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Wochen sind vergangen. Die Teilnahme am Falle Eggebrecht ist merklich kühler geworden. Es gab neue Sensationen, die die Menschen in Anspruch nahmen: einen Bankkrach, industrielle Gründungen, Bauprojekte, Diplomatenbesuche, außenpolitische Wirren und dergleichen. Die Tragödie des Doktors Eggebrecht, den ohnehin niemand gekannt hatte, ist klein geworden und außer im engen Kreise so gut wie vergessen.

Aber die gerichtlichen Erörterungen haben nicht geruht. Sie sind in aller Stille mit Eifer weitergeführt worden. Landgerichtsrat Karsten denkt nicht daran, die Zügel schleifen zu lassen. Er ist mit kleinsten Erfolgen zufrieden; er weiß, daß millimeterweises Fortschreiten auf dem Wege doch einmal zum Ziele führen muß. Der Gang der Gerechtigkeit braucht keine Rekordleistung.

Die Kriminalpolizei hat einen Bäckerjungen ausfindig gemacht, der am siebzehnten November abends auf seinem Kastenfahrrad Semmelgebäck nach der Anstalt brachte. Als er in das Tor einzufahren im Begriffe war, kreuzte ein schnellfahrendes Auto seinen Weg. Er mußte abspringen, um nicht in Gefahr zu kommen, angefahren zu werden.

Er sah dem Wagen ärgerlich nach und bemerkte, daß er wenige Häuser entfernt anhielt. Gefragt, wo dies gewesen sei, bezeichnete er die Villa Eggebrecht. Es war etwa einhalb sieben Uhr.

Die Feststellung war recht interessant. Eine Viertelstunde später wurde der Doktor erschossen aufgefunden.

Die Sache fand eine gewisse Bestätigung und neue Beleuchtung, als Frau Milan nunmehr zu Protokoll vernommen wurde. Den Wagen am Abend hatte sie nicht gesehen, aber sie besann sich jetzt, daß am Nachmittag desselben Tages ebenfalls ein Auto am Hause vorgefahren war. Ein Herr fragte nach dem Doktor, es war gegen vier Uhr.

Sie hatte Bescheid gegeben, daß der Doktor nicht zu Hause sei. Der Herr schien betreten und fragte, wann er käme. Gegen einhalb sieben Uhr sei er sicherlich da, habe sie geantwortet. Darauf sei er wortlos gegangen.

Ob er gesagt habe, daß er wiederkommen wolle?

Nein, er hatte nichts gesagt.

Sie beschrieb ihn als einen gutgekleideten, feinen Herrn, »wie es sich für ein Auto gehöre«; aufgefallen seien ihr nur die dunklen Augen, mit denen er sie etwas starr angesehen habe.

An seinem Wesen habe sie nichts Besonderes bemerkt, aufgeregt sei er ihr nicht vorgekommen, erklärte sie dann auf besondere Fragen. Sie habe geglaubt, es sei ein Patient, der wegen seiner Krankheit zum Doktor wolle. Obgleich er keine Privatpraxis hatte, käme das hin und wieder vor.

Ob sie ihn erkennen würde, fragte man sie noch.

O ja, das glaube sie bestimmt.

Dann aber kam die größte Sensation. In dem Garten des dem Eggebrechtschen Hause benachbarten Grundstücks wurde unter vermoderndem Laub eine Browningpistole gefunden, verschmutzt und verrostet, da sie bisher im Schnee gelegen hatte.


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