Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtzehntes Kapitel.

Hier stand Heineccius Bedienter schon auf der Warte, um dem Kutscher den Weg nach der Wohnung des Herrn Direktors zu zeigen. Ob sie gleich in Absicht der Bauart eben nicht viel empfehlendes hatte, so präsentirte sie sich doch den Abend ganz artig, weil sie auf Heineccius Veranstaltung von oben bis unten erleuchtet war. Dieser erschien auch sogleich, half der Familie aus dem Wagen und brachte sie auf ein Zimmer, wo schon ein Balbier und zwei Friseurs bereit standen. »Ich konnte mir leicht vorstellen, sagte er, daß Sie sich schwerlich entschliessen würden, so ganz reisemässig in der Gesellschaft zu erscheinen, die ich diesen Abend zusammengebeten habe. Ich lasse Ihnen also eine halbe Stunde Zeit, das Nöthigste ein klein wenig zu repariren: Das Ankleiden aber wird schlechterdings nicht statuirt! Sobald die halbe Stunde um ist, komm ich und hole Sie, wie Sie sind, zum Abendbrode!« Heineccius gieng und der Herr Direktor nahm sogleich seine zerzauste Perücke ab, um seinen fünftägigen Bart dem Schermesser darzubieten. Die Damen ihrerseits unterwarfen ihre Köpfe den beyden Friseurs; und Israelchen, der nun wieder aufzuthauen anfieng, lief mit dem Puderpüster in der Stube herum und puderte, was ihm vorkam; erst seines Vaters alte Perücke, dann Fiekchen, dann seine Mutter. Alles Verbieten und Schelten war umsonst, und er hörte nicht eher auf, bis der Puder rein alle war. Die Friseurs machten grosse Augen und der Herr Direktor schwitzte unter den Händen seines Balbiers, der kaum das Lachen verbeissen konnte, grosse Tropfen von Angstschweiß. Aber kaum war er glatt geschoren, so sprang er voll Wuth vom Stuhle auf, faßte Israelchen bey der Hand und schleppte ihn mit vieler Noth und Mühe ins Nebenzimmer. Ungezogner Bube, sagte er zu ihm, du bleibst hier im Arrest, und wenn du dich unterstehst und rüppelst dich – Israelchen kehrte sich daran nicht, sondern erhob ein mörderliches Zetergeschrey. Sein Vater suchte ihm den Mund zu verstopfen, aber der Bube biß wie ein Marder um sich, strampelte mit Händen und Füssen und ohne einen Knebel zu Hülfe zu nehmen, war es nicht möglich, ihn zum Schweigen zu bringen. Der Herr Direktor hätte schier vor Aerger, Wuth und Scham zerspringen mögen: Denn da er noch von Rübenhausen her das klatschselige Volk der Bart- und Haarputzer kannte, so konnt er sich die gewisse Rechnung machen, daß dieser Auftritt wie ein Heckefeuer durch die ganze Stadt gehen würde, und das war denn freylich eine gar stattliche Empfehlung für einen vorgeblichen Meister in der Erziehungskunst. In dieser grossen Noth und Verlegenheit, da Israelchen durchaus nicht zu bändigen war, brachte er ihn wieder hervor aus dem Nebenzimmer. Nun dismal, sagte er, soll es dir noch verziehen seyn, weil du dich unterwegens so artig aufgeführt hast! Den Schaden am Puder will ich ersetzen! Damit zog er acht Groschen aus dem Beutel und gab sie dem Friseur, dem der Puder gehörte. Dem Barbier gab er eben soviel und so machte er sich nicht ohne Grund die Hofnung, daß wenn sie nun auch die Geschichte ausbreiteten, sie dieselbe, nach Luthers Auslegung, zum Besten kehren und seiner Großmuth dabey mit Dank erwähnen würden.

Eine Sorge war überstanden und eine andre kam. Wenn nun nach dem Verflusse der halben Stunde Heineccius zum Abendbrode rief, wie sollt es mit Israelchen werden? Ihn mitnehmen, hieß sich der Gefahr aussetzen, daß Heineccius die Kutsche sogleich wieder anspannen und die ganze Spitzbartische Familie mit Sack und Pack gerade nach Rübenhausen zurückfahren ließ. Ihn nicht mitnehmen, war einmal unschicklich: Und dann, wohin mit ihm? Zum guten Glück gab Israelchens selbst einen Ausweg an. Er hatte in dem Nebenzimmer ein Bette gesehen, und da er müde von der Reise und nichts weniger als hungrig war, so sagte er in seinem gewöhnlichen Tone: Ich mag heute nicht essen; Ich will schlafen gehen! Hundert Thaler hätten dem Herrn Direktor nicht lieber seyn können als diese unverhofte Erklärung. Er geleitete das Söhnchen sogleich zur Ruhe und hielt ihn so eben noch ab, daß er sich nicht mit seinen schmutzigen Stiefeln ins Bette warf, und nun erwartete er mit federleichtem Herzen den Ruf zur Tafel.

Heineccius erschien auf die Minute und führte Vater, Mutter und Tochter in einen grossen und schön erleuchteten Eßsaal, in dem 24 Damen und Herren das Glück erwarteten, das neue Oberhaupt der Arlesheimischen Schule zu bewillkommen. Um das betäubende Fußscharren und die ekeln Komplimentsformeln zu vermeiden, hatte Heineccius einen seiner Vettern, einen jungen muntern Kandidaten zum Redner der Gesellschaft erkohren. Diese, in einen grossen halben Mond gestellt, verneigte sich bloß; Der Redner aber trat vor und redete den Herrn Direktor also an:

»Willkommen, willkommen! Dis ruft durch meinen Mund diese ganze zahlreiche Gesellschaft, dis ruft die Stadt vom zitternden Greise bis auf den Säugling. Aller Herzen stehen Ihnen offen, würdigster Herr Direktor: Denn von Ihnen erwarten wir die Bildung unsrer Jugend zur Weisheit und Tugend. Sehen Sie uns alle als Ihre Freunde und Freundinnen an, und zum Beweise davon lassen Sie sich das Ameublement dieser Ihrer künftigen Wohnung gefallen, in dessen Anschaffung wir bloß unser eigen Vergnügen gesucht haben. Itzt aber lassen Sie uns der Ceres und dem Bacchus opfern und seyn Sie mit Ihrer Gattin das Brautpaar dieses kleinen Mahles!«

Hier machte der Redner seinen Bückling und die Gesellschaft that ein gleiches. Mutter und Tochter flammten vor Freude und Vergnügen: Der Herr Direktor aber war durch diesen überraschenden Auftritt bis in das Innerste der Seele gerührt, und wiewohl er noch von der Kanzel her ein sehr geübter Schwätzer war, den das Reden aus dem Stegreif wenig kostete, so konnte er doch itzt kaum folgende Worte mit Stammeln hervorbringen:

»Gerührt – beschämt – überrascht – versagt mir meine Zunge ihren Dienst. Freunde und Freundinnen, nehmen Sie mein Stillschweigen als Beredsamkeit an. Mein Dank ist groß – wie die Natur! Mein Bestreben, dieser Schule zu nützen, wird nicht geringer seyn.«

Der innige Ton, mit dem der Herr Direktor diese Worte sagte, verschaffte ihm allgemeinen Beyfall, und Heineccius drückte ihn voll Inbrunst in seine Arme. Man setzte sich sofort zu Tische, und als die Suppe hinter war, brach der Diskours an allen Ecken der Tafel zugleich aus. Die beyden Direktoren sassen, wie leicht zu erachten, neben einander und unterhielten sich ganz allein. Eine der ersten Erkundigungen des neuen Ankömmlings betraf das Ameublement, dessen der Anredner Erwähnung gethan hatte?

Das haben Sie dem Prokonsul Mirus zu danken, sagte Heineccius mit einem bedeutenden Lächeln.

Spitzb. Mirus? Es ist nicht möglich. Er ist ja mein Feind, wie Sie mir gesagt haben.

Heinec. Gleichwohl!

Spitzb. Nun so müßt ich einem so großmüthigen, edeln Feinde heute noch zu Füssen fallen. –

Heinec. (lachend) Nein, so groß ist seine Großmuth dabey nicht: Er ist bloß der Stein gewesen, der den Funken dieses glücklichen Einfalls aus mir herausgeschlagen hat. Ich schrieb Ihnen doch damals, liebster Freund, Ihr Gehalt sollte um ein Erklekliches verbessert werden, um Sie in aller Absicht zufrieden zu stellen. Es ist auch damit noch itzt nichts verdorben: Vielmehr versprech ich Ihnen, sobald wir nur erst die Proben von dem, was Sie leisten können, vor Augen sehen, soll sogleich eine ansehnliche Zulage für Sie ausgemittelt werden. Allein da sich Mirus so kräftig für den Rektor Herz portirte, durfte ich es nicht wagen, itzt schon mit meinem Projekte hervorzutreten; Er hätte gar zu leicht mit der Vorstellung durchdringen können: Wir kennen den Mann noch nicht! Wir wollen erst sehen, was an ihm ist etc. Kurz ich sann gleich auf ein ander Mittel, Ihnen etwas zu verschaffen, das wenigstens aufs erste Jahr so gut als eine Zulage wäre. Es fiel mir ein, ich wollte einmal Basedowen spielen, aber auf eine ganz andre Manier, und was noch mehr ist, so gar auf eine bessere. Basedow verlangte vom Publiko 30000 Thaler so ziemlich in dem Tone eines Exekutionsverwalters, der sich auch nicht einen blutigen Heller abdingen läßt. Damals war ich noch mehr von ihm eingenommen, als ich es itzt bin, und mich entzückte sogar dieser edle Trotz: Aber ich fand fast allgemein, daß eben das, was mich entzückte, bey andern der Stein des Anstossens war. Die mehrsten Leute können schlechterdings keinen trotzigen Bettler leiden: Es beleidigt ihren Stolz, wenn man ihnen das als eine Kontribution abfodert, was bloß eine freye milde Gabe ist. Das ist auch sicher der Grund, daß Basedow die verlangte Summe nicht zusammengebracht hat: Denn sonst, was sind kleine 30000 Thaler für das grosse, weite Deutschland! Ich schlug also den entgegengesetzten Weg ein und stellte mich dem hiesigen Publiko als einen sehr demüthigen und genügsamen Bettler dar. Sie sollen das Blatt selbst lesen, was ich hier in den Druck gegeben habe! Darinn werden Sie unter andern auch den Kniff finden, auf den ich mir am meisten zu gute thue, weil er mir so vortreflich gelungen ist. Ich trug nehmlich auf kein bares Geld an, sondern auf Geldeswerth, und ferner macht ich meinen Anschlag nicht bloß auf die Reichen, sondern auch auf den Mittelstand. Das Geldgeben, dacht ich bey mir selber, geht den Leuten immer schwer an: Aber Sachen, die sie selbst gemacht haben, oder wofür die Auslage schon verschmerzt ist, rühren sie schon weniger! Da ich sie nun noch überdem bey einem der stärksten Triebe der ganzen menschlichen Natur, bey der väterlichen und mütterlichen Liebe faßte und ihnen vorstellte, was sie itzt hingäben, sollte ihnen an der Bildung ihrer Kinder reichlich vergolten werden, so fuhr mit einemmale der Geist der Großmuth und Freygebigkeit, ich mag wohl sagen, in die ganze Stadt. Ein Geschenk jagte das andre, und da die Ablieferung in meinem Hause geschahe, behielt ich die ersten Tage kaum Platz genug, um alles nur unterdessen hinzustellen, bis ich es in Ihre Wohnung herüber schaffen konnte: Denn im Vorbeygehen, wir sind sehr nahe Nachbarn! Aber wieder zum Texte: Diese ganze Gesellschaft hier, wie Sie sie sehen, hat sich unter allen am meisten angegriffen, Spiegel, Schränke, Kommoden, Tische, Stühle und weiß Gott, was sie alles gegeben haben! Diese beyden Damen dort haben die Gardinen im ganzen Hause besorgt. Jede Innung hat ihren reichlichen Zoll dargebracht, Zinngiesser und Kupferschmiede und Klempner und Rothgiesser, bis auf die Besenbinder und Bürstenbinder herunter. In Küche und Keller und Speisekammer und Rauchfang ist reichlicher Vorrath: Kurz ich hoffe, wenn Sie morgen bey Tage mit Ihrer lieben Gemahlin Haussuchung anstellen, so werden Sie sich vollkommen überzeugen, daß es mit der demüthigen Betteley ungleich besser fleckt, als mit der trotzigen. Uebrigens, liebster Freund, ja keinen Dank für die geringe Bemühung, die ich bey der Affäre gehabt habe! Dem Prokonsul müssen sie danken, wie ich schon gesagt habe: Denn der hat mich zuerst auf den gesunden Einfall gebracht.

Die Frau Direktorn, die diese ganze Erzählung mit angehört hatte, konnte sich vor Entzücken kaum halten, dem allerliebsten, unvergleichlichen, goldnen Herrn Heineccius um den Hals zu fallen und ihm mit tausend Küssen ihren Dank zu sagen. Da sich das aber nicht thun ließ, so brach sie in einen Strom von Altagsformeln aus, den Heineccius mit allem Protestiren nicht zu hemmen vermochte. Fiekchen, die ebenfalls alles gehört hatte, machte es schon feiner; Sie erwischte, eh sichs Heineccius am wenigsten versah, seine Hand und drückte sie voll Inbrunst an ihre Lippen. Er riß sich sogleich los und erwiederte Fiekchens Galanterie mit einem Kleeblat von Küssen auf Mund und Wangen. Der Herr Direktor allein saß stumm und still und sprach kein Wort; Bloß eine Thräne, die ihm schon während der Erzählung im Auge gezittert hatte, rollte itzt heiß über die Wange herab. Heineccius bemerkte sie, drückte ihm feurig die Hand und sagte: Vortreflicher Mann, daß doch die ganze Stadt diese Thräne sehen könnte, die tausendmal mehr werth ist, als alles, was wir für Sie gethan haben!

Es thut mir leid, daß ich als treuer und wahrhafter Geschichtschreiber die Schönheit dieser Thräne, mit Lavatern zu reden, ein wenig vernürnbergern muß. Einestheils war sie freylich der Ausbruch eines dankerfüllten Herzens und insofern mehr werth als die schönste und zierlichste gratiarum actio vom Cicero: Aber anderntheils war es eben so sehr eine eigentliche Thräne des Schmerzes und des bösen Gewissens. In Worte übersetzt würde sie ohngefehr also lauten: Grosser Gott, was soll aus mir werden? Die guten Leute überhäufen mich mit Ehre und mit Geschenken, in Hofnung, daß ich aus ihrer Schule wer weiß was machen soll: Wie will ich das anfangen? Wie will ichs ausführen? Und führ ich es nicht aus, welch unglückliches Schicksal wartet meiner! O Israelchen, Israelchen, daß du doch in dieser Nacht sterben möchtest! Aber du sollst fort, fort aus der Stadt, meine Frau mag sagen was sie will!

Diese traurigen Vorstellungen wurden noch durch eine Anekdote von Mirus vermehrt, die Heineccius unserm Herrn Direktor ins Ohr raunte. Mirus hatte nemlich zum Ameublement nicht das geringste beygetragen: Um aber doch nicht zu scheinen, als hätte ers aus Geiz gethan, und um zugleich seine Gesinnungen von Herrn Spitzbart zu äussern, hatte er den Sonntag vorher in einem versiegelten Zettel 3 Louisdor in den Klingelbeutel geworfen. In dem Zettel nun standen die Worte: Zu einer Fürbitte um Abwendung alles Uebels, was unsrer Stadt und Schule droht. Obgleich Heineccius dieses Stückchen mit lachendem Muthe erzählte, so stach es doch unsern Herrn Direktor wie Nadeln, und es war Zeit, daß die Gesundheiten anfiengen. Sonst wäre der Herr Bräutigam des Gastmahls, ad modum manches andern Bräutigams, über öffentlicher Tafel in die tiefste Schwermuth und Melancholey versunken.

Aber der edle Vater Rhein und der lustige Bruder Champagne setzten allem Leide bald ein Ziel! Mit jedem Glase wuchs der Muth, und als das halbe Dutzend voll war und eben wieder auf Was wir lieben angestossen wurde, verbesserte der Herr Direktor die Gesundheit in folgende: Auf unser künftiges Kosmopolitenfest! In ein paar Jahren, setzte er hinzu, hoff ich, wills Gott, wollen wir eins feyern und es soll sicherlich dem in Dessau nichts nachgeben.

Dis gab Gelegenheit, den Herrn Direktor zu ersuchen, die Geschichte und Begebenheiten dieses Festes als Augenzeuge zu erzählen: Er that es und die ganze Gesellschaft war lauter Auge und Ohr. Die Zeit verstrich so geschwind, daß der Wächter schon eilfe rief, eh man zehne vermuthete. Sogleich ward von der Tafel aufgebrochen, um die von der Reise ermüdete Familie nicht von der Ruhe abzuhalten. Eh es aber zum Gutenachtnehmen kam, sagte Heineccius noch zum Herrn Direktor: Ich habe Ihre Introduktion erst über 4 Wochen angesetzt. Diese Zeit müssen Sie ganz frey behalten, theils Ihre Ceremonienbesuche zu machen, theils ihre Leute und die Verfassung der Schule kennen zu lernen. Unterdessen können Sie auch überlegen, was für Lektionen und wie viele Sie übernehmen wollen, denn beydes hängt ganz von Ihnen ab! Morgen wird Ihnen wohl das gesammte Kollegium der Lehrer die Cour machen und Sie werden leider finden, daß ein saures Stückchen Arbeit auf Sie wartet. Doch das sind curae posteriores! Jetzt müssen Sie an Ruhe, nicht an Arbeit denken. Kommen Sie! Keinen Abschied von der Gesellschaft: Hier ist es nicht Sitte! Ich geleite Sie zu Ihrer Ruhestäte!

Das half alles nichts: Die Frau Direktorn, die noch an ihren kleinstädtischen Begriffen von Höflichkeit und Artigkeit klebte, machte rings herum ihre Knikse und sprach viel von der Ehre des Kennenlernens, ob sie gleich über Tische nur mit einer einzigen Dame, die ihre nächste Nachbarin war, gesprochen hatte. Aber freylich, wenn sie mit dem Kennenlernen auf die Kopfzeuger und den ganzen Staat der Arlesheimischen Damen zielte, so sprach sie vollkommen wahr; Denn das alles hatte sie in weniger als 5 Minuten auf das allergenaueste kennen gelernt: Und so wie jener Griechische Mahler aus tausend einzelnen Frauenschönheiten das Bild der Venus zusammensezte, so sezte sich die Frau Direktorn aus alle den einzelnen Kleidungsstücken der anwesenden Damen einen Anzug zusammen, in dem sie sie alle übertreffen und den sie sich binnen 8 Tagen anschaffen wollte. Fiekchen hingegen, die ihr Hang nach Vergnügungen anderer Art trug, hatte ein oder wohl gar beyde Augen auf den jüngern Heineccius geworfen und es that ihr herzlich leid, daß sie nicht noch den Abend das Vergnügen haben sollte, ihn in einem vollern Sinne des Worts kennen zu lernen. Das gute Mädchen, die von ihrem Vater auch ein wenig Physiognomik gelernt hatte, las in seinem Gesichte, daß er der rechte Mann wäre, sie über den Verlust von Stuckern zu trösten, und nach einer langen Reise von 5 Tagen, auf der sie keine einzige leidliche Mannsperson gesehen hatte, brauchte sie wirklich Trost! Doch diesen Abend war nun einmal keine Möglichkeit und so folgte sie ihrer Mutter geduldig nach, um vielleicht im Traume zu geniessen, was ihr im Wachen versagt wurde.


*


 << zurück weiter >>