Johann Gottfried Schnabel
Der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Kavalier
Johann Gottfried Schnabel

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Johann Gottfried Schnabel

Der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Kavalier

 


Vorrede

Geneigter Leser

Diese Vorrede habe ich nicht der Gewohnheit oder der bloßen Mode wegen hierhergesetzt, indem man selten ein Buch bei heutigen Zeiten zum Vorschein kommen sieht, dem es an einer Vorrede fehlt; nein! sondern dem geehrten Leser etwas zu offenbaren, damit derselbe diese Geschichtsbeschreibung nicht etwa mit argwöhnischen Augen ansehen möge, denn, versichert, man legt ihm mit diesen Blättern, nicht, so wie es nunmehr leider! grand mode zu werden beginnt, curieuse Gedichte, sondern wahrhafte und dennoch curieuse Geschichte vor.

Ich für meine Person habe zwar nicht die Ehre gehabt, den Herrn von St.*** oder den in der Geschichtsbeschreibung so genannten Herrn von Elbenstein von Person zu kennen, allein er ist mir, auch sogar von hohen Personen, dergestalt vorgerühmt worden, daß ich ihn in seiner Jugend für einen der galantesten und qualifiziertesten Kavaliere, in seinem Alter aber für einen erfahrenen, frommen, jedoch unglücklichen Staatsmann zu halten mich vollkommen persuadiert sehe. Mit dem Herrn E. v. H. hat er in seiner Jugend in der vertraulichsten Freundschaft gelebt, auch dieselbe nachher beständig beibehalten, ob sie schon bei erwachsenen Jahren einander sehr selten zu sehen bekommen. Als der Herr von St.*** bereits bei Jahren war, die größte Würde an einem gewissen deutschen reichsfürstlichen Hofe erlangt und sich solchergestalt in einem ziemlich glückseligen Zustand befand, gab ihm der Herr E. v. H. einstmals eine Visite und wurde von diesem alten Freund mit der zärtlichsten Liebe empfangen, auch ganze vierzehn Tage aufs beste traktiert; wenn sie aber beide, auch wohl öfters bis in die Nacht, an den fürstlichen Lustbarkeiten teilgenommen, blieben sie hernach dennoch in einem Zimmer noch eine Zeitlang beisammen und rauchten bei Tee oder Kaffee eine Pfeife Tabak, aus keiner anderen Ursache, als einander ihre Aventuren zu erzählen.

Endlich brachte der Herr von St.*** sein in italienischer Sprache geschriebenes Diarium, nebst vielen untereinandergeworfenen Scripturen herbei und sagte:

»Ich wollte tausend Taler drum geben, wenn ich soviel Zeit abmüßigen könnte, dieses alles in Form zu bringen, nicht, mir ein Gloire aus meinen Sünden der Jugend zu machen, sondern anderen jungen Leuten, sie mögen Adelige oder Unadelige sein, zum Spiegel und zur Warnung, sich vor den Lüsten des Fleisches zu hüten; denn der Himmel läßt dieselben doch nicht ungestraft, und welches am schlimmsten, wo nicht hier zeitlich, doch dort ewig. Mich hat dessen Rute zu verschiedenen Malen sehr heftig gestäupt, allein, es ist noch nicht genug, gebt nur Achtung, mein werter Freund, ob ich mein Leben in diesem vermeinten Glücks- und Ehrenstand beschließen oder vorher nicht noch in viel Jammer und Not geraten werde. Jedoch: Wie Gott will. Ich habe ja schon seit etlichen Jahren her täglich selbst recht eifrig dieses gebeten: So fahr hie fort, und schone dort.«

Der Herr E. v. H. tröstete ihn dieserhalb und bat ihn, daß er sich doch dergleichen Gedanken aus dem Sinn schlagen, hergegen bedenken möchte, daß die göttliche Barmherzigkeit ebensogroß als die Gerechtigkeit, mithin die bußfertigen Sünder gern zu Gnaden annähme und die Strafe zu lindern pflegte. »Allein, mein Herzensfreund«, redete der Herr E. v. H. weiter, »wofern Ihr kein Mißtrauen in meine Redlichkeit setzt, so vertraut mir Euer Diarium nebst Euren anderen italienischen Scripturen an, ich will, weil ich, nachdem meine Güter verpachtet sind, ohnedem wenig zu tun habe als mich an Büchern zu ergötzen, zusehen, ob ich noch soviel Geschick habe, alles dieses aus dem Italienischen ins Deutsche zu übersetzen und nur vorerst soviel als möglich aneinander zu heften, damit eine ordentliche Geschichtsbeschreibung daraus wird, welche hernach noch einmal revidiert, auspoliert, sodann ins reine geschrieben und endlich zum Druck befördert werden kann.«

Der Herr von St.*** war sogleich willig und bereit dazu, versprach auch, wo sich der Herr von H. diese Mühe geben wollte, nicht allein alles noch Dazugehörige aufzusuchen, sondern ihm von Zeit zu Zeit, nebst diesen allen, seine fernerweitigen Aventuren offenherzig aufzuschreiben und zu übersenden. Bat anbei, daß der Herr von H. die Hauptstücke von seinen eigenen Aventuren zugleich mit einfließen lassen möchte, welches dieser zu tun versprach, und da er sich von dem Herrn von St.*** beurlaubte, nicht nur dessen Diarium, sondern auch ein ganzes Paket dazugehöriger geschriebener Sachen mit sich nach Hause nahm. Der Herr von St.*** hat demselben nachher, auch da sich schon, wie er sich selbst prophezeit, sein Glücksrad abermals umgedreht und ihn in einen beklagenswürdigen Zustand geworfen, sein Wort redlich gehalten und ihm, bis wenige Monate vor seinem Ende, alles, was ihm nachher begegnet, zu wissen getan, der Herr von H. ist auch bei müßigen Stunden recht eifrig bemüht gewesen, diese Geschichte in gehörige Ordnung zu bringen, allein da er nachher mit einer beschwerlichen und schmerzhaften Wassersucht befallen worden, welche ihn auch ins Grab befördert, hat er seinen Zweck nicht erreichen können.

Endlich sind alle diese Manuskripte mir, dem Ungenannten, in die Hände geraten, und weil ich mir flattierte, obgleich nicht bei allen Leuten, doch bei etlichen einigen Dank zu verdienen, wenn ich mich darübermachte, dieselbe nach meinem wenigen Vermögen ins reine brächte und zum Druck beförderte, so habe es getan und lege es einem jedem zur Schau und Beurteilung dar.

Es ist zwar heutigen Tages eine schwere Sache, recht nach dem Geschmack dieser oder jener zu schreiben; allein dieser oder jener soll auch wissen, daß ich mich nicht gar zu viel um ihren Geschmack bei diesem oder jenem bekümmere, denn es heißt im gemeinen Sprichwort: »Einem jeden für sein Geld, was ihm schmeckt.«

Ob auch gleich dieses Gericht manchem, wegen Zurücklassung allzu vielerlei Gewürze und anderer Tändeleien, nicht allzu schmackhaft vorkommen möchte, so bin ich doch versichert, daß es sich genießen lassen und nach rechter Kauung keinen im Leib kneipen wird, weswegen man mich denn auch, ob ich schon kein perfekter à la mode Mund- und Kohlkoch bin, nicht sogleich unbarmherziger Weise aus der Garküche der deutschen Mundart und Reimkunst verstoßen wolle: Worum ich hierdurch dienstfreundlich gebeten haben will.

Wenn ich mich nicht irre oder mir selbst nicht zuviel zutraue, so habe ich ein und anderes in des Herrn E. v. H. Manuskript, sowohl in Prosa als Ligata, in etwas reineres Deutsch gebracht, indem dieser Kavalier anfänglich vom Degen, hernach von der Ökonomie mehr Fait gemacht als von der Feder, Oratorie und Poesie; aber deswegen fällt seinem Ruhm nichts ab, weil seine Gedanken dennoch gut gewesen sind, ob er sie gleich nicht allezeit nach seinem Willen exprimieren können. Ein und anderes, welches mir etwas gar zu frei und natürlich, daher anstößig oder, wie es die Singularisten nennen, ärgerlich geschienen, habe in etwas verändert oder gar weggelassen, Verschiedenes aber, was noch zu verantworten, ist stehengeblieben. Man könnte viele Bücher, die seit wenigen Jahren herausgekommen sind, anführen, in welchen weit natürlicher geschrieben worden als in diesem, allein es wäre unbesonnen, wenn man gleich selbst vom Leder zöge, besser ist, man wartet die Attacke ab und wehrt sich hernach desto besser.

Übrigens: Weil der Ungenannte so glücklich gewesen, daß seine schon öfters im Druck herausgegebenen Schriften von sehr vielen wohl auf- und angenommen worden, versichert er sich bei diesen zwei Teilen der Elbensteinischen Reise- und Liebesgeschichte eines gleichen, wünscht allen Wollüstigen vor dem vergifteten Lasterkonfekt einen so starken Abscheu, als den Vernünftigen und Tugendhaften eine christliche Compassion mit den Schwachen und Ausschweifenden zu haben; beharrt im übrigen, unter dem Versprechen, mit nächsten noch andere parat liegende curieuse Geschichten vollends auszuarbeiten und zu publizieren.

Des geneigten Lesers                

dienstergebener        

Der Ungenannte.


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