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Neun und zwanzigstes Kapitel.

Doch so schnell erbarmt sich der Himmel eines Thoren nicht, der von Stolz aufgebläht den Herkules spielen wollte! Oft läßt er ihn die ganze Suppe, die er sich eingebrockt, bis auf die Neige ausessen, damit er andern ein desto warnenderes Beyspiel sey, weiser und klüger zu werden. Kaum hatte sich das eben erwähnte Ungewitter verzogen, als von einer andern Gegend schon ein neues und noch stärkeres aufstieg! Mirus, der nun schon längst wuste, wes Geistes Kind der Herr Direktor war, hielt es nicht nur für erlaubt, sondern sogar für Pflicht, ihn in seiner völligen Blöße ans Licht ziehen zu helfen. Zu seiner Ehre sey es gesagt, daß nicht niedrige Schadenfreude ihn dazu antrieb, sondern bloß seine unwandelbare Freundschaft gegen den Rektor Herz. Er hoffte nehmlich, wenn Spitzbart erst in der Verkehrtheit seines Kopfs und Herzens die ganze Schule um und um gekehrt hatte, so daß die ganze Stadt über ihn Zeter schrie, dann würd es leicht sehn, ihn für invalide zu erklären und mit halbem Solde zu Tode zu füttern; Die andre Hälfte würde dann dem Rektor Herz zugelegt und ihm zugleich das Direktorium übertragen! Das war sein Plan, und diesem gemäß machte ihm freylich jede Nachricht von Spitzbarts Sottisen wahre Freude. Auch die Erzählung von den Actis der pädagogischen Versamlung ergötzte ihn ungemein und er bedauerte sehr, daß er es verschmäht hatte, sie persönlich zu besuchen! Allein dieser Kontrast zwischen Herz und Spitzbart war ihm noch nicht auffallend genug: Er wollte ihn noch stärker haben und dazu stand ihm ein sehr leichter Weg offen. Der geneigte Leser wird sich erinnern, daß der ganze Einfall mit der pädagogischen Versammlung ein blosser Nothschuß des Herrn Direktors war, um den öffentlichen Lehrstunden zu entgehen, zu denen er vermöge seiner Vokation gehalten war. Mirus merkte ohnschwer das Ziel vom Grusse und streckte seine starke Hand aus, um das Schiflein des Herrn Direktors, das sich kümmerlich genug auf eine Sandbank gerettet hatte, von neuem ins wilde und tobende Meer zu werfen.

In der nächsten Session auf dem Rathhause, als alle Senatoren versamlet waren, bat Mirus um Erlaubniß, ein Wort von Schulsachen vorzutragen. Da der Himmel sie so glücklich gemacht hätte, sagte er mit einer schelmisch trocknen Miene, ihnen einen Direktor zu bescheren, der sich gleich beym Antritte seiner Regierung von einer so glänzenden und wirklich idealischen Seite zeigte, so könnte er sich um des Bestens der Schule willen des Wunsches nicht enthalten, ihn, so wie er sich schon mehreremale als ein Demosthenes auf dem Katheder gezeigt hätte, auch als einen Sokrates darauf zu reden. Die schöne Probe, die er bereits in einer der untern Klassen von seiner sokratischen Geschicklichkeit abgelegt, mache einen nothwendig noch mehr lüstern und glücklicherweise finde es sich, daß er laut des klaren Buchstabens seiner Vokation gehalten sey, in einigen selbstbeliebigen Stunden öffentlichen Unterricht zu ertheilen. Er trage also hiermit darauf an, daß vom ganzen Korpore des Senats ein ehrerbietiges Schreiben an den Herrn Direktor erlassen werde, des Inhalts, daß er sich doch entschliessen möchte, der Schule die Wohlthat seines Unterrichts angedeihen zu lassen.

Man kann leicht denken, daß jedes Wort von Mirus für seinen Kollegen Heineccius ein Pfeil war! Und doch hatte jener in der Hauptsache zu groß Recht, als daß es diesem hätte einfallen können, ihn zu konterkarriren. Er erwiederte also bloß mit einer bittern Miene, der Herr Direktor werde sich schon von selbst seiner Pflicht erinnern, ohne daß es eines besondern Schreibens an ihn bedürfe! Seine Lektionen würden mit der nächsten Woche angehen, er habe es bereit gegen ihn erklärt! Mit dieser Versicherung begnügte sich Mirus vor der Hand, ohne weiter zu untersuchen, wie wahr oder falsch sie wäre und so gieng der Senat aus einander.

Kaum aber war Heineccius nach Hause, so ergrif er die Feder und schrieb an Meister Spitzbarten folgendes nicht sehr erfreuliche Billet:

»Ich bin in einer entsetzlichen Situation. Mein ganzes Herz empört sich, einem Manne, den ich einmal meinen Freund genannt habe, Härten zu sagen: Und doch, wie kann ich anders? Es muß heraus, das schreckliche Wort, das ich mir und Ihnen mit dem Verluste meines liebsten Kleinods abzukaufen wünschte: Sie haben mich hintergangen, oder wenn Sie lieber wollen, Sie haben mich verführt, mich selbst schändlich, schändlich zu hintergehen! Sie sind nicht der, für den Sie sich gegeben haben und ich lern itzt, nur leider zu spät, welch eine himmelweite Kluft zwischen Schreiben und Thun, Entwurf und Ausführung befestigt ist. Ich bin mir selbst gram, daß ich fähig war, einen solchen Trugschluß zu machen: Und doch, wer an meiner Stelle hätt ihn nicht ebenfalls gemacht? Zwar so thöricht war ich nie, zu glauben, daß Sie oder irgend ein Mensch im Stande wären, Ihr Ideal zu realisiren: Aber das glaubt ich, wer ein Ideal schreiben kann, kann auch eine Schule so vollkommen machen, als es ihre Lage verstattet. Leider glaub ich das nun nicht mehr, und wenn es Ihnen wehe thut, dis von mir zu hören, so denken Sie nur, daß es mir noch tausendmal weher thun muß, die unzählichen Spöttereyen und Sarkasmen von Mirus über Sie und mich zu hören. Noch heute hat er auf dem Rathhause mit wermuthbittern Ausdrücken darauf angetragen, daß Sie Ihrer Vokation gemäß einige Lehrstunden am Gymnasio geben sollten. Ich kann Ihnen also nicht helfen, mit dem nächsten Montage müssen Sie den Anfang machen: Aber ich beschwöre Sie bey allem, was heilig ist, bieten Sie alle Ihre Kräfte auf, Ehre einzulegen. Sollte es geschehen, der Himmel verhüte es! daß es damit eben so schief gienge, wie mit der angefangenen pädagogischen Versamlung, ich würde – ja, ich würde Sie hassen; nicht verfolgen, aber eigentlich hassen. Noch zur Zeit bin ich davon weit entfernt und eben das, daß ich so rund und frey an Sie schreibe, ist ein Beweis, daß ich noch wahre, warme Freundschaft für Sie hege. Kommt es erst so weit, daß Sie weder mündlich noch schriftlich eine Sylbe von mir hören; dann rechnen Sie drauf, daß es mit uns auf ewig aus ist. Sie haben es in Ihrer Gewalt, es zu verhüten und ich dächte, so viel hätt ich auch wohl um Sie verdient, daß Sie den Willen dazu haben sollten.« etc.

Sancho Pansa, erfreulichen Andenkens, preist einmal den Mann sehr hoch, der das herrliche Ding, den Schlaf erfunden hat! Unser Held hätte Ursach gehabt, den Erfinder des niederschlagenden Pulvers gleich hoch zu preisen: Denn eine gute Dosis davon zerstörte alle schlimme Wirkungen, die der plötzliche Schreck über diesen Brief bey ihm hätte anrichten können. Aber so wie ein träger Gaul, der im halben Schlummer einen tiefen Fußfall thut, von seinem Reuter in die Höhe gerissen sich zusammenrafft und rennt und läuft, als kriegt er den Koller: So raffte sich auch unser Herr Direktor mächtig zusammen. Die Deliberation, mit welcher er vorhin nicht zu Stande kommen konnte, was und wie viel Stunden er nehmen wollte, war itzt gleich abgethan. Die Theologie sollt es seyn, nebst der Vertheidigung der christlichen Religion, in wöchentlichen vier Stunden, und da dis bisher das Fach des Rektors Herz gewesen war, so ergieng an ihn die Order, die theologische Klasse mit der nächsten Woche zu räumen. Kaum erscholl das Gerücht davon unter den Schülern, so fuhr in sie alle der Geist der Unzufriedenheit und des lauten Murrens. Unter allen Lektionen, die ihnen Herz gab, war ihnen diese grade die liebste: Ein wahrlich seltner Fall! Aber Herz entfernte sich auch himmelweit von der gewöhnlichen jämmerlichen Methode, die Religion vorzutragen, die den Kopf mit Definitionen, Distinktionen und Demonstrationen anfüllt, aber das Herz leer und kalt läßt. Er lehrte so eigentlich nicht, sondern erweckte und entzündete die Religion bey seinen Zuhörern; Er leyerte ihnen nicht, wie die Moralisten pflegen, die Pflichten gegen Gott, gegen andre und gegen sich selbst nach einander vor, sondern flößte ihnen wirklich tiefe Ehrfurcht vor Gott und feurige Liebe zum Guten ein; Da er seine Schüler aufs genaueste kannte, so zog er ihre geheimsten Begierden und Leidenschaften ans Licht, zeigte ihnen aus tausend Beispielen ihre schrecklichen Folgen und unterstützte sie mit Rath und That, dieselben gänzlich zu unterdrücken oder auch zu mäßigen. Diesen Mann, mehr Beichtvater als Lehrer, sollten sie itzt gegen den Herrn Director fahren lassen, dessen Schwächen ihnen so gut schon bekannt waren, wie fast der ganzen Stadt!

Indeß was war zu thun? Herz hatte gehorcht; Sie wusten es auch und versamleten sich also den nächsten Montag brummisch und murrisch in der Klasse. Der Herr Direktor erschien und, o Wunder! nicht mit der steifen, gebietherischen Amtsmiene, die er sich schon so ganz zu eigen gemacht hatte, sondern höchst gefällig, freundlich und herablassend. Auch hatt er sich mit vielem Fleisse auf seine Lektion vorbereitet und hielt eine sehr pompöse Standrede über die Vortreflichkeit der christlichen Religion, die den allereinzigen Fehler hatte, daß sie in der Region der Ohren behangen blieb und nicht bis ins Herz hinab drang! Die Jünglinge, die einer solidern und nahrhaftern Kost gewohnt waren, gaben zuletzt ihre Unzufriedenheit mit dieser losen Speise ganz sichtbar zu erkennen; Das Gähnen und Plaudern nahm an allen Ecken überhand und es war Zeit, daß die Stunde zu Ende gieng, sonst hätte der Herr Direktor das Rauche herauskehren müssen. Indeß, wie das Sprichwort sagt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! gleich in der zweyten Stunde fand der Herr Direktor ein beschriebnes Blat auf dem Katheder liegen, worauf er mit funkelnden Augen und bebenden Lippen folgende Knittelverse las:

Ach wir Armen! Ach wir Armen!
Wer will unser sich erbarmen!
Ambrosia und Göttermost
War sonst tagtäglich unsre Kost:
Nun kriegen wie nichts als Wind in Leib
Und kauen blos zum Zeitvertreib!
Ach wir Armen, ach wir Armen,
Wer will unsrer sich erbarmen!

Wie eine Furie sprang Spitzbart vom Katheder zurück und ganz in dem Tone, den er in Sexta hatte hören lassen, erhob er eine fürchterliche Litaney von Buben, Schlingeln, Reckeln, Bengeln, Eseln etc. Die jungen Leute, die dieser Fuhrmannsfloskeln nicht gewohnt waren, geriethen in Feuer und Flamme und einer unter ihnen stand auf und sagte ganz trocken: Herr Direktor, wir verbitten uns dergleichen Grobheiten gehorsamst! Wenn Sie das Blat, was auf dem Katheder liegt, für ein Pasquill halten, so wird es doch hoffentlich nur einer von uns gemacht haben: Was brauchen wir andern uns dafür ausschelten zu lassen? Und noch dazu in einem so niederträchtigen –

Der junge Mensch hatte das Wort noch nicht aus dem Munde, als ihm schon von der zürnenden Hand des Herrn Direktors ein voller Schlag ins Gesicht zu Theil ward, daß ihm das helle Feuer aus den Augen sprang. Nun ist wohl nichts auf der Welt so sehr im Stande, die wütendste und unauslöschlichste Selbstrache anzuzünden, als eine übel angebrachte und ungerechte Ohrfeige! Der Herr Direktor hätte sich folglich selbst zuzuschreiben gehabt, wenn ihm Gleiches mit Gleichem und noch dazu mit Interessen wäre vergolten worden! Aber der gemishandelte Jüngling wuste seine Leidenschaft besser zu zähmen, als sein Vorgesetzter. Er drängte sich durch seine Kameraden hindurch, um wegzugehen; Brüder, sagte er, ihr seyd meine Zeugen, was ich Böses gesprochen und womit ich meine Ohrfeige verdient habe! Ich verlange Satisfaktion und will nur erst zum Herrn Rektor gehen, um ihn um Rath zu fragen. Ich gehe mit, rief der Nächste; O wir gehen alle mit, rief die ganze Klasse, und trotz alles wiederholten Scheltens des Herrn Direktors, zogen sie samt und sonders davon und liessen ihn allein.

Wäre Spitzbart nicht schon so gut als rasend gewesen, so wäre ers darüber geworden, daß die jungen Leute (denn so stellte er sich das Verhältnis vor) ihren Lehrer gleichsam zum Schiedsrichter zwischen sich und ihm setzen wollten. Dem Dinge also vorzubeugen, eilte er ebenfals schnurstracks nach Hause und schickte sogleich zum Rektor Herz, daß er dringender Angelegenheiten wegen auf ein Wort zu ihm kommen möchte. Dieser ließ alles stehn und liegen und kam: Aber wie groß war sein Erstaunen, als Spitzbart, ohne einmal seine Verbeugung zu erwiedern, ihn mit diesen Worten anfuhr: Schön, vortreflich, ist das die gerühmte Erziehung, die Sie Ihren jungen Leuten geben, daß sie aus ihnen Pasquillanten machen? Buben sind es, naseweise Schlingel, die nicht wissen, was sie vor Uebermuth vornehmen sollen: Aber ich werde mich an Sie halten und Sie sollen mir für alle Ausschweifungen stehen, die sie schon begangen haben oder vielleicht etwa noch begehen dürften!

Man stelle sich vor, wie einem Manne bey einer solchen Begegnung zu Muthe war, der seinen höchsten Stolz darinn setzte, gute Schüler gezogen zu haben! Noch dazu wuste er keine Sylbe von dem Vorfalle in der Klasse: Denn die jungen Leute, eh sie zu ihm giengen, berathschlagten erst eine ganze Weile, wie sie ihm den Handel am besten beybringen wollten, ohne daß es ihn alterirte! Mit beklommner Brust und Stimme erwiederte er also: Mein Herr Direktor, Sie sind itzt ausser sich! Kommen Sie erst zu kaltem Blute und dann lassen Sie mich das Verbrechen hören, was meine Schüler gegen Sie begangen haben! Für jugendliche Thorheiten und Ausschweifungen kann ich nicht Bürge seyn: Aber daß sie keine nichtswürdigen Buben sind, dafür steh ich mit meinem Leben! Uebrigens verzeih ich Ihnen als ein Christ die schreckliche Injurie, die Sie in der Hitze gegen mich ausgestossen haben, daß ich meine Schüler zu Pasquillanten machen soll – Herr, das thun Sie auch, fiel ihm der Herr Direktor ins Wort! Das wiederhole ich ihnen nochmals und noch zehnmal: Bloß niederträchtige Kreaturen von Ihnen können das Pasquill gemacht haben – Hier konnte sich Herz nicht länger halten. Das geht zu weit, sagte er! Ich verlasse Sie, um Sie an einem Orte zu sprechen, wo Sie mir von jedem Worte, was Sie itzt gesprochen haben, die strengste Rechenschaft geben sollen.

Herz gieng und beym Eintritt in seine Wohnung fand er seine Schüler, die ihn zu sprechen verlangten. Er nahm sie mit auf sein Studierzimmer, gab ihnen einen sehr strengen Blick und fragte sie, mit einem unwilligen Tone und zugleich mit einer Thräne des Schmerzens im Auge: »Kinder, was habt ihr gethan? Was muß ich von euch hören!« Mehr brauchte es nicht, um die Jünglinge zum aufrichtigsten Bekenntnisse zu bewegen. Sie erzählten den ganzen Vorgang; Herz nahm ein Protokoll darüber auf, zu welchem er seinen eignen Vorgang mit dem Herrn Direktor hinzusetzte, und nachdem er ihnen verboten, das geringste weiter zu unternehmen, entließ er sie.

Nun aber ergriff er die Feder und erließ an Heineccius, zugleich mit dem Protokolle, folgendes Billet:

»Der Herr Direktor Spitzbart hat mich itzt eben mit einigen so entehrenden und herabwürdigenden Namen gebrandmarkt, daß ich alles Gefühl verlohren haben müßte, um mich nicht darüber zu beklagen. Nach meinen Grundsätzen kann ich, so lange diese Brandmale auf mir haften, mein Amt nicht verwalten und ich suspendire mich hiermit freywillig, bis nach Austrag der Sache. Bloß aus Achtung für Ihre Person geschieht es, daß ich nicht sogleich eine förmliche Injurienklage einreiche: Es könnte Ihnen vielleicht daran gelegen seyn, den Handel lieber privatim als öffentlich abzuthun! Ich bin zu allem bereit, was mir die Ehre erlaubt und erwarte gehorsam Ihre Befehle« etc.

Es hätte nicht viel gefehlt, so wär es bey Heineccius bis zu Thränen gekommen: Nicht zu weibischen Thränen der Schwachheit, sondern zu ächtmännlichen Thränen, die nur in der höchsten Stärke der Leidenschaft gebohren werden können! Sein Herz war im wildesten Aufruhr: Vorwürfe, Scham, Reue, Zorn, alles tobte unter und durch einander! In diesem Zustande setzte er sich hin und schrieb an Herz folgendes zurück:

»Ich bin ein Kind des Elends und der Verzweifelung! Zu schwer, zu schwer bestraft mich der Himmel für einen einzigen falschen Schritt, den ich gethan habe. Und Sie setzen zu den Qualen, die ich schon empfinde, eine neue, daß Sie, anstatt mich Ihre gerechte Rache fühlen zu lassen, mich noch schonen! O ich Verblendeter – doch es ist zu spät! Zur Sache: Nehmen Sie sogleich, auf mein Wort, die theologischen Stunden wieder und schreiben Sie Spitzbarten, ich hätt es befohlen! Keinen Finger soll er weiter an die Schule legen, der elende, der unbegreifliche Stümper! Verschmähen Sie alle Satisfaktion von ihm! Er ist zu klein, Sie zu beleidigen, folglich auch zu klein zur Genugthuung! Ehe wollt ich diesen ächten Midasenkel heut noch aufpacken und über die Gränze bringen lassen, als daß Sie um seinetwillen Ihr Amt auch nur einen Tag aufgeben sollten! Ich bin zu aufgebracht, um weiter schreiben zu können: Das aber kann ich noch hinzusetzen, der Mensch kan irren, aber wenn er so hart dafür büssen muß, wie ich, so irrt er gewiß nur einmal! Geduld, es wird noch eine Zeit kommen, wo ich Ihnen die eklatanteste Satisfaktion für Ihr erlittenes Unrecht geben werde.«

So wenig Herz sich ehmals durch Heineccius Ungnade und Zurücksetzung hatte niederschlagen lassen, so wenig ward er itzt auf die grosse Freundschaft desselben stolz. Er that nichts weiter, als daß er dem Herrn Direktor mit zwey Worten meldete, das er die theologischen Stunden wieder halten solle und das auf Heineccius Befehl! Zu einer andern Zeit und unter andern Umständen würde unserm Helden diese Nachricht vielleicht sehr erfreulich gewesen seyn, aber itzt war sie ein wahrer Donnerschlag für ihn. Heineccius Freundschaft war verscherzt, das muste er mit Händen greifen: Und ohne diese, was blieb ihm übrig? Der Gram und der Aerger darüber nahmen ihn so heftig mit, daß er einige Tage das Bette hüten muste: Doch die gute Pflege der Frau Direktorn und noch mehr Fiekchens brachten ihn wieder zurechte! Da er aber ausser aller Aktivität gesetzt war, so würden wir unsern Lesern von seinem Thun und Beginnen wenig oder gar nichts mittheilen können, wenn nicht manchmal in dieser sublunarischen Welt so sonderliche und wunderliche Abentheuer paßirten, die man nicht toller träumen könnte.


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