Johann Gottfried Schnabel
Der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Kavalier
Johann Gottfried Schnabel

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Die anderen Offiziere und Kavaliere erzählten auch ein jeder etliche, da denn verzweifelte Streiche herauskamen, welche zu wiederholen viel zu weitläufig fallen dürfte. Kurz, sie bemühten sich, den Herrn von Oegneck damit zu überführen, daß das Weiberhüten eine ganz vergebliche und lächerliche Sache wäre und daß auch zuweilen die allerehrlichste Frau durch vermerktes Mißtrauen ihres eifersüchtigen Ehemannes und allzustrenge Hut zur Rachgier verleitet werde und dasjenige tue, was sie sonst wohl unterlassen hätte, wenn sie nicht so scharf gehalten worden.

›Ha! Meine Herren!‹ rief Oegneck, ›alle die Exempel, so Sie erzählt haben, kommen mir lächerlich vor, die guten Leute haben alle die Art und Weise nicht recht gewußt, sich ihrer Weiber zu versichern, deswegen sind sie nicht zu beklagen, da sie betrogen worden. Die Sache muß bei einem ganz anderen Zipfel anfangen; was wollte doch alle ihre Praecaution mit meinen Anstalten für eine Gleichheit haben? Nichts, nichts, meine Herren! Ich habe einen zehnfach mehr verschlagenen und listigeren Kopf als diejenigen, von welchen Sie mir jetzt erzählt haben, und derjenige, so mich betrügen sollte, müßte noch erst geboren werden, denn wo andere nur hindenken, bin ich längstens gewesen, offenbare aber nicht alle meine Geheimnisse. Nun aber, meine Herren! Mag es für diesmal genug sein von dieser Materie, ich will kein Wort mehr davon reden, Punktum!‹

Die sämtliche Gesellschaft war nunmehr sattsam überzeugt, daß in seinem Kopf für hundert Narren nur neunundneunzig Stühle befindlich, weswegen der überzählige gewaltig herumschwärmte, einen bequemen Sitz zu finden; also hätten ihrer etliche gern gesehen, daß man den Hasen noch eine Zeitlang gehetzt, doch der Kapitän Reston brachte gewisser Ursachen wegen ein ernsthaftes Gespräch aufs Tapet, weswegen die lustigen Streiche für diesmal bei Seite gesetzt wurden.

Mein Herr hatte sich unter der Zeit, da alles dieses gesprochen worden, abermals vom Tisch hinweg und an ein Fenster gemacht, auch getan, als ob er von allem nichts gehört hätte, wiewohl er sich Verschiedenes, das zu seinem Vorhaben dienlich, aus diesen Begebenheiten angemerkt. Er wurde zwar genötigt, wieder zur Gesellschaft zu kommen, allein er bat um Erlaubnis, auf die Zurückkunft eines gewissen Kavaliers noch einige Zeit warten zu dürfen.

Oegneck, welcher immer ein Auge auf ihn hatte, machte sich diese Gelegenheit zunutze, stand auf und drehte sich mit Manier an seine Seite, plauderte von diesem und jenem so lange, bis er das Gespräch auf die Temperamente der Menschen brachte und einem Herrn, der ein vollkommener Sanguineo Cholericus war, mit aller Gewalt das melancholische Temperament aufzwingen und dringen wollte.

Mein Herr strebte anfänglich lange dawider, endlich, da ihm Oegneck allerhand abgeschmackte medizinische Grillen vorgebracht, gab er sich überwunden und sprach:

›Mein Herr von Oegneck, ohngeachtet ich bereits unter den Händen vieler Medicorum gewesen, so kann ich Ihm doch ungeheuchelt versichern, daß mir noch kein einziger das Pflöckchen so akkurat getroffen hat als Er, und zwar in so kurzer Zeit, da Er mit mir noch so wenigen Umgang gehabt, deswegen bin ich Willens, mich Seiner Kur völlig anzuvertrauen, in Hoffnung, bei Ihm die Erfüllung meines Wunsches zu finden, zumal wenn ich Ihm noch einige geheime Umstände, so meine selbsteigene Person betreffen, werde offenbart haben, woran vermutlich das meiste gelegen sein wird. Er wird also so gütig sein und übermorgen früh um sechs Uhr in mein Logis kommen, um sich mit mir zu unterreden.

Doch dieses will ich im Voraus sagen: Ist er glücklich in Kurierung meines Malheurs und verschwiegen bei demjenigen Geheimnis, so ich Ihm anvertrauen werde, soll Er von mir raisonable contentiert werden; plaudert Er aber nur das Geringste davon aus, so werde ich mein Haupt nicht eher sanft legen, bis ich meinen Hohn an Ihm gerochen habe.‹

›Ha, ha!‹ replizierte Oegneck, ›Schweigen ist die beste Tugend an einem Medico, und diese klebt mir vor tausend anderen an; mein Herr belieben, sich dieserwegen nicht die geringste Sorge zu machen, denn bei mir ist Ihr Geheimnis ebenso verwahrt, als ob Sie es einer leblosen Kreatur anvertraut hätten.‹

›Nun wohlan‹, sprach mein Herr, indem er ihm zugleich die Hand drauf gab, ›es bleibt indessen bei der genommenen Abrede.‹ Worauf sie sich beiderseits wieder zum Tisch setzten und von ihrem Gespräch niemandem etwas merken ließen; wenige Minuten hernach aber wurde Oegneck abgerufen, weswegen er fast wider Willen von dieser schönen Gesellschaft Abschied nehmen mußte.

Diese räsonierten noch eine geraume Zeit über den törichten Hasenkopf, ja, kein einziger war darunter, welcher ihm nicht des Aktäons Hauptschmuck von Grund des Herzens gegönnt hätte, jedoch mein Herr sagte weiter niemandem, was er sich für ein Projekt gemacht, ihm dazu zu verhelfen.

Bald hernach ging die Gesellschaft auch auseinander, und ein jeder suchte sein Vergnügen da, wo er es am besten zu finden verhoffte.

Mein Herr ließ sich, sobald er in sein Zimmer gekommen, sogleich auskleiden und legte sich ins Bett, wohl nicht eben aus Müdigkeit, sondern unfehlbar, um nachzusinnen, wie er sein vorhabendes Werk am geschicktesten anfangen möchte. Indem es nun seinem verschlagenen Kopf niemals an allerlei geschwinden, klugen und praktikablen Einfallen zu fehlen pflegte, so wurde der erste Akt dieser Komödie oder besser zu sagen Tragödie gar bald und ehe er noch einschlief entworfen.

Früh morgens, sobald er erwacht, entdeckte er mir denn offenherzig wie er die Sache anfangen wollte:

›Ich habe das Vertrauen zu Eurer Geschicklichkeit‹, so beliebte ihm zu reden, ›daß Ihr mir eine besondere Façon von einer Bandage verfertigen werdet, vermittels welcher ich ohne gar zu große Inkommodität meine Testiculos hinauf, zurück in den Leib hineinbinden kann, so daß das Scrotum ledig und schlaff herunterhängt, denn ich will dem Oegneck weismachen, daß ich kastriert wäre, glaube auch, hierdurch meinen Zweck am allerleichtesten zu erreichen.‹

Da nun seine Gemütsart so beschaffen war, daß er sich nicht gern widersprechen ließ, auch in den allerdesperatesten Unternehmungen weder Warnung noch Abraten stattfinden ließ, sah ich mich gemüßigt, um ihn nicht verdrießlich zu machen, seinen Willen zu erfüllen, traf auch das Ding dergestalt wohl, daß er ein besonderes Vergnügen darüber bezeigte.

Des anderen Morgens früh, gegen die Zeit, da Oegneck kommen sollte, mußte ich ihm diese Bandage anlegen, alle Gardinen wurden zugezogen, so daß es ziemlich dunkel im Zimmer war; mein Herr legte sich aufs Bett, Oegneck ließ sich durch den Lakaien melden, weswegen ich mich ins Kabinett verschließen mußte, um alle Reden mitanzuhören, jener aber wurde ins Zimmer gelassen und glaubte nicht anderes, als ganz allein bei meinem Herrn zu sein.

Dieser, nachdem er den Herrn von Oegneck genötigt, sich bei einem Nachttischchen niederzulassen, redete denselben also an: ›Mein Herr von Oegneck, ich muß Ihm, ehe wir zum Zweck kommen, ein Stück von meiner Lebensgeschichte erzählen, doch muß Er mir erst angeloben, selbiges ohne meinen Willen niemandem weiter zu offenbaren.‹

Da nun Oegneck sich aufs teuerste vermessen, seinen Mund zu halten, fuhr mein Herr in seiner Rede also fort: ›Ich bin ein Kavalier aus einem der vornehmsten Geschlechter in Deutschland. Das Liebeswerk habe ich mir, leider, von Jugend auf mehr angelegen sein lassen, als mir nunmehr lieb ist, da ich ein Frauenzimmer gehörig zu bedienen mich ganz und gar untüchtig befinde, denn alle beide Testiculi sind verlorengegangen, fühlt her, mein Herr! Ich bin, ach leider, ein beklagenswürdiger Verschnittener, weder Mann noch Weib, weder Weib noch Mann.‹ Oegneck begriff demnach auf Verlangen das Scrotum und glaubte deswegen, daß dem also sei, gab auch sein Mitleid mit kläglichen Gebärden und Worten zu verstehen.

Der verschlagene Patient aber stellte sich dergestalt jämmerlich an, daß es auch schien, als ob ihm die Tränen in den Augen stünden; endlich redete er weiter:

›Ich muß Ihm nur, mein Herr, die Sache mit allen ihren Umständen entdecken, Er höre mir fleißig zu! Ich habe mich vor einigen Jahren mit einem armen, aber sehr schönen Fräulein fleischlich vermischt und sie geschwängert, mit dem Versprechen, sie zu heiraten, nach der Zeit aber habe ich die teuersten Schwüre, so ich diesem Fräulein geleistet, leichtsinnigerweise aus den Gedanken geschlagen, mich von einer anderen Delila verführen und meine erste Liebste in dem jämmerlichsten Zustande sitzenlassen.

Es schrieb dieselbe zwar verschiedene höchst bewegliche Briefe an mich, konnte aber damit nichts als eine mittelmäßige Summe Geldes erlangen, wobei ich ihr rundheraus meldete, daß sie sich auf meine Person hinfür nur nicht die geringste Rechnung oder Hoffnung machen möchte, wie ich ihr denn auch wegen des starken Hasses, den ich nachher auf ihre Person gelegt, gänzlich untersagte, ferner an mich zu schreiben.

Doris, so hieß diese meine erste Liebste, war zwar nicht reich an Mitteln, desto reicher aber an Verstand und anderen besonderen Eigenschaften, hiernächst hatte sie einen heroischen Geist, welcher sie dahin verleitete, daß sie, um sich zu rächen, sowohl mir als meiner neuen Liebsten nach dem Leben trachtete.

Demnach verkleidet sie sich in Manneshabit, kommt heimlich an den Ort, wo ich mich damals aufhielt, paßt, da ich meine Mätresse nachts aus der Oper führe, vorsichtig auf, und stieß dieselbe plötzlich mit einem Stilett auf der Stelle an meiner Seite danieder, daß sie augenblicklich den Geist aufgab. Auf meine Brust tat sie ebenfalls in der Geschwindigkeit zwei heftige Stöße mit diesem Mordgewehr, allein, ihr Arm war zu schwach, oder vielmehr, mein anhabendes ledernes Kollet mochte verhindern, daß sie mir gleichergestalt das Leben rauben konnte.

Sie wurde zwar arretiert und von mir sogleich für meine ehemals geliebte Doris erkannt, doch es wachte nicht die geringste Liebesregung in meiner Brust gegen sie auf, sondern ich war gesonnen, nach Urteil und Recht mit ihr verfahren zu lassen; allein, Doris spielte das Praevenir und richtete sich selbst im Gefängnis mit Opium hin, nachdem sie vorher einen Brief an mich geschrieben, dessen Inhalt mir noch täglich in Gedanken sowohl als der Schatten ihres Körpers vor Augen schwebt. Aus wenigen Worten, mein Herr, die ich Euch aus dem Briefe hersagen will, werdet Ihr leicht erachten können, wie der ganze bogenlange Brief müsse gelautet haben:

›Sieh, Verteufelter‹, hatte sie geschrieben, ›durch Deine geile Brunst und Hurenliebe hast Du solchergestalt zwei der schönsten Fräulein um Ehre und Leben, ja, was das erschrecklichste, um ihrer Seelen Seligkeit gebracht; jedoch, ich weiß ganz gewiß und sehe bereits in meiner bitteren Todesstunde mit süßem Vergnügen vor Augen, wie Du noch auf Erden an demjenigen Glied, womit Du gesündigt hast, aufs grausamste gepeinigt wirst. Glühende Eisen, scharfe Messer, Scheren und Zangen werden Dich in Zukunft kitzeln, doch wirst Du statt empfindender Wollust Ach, Weh, Zeter und Mordio schreien müssen.‹ Hier hielt mein Herr etwas mit Reden inne, legte sich mit zugemachten Augen (wie ich durch ein kleines Loch aus dem Kabinett bemerken konnte) zurück aufs Bett und stieß etliche tiefgeholte Seufzer aus; mir, ohngeachtet ich sogleich merkte, daß er keine wahrhaftige Geschichte, sondern ein bloßes Gedicht hererzählte, standen jedoch fast die Haare zu Berge und ich kann nicht leugnen, daß mir dergleichen Beginnen sehr frevelhaft vorkam. Bald hernach setzte er seine Erzählung fort:

›Ach, mein Herr von Oegneck! Wie haben der sterbenden Doris Prophezeiungen doch so richtig bei mir eingetroffen; Ob ich gleich wenige Tage nach ihrem Tod alles aus dem Sinn schlug und mich um nichts bekümmerte, als wo ich wieder eine neue wohlqualifizierte Mätresse hernehmen wollte. Unterdessen aber, weil ich nicht sogleich finden konnte, was meine sehnlichen Augen suchten, hielt ich mich zu den gemeinen barmherzigen Schwestern und führte ein dermaßen garstiges Leben mit ihnen, daß ich mich nunmehr selbst schäme, ferner daran zu denken.

Jedoch die gerechte Strafe des Himmels rückte herbei, ehe es von mir vermutet wurde, denn als ich einstmals des abends mit schlummernden Augen auf meinem Bett lag und in einer wollüstigen Positur auf eine bestellte Kokette wartete, erschien mir der Geist der erblaßten Doris, welcher mit einem glühenden Eisen das Unterteil meines Gemächtes berührte und mich dermaßen brannte, daß ich vor Schmerzen hell zu schreien anfing und mich solchergestalt ermunterte.

Anfänglich vermeinte ich zwar, es sei nur ein bloßer Traum, und suchte mir dergleichen Phantasien aus dem Kopf zu schaffen, allein, es war mir unmöglich; zudem überfiel mich ein eiskalter Schauder, welcher mit der größten Hitze zum öfteren abwechselte, auch fing der im Traum gebrannte Fleck an, heftig zu schmerzen, so daß ich statt der verhofften Wollust diese Nacht über die allerentsetzlichste Liebes- und Gemütsmarter empfinden mußte.

Mit anbrechendem Tage verhoffte ich, würde zugleich mein schmerzhafter Zustand unterbrochen werden, indem sich meine Sinne unmöglich einbilden konnten, daß mir dergleichen re vera begegnet sei.

Ach! Aber ich verspürte bald mit ermunterten Sinnen und Augen, daß mein Zustand einer der allergefährlichsten sei, inmaßen mein Gemächte seine gewöhnliche Gestalt verlor und sich in eine unbändig große Wasserblase verwandelte. O Himmel! Wie wurde mir zu Mute? Fast hätte ich mich, um der grausamen Schmerzen auf einmal loszukommen, resolviert, mir selbst eine Pistolenkugel durchs Herz zu jagen, jedoch mein guter Engel hielt mich davon zurück.

Ich schickte nach den erfahrensten Ärzten, welche gar bald genug ankamen und mir die allerkostbarsten innerlichen und äußerlichen Arzneien gebrauchten, allein, die grausame Höllenpein, welche ich noch immerfort erlitt, konnte kaum binnen acht Tagen ein wenig gelindert werden.

Endlich, nachdem zwei Wochen verflossen waren, wurden zwar die Schmerzen etwas erträglicher, im Gegenteil schien es, als ob diese Extremität meines Leibes gänzlich abfaulen wollte. Ins Scrotum fielen etliche Löcher, beide Testiculi wurden vom kalten Fieber angegriffen gefunden, demnach herausgezogen und zu meinem größten Leidwesen abgeschnitten.

Also half mir mein getanes Gelübde, welches darin bestand, daß ich nach völliger Genesung nimmermehr ein Frauenzimmer unehelicherweise wieder berühren wollte, für diesesmal gar nichts, sondern es wurde mir vom Schicksal auferlegt, die Fortpflanzung des menschlichen Geschlechts anderen zu überlassen. Doch dieses ist höchst zu verwundern, daß, sobald ich solchergestalt kastriert war, sich sofort alle Schmerzen verloren, ja, kurz zu sagen, ich befand mich, ehe vier Wochen verflossen, vollkommen restituiert und wundere mich nunmehr selbst, daß von dem entsetzlichen Schaden so wenige Narben zu fühlen sind.

Nach der Zeit habe zwar wenige oder gar keine Incommoditée weiter davon empfunden, doch ein berühmter Operateur hat mir geraten, beständig eine solche Bandage, wie mein Herr um meinen Leib herum sieht, zu tragen, denn seinem Sagen nach könnte ich gar leicht einmal durch eine mittelmäßige Strapaze einen doppelten Darmbruch bekommen, weil sogar das Darmfell in meinem Leibe von dem scharfen Eiter zernagt befunden worden.‹

›Es ist dieses‹, sagte Oegneck hierauf, ›ein ganz guter Rat. Allein, wie haben sich Ihro Gnaden nach der Zeit sowohl in Dero Leibeskonstitution als in den Gemütsbewegungen befunden?‹

›Ach Himmel!‹, gab mein Herr zur Antwort, ›ich bin seit der Zeit der vorige Mensch ganz und gar nicht mehr gewesen. An der Courage, einem Feinde unter Augen zu gehen und mich mit demselben auf Degen und Pistolen zu schlagen, ist mir zwar nicht das geringste entgangen; Essen und Trinken schmeckt mir auch ganz wohl, allein, die Liebe zum Frauenzimmer ist mir zuwider wie der Tod, hergegen ist mir nichts angenehmer als die Einsamkeit, doch gibt mir die Vernunft zu verstehen, daß, wenn sich meine Sinne gar zu sehr darin vertieften, ich vielleicht wohl gar wahnsinnig, toll oder rasend werden möchte; eben diesem Unglück aber vorzubeugen, habe ich mich auf Reisen begeben, weiß aber nicht, ob es lange antreiben werde, denn ich möchte wohl besser nicht verwahrt sein, als bei den Meinigen zu Hause. Sonst habe ich ein so ziemliches Vergnügen an allerhand spekulativischen Dingen, als an Malerei, gleichen an einer süßen Musik, beweglichen poetischen Sachen, aber keine verliebten Gedichte; item allerhand moralische Historien zu lesen und anzuhören, allein, es vergeht mir auch hierzu der Appetit zuweilen ganz plötzlich, und ich verfalle öfters über Vermuten in eine Tiefsinnigkeit, wenn nicht ein besonders kluger und geschickter Mann bei mir ist, der mit guter Manier dergleichen Grillen aus meinem Kopf jagen kann.

Ich habe zwar schon verschiedene gescheite Leute in meinen Diensten gehabt, weil aber dennoch keiner recht nach meinem Gout eingeschlagen, so habe immer einen nach dem anderen wieder fortgeschafft, auch von meinen jetzigen Bedienten werde ich keinen lange um mich leiden können.‹

›Wie ists aber‹, fragte Oegneck, ›wenn sich Ihro Gnaden genötigt sehen, mit Frauenzimmern zu konversieren?‹

›Ei was!‹ fuhr mein Herr auf, ›Er schweige mir ja um Himmels willen von diesem Geschlecht still, denn ich wollte eher zwei wilde Männer, als ein Frauenzimmer um mich leiden. Ihre Konversation ist mir bis in den Tod zuwider, ja, ich scheue dieselben als ein verzehrendes Feuer. Sobald ich eine ansehe, befürchte ich gleich, sie möchte etwa Wissenschaft um meine Beschaffenheit haben, mich deswegen in ihrem Herzen höhnisch auslachen und mit meinem Elend einen Spott treiben. Ob ich auch, wenngleich alles noch seine Richtigkeit bei mir hätte, nimmermehr wieder ein Frauenzimmer bedienen möchte, inmaßen ich es mitten in meinem Schmerzen so teuer verschworen habe, so wollte ich doch eher mein Leben dransetzen, als mich mit meiner Incapacité schrauben lassen.‹

›Wenn man aber‹, wandte Oegneck ein, ›ein solches Frauenzimmer finden könnte, die dergleichen tadelhafte und andere sündliche Affekte nicht in ihrer Seele hegte, sondern eine reine, keusche und redliche Konversation mit Ihnen zu führen bereit wäre, wollten Euer Gnaden eine solche auch nicht um sich leiden?‹

›Ach! Hinweg mit dem Frauenzimmer, es mag schön oder häßlich sein‹, war meines Herrn Gegenrede, ›wo wollte doch immermehr eine solche, wie sie der Herr beschreibt, anzutreffen sein? Es wäre denn ein Kind oder ein altes Weib, von welchen beiden aber eines sowenig als das andere das Geschick haben kann, mir einen vergnügten Zeitvertreib zu verursachen, deswegen nur stillgeschwiegen von diesem verhaßten Geschlecht.‹

›Nun, nun!‹ sagte endlich Oegneck, ›Eure Gnaden geben sich nur völlig zufrieden, Ihr Malheur soll aufs längste binnen zwei oder drei Monaten behoben sein. Was verlorengegangen, kann zwar ich und kein sterblicher Mensch wieder ersetzen, allein Ihren melancholischen Humor hoffe ich mit der Hilfe des Himmels völlig zu kurieren, weil mir Rat und Mittel dafür überflüssig beiwohnen, ja, ich versichere bei meiner Ehre, daß schon mehr als hundert dergleichen Patienten recht lustig, fröhlich und vergnügt von mir gegangen sind; doch sage ich Eurer Gnaden im voraus, daß sie sich nach derjenigen Vorschrift, welche ich Ihnen in Ihrer Diät und ganzer Lebensart machen werde, aufs allergenaueste richten müssen, wofern sie anders vollkommen glücklich kuriert sein wollen, ja solchergestalt hoffe ich nicht einmal zwei Monate mit Ihnen zuzubringen, wenn sie nämlich mir billige Folge leisten werden.‹

›Ich bin ja ein Mensch‹, sagte hierauf mein Herr, ›der ein ziemlich Teil Verstand hat, deswegen will ich Ihm versprechen und halten, allem demjenigen fleißig nachzuleben, was mir Seine Kunsterfahrenheit zum Reglement vorschreibt, nur bitte ich, allen möglichen Fleiß zu baldiger Kur anzuwenden, Seiten meiner soll es auch an richtiger Bezahlung nicht ermangeln, wie ich Ihm denn hiermit gleich zum voraus zwölf Dukaten gebe.‹ Oegneck hätte vor Freuden gleich aus der Haut fahren mögen, da ihm mein Herr aus seiner Goldbörse zwölf schöne Dukaten langte und dieselben in seine Hand drückte; anfänglich stellte er sich zwar, als ob er nichts voraus haben wollte, doch ließ er sich auch nicht zehnmal nötigen, sondern steckte das Gold mit Freuden in seinen Schubsack.

Hierauf redete er aus einem ganz anderen Ton also:

›Gnädiger Herr! Vor allen Dingen wird es nötig sein, daß Sie Dero Logis verändern und an einem solchen Orte wohnen, wo es etwas lebhafter und nicht so einsam als hier ist, damit Sie öfters aus den Fenstern bald auf die volkreichen Straßen, bald in schöne Gärten sehen können und durch Betrachtung anderer Objekte von Ihren gewöhnlichen tiefen Gedanken abgezogen werden. Starke und allzuöftere Gesellschaft bei sich zu haben, will sich anfänglich nicht wohl schicken, weil solches die Kur nur verzögern möchte, doch muß man Sie auch selten alleinlassen, sondern sehen, wo man einen geschickten Mann findet, der Ihnen mit angenehmen Gesprächen und auch wohl auf andere Art die Zeit passiert, wenn ich nicht selbst zu Hause sein kann. Ich habe‹, fuhr Oegneck fort, ›ein schönes, wohl und geräumlich erbautes Haus gemietet, bewohne aber nur den wenigsten Teil davon, weil ich aber keine starke Familie habe; belieben Sie etwa, dasselbe in gnädigen Augenschein zu nehmen, und wo es anständig, zu beziehen, so sollte an Dero schönster Kommodität nicht der geringste Mangel erscheinen, denn ich könnte solchergestalt desto öfter bei Ihnen sein; an allem anderen, wozu Sie sonst einen zulässigen Appetit verspüren möchten, würde auch kein Mangel erfunden werden.‹

Mein Herr brachte anfänglich viele Entschuldigungen vor, warum es ihm sehr beschwerlich fiele, sein Logis zu verändern, endlich aber, nachdem er eine Zeitlang nachgesonnen, sagte derselbe: ›Mein Herr von Oegneck, ich habe einmal versprochen, Ihm in allem, was zu meiner baldigen Kur vorteilhaft erfunden wird, Gehorsam zu leisten, deswegen soll Er in diesem Stück die erste Probe von mir sehen. Es geschehe demnach, der Herr lasse mir in Seinem Hause zwei oder drei bequeme Zimmer zurechtmachen, meine Leute sollen sogleich einpacken, damit ich gegen Abend einziehen und morgen mit der Kur der Anfang gemacht werden kann; mir wird nunmehr Zeit und Weile viel zu lang.‹ Oegneck mochte sich unfehlbar innerlich nicht wenig freuen, einen so fetten Kostgänger und Patienten angetroffen zu haben, von welchem er keine mageren Brocken zu genießen verhoffte, nahm deswegen mit meinem Herrn nur noch kurze Abrede wegen ein und anderer Kleinigkeiten, beurlaubte sich nachher und eilte nach Hause, um alles wohl einzurichten.

Kaum mochte er aber wohl zum Hause hinaus sein, als mein Herr vom Bett aufsprang, mich rief, daß ich ihm die Bandage abnehmen sollte, und fragte, was meine Gedanken wären bei diesen Streichen?

›Gnädiger Herr!‹ antwortete ich, ›bald haben mir über Ihr Gespräch die Haare zu Berge gestanden, bald aber hätte ich vor Lachen zerbersten mögen.‹

›Ihr müßt mich‹, versetzte er, ›für jetzt einmal als einen Komödianten betrachten, der seine Komödien selbst elaboriert; die erste Szene, welche ich in gewichener Nacht ausgesonnen, ist, wie mich dünkt, ziemlich gut abgelaufen, allein, Ihr werdet unfehlbar noch weit mehr dabei zu lachen kriegen, denn Oegneck muß mir nolens volens ein vollkommener Harlekin und Hahnrei werden, vorjetzt aber werden wir keine Zeit zu versäumen haben, sondern unsere Sachen einpacken müssen, damit wir noch heute an Ort und Stelle kommen.‹

Demnach packten wir alles ein, und mein Herr half selbst fleißig; zwei Stunden nach der Mittagsmahlzeit aber kam Oegneck und meldete, daß die Zimmer zu meines Herrn Commoditée bereits gereinigt und möbliert wären, weswegen sogleich der Anfang zum Aus- und Einräumen gemacht wurde, gegen Abend aber begab sich mein Herr selbst mit dem Oegneck in das neue Quartier.

In selbigem war zum Willkommen eine köstliche Mahlzeit zubereitet, wiewohl niemand als Oegneck mit ihm speiste, auch kamen von Domestiken nicht mehr als ein alter ehrbarer Mann nebst zwei Knaben von zehn bis zwölf Jahren zum Vorschein. Jedoch hatte ich das Glück, Oegnecks Frau am ersten zu sehen, indem sie die Speisen selbst zubereitete und dieselben durch eine Schublade, die in der Küchentür war, herausgab. Ich muß gestehen, daß ihr Gesicht mehr einem Engel als Menschen ähnlich sah, ihre Arme und Hände aber waren noch weißer als Alabaster, weswegen ich meinen Herrn nicht halb so sehr verdachte, daß er sich ihrethalber so viele Mühe gab, ohngeachtet er sie noch nicht gesehen.

Es wollte sich nicht schicken, ihm meine glückliche Aventure zu melden. Er aber wußte seine Person vorgenommenermaßen dergestalt künstlich zu spielen, daß Oegneck an nichts weniger gedachte, als daß man ihn so listigerweise hinter das Licht führen wollte, hergegen brachte er allerhand feine Historien und scherzhafte Reden vor. Es schien, als ob mein Herr hierbei ziemlich vergnügt wäre, doch da die Nacht hereinzubrechen begann, stellte er sich dermaßen wunderlich an, daß ein jeder, dem seine Verstellung unbekannt war, hätte meinen sollen, er sei ein wirklich delirierender Fanatikus.

Ich und die beiden Lakaien waren schon sattsam abgerichtet, schlichen uns deswegen ganz behutsam hinzu und brachten mit guter Manier Messer, Gabel, Degen, Pistolen, ja alles schädliche Gewehr auf die Seite in eine Nebenkammer, deswegen dem Herrn von Oegneck ziemlich bange, ja ich glaube, daß es ihm fast leid war, sich aus Übereilung eine solche Last auf den Hals gebürdet zu haben. Bei sogestalten Sachen eilte er, Arznei herbeizuholen, auch war ihm für diesen Patienten ein biblisches Mittel eingefallen, nämlich die Musik, durch welche der König Saul, wenn er den Raptum bekommen, war besänftigt worden. Er kam bald wieder zurück und brachte einen Julep, welchen mein Herr auf einmal austrinken sollte; dieser aber, welcher den Kopf mit beiden Armen unterstützt hatte, niemanden ansehen, auch kein Wort antworten wollte, stieß das Glas zornig von sich, daß es auf dem Boden in Stücke brach, und blieb in voriger Positur sitzen. Über Vermuten aber ließ sich vor der Stubentür eine Laute hören, worauf erst ein angenehmes Präludium gespielt wurde, endlich aber fiel eine unvergleichliche Diskantstimme drein und sang folgende Arie:

1.
                        Entschlage dich der bangen Grillen,
Beklemmtes Herz! Bedenke doch:
Du kannst damit den Schmerz nicht stillen,
Du schüttelst zwar dein schweres Joch;
Und kannst es doch nicht leicht von deinem Halse kriegen,
Darum besinne dich und suche dein Vergnügen.
2.
Du sprichst: Wo soll ich dieses finden?
Da etwas mich zurückehält,
Da Hilfe, Rat und Trost verschwinden,
Da Scherz und Lust in Abgrund fällt.
Ach! Glaube doch, man kann sich alles leichter machen,
Ein kluges Auge muß bei größter Trübsal lachen.
3.
Zuviel sich grämen ist ein Laster,
Man stört damit die Lebensruh.
Gewohnheit streicht das beste Pflaster,
Die Zeit heilt alle Schäden zu;
Drum lerne mit Geduld der Plagen zu gewohnen,
Mit Sturm und Ungeduld erwirbt man selten Kronen.
4.
Es kann sich endlich doch wohl schicken,
Daß dir ein frohes Stündchen lacht.
Kann dich nicht, was du willst, erquicken:
Wer weiß, was sonst für Lust erwacht,
Die deine matte Brust mit süßem Nektar labet,
Und mit Ambrosia statt Aloe begabet.

Mein Herr sah sich unter währendem Singen ein paar Mal ganz wild um, da aber die Musik geendigt war, stellte er sich an als einer, der aus einem tiefen Traum erwachte, rieb die Augen und gähnte etlichemal. Merken konnte er leicht, daß Oegnecks Frau die Sängerin gewesen, doch gab er seine Gedanken nicht von sich, sondern warf einen Dukaten auf den Tisch und sagte: ›Wo ist der Knabe, der jetzt so schön musiziert hat? Gebt ihm diesen Dukaten und laßt ihn das Stück noch einmal repetieren, sagt auch, daß er öfters kommen solle.‹

Oegneck nahm den Dukaten und ging damit zur Tür hinaus; sobald er zurückkam, hörte man die vorige Arie nochmals, und zwar weit manierlicher singen, auch mit unvergleichlicher Variation spielen.

Sobald dieselbe unter meines Herrn großer Aufmerksamkeit geendigt war, stellte sich derselbe wiederum mit völligem Verstand her, umarmte den Herrn von Oegneck und sagte:

›Ach, mein allerliebster Freund, wie glücklich schätze ich mich, daß ich in Seine Kur geraten bin, nun merke ich erst, daß Seine besondere Klugheit mir mehr mit äußerlichen Vorteilen, als mit innerlichen Medikamenten raten und helfen wird. Habe ich unter währendem Paroxismo etwa eine Faiblesse begangen, so bitte, mir selbige zu vergeben, denn ich bin zur selben Zeit ein miserabler Mensch, der selbst nicht recht weiß, was er tut; der charmant musizierende Knabe aber hat mich mit seiner angenehmen Stimme ungemein vergnügt, nicht anders, als ob ich von Toten auferweckt worden. Diese Arie werde ich mir zu meinem Leibstückchen erwählen, denn der ganze Text schickt sich so von ungefähr vortrefflich auf meinen Zustand.‹

›Ich freue mich von Herzen‹, gab Oegneck hierauf zur Antwort, ›gleich anfänglich ein so glückliches Mittel erfunden zu haben, Eure Gnaden zu besänftigen; der Knabe soll Ihnen in Zukunft alle Abend, sooft es gefällig, aufwarten, dieses aber muß ich zur Nachricht melden, daß er in Gegenwart anderer Leute nichts Gescheites spielen oder singen kann, deswegen ists am besten, man läßt ihn außen vor der Tür bleiben.‹

›Ach ja‹, versetzte mein Herr, ›das muß ohnedem geschehen, denn ich möchte denselben vielleicht nicht bei mir vertragen können. Für jetzt aber wird mir erlaubt sein, mich zur Ruhe zu legen, denn ich befinde mich matt und schläfrig.‹

›Sie tun sehr wohl hieran‹, sagte Oegneck und begab sich nach Anwünschung einer geruhigen Nacht von dannen.

Anstatt sich zur Ruhe zu legen, setzte sich mein Herr in sein Kabinett, rauchte ein paar Pfeifen Tabak, ließ die Lakaien zu Bett gehen, zu mir aber sagte er mit lachendem Munde:

›Das war der andere Auftritt in dieser Komödie, es muß aber noch weit mehr tolles Zeug herauskommen.‹

Ich offenbarte ihm, wie ich das Glück gehabt, Oegnecks Frau zwar nur auf wenige Augenblicke zu sehen, müßte aber bekennen, daß sie ein recht englisches Gesicht hätte.

Er erfreute sich hierüber ungemein und wünschte sich dieses Glück nur vorerst auf eine einzige Minute. Nachdem er nun wegen der fernerweitigen Fort- und Ausführung seines Dessins noch Verschiedenes mit mir überlegt, begab er sich endlich zur Ruhe.

Einige darauffolgende Tage hintereinander plagte ihn Oegneck mit Purgieren und Schwitzen dergestalt, daß er es fast überdrüssig werden wollte, jedoch auf mein Zureden, daß ihm dieses nicht undienlich, indem er lange Zeit nicht mediciniert, mithin viele Unreinigkeiten aufgesammelt hätte, war er ziemlich gelassen dabei, befand sich auch sehr wohl darauf, weswegen ihn Oegneck einige Tage in Ruhe, dabei aber die delikatesten Speisen zubereiten ließ.

Inmittels begann mein Herr ziemlich unmutig zu werden, weil er durch seine gemachten Machinationen den gewünschten Zweck zu erreichen noch keine sichere Hoffnung sah. Er stellte sich, als ob die melancholischen Paroxismi nicht des zehnten Teils mehr so stark wären als bisher, doch gab er allgemach zu verstehen, wie er sich nach einem oder dem anderen Zeitvertreib sehnte, weswegen ihm Oegneck ein ganzes Paket Gemälde von Landschaften und anderen artigen Dingen brachte und selbige zur Betrachtung vorlegte.

Er bewunderte dieselben und fragte, ob der Meister davon in N. wäre; Oegneck bejahte solches, doch wäre er vorerst nur auf ein paar Tage verreist. Ferner brachte er ihm allerhand in Wachs poussierte Porträts, ingleichen viele Bogen Verse, welche meistenteils von Verachtung der Welt, von der eitlen Wollust, von den Torheiten beider Liebe und dergleichen handelten. Mein Herr lobte alles weit mehr, als es ihm ums Herz war, zeichnete sich auch einige Arien aus und bat, daß sie dem musikalischen Knaben zugeschickt werden möchten; welches denn Oegneck auch besorgte, so daß wir des darauffolgenden Abends eine unvergleichliche Vokalmusik nebst der Laute hörten. Wie aber mein Herr fragte, wer denn der Meister von diesen Versen wäre, gab er zur Antwort:

›Die Schildereien, Wachsbilder und Verse sind eines Menschen Arbeit, doch dieses alles ist nichts gegen die andere unvergleichliche Geschicklichkeit, so dieser Mensch nebst einem besonderen Verstand und artiger Conduite besitzt.‹

›Ach Himmel!‹ versetzte mein Herr, ›das wäre ein rechter Mensch für mich, möchte ich doch denselben zeitlebens bei mir haben können, er sollte es so gut und noch weit besser haben, als ich selbst, denn ich verhoffte von seiner Konversation ganz was Besonderes zu profitieren.‹

›Ich glaube schwerlich‹, erwiderte Oegneck, ›daß er sich resolvieren möchte, zeitlebens bei Ihnen zu bleiben; denn er hat selbst gute Mittel, ist auch bei allen seinen Geschicklichkeiten und Tugenden dennoch ziemlich eigensinnig, indem er ein ruhiges Leben führen, durch seine Künste sich immer höher schwingen, mithin auch immer mehr und mehr Reichtümer erwerben kann, doch getraue ich mich, ihn dahin zu persuadieren, daß er, solange sich Euer Gnaden in meiner Wohnung aufhalten, Ihnen fast täglich einige Stunden die Zeit passieren soll.‹

Mein Herr bat inständig, ihm mit allernächsten diesen artigen Menschen zuzuführen, und Oegneck versprach, sogleich nach ihm zu schicken, versicherte auch, daß wenn er wieder zurückkommen wäre, derselbe nicht abschlagen würde, ihm eine Visite zu geben.

Hiermit ging Oegneck fort und ließ meinen Herrn für diesmal die Mittagsmahlzeit allein verzehren, welches ihm wegen seines starken Appetits, dem er bei dessen Gegenwart öfters einigen Abbruch tun mußte, sehr gelegen fiel.


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