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Achtundzwanzigstes Kapitel.

Ward je in solcher Laun' ein Weib gefreit?
Ward je in solcher Laun' ein Weib gewonnen?
Ich muß sie haben.

Richard III.

 

Zwölf Monate waren verflossen, seit der Herr von Ravenswood nach dem festen Lande abgereist war, und obwohl man seine Rückkehr in einer kürzeren Frist erwartet hatte, so hielten ihn doch die Geschäfte seiner Sendung oder, wie man öffentlich sagte, seine Privatangelegenheiten auf längere Zeit entfernt. Inzwischen können wir die Veränderungen in Sir William Ashtons Familie aus einem Gespräche entnehmen, das zwischen Bucklaw und seinem vertrauten und untergebenen Schoppenbruder, dem bekannten Kapitän Craigengelt, stattfand.

Sie saßen zu den Seiten eines hohen, grabsteinartigen Kamins in dem kleinen Saale zu Girnington. Ein lustiges Feuer brannte auf dem Rost; ein runder Eichentisch, der zwischen ihnen stand, war mit einem Kruge vortrefflichen Clarets, zwei großen Gläsern mit Erfrischungen besetzt; aber trotz aller dieser Anstalten und Vorrichtungen war das Gesicht des Patrons verdrießlich und unzufrieden, während der Schützling seinen Erfindungsgeist anstrengte, um einen Ausdruck der üblen Launen seines Beschützers zu verhüten.

Nach einer langen Stille, die bloß durch den Zapfenstreich unterbrochen wurde, den Bucklaw mit der Spitze seines Stiefels auf dem Herde trommelte, versuchte es Craigengelt, endlich das Schweigen zu brechen. »Der Teufel hole mich,« sagte er, »wenn ich je einen sah, der weniger das Ansehen eines Bräutigams hatte! Ich will verdammt sein, wenn Ihr nicht eher das Ansehen habt von einem der gehenkt werden soll!«

»Schönen Dank für das Kompliment,« versetzte Bucklaw; »indeß mir scheint's, Ihr denkt an das Ding, das Euch wahrscheinlich einmal begegnen wird. – Und sagt, Kapitän Craigengelt, wenn's Ew. Ehrwürden beliebt, warum sollte ich lustig aussehen, wenn ich verdrießlich bin und höllisch verdrießlich dazu?«

»Das ist's gerade, was mich ärgert,« sagte Craigengelt. »Da ist die Heirath, die beste im ganzen Lande, und für die Ihr so eifrig wäret; sie ist auf dem Punkte geschlossen zu werden, und Ihr seid so brummig, wie ein Bär, der seine Jungen verloren hat.«

»Ich weiß nicht,« versetzte der Laird mürrisch, »ob ich sie schließen würde oder nicht, wenn ich nicht zu weit voran wäre, um zurück zu gehen.«

»Zurückgehen!« rief Craigengelt mit wohlgespieltem Erstaunen aus. »Das hieße wahrhaftig den Krebsgang gehen! zurückgehen! Ist nicht das Vermögen des Weibsbilds –«

»Der jungen Lady, wenn Ihr erlaubt,« unterbrach ihn Hayston.

»Gut, gut, es war nicht unrespectirlich gemeint – Wird die Aussteuer von Miß Ashton nicht so schwer wiegen, als irgend eine in Lothian?«

»Zugestanden,« antwortete Bucklaw; »doch ich verlange keinen Heller von ihr – ich hab' an dem Meinigen genug.«

»Und die Mutter, die Euch, wie ihr eigenes Kind liebt?«

»Sagt, besser als eins ihrer Kinder,« versetzte Bucklaw, »denn sonst wäre an dieser Liebe nicht viel.«

»Und der Colonel Sholto Douglas Ashton, der diese Heirath über Alles wünscht?«

»Weil er,« sagte Bucklaw, »die Stimmen der Grafschaft durch meinen Einfluß erwartet.«

»Und der Vater, der so eifrig ist, diese Heirath geschlossen zu sehen, als ich es sein kann, eine Hauptpartie zu gewinnen?«

»Freilich,« sagte Bucklaw mit demselben verächtlichen Ausdruck, »es gehört zu der Politik von Sir William, die nächste beste Heirath abzuschließen, weil er sein Kind nicht verhandeln kann, um die große Herrschaft Ravenswood zu retten, die ihm das englische Haus der Lords aus den Händen zu winden droht.«

»Was sagt Ihr zu der jungen Lady selbst?« sagte Craigengelt; »das schönste junge Weib von ganz Schottland, in das Ihr so vernarrt wäret, als sie Euch entgegen war, und nun, wo sie einwilligt, Euch zu haben, und ihrem Verhältniß mit Ravenswood zu entsagen, macht Ihr Euch nichts daraus. Ich muß sagen, der Teufel steckt in Euch, da Ihr weder wißt, was Ihr wünscht, noch was Ihr braucht.«

»Ich will Euch kurz meine Meinung sagen,« antwortete Bucklaw aufstehend, und durch das Zimmer gehend; »ich möchte wissen, welcher Teufel schuld ist, daß Miß Ashton so plötzlich ihren Sinn geändert hat?«

»Was kümmert Euch das?« sagte Craigengelt, »wenn Euch der Wechsel günstig ist?«

»Ich will Euch die Wahrheit sagen,« versetzte sein Patron; »ich habe diese Gattung von schönen Damen nie recht gekannt, und ich glaube, sie mögen wohl so launisch, wie der Teufel sein; aber diese Veränderung der Miß Ashton ist mir ein wenig zu plötzlich und zu ernsthaft für eine bloße Laune. Ich bin gewiß, Lady Ashton versteht sich auf alle Werkzeuge, die auf das menschliche Gemüth wirken, und es gibt deren so viele, als es Sprungriemen und Kappzäume für junge Pferde gibt.«

»Wenn das nicht der Fall wäre,« sagte Craigengelt, »wie der Teufel könnte man sie je nach Gefallen lenken?«

»Das ist gewiß,« sagte Bucklaw, indem er seinen Gang durch den Speisesaal unterbrach, und sich auf den Rücken seines Stuhles lehnte. »Und überdies steht mir Ravenswood immer im Weg, glaubt Ihr, daß er Lucien ihr Wort zurückgeben wird?«

»Freilich wird er's,« antwortete Craigengelt. »Was hätte er davon, es zu verweigern, da er ein anderes Weib zu heirathen wünscht, und sie einen anderen Mann?«

»Glaubt Ihr im Ernste,« sagte Bucklaw, »daß er die fremde Lady heirathet, von der man uns erzählte?«

»Ihr selbst habt es gehört,« antwortete Craigengelt, »was der Kapitän Westenho davon und von ihren glänzenden Hochzeitsanstalten sagte.«

»Der Kapitän Westenho,« versetzte Bucklaw, »hat viel zu viel von Eurer Art, Craigie, als daß er ein gültiger Zeuge, wie Sir William sagt, sein könnte. Er trinkt stark, spielt stark, schwört stark, und, ich fürchte, er lügt und betrügt ein wenig obendrein. Alle diese Eigenschaften sind nützlich, Craigie, wenn sie in ihrem eigenen Kreise bleiben; aber vor den Schranken der Wahrheit machen sie die Figur eines Freibeuters.«

»Gut denn,« sagte Craigengelt, »so müßt Ihr dem Colonel Douglas Ashton glauben, der in einer öffentlichen Gesellschaft den Marquis von A– , der sich dieses Ohrenzeugens nicht versah, sagen hörte, daß sein Verwandter seine Sachen besser machen würde, als seine väterlichen Güter für die bleichwangige Tochter eines herabgekommenen Fanatikers zu geben, und daß Bucklaw willkommen sei, Ravenswoods weggeschleuderte Schuhe zu tragen.«

»Hat er das gesagt, beim Himmel!« schrie Bucklaw, indem er sich einem heftigen Ausbruch des Zorns überließ, dem er von Natur unterworfen war. – »Wenn ich ihn gehört hätte, ich hätte ihm die Zunge aus dem Rachen gerissen vor allen seinen Zierpuppen und Fuchsschwänzern und vor seinen hochländischen Eisenfressern obendrein. Warum hat ihn Ashton nicht durch und durch gestoßen?«

»Der Teufel hole mich, wenn ich's weiß,« sagte der Kapitän. »Er hätte es wohl verdient; aber er ist ein alter Mann und ein Staatsminister, und es wäre mehr Gefahr als Ruhm dabei, wenn man ihn angriffe. Ihr solltet eher darauf bedacht sein, die Miß Lucie Ashton für die Ungnade zu entschädigen, womit sie bedroht ist, als Euch mit einem Manne zu messen, der zu alt ist, um zu fechten, und der zu hoch steht, als daß Eure Hand ihn erreichen könnte.«

»Ich werde ihn doch einmal erreichen,« sagte Bucklaw, »und seinen Verwandten Ravenswood dazu. Einstweilen will ich dafür sorgen, daß Miß Ashton keinen Schaden leiden soll durch die Geringschätzung, welche sie ihr erweisen. Indeß es ist ein dummer Spaß, und ich wollte, er wäre vorbei; ich weiß kaum, was ich zu ihr sagen soll. Doch füllt ein Paßglas, Craigie; wir wollen auf ihre Gesundheit trinken. Es wird spät, und eine Nachtkappe von gutem Claret ist die Kappe aller Kappen von Europa.«

 


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