenswood durch eine künstliche und verwickelte Darlegung der Streitsache, die zwischen beiden Familien verhandelt worden war, in Betäubung und Verwirrung zu setzen, da er mit Recht glaubte, daß es für einen Jüngling seines Alters schwer sein würde, den Darlegungen eines gewandten Rechtsgelehrten zu folgen. »Ich werde so,« dachte Sir William, »den Vortheil haben, völlig offenherzig zu erscheinen, während mein Gegner von Allem, was ich ihm sage, wenig Gewinn ziehen wird.« Er nahm in dieser Absicht Ravenswood bei Seite, in die Vertiefung eines Fensters der Halle, und nachdem er das Gespräch vom vergangenen Abend wieder angeknüpft hatte, drückte er die Hoffnung aus, daß sich sein junger Freund in Geduld fassen werde, um ihn in eine genaue und weitläufige Schilderung der unseligen Verhältnisse eingehen zu lassen, über welche zwischen dem letzten Lord von Ravenswood und ihm Streit gewesen war. Ravenswood wurde feuerroth, aber er schwieg, und der Lord Keeper, obwohl ihm der plötzliche stolze Ausdruck im Gesichte seines Zuhörers nicht gefiel, begann die Geschichte einer Schuldverschreibung von zwanzigtausend Mark, die sein Vater dem Lord Allan Ravenswood geliehen hatte, und war eben im Begriff, zu erklären, wie diese bedeutende Summe durch das executorische Verfahren ein debitum fundi geworden sei, als ihn Ravenswood unterbrach.

»Es ist nicht an diesem Orte,« sagte er, »daß ich die Darstellung unserer Streitsachen von Sir William Ashton anhören kann. Es ist nicht hier, wo mein Vater gebrochenen Herzens starb, daß ich mit Anstand oder Gleichmuth die Ursache seines Mißgeschickes erforschen könnte. Ich möchte Euch erinnern, daß ich sein Sohn bin, und die Pflichten eines Wirthes vergessen dürfte. Eine Zeit wird jedoch kommen, wo diese Dinge an einem Orte besprochen werden sollen, der uns Beiden die gleiche Freiheit gewährt, zu sprechen und zu hören.«

»Zeit und Ort,« meinte der Lord Keeper, »wären denen gleichgültig, die nur das Recht wollten. Doch könnte es in Wahrheit scheinen, daß er berechtigt wäre, sich im Voraus nach den Gründen zu erkundigen, wodurch Ravenswood beabsichtige, den Prozeß im Allgemeinen, der so wohl und so reiflich von den einzig kompetenten Gerichten beurtheilt worden sei, umzustoßen.«

»Sir William Ashton,« antwortete Ravenswood mit Wärme, »die Ländereien, die Ihr nun besitzet, wurden meinen alten Vorfahren für Dienste zugesprochen, die ihr Schwert gegen die englischen Eindringlinge geleistet hat. Wie sie uns entschlüpft sind, da das Mittel weder Kauf, noch Pfand, noch Schuldvergütung, sondern ein dunkles und verworrenes Gemisch aller dieser Rechte war, – wie jährliche Renten zum Kapital geschlagen worden sind, und wie keine rechtliche Spitzfindigkeit, die Vortheil brachte, unbeachtet gelassen worden ist, bis unser erbliches Eigenthum zusammenschmolz wie ein Eiszapfen bei Thauwetter – das Alles versteht Ihr besser als ich. Doch bin ich wegen der Offenheit Eures Betragens gegen mich geneigt zu glauben, daß ich mich in großem Maße in Eurem persönlichen Charakter geirrt habe, und daß Dinge, die Euch als einem geschickten und erfahrenen Juristen gerecht und billig erschienen, meinem unwissenden Verstande wie Ungerechtigkeit und grobe Erpressung vorkamen.«

»Und Ihr, mein lieber Herr,« antwortete Sir William, »erlaubt mir, es Euch zu sagen, Ihr seid mir ebenfalls falsch geschildert worden. Man hatte mich verführt, Euch für einen stolzen, gebieterischen, auffahrenden Jüngling zu halten, der bei der geringsten Veranlassung geneigt wäre, sein Schwert in die Wagschale der Gerechtigkeit zu werfen, und an das rohe Faustrecht zu appelliren, von dem politische Bildung das schottische Volk schon lange befreit hat. Da wir uns also gegenseitig mißkannt haben, warum sollte nun der junge Edelmann nicht gerne auf den alten Juristen hören, wenn derselbe die zwischen ihnen herrschenden Streitpunkte erklärt?«

»Nein, mein Herr,« antwortete Ravenswood, »es ist in dem Hause der brittischen Pairs Das Appellationsrecht von dem Court of Session, den höchsten Richtern in Schottland, an das schottische Parlament, in Civilsachen ist vor der Union heftig bestritten worden. Es war dies ein sehr wünschenswerthes Recht, da die Prüfung und gelegentliche Umstoßung der Urtheile im Parlament gleichsam ein Zügel für die Richter war, dessen dieselben zu der Zeit sehr bedurften, da sie sich mehr durch Rechtskenntniß als durch Geradheit und Unbestechlichkeit auszeichneten.
Die Mitglieder der Fakultät der Advokaten zogen sich im Jahr 1674 das höchste Mißfallen des Court of Session zu, weil sie sich weigerten, dem Appellationsrecht ans Parlament zu entsagen, und die Mehrzahl von ihnen wurde durch eine sehr eigenmächtige Maßregel von Edinburgh verbannt, und so für mehrere Sitzungen oder Fristen in der Ausübung ihres Berufes gehindert. Aber durch die Artikel der Union ist den schottischen Unterthanen eine Appellation an das brittische Haus der Pairs zugesichert, und das Recht hat ohne Zweifel seinen Einfluß gehabt, den unparteiischen und unabhängigen Charakter zu erwecken, den die Richter des Court of Session, gegen das Beispiel ihrer Vorgänger, seitdem gezeigt haben.
Man kann leicht begreifen, daß ein alter Rechtsgelehrter, wie der Lord Keeper, im Text einige Unruhe fühlen mochte, wenn die zu seinen Gunsten, unter buchstäblicher Auslegung des Gesetzes gefällten Urtheile einer neuen Prüfung vor einem höchst unparteiischen und besonders von Billigkeit beseelten Gerichtshof unterworfen werden sollten.
In den früheren Ausgaben dieses Werkes war dieser rechtliche Unterschied nicht hinlänglich erläutert.
, wo Ehre und Rang gleichen Stand halten – es ist vor dem Gerichtshof der höchsten Instanz, daß wir mit einander reden müssen. Die schwertgegürteten Lords von Britannien, unsere alten Pairs, sollen entscheiden, ob sie wollen, daß ein Geschlecht, das nicht zu den letzten in ihrer Mitte gehört, seiner Besitzungen, des Lohnes seiner Vaterlandsliebe, beraubt werden darf, grade wie das Pfand eines armen Handwerkers dem Wucherer verfällt, sobald die Stunde der Auslösung vorbei ist. Wenn sie sich der zugreifenden Strenge des Gläubigers und dem nagenden Wucher, der, wie Motten ein Kleid, unsere Ländereien frißt, gefällig bezeigen, dann wird es schlimmere Folgen für sie und ihre Nachkommen haben, als für Edgar Ravenswood, denn mein Schwert und mein Mantel verbleibt mir, und ich kann dem Kriegshandwerk folgen, wo auch die Trompete erklingt.«

Als er diese Worte in einem festen, doch schwermüthigen Tone gesprochen, hob er seine Augen empor, und begegnete auf einmal denen von Lucie Ashton, die sich ihnen unbemerkt zugesellt hatte, und ihn mit einem begeisterten Staunen betrachtete, das ihr alle Furcht, entdeckt zu werden, benahm. Die edle Gestalt von Ravenswood, seine feinen Züge, von dem Stolz der Geburt und dem Gefühle inneren Werthes belebt, der weiche und ausdrucksvolle Klang seiner Stimme, sein verzweifelter Glückszustand, und der Gleichmuth, womit er das Schlimmste, was ihm begegnen würde, dulden und tragen zu wollen schien, das Alles machte ihn zu einem gefährlichen Gegenstand der Betrachtung für ein Mädchen, dessen Gedanken bereits nur schon zu sehr mit ihm beschäftigt waren. Als ihre Blicke sich begegneten, wurden beide feuerroth, was von einer starken inneren Aufregung zeugte, und sie vermieden es sich wieder anzublicken.

Sir William Ashton hatte, wie sich's versteht, den Ausdruck in dem Gesichte Beider scharf bemerkt. »Ich habe nichts zu fürchten,« dachte er bei sich selbst, »weder Parlament noch Appellation; ich kenne ein wirksames Mittel, mich mit diesem jungen Hitzkopf zu versöhnen, wenn er mir gefährlich werden sollte. Die Hauptsache für alle Fälle ist jetzt, sich nicht zu compromittiren. Die Angel ist gelegt, wir wollen die Schnur nicht zu frühe aufziehen, denn es ist gut, sich die Möglichkeit zu lassen, die Schnur loszuknüpfen, wenn wir es nicht der Mühe werth halten, den Fisch an's Land zu ziehen.«

Bei dieser selbstsüchtigen und grausamen Berechnung, die er auf eine verhoffte Neigung Ravenswoods zu Lucie gründete, war er so weit davon entfernt, das Leid zu erwägen, das er jenem verursachen würde, wenn er so mit seiner Neigung spiele, daß er nicht einmal an die Gefahr dachte, in die er seine eigene Tochter in Folge einer unglücklichen Leidenschaft bringen könnte; als wenn ihre Liebe, die seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen war, gleich dem Lichte einer Kerze hätte angezündet und ausgelöscht werden mögen. Doch die Vorsicht hatte diesem scharfen Beobachter menschlicher Leidenschaften, der sein Leben lang darauf bedacht gewesen war, durch Bearbeitung der Leidenschaften Anderer seinen Vortheil zu sichern, eine furchtbare Vergeltung vorbereitet.

Caleb Balderstone kam nun, um anzukündigen, daß das Frühstück bereit sei, denn in diesen Tagen, wo man reichlich auftrug, machten die Reste des Abendessens ein vollständiges Frühmahl. Auch vergaß er nicht, dem Lord Keeper mit einer tiefen Verbeugung einen Morgentrunk aus einem großen, zinnernen Becher anzubieten, der mit Petersilienblättern und Löffelkraut geschmückt war. Er bat dann um Verzeihung, daß er nicht den großen, silbernen Becher, wie es gebührlich gewesen sein würde, gebracht habe, doch dieser sei für den Augenblick bei einem Silberschmied in Edinburgh, um vergoldet zu werden.

»In Edinburgh vielleicht,« sagte Ravenswood, »aber wo und zu was, das fürchte ich, wisset Ihr so wenig als ich?«

»Doch!« sagte Caleb mürrisch, »da hält ein Mann am Thor schon den ganzen Morgen – das ist ein Ding, das ich weiß, – Weiß Ew. Herrlichkeit, ob Ihr mit ihm sprechen wollt oder nicht?«

»Will er mit mir sprechen, Caleb?«

»Mit weniger wäre ihm nicht gedient,« sagte Caleb, »aber Ihr könnt ihn zuerst durch das Thürchen in Augenschein nehmen – wir sollten nicht Jedermann in das Schloß lassen.«

»Was! glaubt Ihr, daß es ein Gerichtsdiener ist, der mich wegen Schulden verhaften soll?« sagte Ravenswood.

»Ein Gerichtsdiener Euch wegen Schulden verhaften und in Eurem Schlosse Wolf's Crag! – Ew. Herrlichkeit scherzt mit dem alten Caleb diesen Morgen.« Doch flüsterte er ihm in's Ohr, als er ihn hinausbegleitete: »Es wäre mir Leid, wenn ich einem braven Manne in Ew. Herrlichkeit Meinung schadete, doch würde ich den Burschen da zweimal angucken, ehe ich ihn in diese Mauern einließe.«

Es war jedoch kein Diener des Gesetzes, sondern keine geringere Person als der Capitän Craigengelt mit einer Nase so roth, als ein ansehnliches Glas Branntwein sie machen konnte, mit seinem aufgekrämpten Tressenhut, der ein wenig schräge auf dem Gipfel seiner schwarzen Reiterperrücke saß, mit einem Säbel an der Seite und mit Pistolen in den Halftern, und einen Reiteranzug tragend, der mit verschossenen Tressen besetzt war – das wahre Bild von einem, der einem ehrlichen Manne zurufen könnte »Halt!«

Nachdem ihn Ravenswood in Augenschein genommen hatte, ließ er das Thor öffnen. »Ich denke,« sagte er, »Kapitän Craigengelt, daß zwischen Euch und mir keine so wichtigen Geschäfte möglich sind, die wir nicht hier auf dem Platze abthun könnten. Ich habe gerade Gesellschaft im Schloß, und die Weise, worin wir uns jüngst trennten, überhebt mich, Euch dazu einzuladen.«

Craigengelt, wiewohl er in der Unverschämtheit Meister war, fühlte sich bei diesem ungünstigen Empfang etwas betroffen. »Es wäre nicht seine Absicht,« sagte er, »sich der Gastfreundschaft des Herrn von Ravenswood aufzudringen – er käme in dem ehrenvollen Geschäfte, einen Auftrag von einem Freunde auszurichten, sonst würde der Herr von Ravenswood keinen Grund haben, sich über sein Eindringen zu beschweren.«

»Macht es kurz, Sir,« sagte Ravenswood, »das wird die beste Entschuldigung sein. Wer ist der Herr, der so glücklich ist, Euch als Bote in seinen Diensten zu haben?«

»Mein Freund, Mr. Hayston von Bucklaw,« antwortete Craigengelt mit unverstellter Wichtigkeit und mit der Zuversicht, die ihm der anerkannte Muth seines Absenders einflößte, »welcher findet, daß er von Euch mit etwas zu wenig Achtung, als er rechtlicher Weise fordern kann, behandelt worden ist, und darum entschlossen ist, Genugthuung zu begehren. Ich bringe hier,« sagte er, indem er ein Stück Papier aus der Tasche zog, »die genaue Länge seines Schwertes; und er fordert Euch auf, Euch bewaffnet und von einem Freunde begleitet, an irgend einem Platze auf eine Meile vom Schlosse einzufinden, während ich ihm als Zeuge oder Sekundant dienen soll.«

»Genugthuung und gleiche Waffen!« wiederholte Ravenswood, der, wie sich der Leser erinnern wird, keinen Grund hatte, zu glauben, daß er seinem letzten Gaste die geringste Beleidigung zugefügt habe – »auf mein Wort, Kapitän Craigengelt, Ihr habt entweder die schlechteste Lüge erfunden, die Euch je in den Kopf kam, oder Euer Morgentrunk ist ein wenig zu stark gewesen. Was konnte Bucklaw veranlassen, mir solche Botschaft zu senden?«

»Was das betrifft, Sir,« versetzte Craigengelt, »so möchte ich Euch darauf verweisen, was ich aus Pflicht für meinen Freund, den Ihr ohne Grund aus Eurem Hause ausgeschlossen habt, Eure Ungastlichkeit nennen möchte.«

»Es ist unmöglich,« sagte Ravenswood, »er kann so kein Thor sein, daß er die Nothwendigkeit für Beleidigung ansähe. Auch kann ich nicht begreifen, daß er sich, da er meine Meinung von Euch kennt, Kapitän, des Dienstes eines so eitlen und nichtssagenden Menschen, wie Ihr seid, bedient; denn ich würde es in Wahrheit von keinem Ehrenmanne erwarten, daß er sich Eurer als Sekundanten bediene.«

»Ich eitel und nichtssagend!« sagte Craigengelt, die Stimme erhebend, und die Hand an sein Schwert bringend. »Wenn die Sache meines Freundes nicht den Vorrang hätte, und vor der meinigen geschlichtet werden müßte, so würde ich Euch zu verstehen geben –«

»Ich kann von Eurer Erklärung nichts verstehen, Kapitän Craigengelt. Seid zufrieden damit, und thut mir den Gefallen, Euch zu entfernen.«

»Verflucht!« brummte der Maulheld. »Und ist dies die Antwort, die ich in einer Ehrensache zurückbringen soll?«

»Sagt dem Laird von Bucklaw,« antwortete Ravenswood, »wenn Ihr wirklich von ihm gesandt seid, daß, wenn er mir seine Beschwerde durch eine Person zukommen lasse, die zu einem solchen Auftrag geeignet wäre, ich nicht anstehen würde, meine Erklärung zu geben.«

»Dann, Herr, werdet Ihr wenigstens sorgen, daß das Eigenthum von Hayston, das hier zurückgeblieben ist, ihm durch mich überbracht werde.«

»Was auch für Eigenthum Bucklaw kann zurückgelassen haben, Sir,« antwortete Ravenswood, »soll ihm durch meinen Diener zugestellt werden, da Ihr mir keine Vollmacht von ihm zeiget, die Euch befähigt, es zu empfangen.«

»Wohl, Herr,« sagte Capitän Craigengelt mit einer Bosheit, die er selbst aus Furcht vor den Folgen nicht unterdrücken konnte – »Ihr habt mir heute große Schmach und Schande angethan, aber weit mehr Euch selbst. Wahrhaftig, das ist mir ein Schloß!« fuhr er fort, indem er sich umblickte, »es ist schlimmer als eine Diebsherberge, wo man Reisende empfängt, um ihr Eigenthum zu plündern.«

»Unverschämter Schurke,« sagte Ravenswood, indem er seinen Stock erhob, und den Zügel des Kapitän Craigengelt faßte, »wenn Ihr Euch nicht davon macht, ohne noch ein Wörtchen zu sagen, dann prügele ich Euch todt.«

Bei der Bewegung, die Ravenswood gegen ihn machte, drehte sich der Prahler so eilig um, daß er nur mit Mühe den Sturz seines Pferdes verhütete, dessen Hufe rechts und links dem Steinpflaster Feuerfunken entlockten. Sich jedoch mit dem Zügel zurechtfindend, sprengte er aus dem Thor, und nahm den Weg zu dem Dorfe.

Als sich Ravenswood nach diesem Zwiegespräch umwandte, den Hof zu verlassen, fand er, daß der Lord Keeper heruntergekommen war, und in einer von der Höflichkeit geforderten Entfernung dem Auftritt mit Craigengelt beigewohnt hatte.

»Ich habe,« sagte der Lord Keeper, »das Gesicht dieses Herrn gesehen, und zwar erst vor Kurzem. Sein Name ist Craig – Craig – oder so was, nicht wahr?«

»Craigengelt ist der Name des Kerls,« sagte Ravenswood, »wenigstens bedient er sich desselben jetzt.«

»Craigamstrick,« sagte Caleb, mit dem Worte craig spielend, das im Schottischen Hals bedeutet; »wenn er jetzt so heißet, so ist er so nahe daran, es zu sein, als einer. Der Bengel hat ein wahres Galgengesicht, und ich wette zehn gegen eins, daß der Hanf zu seinem Stricke schon geflochten ist.«

»Ihr versteht Euch auf Physiognomik, guter Mr. Caleb,« sagte der Lord Keeper lächelnd; »ich versichere Euch, dieser Herr war vor Kurzem einem solchen Ende ganz nahe, denn ich erinnere mich ganz genau, den Mr. Craigengelt, oder wie er heißt, auf einer Reise gesehen zu haben, die ich vor etwa vierzehn Tagen nach Edinburgh machte, wo er ein scharfes Verhör vor dem Geheimrath bestand.«

»Aus welcher Ursache?« fragte Ravenswood etwas begierig.

Diese Frage führte zu einer Erzählung, die der Lord Keeper vorzubringen sehr begierig war, sobald sich eine schickliche Gelegenheit dazu fände. Er nahm Ravenswood beim Arm, und führte ihn nach der Halle zurück. »Die Antwort auf Eure Frage,« sagte er, »kann ich Euch, obwohl die Sache lächerlich ist, nur unter vier Augen geben.«

Als sie die Halle erreicht hatten, nahm er Ravenswood wieder bei Seite in die Vertiefung des Fensters, wo, wie man sich leicht vorstellen kann, Lucie Ashton es nicht zum zweitenmale wagte, sich ihrer Unterredung aufzudringen.

 


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