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Einundzwanzigstes Kapitel.

Marall. Sir, es kommt der Ehrenmann,
Er stieg vom Pferd' erst – –
Overreach. Herein mit ihm,
Und thut, wie ich befehle. – –
Ist die Musik, wie ich's geboten hab',
Bereit, ihn zu empfangen?

Neuer Weg, alte Schulden zu bezahlen.

 

Sir William Ashton, obwohl ein Mann von Verstand, Rechtskunde und großer Weltkenntniß, hatte doch einige Charakterflecken, die mit der Schüchternheit seines Gemüths und mit der Geschmeidigkeit, wodurch er in der Welt gestiegen war, besser übereinstimmten, als mit seinem gegenwärtigen hohen Standpunkt, da dieselben einen natürlich mittelmäßigen, obwohl sorgfältig gebildeten Geist und ein natürlich gemeines, obwohl sorgfältig verhülltes Gemüth anzeigten. Er liebte es, seinen Reichthum sehen zu lassen, weniger als ein Mann, dem dies zur Gewohnheit geworden ist, denn als einer, der sich immer noch an der Neuheit seines Reichthums kitzelt. Die geringsten Kleinigkeiten entgingen ihm nicht, und Lucie bemerkte bald die zürnende Röthe auf Ravenswoods Wangen, wenn ihr Vater mit Lockhard, ja selbst mit der alten Haushälterin ernstlich über Gegenstände sprach, um die man sich in Familien von Rang nicht bekümmert, weil man ihre Vernachlässigung für unmöglich hält.

»Ich könnte Sir William,« sagte Ravenswood eines Abends, als derselbe das Zimmer verlassen hatte, »einige Sorgsamkeit bei dieser Gelegenheit verzeihen, denn der Besuch des Marquis ist eine Ehre, und muß als solche empfangen werden; aber ich vergehe bei diesen erbärmlichen Einzelheiten von Speisekammer und Hühnerstall – sie bringen mich zur Verzweiflung, und lieber will ich den Mangel von Wolf's Crag erdulden, als von dem Reichthum in Ravenswood Castle gequält werden.«

»Und doch,« sagte Lucie, »hat mein Vater durch seine Achtsamkeit auf diese Einzelheiten die Herrschaft gewonnen – –«

»Die meine Vorfahren aus Unachtsamkeit dafür verloren haben,« versetzte Ravenswood. »Sei es so; ein Lastträger schleppt immer nur eine Bürde, wär' es auch eine Bürde Goldes.«

Lucie seufzte; sie sah zu deutlich ein, daß ihr Liebhaber die Sitte und Gewohnheit ihres Vaters verspottete, den sie so lange als ihren besten Freund betrachtet hatte, dessen Zärtlichkeit sie für die abstoßende Härte ihrer Mutter tröstete.

Die Liebenden entdeckten bald andere, nicht weniger wichtige Gegenstände, über die sie uneinig waren. Die Religion, die Mutter des Friedens, wurde in diesen Tagen der Zwietracht so mißdeutet und mißverstanden, daß ihre Gebräuche und Formen Gegenstände des eifrigsten Widerspruchs und des feindseligsten Haders wurden. Der Lord Keeper, als ein Whig, war Presbyterianer, und er hatte es zu verschiedenen Zeiten für räthlich gehalten, einen größeren Eifer für die Kirche zu bekennen, als er vielleicht wirklich fühlte. Seine Familie war ebenfalls in dieser Lehre erzogen. Ravenswood, wie wir wissen, gehörte zu der Hohen oder Episcopalischen Kirche, und warf Lucien häufig die Schwärmerei einiger ihrer Glaubensgenossen vor, während sie ihren Abscheu an den freigeistigen Grundsätzen, wie sie die hierarchische Kirchenverfassung anzusehen gelehrt worden war, eher merken ließ, als ausdrücklich darlegte.

Obgleich ihre gegenseitige Neigung eher zu steigen als zu sinken schien, so waren doch ihre Gefühle, als sich ihre Charaktere immer deutlicher darstellten, nicht ohne eine weniger angenehme Mischung. Bei aller Liebe fühlte Lucie eine geheime Scheu vor Ravenswood. Die Seele desselben war von höherer, stolzerer Art, als die anderer Personen, mit denen sie bisher verkehrt hatte; seine Gedanken waren edler und freier; und er verachtete viele Dinge, die ihr als höchst ehrwürdig geschildert worden waren. Ravenswood seinerseits sah in Lucien einen zarten und biegsamen Charakter, der in seinen Augen wenigstens allzu sehr der Gefahr ausgesetzt war, jede Form von seiner Umgebung anzunehmen. Er fühlte, daß sein Gemüth einer Gefährtin von unabhängigeren Sinnen bedürfe, die mit das Meer des Lebens durchsteuern könne, entschlossen wie er selbst, mit gleichem Muthe den Sturm und das günstige Wetter zu dulden. Aber Lucie war so schön, so treu ergeben, so sanften und freundlichen Herzens, daß er sich, während er ihr einen höheren Grad von Festigkeit und Entschlossenheit gerne angewünscht hätte, und während er oft über ihre außerordentliche Besorgniß, daß ihre Liebe vor der Zeit entdeckt werden möchte, böse wurde, gerade durch diese Zartheit des Gemüthes, die fast Schwäche war, noch mehr eingenommen fühlte, indem er ein Wesen in ihr erblickte, das sich freiwillig zu seinem Schutze an ihn schmiege, und ihn zum Herrn seines Schicksals auf Wohl und Wehe mache. Die Gefühle, die er in solchen Momenten für sie hatte, waren die, welche seitdem so schön von unserer unsterblichen Baillie ausgedrückt worden sind:

– – – Du süßes Ding,
Wie sich je eins am schroffen Felsenblock
Hat angerankt, ach! möchtst du zu mir auf?
Rauh bin ich, sturmgeprüft – doch liebe mich,
Wie du es thust voll Treu', ich werde dich
Mit ganzem Herzen lieben, bin ich gleich
Ein rauher Freund für solche zarte Freundin.

Sonach schienen die Punkte, selbst in denen sie uneinig waren, gewissermaßen den Bestand ihrer gegenseitigen Neigung zu verbürgen. Freilich, wenn sie ihre Charaktere so genau gekannt hätten vor jener leidenschaftlichen Aufwallung, worin sie sich so hastig gegenseitige Treue gelobten, so hätte Lucie vielleicht Ravenswood zu sehr gefürchtet, als daß sie ihn je würde geliebt haben, und er hätte vielleicht ihre Sanftmuth und Hingebung für Schwäche angesehen, die keines Blickes würdig wäre. Aber sie waren nun einander verlobt, und Lucie fürchtete nur, daß der Stolz ihres Liebhabers ihn eines Tages verleiten möchte, sein Bündniß zu bereuen, Ravenswood hingegen, daß ein so lenkbares Gemüth, wie das von Lucien, bei Abwesenheit oder unter Widerwärtigkeiten durch den Einfluß ihrer Umgebung bestimmt werden könnte, ihrem eingegangenen Bündniß zu entsagen.

»Fürchtet das nicht,« sagte Lucie, als sich bei einer Gelegenheit ihr Liebhaber diese Besorgniß merken ließ: »die Spiegel, die alle Gegenstände nach einander widerstrahlen, sind aus hartem Stoff, aus Glas oder Stahl geformt – die zarteren Stoffe behalten unverwischt den Eindruck, den sie einmal empfangen haben.«

»Das ist Poesie, Lucie,« sagte Ravenswood, »und in der Poesie ist immer Trug und oftmals Lug.«

»So glaubet wenigstens meiner aufrichtigen Prosa,« sagte Lucie, »daß, obgleich ich mich nie gegen die Zustimmung meiner Aeltern einem Manne vermählen werde, weder Gewalt, noch Ueberredung über meine Hand verfügen sollen, bis Ihr dem Rechte entsagt, das ich Euch gegeben habe.«

Die Liebenden hatten Zeit genug zu solchen Verständigungen. Heinrich war nur selten ihr Gesellschafter: er folgte entweder als ein sehr ungeneigter Zuhörer den Vorträgen seines Hofmeisters, oder als ein eifriger Freiwilliger den Unterweisungen der Förster und Reitknechte. Was den Lord Keeper betrifft, so war er Morgens in seinem Cabinette, wo er seinen ausgedehnten Briefwechsel besorgte, und in seinem ängstlichen Gemüth die verschiedenen Nachrichten, die er von allen Seiten über die bevorstehende politische Veränderung in Schottland erhielt, und die muthmaßliche Stärke der Parteien, die sich um die Macht bekämpfen wollten, in Erwägung zog. Zu anderen Zeiten beschäftigte er sich, die zum Empfang des Marquis von A–, dessen Ankunft schon zweimal wegen Verhinderung aufgehoben worden war, nöthig erscheinenden Voranstalten anzubefehlen, zu widerrufen und anzubefehlen.

Bei diesen mannigfaltigen politischen und häuslichen Zerstreuungen schien er es nicht zu bemerken, wie sich seine Tochter und sein Gast wechselseitig suchten, und er wurde von manchen seiner Nachbarn getadelt, wie dieß bei den Nachbarn aller Länder der Brauch ist, daß er ein so vertrautes Verhältniß zwischen zwei jungen Personen gestatte. Die einzige natürliche Erklärung, die man sich machte, war, daß er die jungen Leute für einander bestimmt habe, während er in Wahrheit nur Zeit zu gewinnen suchte, bis er den Grad der Theilnahme, die der Marquis von Ravenswood schenkte, und die Macht, die derselbe zum Beweis dieser Theilnahme aufbieten könne, kennen gelernt hätte. Bis diese Punkte im Klaren wären, beschloß der Lord Keeper, nichts zu thun, was ihm nachtheilig werden könne, weder auf die eine, noch die andere Art, und wie mancher andere Schlaukopf betrog er sich selbst auf die kläglichste Weise.

Unter denen, die geneigt waren, das Verhalten von Sir William Ashton, weil er Ravenswood so lange unter seinem Dache dulde, und ihn frei mit Miß Ashton verkehren lasse, auf's Strengste zu tadeln, befand sich der neue Laird von Girnington und sein getreuer Knappe und Mundschenk, Personen, die uns von früher bekannt sind unter dem Namen Hayston von Bucklaw und Kapitän Craigengelt. Der Erste war endlich in den Besitz der Güter seiner langlebenden Großtante gelangt, und hatte die übrigen ererbten Reichthümer dazu angewandt, seine väterlichen Ländereien zurückzukaufen (nach deren Namen er sich immer noch vorzugsweise nannte), ungeachtet der Kapitän Craigengelt ihm als vortheilhafter vorgeschlagen hatte, das Geld für das Law'sche System anzulegen, das damals Mode wurde, und seine Dienste angeboten hatte, zu diesem Zweck eine eigene Reise nach Paris zu machen. Aber Bucklaw hatte im Unglück Weisheit gelernt, und wollte auf keinen Vorschlag eingehen, der seiner neugewonnenen Unabhängigkeit im Geringsten bedrohlich werden könne. Wer einmal zu Wolf's Crag Erbsenbrod gegessen, sauren Wein getrunken und in dem Geheimzimmer geschlafen habe, würde, sagte er, für sein übriges Leben einen guten Tisch und ein weiches Bett loben, und sich sorgfältig hüten, nie mehr einer solchen Gastfreundschaft zu bedürfen.

Sonach fand sich Craigengelt in seiner ersten Hoffnung, von dem Laird Bucklaw Vortheil zu ziehen, betrogen. Dennoch fuhr er aber fort, von dem Glücke seines Freundes Manches mitzugenießen. Bucklaw, der bei der Auswahl seiner Gesellschaft nie im Geringsten bedenklich gewesen war, fühlte sich behaglich und unterhalten im Umgang mit einem Kerl, mit dem und über den er lachen konnte, der einen Appetit hatte, um, wie der schottische Ausdruck heißt, den Bissen mit der Schüssel zu verschlingen, der alle Spiele im Hause und im Freien verstand, und der, wenn der Laird Lust zu einer Flasche Wein hatte (was nicht selten der Fall war), immer bereit war, ihn der Schmach, sich allein zu betrinken, zu erheben. In dieser Eigenschaft war Craigengelt der fleißige, ja der beständige Gast des Hauses von Girnington.

Zu keiner Zeit und unter keinen Umständen hätte aus diesem Umgange Gutes kommen können, jedoch den bösen Folgen wurde vorgebeugt durch die genaue Kenntniß, die Bucklaw von dem Charakter seines Gastes hatte, und durch die tiefe Verachtung, die er gegen denselben fühlte. Aber dieser schlechte Umgang drohte doch immer, das Gute zu verderben, das die Natur in die Seele des Wirths gepflanzt hatte.

Craigengelt hatte nie den Hohn verzeihen können, womit der Herr von Ravenswood die Maske des Muthes und der Ehrenhaftigkeit von seinem Gesichte gezogen hatte, und Bucklaw gegen ihn aufzureizen, war das sicherste Rachemittel für sein feiges, listiges, tückisches Gemüth.

Bei allen Gelegenheiten brachte er die Herausforderung vor, die Ravenswood abgelehnt hatte, und suchte durch alle möglichen Einflüsterungen seinen Beschützer glauben zu machen, daß die Ehre desselben es erheische, diese Sache durch eine alsbaldige Vernehmung mit Ravenswood in's Reine zu bringen. Doch in Bezug auf diesen Gegenstand legte ihm Bucklaw endlich ein strenges Schweigen auf.

»Ich denke,« sagte er, »Ravenswood hat mich nicht als einen Edelmann behandelt, und er hat kein Recht gehabt, mich mit einer stolzen Antwort abzuspeisen, als ich Genugthuung verlangte. Aber er hat mir einmal das Leben geschenkt, und, wenn ich die Sache jetzt übersehe, so sind wir mit einander in Richtigkeit. Kommt er mir wieder in die Quere, dann sehe ich die alte Rechnung für ausgeglichen an, und dann soll sich der Herr in Acht nehmen.«

»Ob er es soll!« wiederholte Craigengelt, »denn wenn Ihr einmal dran seid, Bucklaw, ich wette Alles, Ihr rennt ihn durch vor dem dritten Stoß.«

»Dann versteht Ihr nichts von der Sache,« sagte Bucklaw, »oder Ihr saht ihn nie fechten.«

»Ich verstehe nichts von der Sache,« sagte der Gast – »ein guter Scherz, wahrhaftig! – Hab' ich auch Ravenswood nie fechten sehen, bin ich darum nicht in der Schule von Monsieur Sagoon, dem ersten maître d'armes in Paris, gewesen? und war ich nicht bei Signor Poco zu Florenz, und bei Herrn Lungenfuchser in Wien – und hab' ich nicht alle ihre Künste gesehen?«

»Ich weiß nicht, ob Ihr sie gesehen habt oder nicht,« sagte Bucklaw; »aber was folgt daraus, wenn Ihr sie gesehen hättet?«

»Weiter nichts, als daß ich verdammt sein will, wenn ich je einen Franzosen, Italiener oder Deutschen sah, dessen Fuß, Hand und Auge halb so gut beim Fechten waren, als Euere, Bucklaw.«

»Ich glaube, Ihr lüget, Craigengelt,« sagte Bucklaw; »indeß ich kann meine Haut mit Degen, Schwert und Säbel vertheidigen, und das ist grade so viel, als ein Edelmann zu wissen braucht.«

»Und das Doppelte von dem, was unter Hunderten neunundneunzig wissen,« sagte Craigengelt; »sie lernen ein Paar Stöße mit dem Degen, und dann, ei seht doch, verstehen sie die edle Kunst der Vertheidigung! Nun, als ich im Jahre 1695 in Rouen war, war daselbst ein Chevalier de Chapon, und ich ging in die Opera, wo wir drei englische Knäbchen – –«

»Ist die Geschichte lang, die Ihr erzählen wollt?« sagte Bucklaw, ihn ohne Umstände unterbrechend.

»Wie es Euch beliebt,« antwortete der Tellerlecker, »denn wir können's kurz machen.«

»Dann macht sie kurz,« sagte Bucklaw; »ist sie ernst oder lustig?«

»Höllisch ernst, ich versprech' es Euch, und sie haben's so gefunden, denn der Chevalier und ich – –«

»Dann will ich gar nichts davon wissen,« sagte Bucklaw; »füllt mir lieber einen Becher mit dem Claret meiner alten Tante, Ruhe ihrer Asche! und wie der Hochländer sagt – › Skioch doch na sciaill»Verderbt einen Trunk durch eine Erzählung!« so viel, als unter englischen Zechbrüdern das Sprüchwort: »Predige nicht bei der Flasche.«

»Das ist's, was mir der alte Sir Evan Dhu immer zu sagen pflegte, als ich im Jahre 1689 mit dem feurigen Jungen im Felde war. Craigengelt, pflegte er zu sagen, Ihr seid ein köstlicher Bursche, wie je einer, der seinen Stahl zu schwingen wußte; aber Ihr habt einen Fehler.«

»Wenn er Euch so lange gekannt hätte, als ich,« sagte Bucklaw, »so würde er noch ein Paar Dutzend andere entdeckt haben. Doch laßt mir Eure langen Geschichten; bringt Euren Toast aus, Mann.«

Craigengelt stand auf, ging auf den Zehen nach der Thüre, sah hinaus, that die Thür sachte zu, kam zurück, setzte seinen verschossenen Tressenhut auf ein Ohr, nahm sein Glas in die eine Hand und sagte, indem er die andere Hand an sein Schwert legte: »Der König über dem Wasser!«

»Ich will Euch die Wahrheit sagen, Kapitän Craigengelt.« sagte Bucklaw; »ich werde meine Meinung über diese Dinge für mich behalten, denn das Andenken meiner verehrungswürdigen Muhme Girnington ist mir zu viel werth, als daß ich ihre Ländereien und Güter durch Hochverrath an der bestehenden Regierung auf's Spiel setzen möchte. Bringt mir den König Jakob nach Edinburgh, Kapitän, mit einem Gefolge von dreißigtausend Mann, und ich will Euch sagen, was ich von seinem Anspruch halte; aber meinen Hals in eine Schlinge zu stecken, und meine schönen Güter der gesetzlichen Beschlagnahme auszusetzen, verlaßt Euch darauf, ich werde so kein Narr sein. Wenn Ihr also Euren Säbel und Euren Becher anfasset, um mit verrätherischen Toasten Wind zu machen, so sucht Euren Wein und Eure Gesellschaft anderswo.«

»Gut denn,« sagte Craigengelt, »bringt den Toast selber aus, und sei er, welcher er wolle, ich will Euch Bescheid thun, und wär's eine Meile bis auf den Grund.«

»Und ich will Euch einen Toast bringen, der das verdient, mein Bürschchen,« sagte Bucklaw; »was sagt Ihr zu Miß Lucie Ashton?«

»Auf damit,« sagte der Kapitän, indem er seinen Becher ergriff, »die hübscheste Dirne in ganz Lothian. Schade, daß der alte Actenreiter, ihr Vater, sie dem hochmüthigen und bettelhaften Lumpen, dem Herrn von Ravenswood, an den Hals werfen will!«

»Das ist nicht so ganz ausgemacht,« sagte Bucklaw in einem Tone, der, obgleich er gleichgiltig schien, die lebhafte Neugier seines Gesellschafters erweckte, und nicht allein diese, sondern auch die Hoffnung, mit einem gewissen Vertrauen bekleidet zu werden, wodurch er seinem Patrone nöthig werden würde, denn er war nicht gesonnen, sich blos dulden zu lassen, wenn er durch Kunst oder List einen besseren Anspruch auf Gunst erhalten könne.

»Ich glaubte,« sagte er nach einer Pause, »die Sache wäre abgemacht. Sie sind immer beisammen, und man spricht von nichts Anderem zwischen Lammerlaw und Traprain.«

»Sie mögen schwatzen, was ihnen beliebt,« versetzte sein Patron, »ich weiß es besser; und ich wiederhole Euch die Gesundheit von Miß Lucie Ashton, mein Bursche.«

»Ich wollte sie auf den Knieen trinken,« sagte Craigengelt, »wenn ich wüßte, daß das Ding pfiffig genug wäre, diesem verdammten Lumpenbaron Hörner aufzusetzen.«

»Ich bitte mir aus, das Wort Hörner aufsetzen nicht mit dem Namen von Miß Ashton zusammenzubringen,« sagte Bucklaw ernst.

»Hörner aufsetzen, sagte ich? – einen Korb zu geben, mein Freundchen – beim Jupiter, ich wollte sagen, einen Korb zu geben,« versetzte Craigengelt; »und ich hoffe, sie wird ihn wegwerfen, wie eine niedrige Karte im Picket, und den Herzkönig aufheben, mein Bürschchen! – Aber – –«

»Was aber?« sagte sein Patron.

»Aber ich weiß gewiß, daß sie stundenlange beisammen sind in Wäldern und Feldern.«

»Daran ist die Affenliebe ihres thörichten Vaters Schuld – das wird man dem Mädchen bald aus dem Kopfe treiben, wenn es je hineingekommen ist,« antwortete Bucklaw. »Und nun füllt mir noch ein Glas, Kapitän, ich bin im Begriffe, Euch glücklich zu machen. – Ich will Euch in ein Geheimniß einweihen – in ein Komplott – in eine Verbindung geistiger Art.«

»Eine Heirathsgeschichte?« sagte Craigengelt, und er hing das Maul, während er die Frage that, denn er besorgte, daß eine Vermählung sein Bleiben zu Girnington unsicherer machen würde, als es in den Junggesellentagen seines Patrons gewesen sei.

»Ja, eine Heirath, Mann,« sagte Bucklaw; »doch warum sinkt Euch der Muth, und warum werden die Rubine auf Euren Wangen so blaß? Der Tisch wird eine Ecke haben, und die Ecke einen Teller, und neben dem Teller wird ein Glas stehen, und die Tischecke und der Teller und das Glas sollen für dich gefüllt werden, und wenn alle Unterröcke von Lothian das Gegentheil geschworen hätten. Ha, Mann, ich bin nicht das Kerlchen, das sich am Leitseile führen läßt!«

»So hat schon mancher brave Kerl gesprochen,« sagte Craigengelt, »und einige meiner besten Freunde; doch, der Teufel hole mich, wenn ich weiß warum, die Weiber konnten mich nicht ausstehen, und wußten mich immer aus der Gunst zu bringen, ehe der Honigmond vorüber war.«

»Hättet Ihr Stand gehalten, bis der vorüber gewesen wäre, dann hättet Ihr eine gute Jahrespension gewonnen gehabt,« sagte Bucklaw.

»Aber ich habe es nie gekonnt,« antwortete der Parasit niedergeschlagen. »Da war Mylord Castle-Cuddy, wir waren Hand und Handschuh, ich ritt seine Pferde, borgte Geld für ihn und mich, besorgte seine Falken, und lehrte ihn, wie er seine Wetten zu machen hätte; und als er auf den Einfall kam, sich zu verheirathen, verheirathete ich ihn mit Katie Glegg, einem Weibe, deren ich so gewiß zu sein glaubte, als es ein Mann nur sein kann. Aber sie hatte mich zum Hause hinaus, als ging's auf Rädern, und das vor Ablauf von vierzehn Tagen!«

»Gut!« versetzte Bucklaw. »Ich denke, ich habe nichts von Castle-Cuddy an mir und Lucie hat nichts von Katie Glegg. Ihr seht, das Ding wird vorwärts gehen, ob's Euch gefällt oder nicht. Die einzige Frage ist, wollt Ihr Dienste leisten?«

»Dienste leisten?« rief der Kapitän aus; »dir, mein Gutsbesitzerchen, mein Lieblingsbursch, für den ich barfuß die ganze Welt durchlaufen würde? – sage mir, wie, wann, wo und warum, und sieh', ob ich dir nicht in allem Möglichem Dienste leisten werde.«

»Nun denn, Ihr müßt zweihundert Meilen für mich reiten,« sagte der Patron.

»Tausend, und es soll mir ein Flohsprung sein,« antwortete der Gast; »ich will auf der Stelle mein Pferd satteln lassen.«

»Laßt Euch lieber erst sagen, wohin Ihr gehen sollt, und was Ihr thun sollt,« sagte Bucklaw. »Ihr wißt, ich habe eine Verwandte in Northumberland, Lady Blenkensop genannt, deren alte Bekanntschaft ich das Unglück hatte, während der Zeit meiner Armuth zu verlieren, und deren Antlitz mir wieder lächelte, als sich die Sonne des Glücks wieder über meinem Haupte erhob.«

»Verflucht seien alle Vetteln mit einem solchen Doppelgesicht!« rief Craigengelt heroisch aus. »Das sage ich als John Craigengelt, der seiner Freunde Freund im Glück und Unglück, bei Armuth und Reichthum ist. Ihr selbst habt etwas davon erfahren, Bucklaw.«

»Ich habe Eure Verdienste nicht vergessen,« sagte sein Patron; »ich erinnere mich, daß Ihr, als ich im Unglück war, mich für den Dienst des Königs von Frankreich oder den des Prätendenten pressen wolltet, und ferner, daß Ihr mir später zwanzig Goldstücke vorstrecktet, als Ihr, wie ich fest glaube, die Neuigkeit kanntet, daß die alte Lady Girnington ein Stück von einem Schlagfluß davongetragen habe. Doch seid nicht niedergeschlagen, John, denn vor allen Dingen Ihr gefallt mir sehr wohl in Eurer Weise, und es ist mein Unglück, gegenwärtig keinen besseren Rathgeber zu haben. Doch auf die Lady Blenkensop zurückzukommen, so wißt, daß sie eine vertraute Freundin von der Herzogin Sarah ist.«

»Was! von Sall Jennigs?« rief Craigengelt aus, »dann muß sie was Rechts sein.«

»Haltet das Maul, und behaltet Euer Torygeprahle für Euch, wenn's möglich ist,« sagte Bucklaw; »ich sage Euch, daß durch die Herzogin von Marlborough meine Verwandtin in Northumberland eine gute Freundin von Lady Ashton, des Keepers Weib, oder, möchte ich sagen, des Lord Keepers Lady Keeper, geworden ist, und daß diese letztere auf ihrer Rückreise von London die Lady Blenkensop mit einem Besuche beehrt hat, und sich in diesem Augenblick auf dem alten Schlosse derselben an dem Ufer der Wansbeck befindet. Nun aber, da diese Damen gewohnt sind, in der Familienregierung ihre Männer für nichts anzusehen, so hat es ihnen jetzt gefallen, ohne Sir William Ashton zu befragen, eine Vermählung zwischen Lucie Ashton und meiner eigenen Herrlichkeit auf's Tapet zu bringen, und Lady Ashton handelt unter eigener Vollmacht für ihre Tochter und ihren Gemahl. Mutter Blenkensop aber, ebenfalls ohne Beglaubigung, thut mir die Ehre an, mich zu vertreten. Ihr könnt annehmen, daß ich ein wenig erstaunt war, als ich fand, daß ein Vertrag, woran ich so sehr betheiligt bin, so weit gediehen war, ehe man mich nur um meine Meinung gefragt hatte.«

»Matschet mich, wenn das nicht gegen die Spielregeln war,« sagte sein Vertrauter; »und sagt, welche Antwort gabt Ihr?«

»Nun, mein erster Gedanke war, den Vertrag und die Unterhändler zum Teufel zu senden, mein zweiter, recht herzlich zu lachen, und mein dritter und letzter war die Meinung, daß das Ding nicht unvernünftig wäre, und daß es mir gut genug anstehen könne.«

»Ei, ich dachte, Ihr hättet das Weibsbild nur ein einziges Mal gesehen – und damals trug sie eine Reitmaske. – Ich bin gewiß, Ihr habt mir's so erzählt.«

»Ja – doch sie gefiel mir damals sehr wohl. Und das schmutzige Betragen von Ravenswood – mich auszuschließen, und mit den Dienern essen zu lassen, weil er den Lord Keeper und dessen Tochter in seinem bettlerischen Hungerschloß hatte – Der Teufel hole mich, Craigengelt, wenn ich ihm verzeihe, ehe ich ihm einen guten Possen gespielt habe!«

»Das ist Eure Schuldigkeit, wenn Ihr Ehre im Leib habt,« sagte Craigengelt, für den das Gespräch nun eine angenehme Wendung nahm; »und wenn Ihr ihm diese Dirne abspenstig macht, so wird's ihm das Herz brechen.«

»Das wird's nicht,« sagte Bucklaw; »sein Herz ist über und über gestählt mit Vernunft und Philosophie, Dinge, von denen Ihr, Craigengelt, nicht mehr versteht, als ich selbst, Gott helfe mir. Doch ich werde seinen Stolz brechen, und das ist's, was ich bezwecke.«

»Erlaubt,« sagte Craigengelt; »doch nun kenne ich die Ursache seines ungeschliffenen Betragens auf seinem alten Wackelthurm! – Eurer Gesellschaft sich schämen? – nein, nein! – Seht, er fürchtet, Ihr möchtet eindringen, und ihm das Mädchen wegschnappen.«

»Was, Craigengelt?« sagte Bucklaw; »scheint Euch das? – doch nein, nein! – er ist ein gut Theil schöner als ich.«

»Wer – er?« rief der Parasit aus! »er ist schwarz, wie ein Feuerhaken, und was seine Gestalt betrifft, er ist ein großer Kerl, das ist wahr – aber gebt mir einen flinken, stämmigen, untersetzten –«

»Pest über dich!« sagte Bucklaw, ihn unterbrechend, »und über mich, daß ich zuhöre! – Ihr würdet eben so viel sagen, wenn ich buckelig wäre. Doch, was Ravenswood betrifft – er hat keine Rücksichten für mich gehabt – ich will keine für ihn haben – wenn ich ihm das Mädchen abgewinnen kann, will ich sie gewinnen.«

»Sie gewinnen? ja, mein Trumpfkönig, Ihr sollt sie gewinnen; Ihr habt die Karten, die Quinte und einen Vierzehner – Ihr macht einen Sechziger, einen Neunziger und Capot mit ihm.«

»Still, still, mit Eurem Spielerwitz,« sagte Bucklaw. »Die Sache ist so weit, daß ich den Vorschlag meiner Verwandtin angenommen habe – Witthum, Ausstattung u. s. w. sind in Richtigkeit, und das Ding muß vorwärts gehen, sobald die Lady Ashton, die ihre Tochter und ihren Sohn in der Hand hat, nach Hause kommt. Gegenwärtig wünschen die Weiber, daß ich ihnen eine vertraute Person mit einigen Schriften sende.«

»Bei diesem köstlichen Wein, ich will bis an's Ende der Welt reiten, bis an die Thore von Jericho, bis zu dem Richterstuhl des Priesters Johannes für dich, mein Freund!« sagte der Kapitän.

»Gut, ich glaub' es, daß Ihr etwas für mich thun würdet und viel für Euch selbst. Nun, jeder könnte die Schriften überbringen, doch Ihr habt noch ein wenig mehr zu thun. Ihr müßt vor der Lady Ashton, so als wäre es für Euch ein gleichgültiges Ding, ein Wort fallen lassen von dem Aufenthalte Ravenswoods bei ihrem Gemahl und von dem vertrauten Umgang desselben mit ihrer Tochter, auch müßt Ihr ihr erzählen, daß man im ganzen Lande von einem Besuch des Marquis von A– spricht, der, wie man glaube, zwischen Ravenswood und Miß Ashton eine Heirath stiften wolle. Es wäre mir lieb, zu hören, was sie dazu sagt, denn, der Teufel hol's, wenn ich mich in Bewegung setzte, den Preis zu gewinnen, sobald ich sehe, daß Ravenswood beim Wettrennen den Sieg davon tragen soll, und er hat bereits manchen Vortheil vor mir voraus.«

»Nicht im Geringsten – die Dirne hat zu viel Verstand, und darum trinke ich ihre Gesundheit zum drittenmal, und, wär's an der Zeit und am Ort, so würde ich sie auf den Knieen trinken, und wer mir nicht Bescheid thun wollte, dem wollte ich die Därme –«

»Hört, Craigengelt, da Ihr in die Gesellschaft vornehmer Frauen geht,« sagte Bucklaw, »so thut mir den Gefallen, und vergesset Eure Stallflüche und Euer Gottverdammmich – ich will ihnen indeß schreiben, daß Ihr ein ungehobelter und ungebildeter Kerl seid.«

»Ja, ja,« erwiderte Craigengelt, »ein franker, freier, aufrichtiger, ehrlicher Soldat.«

»Nicht zu ehrlich und nicht zu sehr Soldat, doch mein Schicksal will, daß ich dich nöthig habe, wie du bist, denn ich muß die Lady Ashton gehörig spornen, daß sie in Bewegung kommt.«

»Ha, wie ich sie spornen will,« sagte Craigengelt, »sie soll herangesprengt kommen wie eine Kuh, die von einem ganzen Nest von Hornissen gejagt wird, und die ihren Schweif über den Rücken wie einen Korkzieher dreht.«

»Und noch was, Craigie,« sagte Bucklaw, »Eure Stiefel und Euer Wamms sind gut genug, darin zu trinken, wie der Mann in der Komödie sagt, aber sie sind etwas zu säuisch für den Theetisch – seid so gut und stutzt Euch etwas besser heraus, und hier ist etwas, um die Unkosten zu decken.«

»Nein, nein Bucklaw – bei meiner Seele, Mann – Ihr thut mir Unrecht – Indeß,« fügte Craigengelt hinzu, indem er das Geld einsteckte, »wenn Ihr es durchaus haben wollt, daß ich Euch verbunden sein soll, so muß ich mich fügen.«

»Gut, zu Pferd nun und fort!« sagte sein Patron, »sobald Euer Reiseanzug besorgt ist. Ihr könnt das schwarze Stutzohr reiten – und, hört wohl, ich will Euch ein Geschenk damit machen.«

»Ich trinke auf das gute Glück meiner Sendung in einem Halbmaßglase,« antwortete der Gesandte.

»Ich danke Euch, Craigie, und thue Euch Bescheid! – Dem guten Glück steht nichts im Wege, als etwa die Launen des Vaters oder der Tochter, aber man hat mir gesagt, daß die Mutter beide um den Finger wickeln kann. Nehmt Euch in Acht, sie nicht mit Eurem jakobitischen Kauderwelsch zu beleidigen.«

»Seid ruhig – sie ist eine Whig und Freundin der alten Sarah von Marlborough – den Sternen sei's gedankt, ich kann, wenn's Noth thut, jede Farbe tragen. Ich habe so tapfer unter John Curcholl gefochten, als ich es je unter Dundee und dem Herzog von Berwick that.«

»Ich verstehe Euch ganz, Craigie,« sagte der Hausherr, »doch Craigie, bitte, geht in den Keller hinunter, und langt uns eine Flasche von dem Burgunder 1678r – er ist in der vierten Kiste rechter Hand. – Und noch eins, Craigie, Ihr könnt ein halbes Dutzend Flaschen langen, während Ihr dabei seid. – Ich denke, das wird für den Abend genug sein.«

 


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