Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfundzwanzigstes Kapitel.

O Liebe, die es redlich meint,
Dein Glück nicht lange währen mag:
Die Welt erweckt dir manchen Feind,
Der dich bekämpfet manchen Tag.

Mir war's von Andern nicht verhehlt,
Mein eignes Herz hat's auch erkannt,
Daß Zeit und Laune nicht verfehlt,
Zu lösen, was die Liebe band.

Hendersoun.

 

»Ich wünschte Euch zu sagen, mein theurer Verwandter,« sagte der Marquis, »da wir nun des zudringlichen Geigers ledig sind, daß ich Euer Liebesverständniß mit Sir William Ashton's Tochter zu prüfen versucht habe. Ich habe gestern die junge Dame nur auf einige Minuten gesehen; da ich also ihre persönlichen Vorzüge nicht kenne, so muß es für Euch schmeichelhaft sein, und ihr kann es nicht beleidigend scheinen, wenn ich sage, daß Ihr besser thun könntet.«

»Mylord, ich bin Euch für die Theilnahme verbunden, die Ihr an meinen Angelegenheiten nehmt,« sagte Ravenswood. »Es war nicht meine Absicht, Euch mit irgend einer Sache, die Miß Ashton betrifft, zu belästigen. Da mein Verhältniß mit dieser jungen Dame zu Ew. Herrlichkeit Kenntniß gekommen ist, so kann ich Euch nur sagen, daß ihr nothwendiger Weise annehmen dürfet, daß ich die Einwendungen, mich in ihres Vaters Familie zu verheirathen, nicht unbeachtet gelassen habe, und daß ich folglich die Gründe, welche diese Einwendungen überwogen haben, vollkommen billige, da ich in der Sache so weit gegangen bin.«

»Nun, Herr, wenn Ihr mich ganz gehört hättet,« sagte sein edler Verwandter, »so würdet Ihr diese Bemerkung gespart haben, denn ohne zu fragen, ob Ihr Gründe hättet, die Euch jedes Hinderniß zu überwiegen schienen, habe ich auf alle Art und Weise die Ashton zu überreden versucht, in Eure Absichten einzugehen.«

»Ich bin Ew. Herrlichkeit für Eure unaufgeforderte Vermittelung verbunden,« sagte Ravenswood, »besonders da ich überzeugt bin, daß ihr die Gränzen, die ich mir zu stecken für gut fand, nicht überschreiten würdet.«

»Darauf könnt Ihr Euch verlassen,« sagte der Marquis; »ich selbst fühle das Zarte dieser Sache zu sehr, als daß ich einen nahen Verwandten meines Hauses in eine erniedrigende oder zweideutige Stellung mit diesen Ashton's gebracht hätte. Ich zeigte ihnen, was sie gewinnen würden, wenn sie ihre Tochter in ein so edles Haus, das mit den ersten in Schottland verwandt ist, verheirathen; ich gab ihnen genau den Grad an, in welchem die Ravenswood mit uns selbst verwandt sind; ja ich deutete ihnen an, welche Veränderung die Politik wahrscheinlich erfahren, und welche Karte im nächsten Parlamente Trumpf sein würde. Ich sagte, daß ich Euch als meinen Sohn und Neffen betrachtete, und nicht als einen entfernteren Verwandten, und daß ich Eure Angelegenheit grade als die meinige ansähe.«

»Und was war die Folge von Ew. Herrlichkeit Erklärung?« sagte Ravenswood, der einigermaßen zweifelte, ob er sich über diese Vermittelung ereifern, oder sich dafür bedanken sollte.

»Nun, der Lord Keeper würde auf Vernunft gehört haben,« sagte der Marquis; »er möchte nicht gerne seinen Platz verlieren, der bei den gegenwärtigen Aussichten auf eine Veränderung erledigt werden muß. Die Wahrheit zu sagen, er scheint Euch gewogen und für die Vortheile empfänglich, die ihm eine solche Heirath bringen müßte. Aber seine Gemahlin, die erster Trumpf ist, Herr – –«

»Was sagt Ihr von Lady Ashton?« sagte Ravenswood; »laßt mich den Ausgang dieser Unterredung wissen – ich kann es ertragen.«

»Das freut mich,« sagte der Marquis, »denn ich schäme mich, Euch nur halb zu sagen, was sie sagte. Genug, ihr Entschluß ist klar, und die Vorsteherin einer vornehmen Mädchenpension hätte nicht mit mehr Hochmuth einen irländischen Offizier auf halbem Solde, der um die Erlaubniß nachgesucht hätte, der Erbin eines reichen, westindischen Pflanzers den Hof machen zu dürfen, abgewiesen, als Lady Ashton alle Vermittlungsvorschläge, die ich anständiger Weise zu Euren Gunsten machen konnte, verächtlich zurückstieß. Ich kann ihre Absichten nicht errathen. Eine ehrenvollere Verbindung könnte sie nicht finden, das ist gewiß. Was Geld und Güter betrifft, so sind das Dinge, um die sich eher ihr Mann, als sie zu bekümmern pflegt. Ich glaube fest, sie haßt Euch, weil ihr einen Rang einnehmt, den ihr Mann nicht hat, oder vielleicht, weil Euch die Güter fehlen, die er besitzt. Doch es würde Euch nur verdrießen, wenn ich mehr hierüber sagte – wir sind hier am Wirthshause.«

Der Herr von Ravenswood schwieg, während er in die Hütte trat, die aus allen Rissen, deren nicht wenige waren, rauchte, da die Reiseköche des Marquis beschäftigt waren, ein gutes Mahl zu bereiten, und eine Tafel mitten in der Wildniß, wie es der Fall war, auszuschmücken.

»Mylord Marquis,« sagte Ravenswood, »ich habe es bereits gesagt, daß Euch der Zufall in den Besitz eines Geheimnisses gesetzt hat, das meinem Willen nach selbst Euch, mein Verwandter, für einige Zeit hätte verborgen bleiben sollen. Da dies Geheimniß mir und der Person, welche darin betheiligt ist, nicht mehr allein angehört, so bin ich nicht böse, daß Ew. Herrlichkeit darum weiß, denn ich bin völlig davon überzeugt, daß Ihr, mein edler Verwandter, mein Freund seid.«

»Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß es wohl bei mir aufgehoben ist, Herr von Ravenswood,« sagte der Marquis, »doch würde es mich freuen, wenn Ihr mir sagtet, daß Ihr einen Heirathsplan aufgebt, den Ihr, ohne Euch zu erniedrigen, nicht verfolgen könnt.«

»Hierüber, Mylord, werde ich selbst urtheilen,« antwortete Ravenswood, »und zwar mit einem so feinen Zartgefühl, wie nur einer meiner Freunde. Doch ich habe mit Sir William und Lady Ashton nichts zu thun. Meine Verbindlichkeiten betreffen Miß Ashton ganz allein, und mein Betragen wird sich ganz nach dem ihrigen richten. Wenn sie fortfährt, mich in meiner Armuth den reicheren Freiern, die ihre Freunde ihr empfehlen, vorzuziehen, so kann ich ihrer aufrichtigen Liebe wohl ein Opfer bringen – den höheren Vortheil der Geburt und den tiefgewurzelten Familienhaß. Wenn Miß Lucie Ashton ihre Gesinnung über dieses zarte Verhältniß ändern sollte, dann hoffe ich, daß meine Freunde meine getäuschte Liebe verschweigen, und meine Feinde werde ich zwingen, dasselbe zu thun.«

»Gesprochen wie ein wackerer, junger Edelmann,« sagte der Marquis; »ich für mein Theil wäre um Euretwillen betrübt, wenn die Sache vorwärts ginge. Dieser Sir William Ashton war vor zwanzig Jahren ein so ziemlich guter Zungendrescher von Advokaten, und indem er vor den Gerichtsschranken focht, und Ausschüsse im Parlamente leitete, ist er vorwärts gekommen – das Geld half ihm empor, denn er hatte guten Verstand und gesunde Augen, und wußte zu gehöriger Zeit zu verkaufen – aber seine beste Zeit ist vorbei. Keine Regierung wird ihn nach seiner oder vielmehr nach seines Weibes übertriebener Schätzung haben wollen, und bei seiner Unentschiedenheit und ihrer Unverschämtheit wird er, ahnet mir's, zu Markte sitzen bleiben, und wohlfeil werden, wenn Niemand auf ihn bietet. Ich sage nichts von Miß Ashton; aber ich versichere Euch, eine Verbindung mit ihrem Vater wird Euch weder zum Nutzen, noch zur Zierde gereichen, auch wenn er Euch einen Theil dessen, was er Eurem Vater geraubt hat, als Tochtergut herausgeben sollte. Nehmt mein Wort darauf, daß Ihr mehr gewinnt, wenn Ihr ihn vor das Haus der Pairs bringet. Und ich will der Mann sein, Vetter,« fuhr Se. Herrlichkeit fort, »der den Fuchs für Euch jaget; er soll den Tag bereuen, wo er einen Vergleich zurückgewiesen hat, der nur zu ehrenvoll für ihn war, und der ihm von mir zu Gunsten eines Verwandten angeboten wurde.«

In dieser Rede war etwas, das über das Ziel hinausflog. Ravenswood konnte es sich nicht verbergen, daß ein edler Vetter außer der Theilnahme an seinem Verwandten noch andere Gründe habe, um über die Ausnahme, die der Heirathsantrag gefunden hatte, beleidigt zu sein; doch beklagte er sich weder, noch war er befremdet darüber, daß es so sei. Er begnügte sich darum zu wiederholen, daß seine Verbindung mit Miß Ashton rein persönlich sei, daß er weder Reichthum, noch Vergrößerung durch die Mittel und den Einfluß ihres Vaters suche, und daß nichts ihn abhalten solle, ihr sein Versprechen zu halten, außer wenn sie es wünschen würde, daß es aufgegeben werden möchte – und er forderte es als eine Gunst, diesen Gegenstand für jetzt nicht mehr zu berühren, indem er dem Marquis von A– versprach, daß er ihm von dem Fortgang oder dem Rückgang dieser Sache Kenntniß geben würde.

Der Marquis hatte bald angenehmere und zugleich wichtigere Dinge mitzutheilen. Ein Bote, der ihm von Edinburgh nach Ravenswood Castle gefolgt war, und von da seine Schritte nach dem Fuchsbau gekehrt hatte, brachte ein Päckchen voll guter Neuigkeiten. Die politischen Berechnungen des Marquis hatten sich in London und in Edinburgh als richtig erwiesen, und er sah den Vorrang, wornach er gestrebt hatte, bereits in seinen Händen. – Die Speisen, welche die Diener bereitet halten, wurden nun aufgetragen, und ein Epikuräer hätte sich derselben doppelt erfreut, wenn er sie mit der elenden Stube verglichen hätte, worin die Tafel stand.

Die Wendung, die das Gespräch nahm, war angenehm und erheiternd. Der Marquis verweilte mit Vergnügen bei dem Einflusse, in den ihn wahrscheinliche Ereignisse bald setzen würden, und bei dem Gebrauch, den er zu Gunsten seines Verwandten von seinem Einfluß machen wolle. Ravenswood konnte seinen Dank, den er fühlte, nur wiederholen, auch wenn er bedachte, daß man zu lange bei diesem Gegenstand verweile. Der Wein war köstlich, obgleich er von Edinburgh in einem Fäßchen mitgebracht worden war, und die Gewohnheit des Marquis, wenn er sich so an guter Tafel befand, war, lange zu sitzen. Und so vergaßen sie es, daß sie schon zwei Stunden über die zur Abreise festgesetzte Zeit verweilten.

»Doch das thut nichts, mein lieber, junger Freund,« sagte der Marquis, »Euer Schloß Wolf's Crag ist nur fünf oder sechs Meilen entfernt, und wird Eurem Verwandten von A– dieselbe Gastlichkeit gewähren, die es diesem Sir William Ashton gewährt hat.«

»Sir William nahm das Schloß im Sturm ein,« sagte Ravenswood, »und hatte, wie mancher Sieger, wenig Ursache, sich über seine Eroberung zu freuen.«

»Gut, gut!« sagte der Marquis, der es in Folge des getrunkenen Weines etwas nachlässiger mit seiner Würde nahm, – »ich sehe, ich muß Euch bestechen, wenn ich beherbergt sein will – Kommt, thut mir mit einem vollen Glas auf die Gesundheit der jungen Lady Bescheid, die in Wolf's Crag vor Kurzem schlief, und an ihrer Herberge Gefallen hatte. – Meine Knochen sind nicht so zart, wie die ihrigen, und ich bin entschlossen, diese Nacht ihr Schlafzimmer einzunehmen, damit ich erfahre, wie hart das Lager sei, das Liebe weich machen kann.«

»Ew. Herrlichkeit mag nach Belieben seine Kasteiungen wählen,« sagte Ravenswood; »aber ich versichere Euch, ich fürchte, daß sich mein alter Diener erhängt, oder von den Zinnen stürzt, wenn Ew. Herrlichkeit ihn so überrascht – ich versichere Euch, wir sind ganz und gar nicht vorgesehen.«

Doch auf diese Erklärung antwortete der Marquis mit der Versicherung, »daß ihm alle Bequemlichkeiten gleichgültig wären, und daß er fest entschlossen sei, Wolf's Crag zu besuchen. Sein Vorfahre,« sagte er, »sei daselbst herrlich bewirthet worden, als er mit dem damaligen Lord Ravenswood zu der unseligen Schlacht von Flodden gereist sei, wo Beide gefallen wären.« So hart gedrängt, erbot sich Ravenswood, vorauszureiten, um Alles in so gute Ordnung bringen zu lassen, als Zeit und Umstände es erlaubten; aber der Marquis wollte die Gesellschaft seines Verwandten nicht verlieren, und gab nur so viel zu, daß ein Vorreiter dem Seneschall Caleb Balderstone den unerwarteten Besuch anmelden sollte.

Der Herr von Ravenswood stieg bald darauf mit dem Marquis in den Wagen, wozu ihn derselbe eingeladen hatte, und als sie während der Reise vertrauter geworden waren, theilte ihm der Marquis die wirklich glänzenden Aussichten mit, die sich für das Emporkommen seines Vetters öffnen würden, im Fall seine eigenen politischen Pläne gelängen. Diese Aussichten bezogen sich auf eine geheime und höchst wichtige Sendung über die See, welches Geschäft einen Mann von Rang, Talent und Zutrauen forderte, und, da es solche persönliche Eigenschaften heischte, dem Beauftragten nur ehrenbringend und vortheilhaft sein konnte. Wir haben nicht nöthig, auf Natur und Inhalt dieses Auftrags weiter einzugehen, und wir bemerken blos dem Leser, daß das Anerbieten dem Herrn von Ravenswood sehr annehmbar vorkam, und daß derselbe mit Freude die Hoffnung begrüßte, aus seiner gegenwärtigen Lage von Armuth und Unthätigkeit zu einer unabhängigen und ehrenvollen Wirksamkeit gelangen zu können.

Während er so begierig auf die Einzelheiten horchte, womit ihn der Marquis vertraut zu machen für nöthig fand, kam der Bote, der nach dem Thurme Wolf's Crag abgesandt worden war, mit Caleb Balderstone's ehrerbietiger und gehorsamer Versicherung zurück, »daß, so viel die Kürze der Zeit es erlaube, Alles in gehöriger Ordnung sein solle, um I. Herrlichkeiten nach Gebühr zu empfangen.«

Ravenswood kannte die Rede und Handelsweise seines Hausmeisters zu gut, um auf diese Versicherung viel zu bauen. Er wußte, daß Caleb dem Beispiele jener spanischen Generale folgte, die zu des Prinzen von Oranien, ihres Obergenerals, großem Leidwesen die Zahl der Truppen und Alles, was die Equipirung betraf, für vollständig ausgaben, da sie es mit der Würde und Ehre von Spanien nicht vereinigen konnten, irgend einen Mangel an Mannschaft oder Munition zu bekennen, bis der Tag der Schlacht diesen Mangel unvermeidlich an's Licht brachte. Folglich hielt es Ravenswood für nöthig, dem Marquis einen Wink zu geben, daß das schöne Versprechen, das sie so eben von Caleb empfingen, keineswegs eine sehr schlechte Aufnahme unmöglich machte.

»Ihr thut Euch Unrecht,« sagte der Marquis, »oder Ihr wünschet, mich zu überraschen. Ich sehe durch diese Scheibe ein großes Licht in der Gegend, wo, wenn ich mich recht erinnere, Wolf's Crag liegt, und nach dem Glanze, worin der alte Thurm strahlt, zu urtheilen, müssen die Anstalten zu unserem Empfang außerordentlicher Art sein. Ich erinnere mich, daß mir Euer Vater eine ähnliche Beschreibung machte, als wir vor zwanzig Jahre auf einige Tage zur Falkenjagd nach dem Thurme gingen, und doch brachten wir unsere Zeit zu Wolf's Crag so lustig hin, als wir es auf meinem Jagdschloß zu B– hätten thun können.«

»Ew. Herrlichkeit wird, fürchte ich, die Erfahrung machen, daß der jetzige Eigenthümer geringere Mittel hat, seine Freunde zu bewirthen,« sagte Ravenswood; »der Wille nur, das kann ich gewiß sagen, ist der nämliche geblieben. Aber ich weiß es eben so wenig, wie Ew. Herrlichkeit, wie ich mir das große und glänzende Licht, das ich über Wolf's Crag sehe, erklären soll, – die Fenster des Thurmes sind schmal und in geringer Zahl, und die des ersten Stockes werden durch die Mauer des Hofes versteckt. Ich kann es nicht begreifen, daß eine gewöhnliche Beleuchtung einen solchen Lichtschimmer verbreiten möge.«

Das Räthsel war bald gelös't, denn fast in demselben Augenblicke hielten die Reiter an, und die Stimme von Caleb Balderstone wurde am Kutschenfenster gehört, wie sie mit dem Ausdruck des Schmerzes und der Furcht ausrief: »Ach, ihr Herren – ach, meine gute Herren – fahret rechts! – Wolf's Crag brennt, Gemach und Halle – es brennt inwendig und auswendig all' das feine Geräthe, Gemälde, Tapeten, Stickwerk, Vorhänge und anderer Zierrath – Alles ist im Feuer, als wär's nicht mehr, als Torf und Erbsenstroh! – Fahrt rechts, ihr Herrn, ich bitte euch – bei Lucky Smatrash findet ihr Bewirthung. – Ach, welch' unglückliche Nacht, und wie unglücklich bin ich, daß ich sie erlebt habe!«

Ravenswood war zuerst über diesen neuen und unerwarteten Unglücksfall bestürzt, doch nach kurzer Besinnung sprang er aus dem Wagen, sagte seinem edlen Verwandten eiligst eine gute Nacht, und war im Begriff, den Hügel hinauf und nach dem Schlosse zu steigen, von dem sich jetzt eine hohe, rothe Feuersäule erhob, die nach der See hin über die klatschenden Wogen flackerte.

»Nehmt ein Pferd, Vetter,« rief der Marquis, der sehr bewegt war, daß ein neues Unglück so unerwartet seinen jungen protegé befallen hatte: »und gebt mir meinen Paßgänger; – und ihr, Bursche, reitet voran, die Geräthschaften zu retten, oder das Feuer zu löschen – reitet zu, Bursche, für euer Leben!«

Die Diener setzten sich in Bewegung, spornten ihre Pferde, und riefen Caleb, ihnen den Weg zu zeigen. Doch die Stimme des vorsichtigen Hausmeisters wurde mitten in dem Getümmel gehört: »O haltet, ihr Herren, haltet – wendet die Zügel, um Gotteswillen – fügt nicht den Verlust von Menschenleben zu dem Verlust von weltlichem Tand! – Dreißig Pulverfässer, die eine Schmacke von Dünkirchen zu des alten Lords Zeiten ausgeladen hat – alle sind in den Gewölben des alten Thurms, – das Feuer kann nicht fern davon sein, das weiß ich. – Um Gotteswillen, rechts, Bursche – rechts der Hügel könnte mit uns in die Höhe sprengen – oder ein Eckstein von Wolf's Crag könnte die ärztliche Hülfe unnöthig machen!«

Man kann leicht glauben, daß auf diese Erklärung der Marquis und seine Dienerschaft schleunigst die von Caleb angegebene Straße nahmen, indem sie Ravenswood nach sich zogen, wiewohl derselbe manches Räthselhafte in der Sache fand. »Schießpulver!« rief er aus, indem er Caleb zurückhielt, der ihm vergebens zu entwischen strebte, »was für Schießpulver? Ich begreife nicht, daß eine große Menge Pulver in Wolf's Crag sein konnte, ohne daß ich darum wußte.«

»Ich begreife es,« unterbrach ihn der Marquis flüsternd, »ich begreife es ganz und gar – um Gotteswillen, thut ihm jetzt keine weiteren Fragen.«

»Da haben wir's,« sagte Caleb, indem er sich von seinem Herrn los machte, und sein Kleid in Ordnung brachte, »Ew. Gnaden kann sich auf das ehrenvolle Zeugniß Se. Herrlichkeit verlassen – Se. Herrlichkeit erinnert sich wohl, daß in dem Jahre, das auf das Todesjahr von König Wilhelm – –«

»Still, still, guter Freund!« sagte der Marquis; »ich kann Eurem Herrn über diesen Gegenstand Auskunft geben.«

»Und kam Niemand von den Leuten zu Wolf's Hope zu Eurem Beistand,« sagte Ravenswood, »ehe die Flamme so weit um sich griff?«

»Freilich, viele kamen, um lange Finger zu machen,« sagte Caleb, »aber ich eilte mich nicht, sie in den Thurm zu lassen, wo so viel Silbergeschirre und Kostbarkeiten waren.«

»Ihr seid ein unverschämter Lügner!« sagte Ravenswood mit unverhaltenem Zorn, »es war kein einziges Loth darin –«

»Ueberdies,« sagte der Kellermeister, indem er sehr unehrerbietig seinen Herrn überschrie, »war uns das Feuer auf dem Halse, die vielen Tapeten und das Schnitzwerk in dem Festsaal gab ihm Nahrung, und die Bengel liefen alle davon, sobald sie das Wort Pulver hörten.«

»Ich ersuche Euch,« sagte der Marquis zu Ravenswood, »ihm weiter keine Frage zu thun.«

»Nur eine, Mylord. – Was ist aus der armen Mysie geworden?«

»Mysie?« sagte Caleb, »ich hatte keine Zeit, mich nach einer Mysie umzuschauen – sie ist im Thurme, dafür bin ich gut, und erwartet ihr letztes Stündlein.«

»Beim Himmel,« sagte Ravenswood, »ich verstehe das Alles nicht! Das Leben eines treuen, alten Geschöpfes steht auf dem Spiel – Mylord, ich kann mich nicht länger zurückhalten lassen – ich will hinauf reiten und sehen, ob die Gefahr so dringend ist, wie dieser alte Narr vorgibt.«

»Wohl denn, so wahr ich von meinem Brode lebe,« sagte Caleb, »Mysie ist wohl und geborgen. Ich sah sie außer dem Schlosse, ehe ich selbst es verließ. Hätte ich eine alte Dienstgenossin vergessen können?«

»Warum habt Ihr mir erst in diesem Augenblicke das Gegentheil gesagt?« fragte sein Herr.

»Hab' ich das Gegentheil gesagt?« versetzte Caleb; »dann hab' ich gewiß geträumt, oder diese schreckliche Nacht hat mir den Kopf verwirrt – aber sie ist geborgen, und keine lebendige Seele ist mehr im Schloß.«

Auf diese feierlich wiederholte Versicherung ließ sich der Herr von Ravenswood, wiewohl er begierig war, die Erschütterung, welche die Wohnung seiner Väter bis auf den Grund zerstören sollte, abzuwarten, nach dem Dorfe Wolf's Hope fuhren, woselbst nicht allein die Schenke, sondern auch das Haus unseres Freundes, des Küfers, für seine Aufnahme und die seines edlen Gastes mit einer Gastfreundlichkeit in Bereitschaft gesetzt waren, die eine nähere Erklärung erheischt.

Wir haben früher zu erzählen vergessen, daß Lockhard dahinter gekommen war, auf welche Weise sich Caleb die Erfordernisse der Mahlzeit verschafft hatte, und daß der Lord Keeper aus Freude über den Auftritt und aus Erkenntlichkeit gegen Ravenswood den Küfer von Wolf's Hope zu der von der Regierung zu vergebenden Stelle vorschlug, deren gehoffte Erwerbung den Verlust der wilden Vögel versüßt hatte. Die Beförderung von Mr. Girder hatte dem alten Caleb eine freudige Ueberraschung gewährt, denn als er sich einige Tage nach der Abreise seines Herrn gezwungen sah, eines dringenden Geschäftes wegen den Weiler zu besuchen, und als er wie ein Gespenst an der Thüre des Küfers vorbeieilte, weil er fürchtete, daß man von ihm eine Rechenschaft über den Erfolg seines Bittgesuches verlangen könne, oder, was wahrscheinlicher ist, daß man ihm Vorwürfe machen würde über seine trügerischen Vorspiegelungen, hörte er sich auf einmal dreistimmig, im Diskant, Tenor und Baß rufen, und dies Trio wurden von Mr. Girder, der alten Frau Loupthedike und dem Hauswirthe gebildet: »Mr. Caleb – Mr. Caleb – Mr. Caleb Balderstone! wollt Ihr trockenen Mundes an unserer Thüre vorübergehen? und wir sind so sehr in Eurer Schuld.«

Dies hätte so gut im Spott, wie im Ernst gesagt sein können, Caleb nahm das Schlimmste an, er spielte den Tauben, und ging mürrisch weiter, indem er seinen alten Castorhut tief in die Stirne drückte, und die Augen niederschlug, als wollte er die Kieselsteine zählen, womit die Straße bestreut war. Aber plötzlich fand er sich ringsum aufgehalten gleich einem Kauffahrer (ich hoffe, die Damen werden mir diesen Matrosenausdruck erlauben), der in der Straße von Gibraltar von drei algierischen Galeeren umringt wird.

»Gott behüt' uns, Mr. Balderstone!« sagte Mrs. Girder.

»Wer hätte das von einem alten Bekannten gedacht!« sagte die Mutter.

»Und nicht einmal warten zu wollen, daß man sich bedanken kann,« sagte der Küfer, »und Unsereiner bedankt sich so selten! Ich will nicht hoffen, daß Zwietracht zwischen uns gesäet ist, Mr. Balderstone – Jeder, der Euch sagt, daß ich für meinen Platz als Küfer der Königin nicht dankbar wäre, dem soll mein Böttcherbeil das Maul stopfen – das ist Alles.«

»Liebe Freunde – theure Freunde,« sagte Caleb, der noch immer im Zweifel stand, wie die Sachen sich verhielten, »zu was alle diese Ceremonien? man sucht, seinen Freunden zu dienen, und oft glückt's, oft auch mißlingt's – ich mache mir aus nichts weniger als aus Danksagungen – ich hab' sie nie leiden können.«

»Meiner Seel' Mr. Balderstone, Ihr solltet Euch wenig über die meinigen zu beklagen haben,« sagte der aufrichtige Küfer, »wenn ich Euch nur für Euren guten Willen zu danken hätte; die Gans und die wilden Enten und das Fäßchen Sekt wären dann genug, um unsere Rechnung auszugleichen. Guter Wille, Mann, ist ein schlechtgefügtes Faß, das keine Flüssigkeit hält, aber gute That gleicht einer festen, runden, neuen Tonne, die Wein für des Königs Tafel halten kann.«

»Habt Ihr nichts von unserem Schreiben gehört,« sagte die Schwiegermutter, »das unseren John für gewiß zum Küfer der Königin macht? – und ein Mann, der all sein Leben lang nur Reife an die Fässer gelegt hat, wie er, paßte sich kaum zu diesem Platz.«

»Ob ich's gehört habe!« sagte Caleb, der nun fand, woher der Wind blies, mit einem Ausdruck von Spott über den ausgedrückten Zweifel. »Ob ich's gehört habe, fragt sie!« und indem er sprach, nahm er einen männlichstolzen Gang an, setzte seinen Krempenhut zurecht und ließ seine Stirne unter demselben in allem aristokratischen Glanze hervorscheinen, wie die Sonne hinter einer Wolke.

»Freilich muß er es gehört haben,« sagte Mr. Girder.

»Es ist unmöglich, daß ich's nicht gehört haben sollte,« sagte Caleb; »und so will ich denn der Erste sein, der Euch küsset, ihr Weiber, und Euch Glück wünschet, Küfer, und ich zweifle nicht, daß Ihr es nun wißt, wer Eure Freunde sind, die Euch geholfen haben, und helfen können. Ich hielt es für gut, mich zuerst ein wenig fremd zu stellen,« fügte Caleb hinzu, »um zu sehen, ob Ihr von ächtem Schrot und Korne wäret – doch es ist gut, Mann, Alles ist gut!«

So sprechend, küßte er die Weiber mit einem Ausdruck von Bürgerfreundlichkeit, und reichte dann mit huldreicher Miene dem Mr. Girder die Hand zu einem derben Drucke hin. Auf diese vollständige und für Caleb höchst wohlthuende Verständigung zögerte er nicht, wie man leicht glauben mag, eine Einladung zu einem Feste anzunehmen, zu welchem nicht nur die ersten Personen des Dorfs, sondern auch sein alter Gegner Mr. Dingwall eingeladen wurden. Bei dieser Festlichkeit war er natürlich der gefeiertste und geehrteste Gast, und er machte der Gesellschaft so viel Geschichten vor von dem Einfluß, den er auf seinen Herrn, sein Herr auf den Lord Keeper, der Lord Keeper auf den geheimem Staatsrath, und der geheime Staatsrath auf den König habe, daß, bevor die Gesellschaft sich trennte, (was eher in einer frühen, als einer späten Stunde geschah), ein Jeder der Dorfnotabeln auf der Strickleiter, die Caleb ihrer Einbildung geliehen hatte, nach dem Gipfel irgend einer Beförderung kletterte. Der Schreiber, der Sachwalter selbst – so groß ist der Durst nach Beförderung – fühlte sich in Versuchung, und nachdem er Caleb heimlich in eine Ecke gezogen hatte, sprach er ihm mit verstelltem Bedauern von der hinsinkenden Gesundheit des Sheriff-Clerks der Grafschaft.

»Ein vortrefflicher Mann – ein sehr schätzbarer Mann, Mr. Caleb, doch was soll ich sagen! – Wir sind arme, schwache Sterbliche – heute da und morgen beim Hahnengeschrei fort – und wenn er verfällt, so muß wieder Jemand an seine Stelle kommen – und wenn Ihr sie mir zuweisen könntet, so will ich erkenntlich sein – eine Faust voll Goldstücke – und noch was, ich kann auch Etwas für Euch thun – die Wolf's Hoper mit dem Herrn von Ravenswood vergleichen – dem Lord von Ravenswood wollt' ich sagen – Gott erhalte den edlen Lord?«

Ein Lächeln und ein feuriger Händedruck waren die angemessene Antwort auf diese Eröffnung, und Caleb stahl sich heimlich aus der lustigen Gesellschaft fort, um sich förmlichen Versprechungen zu entziehen.

»Gott steh' mir bei,« sagte Caleb, als er sich im Freien befand, und seinem Frohlocken Luft machen konnte, »hat man je eine solche Heerde von Dummköpfen gesehen! die Möven und Gänse dort am Bach haben zehnmal mehr Verstand! – Wenn ich der Lord Ober-Commissionär bei dem Parlament gewesen wäre, sie hätten nicht mehr Wesen mit mir machen können, und, die Wahrheit zu gestehen, ich nicht mit ihnen! Doch der Schreiber – ha! ha! ha! – ah, ha! ha! ha! Gott verzeih' mir's, daß ich so alt werden sollte, um selbst dem Schreiber behülflich zu sein! – Sheriff-Clerk! – Doch ich hab' eine alte Rechnung mit ihm zu berichtigen, und ich will meinen Schaden einholen. Das Amt soll ihn so viel kosten, als wenn er es in ganzem Ernste kriegen sollte, wozu es wenig Anschein hat, wofern nicht mein Herr den Weltgang besser kennen lernen wird, was sehr zu bezweifeln ist.«

 


 << zurück weiter >>