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Zweiunddreißigstes Kapitel.

Welch schöne Namen, wenig gleichen sie
Den kritzelhaften Unterschriften hie!
Die Schrift des Bräutigams ist fest und stark
Wie Fichtenbäume in der Waldesmark,
Und die der Braut ist so behend und leicht,
Daß man sie füglich dem Jasmin vergleicht.

Crabbe.

 

St. Judä, die von Lucie selbst ausbedungene letzte Frist, war da, und, wie wir bereits gesagt haben, weder Briefe noch Nachrichten von Ravenswood. Aber Nachrichten waren da von Bucklaw und von seinem trauten Genossen Craigengelt, die am frühen Morgen ankamen, um die Verlobung zu vollziehen, und das Nöthige zu unterzeichnen.

Der Heirathsantrag war von Sir William Ashton selbst mit Sorgfalt verfaßt worden, und es war aus Rücksicht auf den Gesundheitszustand der Miß Ashton beschlossen worden, daß außer den unmittelbar betheiligten Personen Niemand bei der Unterzeichnung der Pergamente zugegen sein sollte. Es war ferner bestimmt worden, daß den vierten Tag nach Unterzeichnung des Contracts die Vermählung gefeiert werden sollte, eine Maßregel, die Lady Ashton für gut hielt, um zu verhüten, daß Lucie von Neuem auf ihre alte Widersetzlichkeit verfiele. Doch dies war allem Anschein nach nicht zu befürchten. Sie hörte von den gemachten Anstalten mit der stummen Gleichgiltigkeit der Verzweiflung oder vielmehr mit einer Fühllosigkeit, die in der Betäubung ihres Gemüthes gegründet war. Für einen so unachtsamen Beobachter, wie Bucklaw, war in ihrem Benehmen kein viel größeres Sträuben zu erkennen, als einer jeden schüchternen jungen Dame anstehen mochte, doch konnte er es sich nicht verbergen, daß sie eher der Wahl ihrer Eltern nachgab, als eine Neigung zu seinen Gunsten zeigte.

Als der Bräutigam seine Morgengrüße dargebracht hatte, wurde Lucie einige Zeit allein gelassen, doch bemerkte ihre Mutter, daß der Contrakt vor Mittag unterzeichnet werden müsse, damit die Heirath glücklich sein möge.

Lucie ließ sich für diese Gelegenheit ankleiden, wie es dem Geschmack ihrer Umgebung gefiel, und sie ward folglich glänzend geschmückt. Ihre Kleidung bestand aus weißer Seide und brüsseler Spitzen, und ihr Haar war geschmückt mit einer Menge Juwelen, deren Glanz einen scharfen Gegensatz zu der Todtenblässe ihres Gesichtes bildete und zu ihrem trüben und irren Blicke.

Sie war kaum angekleidet, als Heinrich erschien, um die leidende Braut nach dem Prunkgemache zu führen, wo Alles zur Unterzeichnung des Contraktes in Bereitschaft war. »Weißt du, Schwester,« sagte er, »es freut mich vor Allem, daß du den Bucklaw kriegst und nicht den Ravenswood, der wie ein spanischer Grand aussah, und wie Einer, der uns den Hals abschneiden, und uns dann mit Füßen treten wollte. Es ist mir lieb, daß die breite See heute zwischen uns und ihm ist, denn ich vergesse es nie, wie erschrocken ich war, als ich ihn für das aus der Leinwand gesprungene Bild des alten Sir Malise hielt. Sag' im Ernst, bist du nicht froh, daß du ihn so gut los geworden bist?«

»Frage mich nichts, lieber Heinrich,« sagte seine unglückliche Schwester; »wenig Dinge können sich noch ereignen, die mich froh und traurig machen können in dieser Welt.«

»Das ist's, war alle jungen Bräute sagen,« sagte Heinrich, »und darum sei nicht niedergeschlagen, Lucie, denn in zwölf Monaten wirst du ein anderes Lied singen. Ich bin Brautführer, und reite vor dir zur Kirche, und alle unsere Freunde und Verwandten und alle die von Bucklaw reiten im Zuge. Ich hab' ein Kleid mit Scharlach verziert und einen Federhut und ein Degengehenk, doppelt mit Gold eingefaßt, und einen Dolch statt eines Säbels. Ein Säbel wäre mir lieber gewesen, aber mein Vater will nichts davon wissen. Alle diese Dinge und noch hundert andere kommen heute Abend von Edinburgh mit dem alten Gilbert und den Lasteseln. Sobald sie ankommen, will ich sie dir bringen und zeigen.«

Das Geplauder des Knaben wurde durch die Ankunft von Lady Ashton unterbrochen, die über die Zögerung ihrer Tochter etwas beunruhigt war. Mit ihrem süßesten Lächeln faßte sie Lucien beim Arm und führte sie nach dem Zimmer, wo ihre Gegenwart erwartet wurde.

Hier waren nur zugegen Sir William Ashton und Colonel Douglas Ashton, der letztere in vollständiger Uniform, Bucklaw im Putz des Bräutigams, Craigengelt, auf Kosten seines Patrons vom Scheitel bis zu den Sohlen neu herausgestutzt, und der ehrwürdige Bidethebent, da die Gegenwart eines Geistlichen bei allen außerordentlichen Feierlichkeiten in streng-presbyterianischen Familien ein Haupterforderniß war.

Weine und Erfrischungen standen auf einem Tische, auf welchem die Schriften zur Unterzeichnung bereit lagen.

Doch bevor man sich zu dem Geschäfte oder den Erfrischungen wandte, lud Mr. Bidethebent auf ein von Sir William gegebenes Zeichen die Gesellschaft zu einem kurzen Gebet ein, worin er um Segen flehte für den gegenwärtig abzuschließenden Heirathscontrakt. Mit der Einfalt seiner Zeit und seines Berufs, die ihm starke und persönliche Anspielungen erlaubte, bat er, daß das verwundete Herz der einen dieser edlen Partien zur Belohnung des Gehorsams gegen ihre sehr achtbaren Eltern geheilt werden möge, und daß, da sie sich als ein Kind nach Gottes Gebot erwiesen hätte, indem sie Vater und Mutter geehrt hätte, sie und die Ihrigen den versprochenen Segen genießen möchten – langes Leben im Lande hienieden und einen glücklichen Antheil in dem besseren Vaterlande hierauf. Er bat ferner, daß der Bräutigam abgebracht werden möchte von jenen Thorheiten, welche die Jugend vom Pfade der Weisheit verlocken, daß er aufhören möchte, sich an eitler und unnützer Gesellschaft, an Spöttern, Aufrührern und an denen, die bis spät beim Wein sitzen, (hier winkte Bucklaw Craigengelt zu,) zu ergötzen, und daß er die Gesellschaft fliehen möchte, die zum Irrthum führe. Ein angemessenes Gebet für Sir William und Lady Ashton und ihre Familie beschloß diese religiöse Anrede, die sich an jeden der Anwesenden wandte, nur an Craigengelt nicht, den der würdige Geistliche wahrscheinlich als einen ganz verlornen Sünder betrachtete.

Das Geschäft des Tages wurde nun vorgenommen; Sir William Ashton unterzeichnete den Contrakt mit juristischer Förmlichkeit und Genauigkeit, sein Sohn mit militärischer nonchalance, und Bucklaw, der so schnell unterschrieb, als Craigengelt die Seiten wenden konnte, endigte damit, daß er seine Feder gegen die Spitzenhandschuhe seines Schützlings ausspritzte.

Es war nun an Miß Ashton, die Schriften zu unterzeichnen, und sie wurde von ihrer achtsamen Mutter zu diesem Ende an den Tisch geführt. Beim ersten Versuch begann sie, mit einer trockenen Feder zu schreiben, und als dieser Umstand entdeckt war, schien sie nach wiederholtem Versuche unfähig, ihre Feder in das silberne Tintenfaß zu tauchen, das gefüllt vor ihr stand. Die Wachsamkeit von Lady Ashton half dieser Verlegenheit ab. Ich selbst habe den unseligen Contrakt gesehen, und in den deutlichen Buchstaben, womit der Name von Lucie Ashton auf jeder Seite gezeichnet ist, nur eine sehr wenig zitternde Hand bemerkt, was ihren Gemüthszustand zur Zeit der Unterzeichnung offenbart. Aber die letzte Unterschrift ist unvollständig, verwischt und beklekst, denn während ihre Hand sie schrieb, hörte man den Hufschlag eines Pferdes am Thor, worauf man Schritte in der äußeren Gallerie vernahm, und eine Stimme hörte, die im befehlenden Tone dem Widerstande der Dienerschaft Trotz bot. Die Feder fiel Lucien aus der Hand, während sie mit einem schwachen Schrei ausrief: »Er ist gekommen – er ist gekommen!«

 


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