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Vierzehntes Kapitel.

So irr', so wirr', wie bei des Sturmes Blasen
Die dürren Blätter tanzen über'm Rasen,
Und wie die Spreu dorthin und dahin schwebt,
Wenn sich des Morflers Schaufel senkt und hebt,
So irrt des Menschen Streben oft zum Ziele,
Als wär' es jedem Druck der Luft zum Spiele.

Unbekannter.

 

Wir verließen Caleb Balderstone im vollen Siegesrausche über alle von ihm zu Ehren des Hauses Ravenswood vollbrachte Großthaten. Als er die verschiedenen Schüsseln gemustert und geordnet hatte, so fand er, daß seit dem Leichenschmause Wolf's Crag so keinen königlichen Vorrath gesehen hätte. Groß war die Seligkeit des alten Dieners, als er den alten, eichenen Tisch mit einem reinen Tuche schmückte, und Wildpretsbraten und gebratene wilde Vögel darauf setzte, indem er dann und wann einen Blick von sich warf, als wolle er seinem Herrn und dessen Gästen ihren Unglauben vorhalten; und mit mancher mehr oder weniger wahren Geschichte von der alten Größe Wolfscrags und von der Macht der Barone über die Nachbarschaft wurde Lockhard den Abend unterhalten.

Ein Vasall betrachtete kaum ein Kalb oder ein Lamm als sein eigen, bevor er den Lord Ravenswood gefragt hatte, ob's ihm gefalle, es anzunehmen; und sie mußten damals die Erlaubniß des Lords haben, wenn sie sich verheirathen wollten, und man erzählt manche schnurrige Geschichte, sowohl von diesem als von anderen Rechten. »Und obwohl,« sagte Caleb, »unsere Zeiten nicht den guten alten Zeiten gleichen, wo die Herrschaft ihr Recht hatte, so ist es doch wahr, Mr. Lockhard, und Ihr müßt es besonders bemerkt haben, daß wir von dem Hause von Ravenswood durch alle rechtliche und gesetzliche Uebung der Baronsgewalt unser Möglichstes thun zur Aufrechterhaltung des Bandes der Treue zwischen Herrn und Unterthanen, was in Abnahme zu kommen droht bei dem Freiheitsschwindel und den Umtrieben unserer heillosen Zeit.«

»Hm!« sagte Mr. Lockhard, »mit Eurer Erlaubniß, Mr. Balderstone, findet Ihr das Volk in dem Dorf da unten lenksam? denn ich muß Euch gestehen, daß Ihr uns zu Ravenswood Castle, das nun meinem Herrn, dem Lord Keeper, gehört, nicht die biegsamste Art von Unterthanen zurückgelassen habt.«

»Doch, doch, Mr. Lockhard,« versetzte Caleb, »Ihr müßt bedenken, die Lenkung hat hier gewechselt, und wenn der alte Lord von ihnen zwei Schwenkungen erhalten hätte, so kann der neue Ankömmling nicht eine erhalten. Eine harte und widerspenstige Art waren diese Unterthanen von Ravenswood, und es ist schlimm mit ihnen zu leben, wenn sie ihren Meister nicht kennen – und wenn Euer Herr sie einmal rappelköpfisch macht, dann bringt sie das ganze Land nicht wieder zur Vernunft.«

»Wahr,« sagte Mr. Lockhard, »und da es so ist, so würde das Beste für uns Alle sein, eine Heirath zwischen Eurem jungen Lord und unserer schönen Lady zu schmieden; Sir William würde wohl Eure alte Baronei an den Aermel ihres langen Rockes heften, denn er könnte ja bald eine andere dafür haben, so ein gescheidter Kopf als er ist.«

Caleb schüttelte den Kopf. – »Ich wünsche,« sprach er, »ich wünsche, das möge sich schicken, Mr. Lockhard. Er gibt alte Prophezeihungen über dies Haus. Wenn ich sie mit meinen alten Augen, die schon Unglück genug gesehen haben, erfüllt sehen sollte, so würde mir das schlecht gefallen.«

»Still! redet von nichts Fürchterlichem,« sagte sein Amtscollege, »wenn sich die jungen Leute gefallen, so wird ein schönes Paar daraus. Doch die Wahrheit zu sagen, wir haben eine Dame im Hause, die gern ihre Hand hierbei hätte, wie in jeder anderen Sache. Indeß es schadet nichts, wenigstens ihre Gesundheiten zu trinken, und ich will der Mrs. Mysie einen Becher von dem Sekt des Mr. Girders füllen.«

Während sie sich so in der Küche ergötzten, war die Gesellschaft in der Halle nicht weniger vergnügt. Sobald Ravenswood einmal entschlossen war, dem Lord Keeper die Gastfreundschaft, die er anzubieten hatte, widerfahren zu lassen, sobald schien es ihm auch eine Pflicht, die offene und heitere Stirn eines freundlichen Wirthes zu zeigen. Es ist oft bemerkt worden, daß wenn ein Mann anfängt, einen Charakter zu spielen, er häufig damit endet, ihn in vollem Ernste anzunehmen. Nach Verlauf einiger Stunden fand sich Ravenswood zu seinem großen Erstaunen in der Laune eines Mannes, der sich ernstlich bemüht, willkommene und geehrte Gäste zu unterhalten. Wie viel von dieser veränderten Stimmung der Schönheit und Kindlichkeit der Miß Ashton zugeschrieben werden mußte, und der Gutmüthigkeit, womit sie sich in das Unbequeme ihrer Lage fügte, wie viel davon auf des Lord Keepers einschmeichelnde und anziehende Unterhaltung kam, die mit Worten, welche das Ohr gewinnen, reichlich versehen war; das wollen wir dem scharfsinnigen Leser zur Errathung überlassen. Ravenswood war für keins von beiden gefühllos.

Der Lord Keeper war ein alter Staatsmann, mit Höfen und Cabinetten wohl bekannt, und vertraut mit allen Wendungen der öffentlichen Geschäfte während der letzten erfolgreichen Jahre des siebenzehnten Jahrhunderts. Er konnte aus eigener Bekanntschaft von Männern und Ereignissen mit einer Art erzählen, die nicht verfehlte, die Aufmerksamkeit zu fesseln, und er besaß die eigene Kunst, während er nie ein Wort sagte, was ihm hätte übel ausgelegt werden können, seinen Zuhörer glauben zu machen, als wenn er ohne die geringste Zurückhaltung spräche. Ravenswood fühlte sich trotz seines halb eingebildeten und halb wohl verstandenen Grolls zugleich ergötzt und unterrichtet, indem er ihm zuhörte, während der Staatsmann, der durch seine Beklommenheit zuerst verhindert worden war, sich zu zeigen, nun die leichte und lebendige Beredtsamkeit eines Rechtsgelehrten ersten Ranges gewann.

Seine Tochter sprach nicht viel, aber sie lächelte, und Alles, was sie sagte, zeugte von einem Wohlwollen und einer Gutherzigkeit, die für einen stolzen Mann, wie Ravenswood, bezaubernder waren, als der glänzendste Witz. Vor allem jedoch mußte er bemerken, daß ihn seine Gäste, sei es aus Dankbarkeit oder aus einem anderen Grunde, in seiner leeren und armen Halle mit einer Achtung betrachteten, als wenn er von allem Glanz und aller Fülle seines Standes umringt gewesen wäre. Alles Mangelhafte blieb unbemerkt, und wenn man davon redete, so geschah es nur, um die Nothmittel, wodurch Caleb dem Mangel abzuhelfen gesucht hatte, zu preisen. Wo ein Lächeln unvermeidlich war, war es ein gutmüthiges, oft mit einer wohlangebrachten Schmeichelei verbundenes, wodurch die Gäste zu erkennen gaben, wie sehr sie das Verdienst ihres edlen Wirthes schätzten, und wie wenig sie an die Unbequemlichkeiten dächten, von denen sie umgeben waren. Ich weiß nicht, ob der Gedanke, daß man wegen seines persönlichen Verdienstes seine mißlichen Glücksumstände übersähe, für das stolze Gemüth des Herrn von Ravenswood nicht eben so wohlthuend war, als die Unterhaltung Sir Williams und die Schönheit seiner Tochter.

Die Stunde der Ruhe kam heran. Der Lord Keeper und seine Tochter zogen sich nach ihren Gemächern zurück, die besser eingerichtet waren, als man erwartet hätte. Denn bei den nöthigen Vorbereitungen hatte sich Mysie des Beistandes einer Gevatterin zu erfreuen gehabt, die auf Kundschaft vom Dorfe gekommen, aber von Caleb zurückgehalten, und für den Abend mit den häuslichen Arbeiten beladen worden war, also daß sie sich gezwungen sah, statt bei ihrer Nachhausekunft die Kleidung und die Person der vornehmen jungen Lady zu beschreiben, in dem Haushalte von Wolf's Crag thätigen Beistand zu leisten.

Der Sitte der Zeit gemäß führte der Herr von Ravenswood den Lord Keeper in sein Gemach. Caleb, der ihnen folgte, stellte mit der Feierlichkeit, wie sie Wachskerzen gebührte, zwei grobe Talglichter, wie man sie heute nur auf dem Lande findet, auf Leuchtern von Eisendraht auf den Tisch. Dann ging er weg und kam mit zwei erdenen Krügen zurück (»das Porzellan,« sagte er, »ist seit Myladys Zeiten wenig gebraucht worden«); der eine war voll Sekt, der andere voll Branntwein. Es war ehemals ein allgemeiner Brauch, Ale, Wein oder ein starkes, geistiges Getränk in das Zimmer eines geehrten Gastes zu setzen, damit, wenn derselbe in der Nacht vor Durst erwache, er denselben löschen könne, und wenn man die oft ausschweifende Gastlichkeit jener Zeit betrachtet, so ist dies gar nicht unwahrscheinlich. Der Verfasser hat Beispiele davon gefunden in alten Zeiten und bei altgewohnten Familien. Es war vielleicht keine Erdichtung, wenn es heißt:

Mein Weib und ich wir haben zu Nacht
Unterm Bett zwei Krüge Bier,
Die leeren wir aus, sind wir erwacht:
Was scheint euch von ihr und von mir?

Man erzählt im Teviotdale, daß in einem altadeligen Hause, das den Presbyterianern zugethan war, immer eine Bibel und eine Flasche starkes Bier in das Schlafzimmer der Gäste gegeben wurde. Einst hielten die Pfarrer eine Versammlung in der Nähe des Schlosses. Alle wurden von dem Baronet zum Essen eingeladen, und einige von ihnen für die Nacht. Der Sitte der Zeit gemäß wurden sieben der ehrwürdigen Gäste in einen einzigen weiten Bettraum gewiesen, wie man sie bei einem großen Zudrang von Gästen gebrauchte. Der Kellermeister versah nach dem Brauche jeden der Pfarrer mit einer Bibel und einer Flasche Ale. Aber nach einer kurzen Berathung unter sich riefen sie, wie man sagt, den Diener zurück, grade als derselbe das Gemach verlassen wollte. »Mein Freund,« sagte einer der ehrwürdigen Gäste, »Ihr müßt wissen, wenn wir als Brüder zusammenkommen, so liest der jüngste Pfarrer eine Stelle der Schrift den Uebrigen vor; darum haben wir nur eine Bibel nöthig: nehmt die anderen sechs mit Euch, und bringt statt ihrer noch sechs Flaschen Ale.«

Diese Synode wäre mit Johnson's weisem Eremiten in Uebereinstimmung gewesen, der einem Zögling, welcher sich nach dem wahren Wege zur Glückseligkeit erkundigte, mit dem berühmten Verse antwortete:
Komm', mein Kerlchen, trinke Bier.

»Der Canariensekt,« erklärte er, unbekümmert darum, ob man ihn Lügen strafen könne, »sei zwanzig im Jahre in dem Keller von Wolfscrag, obgleich es ihm nicht zukomme, so vor I. Herrlichkeit zu sprechen; der Branntwein, ein köstliches Getränk, süß, wie Honigtrank und stark, wie Simson, sei immer im Hause gewesen seit dem denkwürdigen Feste, wo der alte Micklestob oben an der Treppe von Jamie von Jenklbrae erschlagen worden sei, in einer Ehrensache, die Hochedle Lady Muirend betreffend, die in gewisser Beziehung eine Verwandtin der Familie gewesen sei, nichts destoweniger –«

»Um's kurz zu machen, Mr. Caleb,« sagte der Lord Keeper, »vielleicht wollt Ihr mich mit einem Krug Wasser beglücken.«

»Gott behüte, daß Ew. Herrlichkeit in dieser Familie Wasser trinke,« versetzte Caleb, »das wäre eine Schande für ein so berühmtes Haus.«

»Nichts destoweniger, wenn Se. Herrlichkeit Lust dazu hat,« sagte Ravenswood lächelnd, »möcht Ihr seinen Willen thun, denn wenn ich nicht irre, so ist ganz neulich Wasser hier getrunken worden und mit Wohlgefallen dazu.«

»Freilich, wenn Se. Herrlichkeit Lust hat,« sagte Caleb, und als er mit einem Wasserkrug wieder hereintrat: »Er wird kaum anderswo ein solches Wasser finden, wie es der Brunnen von Wolfscrag liefert – nichts destoweniger ...«

»Nichts destoweniger müssen wir den Lord Keeper in dieser unserer schlechten Kammer jetzt in Ruhe lassen,« sagte der Herr von Ravenswood, seinen schwatzhaften Diener unterbrechend, welcher sich alsbald mit einer tiefen Verbeugung nach der Thüre kehrte, bereit, seinen Herrn aus dem Geheimzimmer zu begleiten.

Aber der Lord Keeper verhinderte seinen Wirth wegzugehen: »Ich habe nur ein Wort dem Herrn von Ravenswood zu sagen, Mr. Caleb, und mir scheint's, er wird Euch entschuldigen, wenn Ihr nicht auf ihn wartet.«

Caleb zog sich mit einer zweiten, noch tieferen Verbeugung zurück, und sein Herr blieb stehen in großer und unruhiger Erwartung, welches wohl der Beschluß eines Tages sein möge, der so reich war an unerwarteten Vorfällen.

»Herr von Ravenswood,« sagte Sir William Ashton mit einiger Zögerung, »ich hoffe, Ihr kennet das Christenthum zu wohl, als daß Ihr die Sonne über Eurem Groll untergehen ließet.«

Ravenswood erröthete und versetzte, »er habe diesen Abend keine Gelegenheit, diese ihm durch das Christenthum auferlegte Pflicht auszuüben.«

»Ich hätte das Gegentheil geglaubt,« sagte sein Gast, »wenn ich die verschiedenen Streitigkeiten und Prozesse betrachte, die leider häufiger, als es wünschenswerth und nöthig war, zwischen dem letzten edlen Lord, Eurem Vater, und mir statthatten.«

»Ich hätte gewünscht, mein Herr,« sagte Ravenswood, von einer geheimen Aufwallung beunruhigt, »daß dieses Verhältnisses eher anderswo, als unter meines Vaters Dache gedacht werden möchte.«

»Ich hätte das Bedenkliche dieser Erwähnung zu anderer Zeit wohl gefühlt, aber nun muß ich in meiner Rede fortfahren. Ich habe in meinem Innern zu sehr dadurch gelitten, daß eine falsche Scham mich abgehalten hat, eine persönliche Unterredung mit Eurem Vater, die ich in der That oft nachsuchte, ernstlich zu erbitten – mancher Aerger und Kummer wäre ihm und mir dadurch erspart worden.«

»Es ist wahr,« sagte Ravenswood nach kurzem Besinnen; »ich hörte meinen Vater sagen, daß Ew. Herrlichkeit eine persönliche Unterredung vorgeschlagen habe.«

»Vorgeschlagen, mein lieber Herr? Ja, ich habe sie vorgeschlagen; aber ich hätte sie erbitten und erflehen sollen. Ich hätte den Schleier wegreißen sollen, den eigennützige Personen zwischen ihm und mir ausgebreitet hatten; und ich hätte mich, wie ich es war, bereitwillig zeigen sollen, selbst einen großen Theil meiner gegründeten Rechte aufzuopfern, um Gefühle, wie die seinigen, die bei ihm so natürlich gewesen sein müssen, wieder zu versöhnen. Laßt mich es zu meiner Rechtfertigung sagen, mein junger Freund, – denn also will ich Euch nennen – hätte Euer Vater und ich so viel Zeit zusammengebracht, als mein guter Stern mir heute vergönnt hat, in Eurer Gesellschaft zuzubringen, dann wäre es möglich, daß sich das Land noch heute eines Edelmannes erfreute, der zu den achtungswürdigsten des alten Adels gehörte, und ich hätte den Kummer nicht gehabt, durch Feindschaft von einem Manne getrennt zu werden, dessen Charakter im Ganzen ich so hoch achtete und bewunderte.«

Er hielt sein Schnupftuch vor die Augen. Auch Ravenswood war gerührt, doch erwartete er schweigend das Weitere dieser außerordentlichen Mittheilung.

»Ihr müßt verstehen,« fuhr der Lord Keeper fort, »daß es manche streitige Punkte zwischen uns gab, die ich, obwohl ich die kleine Anerkennung meiner Rechte vermittelst richterlichen Urtheils für nöthig erachtete, nie über die Gränze der Billigkeit zu treiben gesonnen war.«

»Mylord,« sagte der Herr von Ravenswood, »es ist unnöthig, diesen Gegenstand weiter zu verfolgen. Was das Gesetz Euch gibt oder gegeben hat, das gehört Euch; weder mein Vater, noch ich würden etwas auf dem Weg der Gnade angenommen haben.«

»Gnade? – nein – Ihr mißversteht mich,« fing der Lord Keeper wieder an; »oder vielmehr Ihr seid kein Rechtsgelehrter. Ein Recht kann oft gut sein nach dem Gesetz, und als gut anerkannt werden, dessen sich doch ein Ehrenmann nicht gerne in jedem Falle bedienen möchte.«

»Es thut mir leid, Mylord,« sagte Ravenswood.

»Nein, nein,« versetzte sein Gast, »Ihr sprecht wie ein junger Rath; Euer Herz geht Eurer Einsicht voraus. Es sind manche Dinge zwischen uns noch zu entscheiden. Könnt Ihr mich tadeln, der ich ein friedfertiger Mann bin, und der ich mich in dem Schlosse eines jungen Edelmanns befinde, der mir und meiner Tochter das Leben rettete, daß ich mich sehne, ängstlich sehne, daß diese Dinge auf das Billigste geregelt werden?«

Der alte Mann hielt, während er sprach, die Hand von Ravenswood fest, und machte es demselben unmöglich, welches auch sein Entschluß sein mochte, eine andere, als zusagende Antwort zu geben: also wünschte derselbe seinem Gaste gute Nacht, und bestimmte den nächsten Morgen zur Fortsetzung der Unterredung.

Ravenswood eilte nach der Halle, wo er die Nacht zubringen wollte, und ging darin mit schnellen und ungeregelten Schritten auf und nieder. Sein Todfeind war unter seinem Dache, doch seine Gefühle gegen ihn waren weder die eines Familienfeindes, noch die eines wahren Christen. Es war ihm, als wenn er ihm als Familienfeind nie verzeihen und als Christ seine Rache nicht weiter treiben könne, und als wenn er einen niederträchtigen und ehrlosen Vergleich zwischen seinem Groll gegen den Vater und seiner Neigung für die Tochter mache. Er fluchte auf sich selbst, während er im Mondlicht und bei dem röthlichen Schein des verglimmenden Feuers hin und her rannte. Er riß die Gitterfenster auf und schlug sie wieder zu, als wenn ihn der Zudrang und der Ausschluß der freien Luft gleich sehr beunruhigte. Endlich legte sich die Aufwallung, und er warf sich in den Stuhl, der für diese Nacht sein Ruheplatz sein sollte.

»Wenn dieser Mann« – dies war seine ruhigere Ueberlegung, die auf den Sturm der Leidenschaften folgte – »wenn dieser Mann wirklich nicht mehr verlangt, als was ihm das Gesetz zuspricht, wenn er selbst seine anerkannten Rechte der Billigkeit unterordnen will, welche Ursache konnte mein Vater haben, sich zu beklagen? und welche habe ich? – Diejenigen, von denen wir unsere alten Besitzungen gewonnen haben, fielen unter dem Schwert meiner Ahnen, und ließen Land und Leben den Siegern; wir sinken unter der Gewalt des Gesetzes, das der schottischen Ritterschaft zu mächtig ist. Laßt uns unterhandeln mit den heutigen Siegern, als wären wir in unserer Burg belagert ohne Hoffnung auf Entsatz. Dieser Mann kann ein anderer sein, als ich glaubte, und seine Tochter – doch ich will nicht an sie denken.«

Er warf seinen Mantel um sich, schlief ein und träumte von Lucie Ashton, bis der Tag durch die Gitterfenster glänzte.

 


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