Johann Gottfried Schnabel
Der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Kavalier
Johann Gottfried Schnabel

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Bis hierher war die schöne Fürstin in ihrer Erzählung gekommen, als in dem Nebenzimmer das gewöhnliche Zeichen gegeben wurde, daß die Abendtafel zugerichtet wäre, weswegen sie Elbenstein umarmte und küßte, ihn hernach bei der Hand nahm und zur Tafel führte. Die zwei Stunden über, so sie bei derselben zubrachten, wurde von lauter indifferenten Dingen diskutiert, nachher, als die Tafel aufgehoben und sie noch etliche Gläser Wein miteinander getrunken hatten, sagte die Fürstin:

»Ich befinde mich ganz schläfrig, werde mich also zur Ruhe begeben und Euch, mein Herr, dieselbe auch gönnen; Ihr werdet demnach in den angewiesenen Zimmern Eure Bequemlichkeit zu gebrauchen belieben, auch könnt Ihr Euch inwendig verriegeln, damit Ihr von niemandem gestört werdet, morgen früh sprechen wir einander weiter, da ich Euch dann die angefangene Historie vollends auserzählen will.«

Hiermit machte sie ein Kompliment und wünschte ihm eine gute Nacht.

Elbenstein küßte ihr, weil Olympia dabeistand, bloß allein die Hand, wünschte gleichfalls angenehme Ruhe und ging ganz bestürzt zurück, denn er wunderte sich ungemein, daß sie ihn nicht zu einem nächtlichen Zeitvertreib eingeladen hatte, endlich aber dachte er bei sich selbst: »Sie ist entweder im Ernst schläfrig, oder sie will dir, weil du keine Mittagsruhe gehalten, einmal eine ruhige Nacht gönnen, damit du die folgende desto besser wachen kannst; denn es ist ja unmöglich, daß sie so plötzlich kann auf dich erzürnt worden sein, da du mit keiner Miene Gelegenheit dazu gegeben. Jedoch«, dachte er weiter, »vielleicht ist sie gesonnen, mir von selbst eine Nachtvisite zu geben, allein was hatten denn solchergestalt die Worte zu bedeuten: »Ihr könnt Euch inwendig verriegeln, daß Ihr von niemandem gestört werdet.«?

Er sann demnach in seinem Zimmer noch eine gute Zeit hin und her, endlich aber trank er noch einige Gläser Wein, klingelte den Stummen, daß sie ihn auskleiden hülfen, ging hernach in das Schlafzimmer und legte sich zur Ruhe. Ob er nun gleich die Tür, so in der Dame Zimmer ging, inwendig seinerseits nicht verriegelte, so hörte er doch im Niederlegen, daß dieselbe auf der anderen Seite entweder von der Olympia oder von der Fürstin selbst verriegelt, er aber in der Meinung gestärkt wurde, daß diese letztere wirklich Lust hätte, ruhig zu schlafen; also legte er sich auf die Seite, mit dem Gesicht nach der Wand zu, hinter welcher seiner Schönen Bett stand, und fing allmählich an einzuschlummern. Allein, er hatte kaum eine Viertelstunde gelegen, da es ihm vorkam, als ob hinter den Tapeten an der Wand etwas schnell hinauf in die Höhe führe, deswegen fuhr er auch im Bett auf. Indem öffneten sich die Tapeten, und er sah mit Verwunderung, wie die Dame aus ihrem Bett in das seinige getreten kam, sich sogleich an seine Seite legte, ihn in die Arme nahm und sagte:

»Nein, mein Engel! So haben wir nicht gewettet, ich wollte dich nur probieren und einen kleinen Spaß machen, ein paar Stündchen mir noch die Zeit passieren, hernach kannst du morgen schlafen, solange als dir beliebt. Allein, ist dieses nicht eine herrliche Invention für ein paar Verliebte, ich habe heute den Anfang gemacht, morgen Nacht aber mußt du hinüber in mein Bett kommen, und also wollen wir wechseln, solange wir beisammen sind, damit keinem unter uns beiden zuviel geschieht.« Elbenstein eröffnete ihr die klare Wahrheit, wie er nämlich ganz verwirrt worden, da sie ihn so plötzlich dimittiert, und er hätte besorgt, es wäre eine Unpäßlichkeit daran schuld, oder sie hätte vielleicht gar, ungeachtet er sich nicht entsinnen können, einen wichtigen Fehler begangen zu haben, eine Ungnade auf ihn geworfen, weswegen ihm recht bange gewesen, daß er dieserwegen noch eine gute Zeit aufgeblieben wäre und allerhand Grillen gemacht hätte.

Die Dame lachte hierüber und bat ihn um Verzeihung und kontestierte hoch und teuer, daß ihre Intention bloß allein gewesen wäre, einen Spaß zu machen; nachher aber gerieten sie auf ganz andere Gespräche, und diese Konferenz, welche nur ein paar Stündchen währen sollte, dauerte, bis der helle Tag anbrach, da denn dieser Nachtgeist wieder zurück in ihr Bett ging und die Falltür, welche recht künstlich in der Wand eingefaßt war, wieder herunterließ.

Elbenstein aber verfiel sogleich in einen süßen Schlaf und verharrte darin bis gegen Mittag, da er aufstand und sein rotes Kleid anlegte, sich nach getrunkener Schokolade recht wohl befand und in seinem Zimmer abwartete, bis ihn die Fürstin zur Tafel abrufen ließ. Sie sah über sein Vermuten sehr frisch und munter aus und hatte diesen Tag ein himmelblaues Kleid an, welches nicht weniger kostbar war als das, welches sie den vorigen Tag angehabt hatte, auch bemerkte Elbenstein, daß ihr Schmuck zwar der Mode nach anders, allein dem Wert nach fast noch schätzbarer war als der gestrige.

Sie brachten diesesmal nicht viel länger als eine Stunde Zeit bei der Tafel zu, denn weil sowohl sie als er viel Schokolade getrunken, war der Appetit zum Essen eben nicht gar stark. Nach der Tafel ging sie ihrer Gewohnheit nach eine gute Stunde mit ihm im Zimmer spazieren, hierauf aber mußte er sich neben sie in einen Schlafstuhl, der auf zwei Personen verfertigt war, setzen, da sie denn also zu reden anfing.

»Ich muß Euch doch, mein Liebster, meine Begebenheiten vollends auserzählen. Als wir, wie gestern gemeldet, aus dem Kloster glücklich entwischt und morgens ungefähr drei Stunden nach Aufgang der Sonne schon eine ziemliche Anzahl italienischer Meilen zurückgelegt hatten, jedoch immer uns von der großen Heerstraße abgeschlagen hatten, wurden meine Begleiter gewahr, daß drei Personen hinter uns hergeritten kamen, weswegen der junge Graf mit drei der Seinigen hinter dem Wagen blieb, zwei aber mußten vorausreiten, denn das Herz mochte ihm schlagen, daß uns etwa möchte nachgesetzt werden; allein, die Furcht verschwand, da er bemerkte, daß dieselben taten, als ob sie gar nicht zusammengehörten, indem sie ganz weitläufig voneinander ritten und sich endlich bei einem Scheideweg gar teilten, so daß der eine seinen Weg rechter Hand nach dem Wald zu nahm, der andere linker Hand nach dem Gebirge, der dritte aber auf unserer Straße hinter uns herritt.

Wir schlugen uns bald hernach ebenfalls linker Hand nach dem Gebirge zu, wo der Graf in einem Flecken, der diesseits eines mäßigen Flusses lag, frische Pferde bestellt hatte, die auch, sobald wir den Flecken erreichten, gleich parat standen.

Unter der Zeit, da ausgespannt wurde, reichte der Graf mir und der Olympia zwei Stück frischgebackenen Kuchen und eine Bouteille Wein in den Wagen, ließ aber niemanden sehen, wer drinnen saß. Allein, o Himmel, da unsere ermüdeten Pferde zurückkehrten, kehrten auch die frischen zurück. Der Graf fragte, was die Possen bedeuten sollten? Allein, es gab ihm niemand Antwort, hergegen kamen augenblicklich aus einem Haus ungefähr zwölf bewehrte Mann herausgesprungen, welche nicht allein den Wagen umringten, sondern auch von unseren zu Pferde sitzenden Begleitern verlangten, daß sie sich gefangengeben sollten.

Wie nun der Graf mit den Seinigen sich hierzu nicht verstehen wollten, sondern nach den Pistolen griffen, kam es zum Feuergeben, über welche Komödie mir eine Ohnmacht zustieß, da ich mich aber von derselben wieder erholt hatte, befand ich mich in einem schlechten Zimmer auf einem gemeinen Ruhebett liegend. Meine erste Frage an die Olympia war:

›Ach, was macht mein Graf? Lebt er noch oder ist er erschossen?‹

Olympia gab weinend zur Antwort: ›Er lebt zwar noch, allein, er hat der Menge und der Gewalt weichen und die Flucht ergreifen müssen.‹

Ich will, Weitläufigkeit zu vermeiden, nicht melden, wie ich mich mit der Olympia überworfen, daß sie mich zu dieser desparaten Reise beredet, zumal ich in verzweifelten Ängsten stand, ob der Graf lebendig oder tot wäre, jedoch kurz zu melden, wenige Zeit hernach erfuhr ich, daß er zwei von seinen Angreifern mit eigener Hand erschossen, seine Begleiter hatten auch drei zu Boden gelegt, hergegen hatten die Angreifer nur einen von seinen Leuten erschossen und drei blessiert, worunter der Graf selbst gewesen, dem eine Kugel ein Stück Fleisch von der rechten Schulter abgerissen; worauf, da er gesehen, daß es unmöglich, sich und mich zu retten und zu helfen, er das Reißaus gegeben und, ob ihm gleich noch etliche Kugeln nachgeschickt wurden, dennoch insoweit glücklich fortgekommen. Ich habe an selbigem Ort weder Speise noch Trank zu mir genommen, auch weiter kein Wort geredet, viel weniger die darauffolgende Nacht ein Auge zugetan, stand aber sehr früh auf und ging in der Stube herum spazieren.

Olympia redete mir zu, fragte bald dieses, bald jenes, allein, ich antwortete kein Wort, ob man auch gleich verschiedene Delikatessen, so gut sie an diesem kleinen Ort zu bekommen waren, mir vorsetzte und Olympia mich mit Tränen bat, auch mir mehr als einen Fußfall tat, so blieb ich doch auf meinem Kopf und tat, als ob ich nicht sähe, nicht hörte und nicht reden könnte.

Endlich, etwa eine Stunde nach Aufgang der Sonne, kam eine alte, reputierliche Frau, welche sich sehr submiss gegen mich erwies und bat, ich sollte mir doch aus der ganzen Sache nur keinen Kummer machen, die durchlauchten Eltern wären schon über die Hälfte ausgesöhnt und würden den kleinen Liebesfehler bald vergessen, inzwischen wäre der Wagen schon angespannt, ich sollte nur befehlen, um welche Zeit ich abfahren wollte. Anstatt mit dem Mund zu antworten, nahm ich meine Maske und Kappe, lief als ein verwirrter Mensch zur Tür hinaus und setzte mich in den Wagen, Olympia tat dergleichen, und also fuhren wir fort, aber nicht so schnell als vorher, da der Graf kommandierte.

Wir hielten unterwegs zweimal still und bekamen frische Pferde, da mir denn Speise und Trank angeboten ward, allein ich nahm nichts, gab auch auf alle Reden nicht die geringste Antwort. Endlich gelangten wir, da es schon dunkel worden, wieder zurück im Kloster an, wo ich von der Äbtissin mit einer gelassenen Miene empfangen und ermahnt wurde, guten Mutes zu sein, es würde dieses Vergehen weiter keine sonderlich verdrießlichen Folgerungen nach sich ziehen.

Allein, auch diese konnte kein Wort aus mir bringen, sondern ich saß in einem Schlafstuhl mit unterstütztem Haupt und schloß die Augen fest zu, als ob ich schliefe, weswegen die Äbtissin, nachdem sie länger als eine halbe Stunde vergeblich auf ein Wort von mir gewartet, endlich gute Nacht nahm und sich hinwegbegab.

Hierauf fing ich an, mich selbst auszukleiden, weil ich aber nicht überall zurechtkommen konnte, so mußte ich dennoch geschehen lassen, daß mir Olympia zu Hilfe kam; sobald ich aber die Kleider vom Leib hatte, legte ich mich augenblicklich zur Ruhe und bekam noch in selbiger Nacht ein wirkliches hitziges Gallenfieber. Dem ohngeachtet ließ ich mich in den ersten drei Tagen durchaus nicht bewegen, die geringste Arznei zu gebrauchen, sondern sehnte mich im rechten Ernst nach dem Tode. Da aber meine Frau Mutter, welche mich zu besuchen angekommen war, nicht das geringste von meinem begangenen Fehler gedachte, sondern mich bald mit guten Worten, bald mit Tränen bat, nicht meine eigene Mörderin zu werden, sondern Arznei zu gebrauchen, ließ ich mich endlich bewegen zu folgen, brachte aber über sechs Wochen zu, ehe ich wieder außerhalb des Bettes dauern konnte.

Es wunderte mich höchlich, daß weder meine Frau Mutter noch die Äbtissin auch nach meiner Wiedergenesung das geringste Wort von meiner Flucht erwähnten; ehe ich es mich aber versah, war meine Olympia fortgeschafft, an deren statt ich ein anderes fremdes Mädchen zur Bedienung bekam, auch erfuhr ich von einigen vertrauten Nonnen, daß der Gärtner nebst seiner Frau abgeschafft und in ein Gefängnis gebracht worden.

Es ging mir dieses sehr nah, allein, ich verbiß meinen Verdruß und war über ein halbes Jahr beständig sehr traurig und mißvergnügt, ließ mich auch sehr selten bereden, nur auf kurze Zeit aus meinem Zimmer und an die freie Luft zu kommen. Meine Frau Mutter besuchte mich zuweilen alle vierzehn Tage oder drei Wochen, einmal aber brachte sie ihren Bruder, den Kardinal, wie auch noch einen anderen Befreundeten, nämlich meinen jetzigen Ehegemahl, mit sich.

Der Kardinal ließ sich in ein besonderes Gespräch mit mir ein und eröffnete mir endlich mit guter Manier, daß mein Liebster, der junge Graf von H.*, aus Desperation ein Malteserritter worden wäre, jedoch hätte er das Unglück gehabt, in dem ersten Gefecht, welches er mit einem türkischen Seeräuber gehabt, erschossen zu werden.

Ich konnte mich dieserhalb der Tränen nicht enthalten, weswegen der Kardinal alle seine Beredsamkeit anwendete, mich zu trösten, endlich aber fragte, ob ich lieber wieder auf unser Schloß mit zurückkehren, oder noch eine Zeitlang oder gar auf Lebenszeit in diesem Kloster verbleiben wollte.

Meine Antwort war, daß ich mich eben nicht sonderlich nach den Meinigen sehnte, indem ich vorhersehen konnte, daß mir meine Schwestern viel Schmach und Verachtung antun würden. Diese meine Reden machte sich der Kardinal, welcher mich, wie ich hernach erfahren habe, aus der Maßen gern, ich weiß aber nicht aus was für Ursachen, in ein Kloster gesteckt haben wollte, sogleich zunutze, pries mir das Klosterleben ungemein herrlich an, und ich gab so viel zu verstehen, daß es mir bei meinen jetzigen Umständen eben so grausam schwer nicht fallen würde, diese Lebensart zu erwählen, jedoch bäte ich nur, man möchte mich nicht übereilen, indem alles gezwungene Wesen meiner Natur höchst zuwider wäre.

Er versprach mir, daß ich noch ein halbes, auch wohl ganzes Jahr Bedenkzeit haben könnte, und weil ich hierauf große Kopfschmerzen vorschützte, ließ man mich allein.

Der Kardinal eröffnete meiner Frau Mutter und der Äbtissin mit Freuden, daß er mich fast gänzlich disponiert, den Nonnenhabit anzunehmen. Diese bezeigten sich ebenfalls sehr vergnügt darüber, allein der andere Befreundete, mein jetziger Eheherr, mag mich mit anderen Augen angesehen haben, bekommt deswegen auch andere Gedanken, läßt sich aber damals gegen niemanden etwas merken, sondern reist wieder mit zurück auf unser Schloß. Zwei Wochen hatte er sich daselbst aufgehalten, und als er von dannen wieder zurück nach seiner Residenz kehren wollte, sprach er erst noch einmal in unserem Kloster ein. Weil er schon ein Herr von fünfzig Jahren und dazu ein, wiewohl nicht allzunaher, Freund von mir, war es ihm ein leichtes, mit mir insgeheim zu reden zu kommen. Als nun eben niemand zugegen, der unser Gespräch vernehmen konnte, redete er mich unverhofft also an:

›Meine schönste Muhme! Ich bedaure Euer Unglück, hättet Ihr und der junge Graf, Euer Liebster, Euch an mich adressiert, so solltet Ihr schon wirkliche Eheleute sein, denn, ich hätte zu Eurem Vergnügen alles anwenden und die Sache wohl ausmachen wollen. Allein, was ist nun zu tun, der Graf, den Ihr geliebt habt und der wegen seiner vortrefflichen Qualitäten kein unwürdiger Gemahl für Euch gewesen wäre, ist nunmehr wirklich tot, Ihr tut wohl, daß Ihr seinen Tod beklagt, denn ich zweifle nicht, daß Ihr einander aufrichtig und getreu geliebt habt. Allein, daß Ihr deswegen das Klosterleben erwählen wolltet, dieses wäre eine große Torheit, denn eine solche Liebeswunde, wie sehr sie auch schmerzt, heilt in wenigen Monaten oder Jahren, aber so viele Jahre bis an sein Ende als eine Nonne zu leben, möchte Euch nachher tausendmal schmerzlicher fallen. Darum hört mich an, mein Engel. Ich biete Euch mein Herz, Hand und Ehebett an, ich mag Erben mit Euch zeugen oder nicht, so sollt Ihr dennoch die Erbin aller meiner Güter und meines ganzen Vermögens sein. Eure Eltern können und werden mir Eure Person, wenn ich darauf dringe, nicht versagen, wenn sie nicht haben wollen, daß ich mein Vermögen von ihrem Geschlecht ab und einem Fremden zuwende, denn es ist bekannt, daß ich mit dem Meinigen disponieren kann, wie ich will. Daß der Kardinal Euch lieber eine Nonne als eine verheiratete Person sehen will, ist gewiß, ich weiß auch seine Ursachen; allein, wenn Ihr mich lieben könnt und mir die eheliche Hand geben wollt, will ich Euch von dieser elenden Lebensart befreien und Euch alles ersinnliche Vergnügen zu verursachen bemüht leben.‹

Ich befand mich«, fuhr die Dame im Reden fort, »wegen innigster Betrübnis nicht imstande, auf diesen Antrag eine positive Resolution von mir zu geben, er aber, als er dieses merkte, sprach: ›Mein Kind, ich halte dafür, daß es Euch allerdings schwerfällt, eine plötzliche Resolution zu ergreifen. Demnach will ich Euch vier Wochen Bedenkzeit überlassen, überlegt alles wohl, denn es wird nicht leicht ein anderes Mittel zu erfinden sein, Euch aus diesem Kerker zu erlösen; nach Verlauf der bestimmten vier Wochen will ich wieder zu Euch herkommen und Eure Entschließung vernehmen, sodann die Sache mit Euren durchlauchten Eltern bald zum Stande bringen, inmittels auch bedacht sein, daß Eure Schwestern vorher standesmäßige Heiraten treffen.‹

Hiermit überließ er mich meinem eigenen ferneren Nachsinnen und reiste wieder fort.

Ich muß bekennen, daß mir der Tod des jungen Grafen ungemeine Herzensschmerzen verursachte; wenn ich aber im Gegenteil auch bedachte, daß es nunmehr unmöglich, mit ihm auf dieser Welt vereinigt zu werden, überdies wohl spürte, daß mir kein Nonnenfleisch gewachsen, auf eine andere Art aber nicht leicht aus diesem Labyrinth herauszukommen wäre, als resolvierte ich mich, den Vorschlägen meines Vetters, des Fürsten von C.*, Gehör zu geben. Dieser kam um die bestimmte Zeit wieder und brachte seine Werbung noch liebreicher als das erstemal an. Demnach gab ich endlich so viel zu verstehen, daß ich ihn liebte und mein Glück, Unglück, Vergnügen und Mißvergnügen bloß allein in seine Hände stellte.

Er war hiermit höchst vergnügt, steckte einen kostbaren Ring an meinen Finger, und ich ersetzte diesen mit einem anderen, so gut ich ihn eben bei mir hatte, wir wechselten einige Verlöbnisküsse, worauf er ungesäumt zu meinen Eltern reiste und ihnen die Sache vortrug.

Diese stutzten anfänglich gewaltig darüber, da sie aber nur in einer Nacht überlegt, daß dieser reiche Vetter gar leicht auf andere Gedanken geraten und ihrem Haus auf den Sterbefall alles das Seinige entwenden könnte, schlagen sie zu und versprechen mich an ihn, zumal da er für meine beiden Schwestern ein paar solche Freier vorgeschlagen hatte, an denen nichts auszusetzen war. Er tat mir diese seine glückselige Verrichtung sogleich schriftlich ins Kloster zu wissen, drei Tage aber hernach kam er mit meiner Frau Mutter selbst dahin und holte mich ab auf unser Schloß, wo vier Wochen hernach unser drei Schwestern zugleich auf einmal Beilager hielten.

Ich muß ihm, meinem Gemahl, nachsagen, daß er mich jederzeit ungemein karessiert und mir allen Willen gelassen hat, denn er ist der Eifersucht nicht so stark ergeben, als wohl andere Italiener; nur in einem gewissen Stück, das ich nicht ausführlich erzählen will, hat er mir nachher einen starken Ekel gegen seine Person verursacht, sonst wäre ich ihm auch wohl nimmermehr untreu geworden.

Es haben sich seit meiner Vermählung unzählige hohe Personen die größte Mühe gegeben, sich in meine Gunst zu setzen und ein geheimes Liebesverständnis mit mir aufzurichten, indem sie leicht erachten konnten, daß ein so bejahrter Herr, als mein Gemahl ist, einer Dame von meinen Jahren und lebhaftem Temperament wohl nicht allerdings Satisfaktion zu geben imstande befindlich. Allein ich habe mich jederzeit sehr eingezogen und moderat aufgeführt, wodurch ich denn bei meinem Gemahl ein vollkommenes Vertrauen gegen mich erweckt, so daß er mir jederzeit die Freiheit gelassen, hinzureisen, wohin ich gewollt habe.

Allein, wenn ich die klare Weisheit sagen soll, so haben ein und andere Begebenheiten, die mir zu Ohren gebracht worden, einen besonderen Ekel in meinem Herzen gegen alle Mannspersonen meiner Nation erweckt, ungeachtet ich wohl glaube, daß sonderlich unter den vornehmen Personen sehr viele an denjenigen Lastern unschuldig sind, welche in diesen Landen im Schwange gehen. Hergegen aber, und da zumal mein erster Liebhaber ein Deutscher gewesen, habe ich die Deutschen allen anderen vorgezogen, weil sie die Reinlichkeit und Zärtlichkeit auf eine ungezwungene Art lieben und sozusagen in ihrem gesetzten Wesen und herrlichen Qualitäten alle anderen Nationen übertreffen. Demnach kann ich nicht leugnen, daß ich mir gewünscht, einen appetitlichen Deutschen insgeheim zu meinem Amanten zu haben, zumal da ich noch und immer mehr und mehr bemerken lernte, worin doch wohl eigentlich das wahrhafte und vollkommene Liebesvergnügen bestehen müßte.

Olympia hatte ich nach meiner Vermählung sogleich wieder zu mir genommen, und bei derselben haben sich alsobald verschiedene Standespersonen mit großen Präsenten eingefunden, um sie zu gewinnen, daß sie mich dahin bewegte, ihnen einen geheimen Zutritt bei mir zu verschaffen; allein, weil ich keinen Appetit dazu bezeigte, nahm sich Olympia auch wohl in acht, ungeachtet sie zwar alles verbrachte, mir dennoch nicht dazu zu raten, indem sie befürchtete, aufs neue meine Gunst zu verscherzen oder sonst Gefahr zu laufen. Kurz! Olympia war gar nicht mehr so wie ehemals, sondern ging sehr behutsam; hingegen ließ sich die ariquische Margaretha dergleichen Sachen besser angelegen sein. Diese kam fast alle Woche drei- oder viermal zu mir, brachte bald von diesem, bald von jenem Liebhaber Komplimente, auch wohl gar Liebesbriefe, allein ich wies sie jederzeit damit zurück und sagte:

Wenn ich mich je zu einer Nebenliebe entschließen wollte, würde ich mir schon selbst jemanden nach meinem Appetit auslesen, unterdessen befahl ich ihr, daß, wenn sie etwa einmal einen rechten feinen deutschen Herrn zu sehen bekäme, mir alsbald Nachricht von ihm zu geben, da ich denn ihre Mühe mit etlichen Zecchinen belohnen wollte. Nachher hat sie mir zwar zu verschiedenen Malen Gelegenheit verschafft, einige derselben zu sehen, allein ich fand keinen darunter, der mir anständig war.

Endlich fügte es das Glück, daß mein Gemahl Lust bekommen, nebst einigen guten Freunden die Weinlese bei Ariqua zu besuchen. Ich ließ mich sehr bitten, Gesellschaft zu leisten, nachher aber hat es mich nicht gereut, denn als wir bei Nachtzeit daselbst angekommen, sah ich gleich morgens darauf Eure angenehme Person, mein Leben, in dem am Wirtshaus gelegenen Garten ganz tiefsinnig spazierengehen.

Es war mir, als ob ich sogleich vom Donner gerührt würde, denn ich vermeinte nichts anderes, als daß Ihr der junge Graf von H.* wärt, weil Ihr demselben so ähnlich seht, als ein Ei dem anderen. Es stiegen die Gedanken bei mir auf, man hätte mir vielleicht dessen Tod fälschlich vorgebracht, deswegen drehte ich mich von den anderen ab und forschte sogleich bei dem Wirt und der Wirtin nach Eurem Stand und Wesen.

Diese konnten mir keine andere Nachricht geben, als daß Ihr ein deutscher Kavalier wärt, der nur für wenige Wochen dieses Land betreten, auch mit der italienischen Sprache noch nicht recht fortkommen könnte, daher zu blöde wärt, vornehme Gesellschaft zu suchen. Also fiel nun zwar die Meinung bei mir hinweg, daß Ihr der junge Graf von H.* wärt, denn dieser redete perfekt italienisch; unterdessen, da ich Euch noch eine Zeitlang im Garten, hernach in den Hof und Stall spazieren sah, nahm die Liebe gegen Eure artige Person auf einmal dergestalt zu, daß ich vermeinte zu verzweifeln, wenn ich nicht das Vergnügen haben sollte, mit Euch insgeheim zu sprechen. Demnach schickte ich zur Margaretha und vertraute derselben, sobald sie zu mir kam, mein Geheimnis, wie ich nämlich einmal eine Person selbst gefunden, die ich lieben könnte und wollte, gab ihr dabei alle Anschläge, wie sie es anfangen sollte, Euch dahin zu bringen, um mir in ihrem Haus eine Nachtvisite zu geben.

Die Art und Weise wird Euch, mein Herz, wohl noch im guten Gedächtnis sein. Ich gestehe es, daß es mich nicht wenig verdroß, als Ihr der ersten Ordre nicht pariertet, und da ich nachher vernahm, daß Ihr meine Gewohnheit nicht ästimiertet und aus dem Garn zu gehen gesonnen wäret, wurde ich durch Kummer ganz außer mir selbst gesetzt, ja der Zorn war dergestalt heftig, daß ich einen hohen Schwur tat, diese Verachtung zu bestrafen, etliche hundert Zecchinen daran zu spendieren und Euch durch etliche nachzuschickende Banditen das Lebenslicht ausblasen zu lassen.

Allein Margaretha, ohngeachtet sie Euch nur ein einziges Mal gesehen, war damals Euer Schutzengel, indem sie meine Raserei mit lauter guten Worten und süßen Vorstellungen zu besänftigen wußte, anbei nicht eher zu ruhen versprach, bis sie Euch in ihr Haus gelockt hätte. Sie hat auch ihr Wort endlich gehalten, Euch aber, mein Leben, bin ich noch jetzt unendlich verbunden für das entzückende Vergnügen, welches Ihr mir in einigen Nächten zu Ariqua verursacht und wovon ich das Angedenken noch unter meinem Herzen trage.

Mein Gemahl hatte Zeit unseres Daseins nur zweimal eine schlechte Nachlese in meinem Weinberg der Liebe gehalten, war aber vor Freuden ganz außer sich selbst, als ich ihm einige Tage hernach mit schamroten Wangen offenbarte, wie ich dafür hielte, daß Luft und Wasser in Ariqua weit gesünder und fruchtbarer sein müßten als an unserem Ort, indem ich eine starke Veränderung bei mir verspürte.

Er befahl der Olympia, ja wohl auf mich acht zu haben und eines guten Gratials gewärtig zu sein; da nun diese noch etliche Tage hernach bekräftigte, daß ich mich ganz sicher und gewiß gesegneten Leibes befände, schenkte er ihr im größten Vergnügen fünfzig Zecchinen, mich aber trug er sozusagen fast auf den Händen, stellte ein Freudenfest an, ließ vor allen Dingen meine Eltern dazu einladen, welche einige Wochen bei uns geblieben sind, und eben diese waren Ursache, daß ich zur bestimmten Zeit nicht habe in Padua sein können.

Endlich, da dieselben wieder nach Hause gekehrt, trat ich mit Erlaubnis meines Gemahls, welchem ich die eheliche Beiwohnung ohnedem bis nach meiner Niederkunft aufgekündigt, die Reise zu einer nahen Befreundin nach Padua an. Weil ich leicht ermessen konnte, daß Ihr Eure Rückreise von Venedig nicht leicht anders als durch Padua nehmen können, so ließ mich unter der Hand bei dem Kommandanten danach erkundigen und erfuhr, daß Ihr noch nicht zurückgekommen wäret. Demnach ließ ich alle Tage genauere Kundschaft darauflegen, bis ich endlich Eure Ankunft gleich in der ersten Stunde erfuhr. Ich machte mir die vergnügten Gedanken, daß Ihr Euch abends unfehlbar in der Oreda Todesca melden würdet, allein, es geschah nicht, deswegen ward ich aufs neue entrüstet, konnte auch in der Nacht vor Eurer Abreise kein Auge vor Eifersucht und Grimm zutun.

Olympia hatte ich wegen einer ihr zugestoßenen Unpäßlichkeit zu Hause lassen müssen, deswegen keine andere vertraute Bediente bei mir als diejenige, welche Ihr zum erstenmal zu Ariqua als eine Bäuerin gekleidet werdet gesehen haben.

Diese hatte sich seit etlichen Tagen viel Mühe gegeben, mir einen gewissen italienischen Prinzen zuzuführen, welcher ihr unfehlbar einen guten Rekompens versprochen oder vielleicht schon gegeben hatte, allein, sie konnte mich mit allen ihren glatten Worten nicht dahin bereden, ihm bei Tag, noch viel weniger bei Nacht eine Visite zu verstatten.

Nunmehr merke ich erst (allein, sie soll ihren Lohn schon empfangen), daß es ihr gewaltig verdrossen haben mag, in ihrer Kupplerei unglücklich zu sein. Deswegen paßte sie eben die Zeit ab, da ich am heftigsten auf Euch, mein Engel, kulminierte. ›Ach! Gnädige Frau‹, waren ihre Reden ungefähr, ›die Deutschen sind verzweifelte Bösewichte, wenn sie etwas Delikates von Frauenzimmer in diesen Landen genossen haben, wischen sie nicht nur allein das Maul und gehen davon, sondern sie berühmen sich auch dessen in allen Gesellschaften, bloß allein unseren italienischen Kavalieren zum Trotz, um der Welt weiszumachen, als ob sie, die Deutschen, delikatere Personen wären als unsere Kavaliere.

Hätte der Herr von Elbenstein ein gut Gewissen gehabt, so würde er in Betrachtung der besonderen Gnade und Liebe, die ihm Eure Durchlaucht in Ariqua bezeugt, unmöglich vorbeireisen können, sondern wenigstens auf eine Stunde seine Aufwartung bei Ihnen gemacht haben. Ach, ich weiß noch mehr, allein ich mag nur Eure Durchlaucht nicht zu mehrerem Zorn reizen.‹

Überlegt selbst, mein allerliebster Elbenstein«, sagte hier die Dame, »ob ein schwaches Werkzeug der Natur, wie ich bin, durch dergleichen verdammte Ohrenbläsereien nicht zur Raserei kann verleitet werden?

›Sage mir alles, was du weißt‹, schrie ich die Bestie an, ›damit ich meine Rache danach einrichten kann.‹ Hierauf sagte sie:

›Weil ich mich denn dazu gezwungen sehe, so muß ich Eurer Durchlaucht eröffnen, daß Elbenstein in Venedig in den Hurenhäusern das allerliederlichste Leben geführt hat, wie mir ein redlicher Freund sicher berichtet hat, auch hat er sich in allen Gesellschaften gerühmt, was er von Ihnen in Ariqua genossen, auch wohl noch ein weit mehreres dazugesetzt.

Überdies hat er sich nicht gescheut, allhier im Gasthof die leichtfertigsten Reden auszustoßen, womit er niemand anderes als Eurer Durchlaucht hohe Person gemeint, und wer weiß, was er nicht den Kavalieren, so bei ihm im Gasthof gewesen, im Vertrauen aufgebunden hat, denn der Wirt, wenn Sie ihn selbst wollen kommen lassen, wird gestehen müssen, daß er sehr oft und lange heimlich mit ihnen geredet. Auch wird der Hausknecht in der Oreda Todesca ein mehreres aussagen können, wenn Sie sich die Geduld nehmen wollen, ihn anzuhören.

Ach! Ich mag nur nichts mehr sagen, Eure Durchlaucht möchten sonst meinen, es geschehe aus gehässigen Affekten gegen den von Elbenstein; ich erkenne ihn für einen der galantesten Kavaliere von der Welt, doch da er Eurer Durchlaucht Ehre und Renommee dergestalt gekränkt, wäre er in Wahrheit des Todes schuldig, allein, ich bitte selbst um sein Leben, weiß auch, daß Eure Durchlaucht so gnädig sein werden, ihm dasselbe zu schenken. Vielleicht kommt er nicht so bald wieder in diese Gegend.‹

»Nein! Er soll sterben,« schrie ich, rufe mir geschwind den Thomas her! Dieses ist einer von meinen getreuesten Bedienten; demselben befahl ich, sogleich vier, fünf oder sechs Banditen zu Pferde zu bestellen, damit sie vor Anbrach des Tages parat wären, er aber sollte um selbe Zeit wieder Ordre von mir empfangen, inmittels zahlte ich ihm fünfzig Zecchinen, selbige den Banditen auf die Hand zu geben.

Thomas versprach, alles wohl auszurichten; mittlerweile setzte ich mich hin und schrieb den Brief, welchen Euch Thomas auf der Straße nachgebracht hat, gab ihm auch alle Instruktion, wie er sich zu verhalten hätte und wie Euch die Banditen traktieren sollten; denn es stieg mir doch ein Appetit auf, Euch nur noch einmal lebendig zu sehen.

Sobald ich die Nachricht bekam, daß man Euch auf diesem meinem Schlosse in sichere Verwahrung gebracht, war ich halb befriedigt, wäre auch sogleich hierher aufgebrochen, allein, ich mußte auf meinen Gemahl warten, welcher wegen seiner angetretenen weiten Reise erst in Padua von mir Abschied nehmen wollte. Er kam, hielt sich aber nicht länger als zwei Tage und Nächte daselbst auf; mittlerweile sandte ich meine vermeinte Getreue, aber, mein Engel, Eure vermaledeite Verleumderin, her, um mit dem alten Schloßverwalter Eure Inquisitionsartikel zu formieren.

Ach! Die Bestien haben mich alle beide betrogen und Euch, mein Leben, über meinen Befehl viel zuviel getan.«

Hiermit fing die Fürstin bitterlich zu weinen an, daß Elbenstein bewogen ward, sie zu umarmen, zu küssen und zu bitten, daß sie von dieser Begebenheit nur gar nichts mehr gedenken möchte, indem ihm alle seine ausgestandene Marter mit reichlichem Vergnügen und süßer Lustbarkeit vielfältig ersetzt worden. Sie aber, nachdem sie eine gute Anzahl Tränen vergossen, welche Elbenstein mehrenteils mit seinen Lippen aufgefangen, sagte:

»Nein! Ich muß diese verfluchte Begebenheit vollends auserzählen : Das verteufelte Weibsstück drang mit subtilen Worten und listigen Griffen stark darauf, daß ich Euch nicht mehr sehen, sondern ihr die Ordre zustellen sollte, Euch den Kopf abschlagen zu lassen. Zu meinem Glück kam eben die Olympia, welcher ich den ganzen Prozeß erzählte. Diese stellte sich anfänglich ganz unpassioniert darüber, endlich aber beredete sie mich, daß ich selbst auf dieses mein Schloß fahren und Eure Exekution mitansehen sollte.

Ich folgte ihr, ließ es auch auf ihr Einreden zum Äußersten kommen. Ich und sie bewunderten Eure Standhaftigkeit; ich aber am meisten Eure Verschwiegenheit und getreue Liebe gegen mich. Wir beide guckten durch ein verborgenes Loch in das Gewölbe. Da nun der letzte Streich vollzogen werden sollte, mußte Olympia mit ihrer Stimme Halt gebieten, da ich Euch aber, mein Leben, gleich darauf in Ohnmacht dahinsinken sah, entwichen mir alle meine Lebensgeister, und ich bin gleichfalls in eine Ohnmacht verfallen, auch darin, wie mir Olympia gesagt, über drei Stunden verharrt, so daß sie an meinem Wiederaufleben gezweifelt hat.

Man mußte mir, sobald ich mich wieder besonnen, alle Viertelstunden Nachricht von Eurem Zustand bringen, ich konnte mich aber dennoch nicht eher zufriedengeben, bis ich vernahm, daß Ihr wiederum ganz munter wärt und eine lebhaftere Farbe bekommen hättet. Ich gab sogleich Befehl, Euch aufs allersinnlichste beste zu traktieren; um aber Euer Naturell auszuforschen, ließ ich aus Padua eine Dame de Fortun kommen, welcher ich fünfzig Zecchinen zum Voraus schickte. Dieser gab ich alle Anschläge, wie und welchergestalt sie Euch in Versuchung führen sollte. Sie spielte auch ihre Person vortrefflich, denn ich habe dem ganzen Spiele durch ein Loch, welches mit Fleiß in die Tapeten gemacht ist, jedoch von den wenigsten bemerkt wird, jederzeit vom Anfang bis zum Ende gesehen, auch außerdem alles beobachtet, was Ihr in der Einsamkeit vorgenommen.

Nimmermehr hätte ich mir eingebildet, daß Ihr diese Versuchung überstehen können, denn diese Person ist in Wahrheit eine der schönsten Kreaturen weiblichen Geschlechts.

Ich hatte mir auch vorgenommen, wenn Ihr dieselbe karessiert, keine andere Rache an Euch auszuüben, als daß Ihr mich nimmermehr wieder berühren sollen, sondern Ihr hättet mir gleich tags darauf einen körperlichen Eid schwören müssen, von allem dem, was Euch begegnet, niemandem etwas zu offenbaren; hernach würde ich Euch haben bei Nachtzeit in einem verdeckten Wagen bis auf die nächste Poststation bringen lassen.

Jedoch solchergestalt erreichte meine Liebe zu Eurer Person den höchsten Grad, dennoch reizte mich die mir und glaube ich dem ganzen weiblichen Geschlecht angeborene, überflüssige Neugier, Euch mit meiner eigenen Person doch noch einen Streich zu spielen. Allein, ich muß bekennen, daß mich Eure Standhaftigkeit in allen Stücken überwunden und mich zu Eurer Gefangenen gemacht hat. Hierbei bitte ich mir aber dieses aus, daß Ihr zu meinem Vergnügen ohne Euren Verdruß noch eine Zeitlang hier bei mir bleibt und meine Niederkunft abwartet, denn mein Gemahl wird vor der Zeit nicht zurückkommen, sodann, wenn Ihr erst die Frucht unserer Liebe mit Euren Augen gesehen, will ich Euch auf diesmal reisen lassen.

Ach! wollte der Himmel, ich wäre frei und ledig, es sollte mich nichts verhindern, Euch alle ersinnlichsten Divertissements zu machen, so aber, mein Leben, werdet ihr selbst fürs ratsamste erkennen, daß wir unser Liebeswerk so heimlich treiben, als nur immer möglich ist.

Unterdessen, da wir uns außerhalb dieses Schlosses nicht wohl eine Veränderung machen können, will ich doch besorgt sein, Euch im Zimmer soviel als mir möglich ist, allen angenehmen Zeitvertreib zu verschaffen; auch werde ich nicht vergessen, Eurer Versäumnis und ausgestandenen Ungemachs wegen eine billige Vergeltung zu tun, Euren Verleumdern und Peinigern aber ihren verdienten Lohn geben lassen.«

Hiermit beschloß die Dame ihre Erzählung. Elbenstein aber umfaßte und küßte dieselbe, schwur erst hoch und teuer, daß er nicht nur allen vorher gehabten Verdruß um des vor- und nachher genossenen Vergnügens willen in gar keine Betrachtung mehr zöge, sondern auch zeitlebens keinem Menschen ein Wort davon sagen wollte, vielmehr wünschte er, wenn es die Umstände zuließen, ihr ewiger Sklave zu sein, wenn er nur versichert wäre, daß sie ihn beständig liebte und nicht etwa durch ungleichen Verdacht von neuem auf andere für ihn gefährliche Gedanken geriete.

»Ich weiß wohl«, fiel ihm die Dame in die Rede, »wo ihr hinzielt, mein Leben! Es ist auch mehr als zu gewiß, daß viele Damen von meiner Nation den Gebrauch haben, ihre Amanten, nachdem sie sich genug mit denselben divertiert, ins Reich der Toten zu schaffen; jedoch die meisten mögen es wohl eben nicht aus einem besonderen Ekel und Überdruß, sondern vielmehr aus Vorsicht tun, damit ihnen nicht etwas Ungebührliches nachgeredet werde. Allein ich, da ich Euch bis auf den letzten Augenblick meines Lebens, auch wo es möglich ist noch nach dem Tode lieben werde, indem mir Eure Person und Aufführung vor allen anderen Menschen auf der ganzen Welt am allerbesten gefällt, ich auch Eurer Treue nunmehr vollkommen versichert bin, so schwöre ich bei allem dem, was heilig heißt, daß ich auf dieser Welt nicht der geringsten Wohlfahrt, Freude, Glücks noch Vergnügens, vielweniger des allergeringsten Teils der ewigen Seligkeit gewürdigt werden, hergegen zeitlich und ewig verflucht und verdammt sein will, und zwar von Rechts wegen, nach meinem eigenen Willen und Verlangen, wofern ich einigen Rat oder Befehl einwilligen, geben oder stellen will, der Eurem Glück, Vergnügen und Leben schädlich oder im allergeringsten nachteilig sein sollte oder könnte, zumal da ich weiß, daß, ob Ihr gleich mit der Zeit mich zu lieben überdrüssig werden möchtet, Ihr dennoch mir nichts zur Schmach und Schande nachreden werdet.«

Indem nun die Dame hierbei einige Tränen fallen ließ, Elbenstein aber durch diesen ihren teuren Schwur und andere zärtliche Reden sich aus allem innerlichen Kummer und Sorgen in das größte Vergnügen und Sicherheit gesetzt sah, trocknete er erst ihre Augen mit seinen Lippen und blieb hernach mit seinem Mund eine gute Weile stillschweigend auf ihren Lippen liegen. Endlich aber fing er so an zu reden:

»Ists auch möglich, daß ein Mensch in der Welt glücklicher ist als ich? Von so einer himmlischen Schönheit und irdischen Göttin sich so zärtlich geliebt zu sehen, die ich nicht allein von Grund des Herzens und der Seele liebe, sondern in der größten Ehrfurcht anbete?«

Hiermit ließ er sich vor ihr nieder, küßte derselben die Füße, wagte hernach, ihre Knie zu entblößen und dieselben zu küssen, ja, da er wahrnahm, daß die Dame mit halbgebrochenen Augen in einer süßen Ohnmacht lag, verirrte sich sein Mund noch weiter, und in solcher Positur verharrte er, bis sich die Dame ermunterte und ihn selbst vom Boden aufhob.


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