Johann Gottfried Schnabel
Der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Kavalier
Johann Gottfried Schnabel

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»In N. befand sich eine gewisse vornehme Dame, welche man dem Liebesappetit nach mit Recht unter die Unersättlichen rechnen konnte; diese warf ihre Augen auf einen Fähnrich von meiner Kompanie, den ich nur mit dem Buchstaben F. bezeichnen oder benennen will. Er sah nicht häßlich von Gesicht und hatte eine vortreffliche große und lange Nase, woraus sie, als eine wollüstige Dame, vielleicht sonst einen guten Schluß gemacht. Für seine Person war dieser F. sonst ein sehr stiller, mehr melancholischer als lustiger Mensch, verrichtete seine Dienste akkurat, liebte weder Spiel noch Trunk und dem Ansehen nach das Frauenzimmer am allerwenigsten.

Corvenia, so will ich die Dame nennen, hatte diesen Fähnrich kaum in die Augen gefaßt, als sie ihm durch ein altes Weib und eigenhändige vertraute Briefe die auf ihn geworfene Liebe zeigt und inständig bittet, sich mit ihr in nähere Vertraulichkeit einzulassen; allein, dieser Eigensinnige trägt Bedenken, sich in einen solchen gefährlichen Handel einzulassen; gibt sich deswegen nicht einmal Mühe, diese Dame kennenzulernen, viel weniger auf ihre Schreiben zu antworten, ungeachtet sie ihm eine namhafte Geldsumme versprochen, wenn er ihr zu demjenigen verhelfen könnte, wozu ihr Mann sich seit länger als acht Jahren inkapabel befunden hatte.

Hierauf begab sichs, daß, da er bloß mit seinem Knecht ein kleines Haus bewohnte, ihm in einer Nacht fast all sein Geld, Kleider und die meisten Möbel gestohlen wurden, so daß er solange im Bett bleiben muß, bis ihm andere Offiziere notdürftige Kleidung nebst etwas Geld vorschießen; über all dieses aber hatten die schelmischen Diebe seine im Stall stehenden drei Reitpferde mit Dolchen erstochen.

Demnach sah sich F. in einem sehr miserablen und bedürftigen Zustand; jedoch, da gleich des anderen Tages Corvenia, deren Haus von hinten zu an das seinige stieß, ihm wegen seines Verlustes ein Kondolenzschreiben zuschickte, anbei ersuchte, ihr nur eine einzige Visite zu geben, wofür sie ihm seinen erlittenen Schaden gedoppelt ersetzen wollte, konnte dieser eigensinnige Kopf dennoch nicht resolvieren, dergleichen Vocation Gehorsam zu leisten, sondern gab dem abgeschickten Weib zur Antwort:

Ei was! Er als ein Kavalier könnte doch wohl in kurzem wieder zu Equipage und Geld kommen und hätte eben nicht nötig, solches mit verbotener Courtoisie zu erwerben.

Allein, was geschieht? Etwa fünf oder sechs Tage hernach wird mein guter Fähnrich des Nachts, als er im besten Schlafe liegt, von sechs baumstarken Kerls gebunden und im bloßen Hemde, mit verbundenen Augen und verstopftem Mund in einen finsteren Keller getragen, auf eine Schütte Stroh gelegt, und nachdem sie ihm die Augen aufgebunden, lassen sie ihn, in dem finsteren Keller verschlossen, allein liegen.

Anfänglich weiß er nicht, ob dieses alles ein Traum ist oder ob es ihm in der Tat und Wahrheit also widerfährt, doch als ihm wegen des festen Bindens Arme und Beine geschwollen und er kaum durch die Nase ein wenig Luft holen kann, auch in dem kalten Keller den grausamsten Frost empfindet, vermerkt er als zu wohl, daß es kein bloßer Traum sei.

Nachdem er nun über zwei Stunden lang in solchem schmerzhaften Zustand dagelegen, erblickt er eine Person in einem langen Nachtkleide, die durch eine kleine Treppe zu ihm von oben herunterkommt. Es hat dieselbe einen silbernen Leuchter mit darauf brennendem Wachslicht in der Hand, tritt gerade gegen ihm über und hält ungefähr folgenden Sermon:

›Verdammter Hund! Welcher Wolf hat dich erzeugt oder welcher Bärin Brüste hast du gesogen, daß du so unempfindlich gegen meine heftige Liebe gewesen bist? Doch nein, du mußt nicht einmal von den wilden Tieren herstammen, denn diese lassen sich öfters noch leichter bewegen, die Menschen zu lieben; sondern die höllischen Furien, Feinde des menschlichen Geschlechts, müssen dich geboren, erzogen und in die Welt geschickt haben. Elender Sklave! Du hast meine Gewogenheit und übermäßige Liebe verschmäht, deren du nimmermehr würdig bist, ja, du hast eine Dame verächtlich traktiert, vor welcher noch fast täglich einer, der zehnmal besser ist als du, sich zur Erden wirft und nur um einen günstigen Blick bittet. Vermaledeiter Molch! Vergifteter Basilisk, du hast mich niemals sehen und dennoch töten wollen, jetzt tue deine schändlichen Augen auf und betrachte mein Gesicht, ob, ungeachtet ich jetzt voller Zorn und Grimm bin, ein einziger Zug darin zu finden, der wider das Muster der Schönheit ist. Beschaue, du Nichtswürdiger, meinen ganzen Leib und erwäge, ob es der Natur wohl möglich sei, ein zärtlicher und zierlicher Frauenzimmer zu bilden?‹

Unter diesen Worten hatte sie das Licht vor sich niedergesetzt, den Schlafrock aufgeschlagen und ihren bloßen Leib, der auch nicht einmal von einem Hemd bedeckt gewesen, hergewiesen. ›Sage an‹, redet sie ferner, ›wo siehst du einen Flecken, der dir einen Ekel erwecken, im Gegenteil nicht das allerunempfindlichste Herz zur Gegenliebe reizen könnte? Siehst du allhier nicht den kurzen Begriff aller Annehmlichkeiten?

Urteile demnach, ob sich derjenige nicht glücklich zu schätzen hat, dem ich dieses alles aus Liebe freiwillig in die Arme liefern wollte. Dir war es bestimmt, du schändliches Krokodil! Nunmehr aber hast anstatt des Genusses aller Delikatessen und meiner brünstigen Liebe nebst reichlicher Belohnung nichts anderes als die grausamste Marter und den allerschmählichsten Tod zu hoffen. Du hast mich entblößt gesehen, aber zu deinem Verderben, und sterben mußt du nunmehr gewiß, damit niemand auf der Welt leben möge, der sich rühmen könne, er habe die von C.* nackend gesehen.

Ich habe mir vorgenommen, dich in diesem Gewölbe verhungern und erfrieren zu lassen, jedoch, wenn du mir die Wahrheit bekennst, warum du einen solchen besonderen Ekel gegen meine Person bezeigt, kannst du vielleicht noch mit einer gelinderten Todesstrafe begnadigt werden.‹

Der armselige Fähnrich hätte hierauf antworten sollen, es war ihm aber unmöglich gewesen zu reden, weil seine Diebe ihm ein solches Instrument in den Mund gesteckt, welches ihm den Gebrauch der Zunge und Lippen verhindert.

Die erzürnte Dame vermeint, er wolle ihr aus Trotz nicht antworten, tritt ihm deswegen mit dem Fuß in die Seite, knirscht mit den Zähnen und sagt:

›Höllischer Drache! Bist du noch verstockt und willst mir nicht einmal antworten? Warte! Ich will dir noch in dieser Nacht mehrere Wirkungen meines Zornes empfinden lassen.‹

Hierauf gibt er mit Brummen und Brausen zu verstehen, daß ihm etwas im Mund stecke. Demnach nimmt ihm die Frau von C.* selbiges heraus, da ihm denn die Angst ungefähr folgende Worte in den Mund gibt:

›Schönste Göttin! Ich gestehe es, ich habe den Tod verdient, indem ich zwar nicht aus Ekel und Verachtung, sondern aus bloßer Einfalt und knechtischer, furchtsamer Einbildung Dero englische Schönheit anzubeten verabsäumt.

Ich schwöre, daß ich Dero unvergleichlich wohlgebildetes Angesicht zu sehen niemals das Glück gehabt, und wäre es auch geschehen, so würde ich doch, als ein von Natur sehr blöder Mensch, in meiner Einbildung noch viel mehr gestärkt worden sein, daß man mit mir als einer schlechten Person ein bloß Possenspiel zum Zeitvertreib vornehmen wolle.

Erbarmen Sie sich deswegen meiner und lassen mich auf eine gelinde Art vom Leben zum Tode bringen, denn mein Leben würde mir ohnedem zur Last gereichen, da ich ein solches Engelsbild gesehen und mich des wirklichen Liebesgenusses bei demselben unachtsamerweise selbst verlustig gemacht habe.‹

Solche und dergleichen herzbrechende Reden bewegen endlich die erzürnte Dame zum Mitleiden, so daß sie fragt:

›Liebt Ihr mich denn nunmehr?‹

Der arme Gefangene kontestiert aus Angst mit noch tausenderlei schmeichelhaften Worten, daß er nunmehr in diesen wenigen Minuten zum allerersten Male den heftigsten Liebesaffekt bei sich, und zwar gegen ihre Person empfunden (ungeachtet ihm die Bande an Händen und Füßen ziemliche Schmerzen verursachten), da er doch sonst von Jugend auf ein Abstemius von Frauenzimmern gewesen und von den Leidenschaften der Liebe befreit geblieben.

›Einfältiger!‹ sagte die Dame hierauf, ›damit Ihr seht, wie ich, jedoch wider meine gewöhnliche Art, jetzt mit Euch leichter zu versöhnen als fernerweit zum Zorn zu reizen bin, so soll Euch für diesmal nebst Eurem Leben meine Liebe und Gnade geschenkt sein, jedoch mit dem Bedinge, daß Ihr Euch verpflichtet, sooft ich Euch rufen lasse und Ihr keine erweislichen höchst wichtigen Verhinderungen habt, Eure Visiten bei mir abzulegen.‹

Der angstvolle Fähnrich F. willigt alles ein, was sie ihm vorschreibt, erklärt sich auch sogar, sofern sie es verlangte, seiner Charge zu resignieren, damit er an seinen ihr allein gewidmeten Diensten nicht verhindert werde.

Allein, sie erlaubt ihm bis auf fernere Verabredung, nur noch eine Zeitlang seine Charge zu behalten, sich aber nur sonst ihrem Willen und Verlangen gemäß zu bezeigen.

Hierauf langt sie ein Messer, schneidet ihm die Stricke an Händen und Füßen entzwei, umarmt und küßt ihn aufs zärtlichste, führt hernach den halberstarrten Gefangenen in ein propre möbliertes und warmgemachtes Zimmer, erquickt denselben mit vortrefflichen Herzstärkungen, bestreicht und bereibt seine geschwollenen Arme und Schenkel mit den kostbarsten Balsamen und Spiritibus, legt ihm saubere Nachtkleider an und zeigt ihm hernach ein großes, sauberes Bett, wohinein er sich legen muß.

Seine nunmehrige Aufführung und verliebtes Bezeigen hatte die Dame dergestalt kontentiert, daß sie ihn persuadiert, fünf Tage und ebensoviele Nächte insgeheim bei ihr zu bleiben; weil er nun aufs propreste von ihr traktiert und aufs zärtlichste karessiert wird, kommt ihm diese Lebensart je länger, je angenehmer vor; die Madame von C.* aber ist nicht weniger vergnügt, weil sie sich in ihren Gedanken nicht geirrt, sondern in reicher Maße bei ihm gefunden, was sie gesucht.

Inmittels, weil des Fähnrichs F. Diener nicht zu sagen wußte, wie es mit seinem Herrn zuginge und wo derselbe hingekommen wäre, so wußte man beim Regiment nicht, was man von ihm denken sollte.

Viele gerieten in Betrachtung, daß er jederzeit sehr zur Melancholie incliniert habe, auf die Gedanken, ob er sich wegen Beraubung seines Geldes, Verlustes der Pferde und anderer Equipage nicht etwa aus Desperation ersäuft oder sonst auf eine andere Art ums Leben gebracht habe?

Man forschte deswegen fleißig nach seiner Person, um dieselbe entweder lebendig oder tot ausfindig zu machen. Allein, es war alle Mühe vergebens.

Endlich, am sechsten Tag, kam er wieder zum Vorschein und meldete sich am allerersten bei mir, weil er wohl wußte, daß ich ihm wohlgeneigt war.

Er entschuldigte seine fünftägige Abwesenheit mit einem besonderen Zufall, der ihm wider Willen begegnet wäre, auf so lange Zeit ein Arrestant zu sein. Da nun ich deshalb einen ausführlicheren Bericht von ihm verlangte, bat er inständig, ihn damit zu verschonen, weil er, um sein Leben zu retten, einen schweren Eid ablegen müssen, diese Begebenheit noch zur Zeit niemandem zu erzählen und noch viel weniger für sich selbst Rache auszuüben.

Ich ließ ihn als einen bekannten Grillenfänger passieren und deprimierte alles, obgleich verschiedene wunderliche Gespräche über sein Ausbleiben geführt wurden. Jedoch er gab durch seine nachherige Aufführung denen, die ihn vorher gekannt hatten, Materie zu weiterem Nachsinnen. Denn von nun an merkte ein jeder gar leicht, daß das melancholische Wesen den Fähnrich F. ganz und gar verlassen hatte, gegenteils war aus ihm ein vollkommener Sanguineus geworden. Er besuchte wider seine Gewohnheit die stärksten Gesellschaften, traktierte zum öftern, tanzte, spielte, schaffte sich die propresten Kleider, vier der schönsten Pferde, hielt zwei Kerls, in summa, er tat es allen Subalternen fast zuvor.

Dieses alles aber kam aus der Frau von C.* Beutel hergeflossen, denn da sie ihn das erstemal von sich gelassen, hatte sie ihm ein Päckchen, worin fünfhundert Dukaten, mit auf den Weg gegeben, anbei versprochen, daß, wo er sich ferner wohlhalten und seinem Versprechen nachkommen würde, dieses nur ein kleiner Anfang ihrer Erkenntlichkeit sein solle, denn es war ihr nur allzuviel an einem jungen Sohne gelegen, damit, wenn ihr gebrechlicher Gemahl aus dieser Welt spazierte, sie all sein Vermögen fein beisammenbehielte.

Dieser ihr Mann brachte seine meiste Zeit bei den Gesundbrunnen, warmen Bädern und Doktoren zu; außerdem aber, wenn er sich etwas bei Kräften befand, mehrenteils auf seinen Rittergütern, deren er neun erb- und eigentümlich besaß. Sie, die Gemahlin hingegen, unter dem Vorwand, daß sie außer ihrem Palais in der Stadt keine Nacht recht ruhig schlafen könne, vertreibt mittlerweile die Zeit mit ihren Galanen, worunter, wie schon gemeldet, das Glück oder Unglück auch unseren Fähnrich F. führt; und weil es zutrifft, daß sie dreiviertel Jahre nach der mit ihm aufgerichteten nahen Bekanntschaft mit einem jungen Sohne niederkommt, hat er seinem eigenen Geständnis nach, binnen Jahresfrist über zweitausend Taler Wert von ihr geschenkt bekommen.

Allein, man pflegt im gemeinen Sprichwort zu sagen: ›Der Krug geht so lange zum Wasser, bis ihm der Henkel abbricht‹, und dieses war bei den Verliebten auch richtig eingetroffen, denn weil ihr Liebesverständnis so vielen Domestiken bekannt wird, die Frau von C.* aber zuweilen sehr barbarisch mit ihren Leuten umzugehen gewohnt ist, als mag eines von denselben endlich auf Revanche bedacht sein und dem Hausherrn aufrichtig entdecken, was seine Gemahlin für eine Lebensart führt. Der alte Herr wird ziemlichermaßen in Harnisch gejagt, begreift sich aber in der Bosheit und studiert auf Mittel und Wege, wie er seine Frau nebst ihrem Galan plötzlich überfallen möchte. Er erreicht endlich seinen gewünschten Zweck und betrappelt beide in aller Stille, da sie von allzuheftiger Liebesarbeit ermüdet im süßesten Schlafe liegen.

Wie er nun vorher schon alle Anstalten dazu gemacht, werden beide an Armen und Beinen gebunden und aus dem Bett auf den Boden geworfen, so daß sie sich kaum ermuntern und begreifen können, wie ihnen geschieht.

Sechs Kerls stehen mit entblößten Schwertern und aufgespannten Pistolen um sie herum, der erzürnte Gehörnte wendet sich mit einem entblößten Dolch zu dem Fähnrich F. und spricht: ›Bekenne, du Massette, wie lange du mit dieser vermaledeiten Kanaille dieses Spiel getrieben hast, und leugne mir nicht, sonst will ich deinen schändlichen Körper, ehe ich ihn des Lebens beraube, auf eine solch grausame Art zermartern lassen, dergleichen noch von keinem Barbaren erfunden worden.‹

Unter diesen Worten stach er ihm mit dem Dolch in jedes dicke Bein ein Loch.

Der Fähnrich F., welcher nichts Gewisseres, als den allerschmerzhaftesten Tod sich in seinen Gedanken vorstellen konnte, merkte nunmehr wohl, daß weder Schmeicheln, Leugnen, Verstellen, Bitten noch Flehen mehr helfen würde, ergriff die Resolution, die klare Wahrheit zu bekennen, fing deswegen also zu reden an:

›Mein Herr! Wenn ich aus eigenem Mutwillen oder unzüchtigen Liebesbegierden mich unterstanden hätte, Eurer Gemahlin genaue Umarmung zu suchen und Euer Ehebett zu beflecken, so würde mir doch von der ganzen Christenheit keine andere Marter als der Tod durch das Schwert zuerkannt werden; da ich aber bei Nachtzeit, von sechs bewehrten Leuten mit Gewalt aus meinem Bett, worin ich im besten Schlaf lag, geholt, entsetzlich gemartert und gepeinigt, auch mit der grausamsten Todesart bedroht worden, so habe mich, um mein Leben zu fristen, verleiten lassen, Eurer Gemahlin ihren Willen, sooft sie es verlangen und mir nur immer möglich sein würde, zu erfüllen. Demnach bedenkt selbst, mein Herr, wie Ihr Euch bei dergleichen Umständen, wenn Ihr an meiner Stelle gewesen wäret, hättet aufführen wollen. Nunmehr wird es‹, so fährt der arme F. auf ferneres Befragen mit seiner Antwort fort, ›wenig Wochen über ein Jahr sein, daß man mir also mitgespielt hat, und seit der Zeit habe ich zu verschiedenen Malen, wenn Ihr nicht einheimisch gewesen, Eure Stelle vertreten müssen. Aus Furcht, nicht etwa wegen Brechen meines Eides heimlicher- und meuchelmörderischerweise um mein Leben gebracht zu werden. Erwäget demnach, daß man mich auf eine grausame Art gezwungen, dergleichen Torheit zu begehen, und verschont meiner mit der gedrohten Marter, kann aber mein Verbrechen bei Euch durch nichts anderes als durch meinen Tod ausgesöhnt werden, nun, so laßt mich nur eine einzige Stunde beten, hernach schickt meine Seele in die andere Welt, jedoch nicht auf eine barbarische Art; denn ob Ihr gleich von mir empfindlich beleidigt worden, so bedenkt doch, daß Ihr kein Barbar, sondern ein getaufter Christ seid.‹

Der ergrimmte Ehemann hatte sich unter Anhörung dieser Relation entsetzlich ungebärdig gestellt, mit den Füßen auf die Erde gestampft, mit den Zähnen geknirscht und die Augen grimmigerweise im Kopf verdreht, nachher aber gefragt, ob er Vater zu dem Kind sei, welches die von C.* letzthin geboren hätte? Worauf dieser geantwortet, das könnte er nicht sagen, sondern die Dame müsse es am besten wissen.

Demnach wird die Dame von ihrem erzürnten Mann deswegen befragt, welche sich ganz rasend anstellt und ihm zur Antwort gibt:

›Nein! Nicht dieser, mein Liebster, sondern du, alter verfluchter Drache, bist selbst Vater zu diesem häßlichen Balg, welches nebst der mir verhaßten Gestalt schon alle deine ekelhaften Mienen und Gebärden an sich hat; rechne die Zeit nach von deiner Wiederkunft aus dem N. Bade, ob es nicht eintrifft; inmittels bedaure ich nichts mehr, als daß ich diesen schändlichen Wurm nicht im ersten Bad ersäuft habe; bringe ihn her, ich will ihn sogleich vor deinen Augen erwürgen, damit du nur kein Andenken von mir haben mögest. Töte mich immerhin, du verfluchter Tyrann, denn ich verlange ohnedem nicht mehr, deine Gemahlin zu heißen, laß nur den unschuldigen F. leben, denn es ist wahr und ich bekenne es selbst, daß ich ihn aus allzuheftiger Liebe zu meinem Willen gezwungen habe.‹

›Halt, du ungetreue Bestie!‹ spricht der erzürnte Mann, ›ich will dich und deinen Galan schon zu belohnen wissen.‹

Hiermit gibt er seinen Gewaffneten ein Zeichen, daß sie den ohnedem schon gebundenen F. festhalten müssen, einer von seinen Bedienten aber, der vielleicht ein Wundarzt gewesen, schneidet demselben in größter Geschwindigkeit die Zeugen seiner Mannheit heraus und überliefert dieselben seinem Herrn. Dieser präsentiert solche seiner Gemahlin auf einem silbernen Teller mit einem zornigen Lächeln und spricht:

›Hier, Madame! Labt Euch nunmehr recht wohl mit den delikatesten Stücken Eures Amanten.‹

Die Dame gerät hierüber fast in eine vollkommene Raserei, reißt das Band, womit ihr die Hände gebunden sind, entzwei, ergreift den Teller und nimmt beide Stücke zu sich, den blutigen Teller aber wirft sie ihrem Gemahl an den Kopf mit den Worten:

›Siehe da, du tyrannischer Mordhund! Das mußt du vor meinem Ende doch noch leiden!‹

Es ist leicht zu erachten, daß der ohnedem ergrimmte Mann hierdurch vollends in eine rasende Wut versetzt worden; er tritt sie demnach mit dem Fuße dergestalt auf den Leib, daß sie in eine starke Ohnmacht verfällt, ja, er würde sie unfehlbar mit dem Dolch durchbohrt und ermordet haben, wenn nicht einer von seinen Bedienten, auf den er sehr viel gehalten, ihm in die Arme gefallen und den Stoß aufgehalten hätte.

Hierauf begreift er sich etwa, geht in ein anderes Zimmer und befiehlt, den Fähnrich F. bis auf seine fernere Verordnung in ein wohlverwahrtes Gefängnis zu legen.

Dessen Wunden sind von einem unbekannten Menschen gehörig verbunden und er binnen achtzehn Tagen fast völlig kuriert worden; auch hat man ihm mittlerweile ganz wohl zugerichtete, gesunde Speisen und Getränke gereicht, den neunzehnten Tag aber hat man ihm bloß Wasser und Brot gebracht mit der Ankündigung, daß er sich nur immer zu seinem Ende gefaßtmachen könne, weil er täglich fünfzig Hiebe mit einer mit Draht durchflochtenen Geißel, woran viele Häkchen und kleine Sporen befestigt, bekommen sollte, bis er krepierte.

Derjenige, so ihm dieses sein Urteil angekündigt, wartet auf keine Antwort, sondern macht sich eilig wieder zurück; allein etwa eine Stunde hernach kommen zwei starke Kerls, welche seinen Oberleib entblößen, ihm die Hände zusammenbinden und also mit den Händen an einen Haken hängen, der oben, mitten im Gewölbe, eingemauert ist, so daß der arme F. in der Luft schwebt.

Hierauf gibt ihm ein jeglicher von den zwei Kanaillen fünfundzwanzig Hiebe mit der schon erwähnten Geißel, da denn sein Oberleib dergestalt zugerichtet wird, daß ganze Stücke Haut und Fleisch herausgerissen werden; hernachmals waschen sie ihn mit Essig und Branntwein, binden ihn wieder los und legen ihn auf sein Lager.

Wie dem guten F. müsse zu Mute gewesen sein, ist wohl ganz leicht zu erachten; ja, ich glaube, der Allerherzhafteste sollte wohl bei dergleichen Todesart erzittern und auf die Gedanken geraten, sich sein Lebensziel selbst abzukürzen. Allein, der Fähnrich F. resolviert sich, mit möglichster Standhaftigkeit die zeitlichen Strafen zu ertragen, welche der Himmel über ihn verhängt hat.

Demnach fügt es der Himmel auch, daß dennoch sein Leben erhalten wird. Denn gleich darauffolgende Nacht kommt der Kerkermeister mit einem Licht zu ihm hinein und bringt ihm nebst verschiedenen Kleidungsstücken einen Mantel, erinnert ihn, daß er ohne Zeitverlust dieses alles anlegen und sich mit Hilfe der Nacht in Sicherheit bringen solle, weil er sonst in wenigen Tagen des Todes sein müsse.

Sobald er sich nun völlig angekleidet und den Mantel um sich geschlagen, gibt ihm der Kerkermeister einen versiegelten Brief in die Hände mit dem Vermelden, daß er denselben wohl verwahren möchte, weil er ihm in seinem jetzigen elenden Zustande wohl zustatten kommen würde.

Dieser hält sich also nicht lange an diesem unglückseligen Ort auf, sondern eilt so geschwind es seine Schwachheit zulassen will nach seinem Quartier, welches aber verschlossen und von keinem Menschen bewohnt war.

Demnach nimmt er in diesen seinen Ängsten seine Zuflucht zu mir, zumal er in meinen Fenstern noch Licht erblickt und von der Schildwacht vernimmt, daß niemand Fremdes bei mir sei. Ich erschrak, den ganz verlorengeschätzten Fähnrich F., und zwar in so jämmerlicher Gestalt, vor mir zu sehen, und hörte nur erst die Hauptstücke seiner Aventure, die er mir unter Vergießung häufiger Tränen erzählte, mit Erstaunen an.

Es erweckte aber sein elender Zustand bei mir ein ganz besonderes Mitleiden, deswegen sprach ich ihm soviel als möglich Trost zu, hielt ihn ganz heimlich in meinem Quartier auf und ließ ihn aufs beste verpflegen.

Ein Feldscher, auf dessen Treue und Verschwiegenheit ich mich verlassen konnte, mußte den elenden Menschen vollends kurieren, sodann verschaffte ich ihm sein im Quartier zurückgelassenes Geld und Equipage nebst einem ehrlichen Abschied vom Regiment.

Damit ich aber auch nicht vergesse, was das Papier zu bedeuten gehabt, welches ihm der Kerkermeister bei seiner Loslassung so sehr rekommandiert hatte, so war dieses ein Kondolenzschreiben von der Madame C.*, in welchem sie recht herzbrechende Worte gebrauchte und versprach, seinen und ihren ausgestandenen Schmerz, Verlust, Spott und Hohn mit dem Blut und Tod ihrer Feinde zu rächen, inmittels könne er für beigelegten Wechselbrief bei dem Kaufmann N. N. tausend Taler heben und sich in möglichster Stille nach R.* begeben, wo sie ihn, ehe Jahr und Tag vergingen, anzutreffen verhoffte, da sie denn ihre Treue und Erkenntlichkeit in Erwägung seines ihrethalber erlittenen schmerzlichen Verlustes ihm reichlicher zeigen wolle. Ich verschaffte also dem armen Fähnrich F. auch diese tausend Taler, wovon er mir eine ansehnliche Verehrung offerierte, allein ich nahm nichts an, sondern erwies ihm vielmehr noch die Gefälligkeit und ließ ihn in einem verdeckten Wagen unter hinlänglicher Eskorte über die Grenze dieses ihm so unglückseligen Landes bringen.

Etliche Wochen hernach empfing ich Briefe von ihm, worin er aber, wie er schrieb, mit allem Fleiß den Ort seines Aufenthalts nicht melden wollte, indem dieses sein einziger Wunsch wäre, daß er von allen Menschen, die ihn vorher gesehen oder die er gekannt, nicht möchte erkannt oder gesehen werden. Anbei schickte er mir dennoch zweihundert Dukaten, welche ich, weil ich nicht wußte, wohin ich sie respedieren sollte, wider meinen Willen behalten mußte.«

Die ganze Gesellschaft bezeigte nach geendigter Erzählung ein wundervolles Erstaunen und bekräftigte, daß dieser barbarische Hahnrei eine Rache nach italienischer Art ausgeübt, ungeachtet er kein Italiener gewesen, beklagten anbei den redlichen Fähnrich F., daß er sich nicht besser prospiziert und endlich wegen allzugroßer Sicherheit dergestalt unglücklich worden.

»Es fällt mir«, sagte ein gewisser Kapitän, der mit in der Gesellschaft saß, »bei abermaliger Erwähnung der Italiener eine zum Teil etwas lächerliche Historie ein, die dem von B.*, welchen viele von uns kennen werden, vor ungefähr anderthalb Jahren in Italien passiert ist.

Dieser läßt sich durch die charmanten Blicke, Präsente und Liebesbriefe einer ungemein schönen Kaufmannsfrau anlocken, ihr dann und wann, sooft ihr höchst eifersüchtiger Mann nicht zu Hause ist, eine Visite zu geben und ihr einen beliebigen Zeitvertreib zu machen.

Hiervon aber mag der Mann Wind bekommen haben, zieht deswegen einige von seinem Gesinde mit Geschenken an sich, macht auch sonst alle gehörigen Anstalten, seine Frau mit dem von B.* zu belauschen und zu sehen, wie sie miteinander umgehen.

Einmal gibt er vor, daß er mit der um Mitternacht abgehenden Post fortmüsse, allein, der Vogel schleicht sich wieder in sein Haus zurück und logiert sich neben seiner Frau Zimmer, wo er durch ein gemachtes Loch, so er verdecken kann, alle Aktionen seiner Frau zu betrachten vermögend ist. Diese läßt den von B.* mittags zu sich zu Gast laden und traktiert ihn aufs propreste, da denn der delikateste Wein und die trefflichen Konfitüren beide um soviel desto mehr instigieren, einander die zärtlichsten Karessen zu machen, bis endlich, nach aufgehobener Tafel, die Hauptursache ihrer Zusammenkunft vorgenommen werden soll. Beide machen es sich mit Ablegung der Oberkleider und sonst recht kommod, indem sie aber im Begriff sind, den Liebesstreit anzufangen, öffnet der abgünstige Mann die Tür, postiert sechs oder acht Banditen davor, welche ihre entblößten Degen und Mordmesser in Händen halten, tritt hierauf hinein ins Zimmer und spricht zu dem von B.*:

›Mein werter Herr! Es steht in meinem Hause alles zu Euren Diensten, ausgenommen meine Frau, die ich, wenn es möglich wäre, gern für mich allein behalten wollte; unterdessen, weil ich vernommen habe, daß Ihr einesteils unschuldig seid, indem sie Euch selbst hat rufen lassen, so will ich mein Hausrecht für diesmal auf die Seite setzen und keine Hand an Euch legen, sondern Euch die Freiheit lassen, ob Ihr Euch durch diese bewaffneten Kerls zur Tür hinausschlagen oder zu diesem großen Fenster, welches ich hiermit öffne, hinunter auf die Straße springen wollt?‹

Dem von B.* mögen allerdings wohl die Haare zu Berge stehen, denn sich durch so viele desperate, doppeltbewaffnete Banditen durchzuschlagen und lebendig davonzukommen, scheint eine unmögliche Sache zu sein, und einen solchen Sprung aus dem zweiten, sehr hohen Stockwerk zu wagen, ohne den Hals auf dem Steinpflaster zu stürzen, will ihm auch nicht in den Kopf; da jedoch der vertrackte Kaufmann kurze Resolution fordert, erwählt er das letztere, zumal da er etwas im Voltigieren getan, springt herunter auf das Steinpflaster, und zwar dergestalt glücklich, daß er keinen weiteren Schaden nimmt, als das Gelenk des rechten Fußes ein wenig verdreht; hierauf eilt er soviel als möglich sein will davon in eine Kirche, mischt sich unter das Volk, trifft einige von seinen guten Freunden und Landsleuten an, welche ihn an einen sicheren Ort bringen.

Allda läßt er sich verbinden, befiehlt seinen Leuten, in größter Geschwindigkeit alle seine Sachen einzupacken und eine Extrapost zu bestellen, mit welcher er noch selbigen Abends in Begleitung einiger guter Freunde zu Pferde auf und davon reist, indem er befürchtet hat, der Kaufmann möchte etwa auf andere Gedanken geraten und ihm durch bestellte Banditen einmal plötzlich das Lebenslicht ausblasen lassen.

Wie aber der Kaufmann mit seiner wollüstigen Frau umgegangen, solches hat er niemals in Erfahrung bringen können.«

Es entstand unter der ganzen Gesellschaft über diese wunderliche Begebenheit ein nicht geringes Gelächter, und es wurden verschiedene Urteile darüber gefällt. Unter anderen mancherlei Gesprächen kam auch aufs Tapet, daß sich durch verbotenes Courtoisieren sowohl im Militär- als Zivilstand viele geschickte Mannespersonen glücklich gemacht, auch zu großen Mitteln und hohen Ehrenstellen geholfen hätten.

Bei dieser Gelegenheit bat ein gewisser Leutnant, welcher in eines anderen großen Potentaten Diensten stand und nur gute Freunde zu besuchen bei diesem Regiment auf der Vorbeireise eingesprochen war, um Erlaubnis, eine kuriose und wahrhafte Geschichte zu erzählen. Als er nun von der sämtlichen Gesellschaft ersucht wurde, ihnen diese Gefälligkeit zu erweisen, fing er also zu reden an:

»Als ich vor acht Jahren als Fähnrich in Z. auf Werbung stand, um sonderlich für meines Kapitäns Kompanie etwa zehn bis zwölf Rekruten anzuwerben, bekam ich auf listige Art einen schönen und wohlgewachsenen Menschen von ungefähr zwanzig Jahren, welcher seine Studien auf der Schule daselbst absolviert hatte und bei seinen Eltern nur auf etliche Taler Geld lauerte, um damit auf Universitäten zu gehen, womit ihm aber dieselben, weil sie wenig im Vermögen hatten, nicht alsobald helfen konnten.

Eben dieses war wohl die meiste Ursache, daß er zwei Dukaten Handgeld und das Versprechen von mir annahm, daß er den ersten Fouriersplatz, so unter dem Regiment aufging, haben sollte. Allein, wie es gemeiniglich zu gehen pflegt, daß dergleichen Versprechen nicht gar zu genau gehalten werden, so traf es auch bei dem ehrlichen Merillo zu, denn er mußte über Jahr und Tag die Flinte tragen, führte sich aber dabei sehr wohl und gelassen auf, hielt sich in der Montur allezeit reinlich und überhaupt alle seine Sachen sehr ordentlich, frequentierte keine liederlichen Gesellschaften, sondern blieb lieber zu Hause, las in den Büchern, so er geborgt kriegen konnte, bemühte sich anbei, sonderlich die französische Sprache fertig reden und schreiben zu lernen, wie er denn auch dieselbe binnen kurzer Zeit fast vollkommen innehatte. Nach der Zeit, da er sich durch sein Schreiben einige Taler Geld erworben, mag ihm wohl auch ein Lüstchen ankommen, in Gesellschaft zu gehen; deswegen attachiert er sich stets an die Unteroffiziere und andere reputierliche Leute, welche ihn wegen seiner guten Aufführung und klugen Diskurse lieben und ehren. Nur ist das schlimmste, daß das Geld nicht immer zureichen will, denn die Löhnung langte nicht allzuweit; und nach einiger anderer Soldatenart auf Marode, oder besser zu sagen, stehlen zu gehen, war seiner noblen Ambition zuwider, deswegen mußte er sich nolens volens nach der Decke strecken und manche lustige Gesellschaft meiden. Bei seiner Wirtin, die eine stürmische, geizige Witwe und bereits etliche vierzig Jahre alt war, hatte er sich seit etlichen Wochen für empfangene Viktualien in ein paar Taler Schulden gesetzt, durfte sich also, wenn er nicht gemahnt sein wollte, nicht allzu wohl vor ihr sehen lassen, sondern kroch manchen Nachmittag auf den Heuboden, nahm ein Buch mit dahin und las so lange darin, bis ihn der Mittagsschlaf überfiel.

Ich habe vergessen zu melden, daß wir damals schon, nach einem zurückgelegten Marsch von etlichen vierzig Meilen, bei unserem Regiment angekommen waren. Jedoch, die Geschichte fortzusetzen, wie mir dieselbe von dem Merillo umständlich erzählt worden, so schlummert er eines Tages auf gedachtem Heuboden abermals ganz süß; seine Frau Wirtin, die etwa ihr Heu besichtigen will, trifft ihn, und zwar in einer solchen Positur liegend an, die zwar ein junges Mädchen, keineswegs aber eine Frau von solchen Jahren zur Liebe reizen sollen. Merillo ermuntert sich zwar und merkt, daß sie vor ihm steht und ihn beschaut, jedoch aus Furcht, von ihr gemahnt und gescholten zu werden, bleibt er ganz still liegen und fängt an zu schnarchen als ein Ratz.

Die verliebte Alte bleibt eine gute Zeit ganz entzückt zu seinen Füßen stehen, endlich, da sie vermeint, daß er in dem allerfestesten Schlaf läge, setzt sich ganz sanft an seine Seite, sucht dasjenige, was ihr Herz begehrt. Weil aber Merillo sich hierbei nicht ermuntern läßt und ihr die Zeit zu lang werden will, legt sich das verliebte alte Rabenfell auf ihn, liebkost und bittet ihn so lange, bis er ihr denjenigen Dienst leistet, den er, wenn er nur einige Taler im Vermögen gehabt, ihr vielleicht versagt hätte. Sie hat sich hierauf ungemein vergnügt und gütig gegen ihn erzeigt, ihm die Schuld erlassen und noch dazu etliche harte Taler in seine Tasche gesteckt, anbei versprochen, ihn täglich aufs beste zu traktieren und jederzeit mit benötigtem Geld zu versorgen, dafern er sie in Zukunft ferner vergnügen wolle.

Merillo entschließt sich demnach, in einen sauren Apfel zu beißen, um delikate Bißchen zu haben und ein gutes Leben zu führen. Er führte sich weit sauberer in Kleidung und Wäsche auf als sonst, ging öfters in Gesellschaft, spielte auch dann und wann ein Spiel mit, welches vorher sein Werk nicht gewesen war; doch bei allem dem war er sehr akkurat in Versehung seiner Dienste und suchte sich beständig in der Gunst der Höheren zu erhalten, welches ihm denn erstlich die Korporals- und wenige Monate hernach die Fouriersstelle zuwege brachte.

Damals gab er den anderen Unteroffizieren einen vortrefflichen Schmaus, der ihm mehr als dreißig Taler kostete, hatte es auch eben nicht weit von sich geworfen, als ihm einige railliert, wie nämlich er gewiß Frauenzimmerstipendien genösse.

Niemand aber hätte auf seine unscheinbare Wirtin gedacht und geglaubt, daß bei derselben die Liebe den Geiz überwunden hätte. Allein, die Alte gab alles her, was er von ihr verlangte, beide aber trieben ihr geheimes Liebesspiel so lange, bis sie einmal von der Tochter beschlichen und in voller Arbeit angetroffen worden. Da sich nun die Tochter untersteht, der Mutter wegen ihres unzüchtigen Lebens einen Verweis zu geben, wird das gute, ehrliche Mädchen von der erzürnten Mutter dergestalt mit Schlägen traktiert, daß sie in etlichen Tagen nicht aus dem Bett kommen, mithin, ihrer Bedrohung nach, dem Beichtvater nicht anzeigen kann, was sie mit ihren Augen gesehen.

Mutter und Tochter versöhnen sich zwar bald wieder, allein, in wenig Tagen geht der Streit und das Drohen der Tochter von neuem an, bald hernach aber wird das Mädchen frühmorgens in ihrem Bett tot gefunden und unter dem Vorwand, daß sie an einem Schlagflusse gestorben, in aller Stille begraben.

Merillo schöpft hierüber arge Gedanken und mutmaßt aus verschiedenen Umständen, daß die Mutter ihre Tochter vielleicht durch Gift von der Welt gebracht, um das Liebesspiel desto sicherer zu treiben. Demnach bekommt er einen heftigen Ekel und Abscheu von diesem alten Fell und sinnt auf Gelegenheit, sich mit guter Manier aus den Fesseln derselben zu reißen. Hierzu ereignete sich nun dieses angenehme Mittel: Das alte Weib hatte von ihrem zusammengescharrten Geld tausendzweihundert Stück Kremnitzer Dukaten in ihrem Speisegewölbe in die Erde gesetzt. Merillo kommt ihr von ungefähr hinter die Schliche und merkt das Fleckchen; einige Tage hernach aber nimmt er diesen Schatz heraus und vergräbt denselben an einem anderen, ihm gelegeneren und sicheren Ort, läßt sich aber nichts merken, sondern stellt sich, als ob er immer ärmer und geldbedürftiger würde, ja, er macht sich gar unpäßlich, um der Aufwartung bei seiner alten Sara überhoben zu sein.

Diese wartet und pflegt ihn aufs beste, um seine Kräfte wieder herzustellen; eines Tages aber kommt sie unversehens als eine höllische Furie, mit zerrauften Haaren und gräßlichem Zetergeschrei in seine Stube gelaufen und stellt sich nicht anders an als ein Mensch, das ganz von Sinnen kommen will.

Merillo stellt sich ungemein erschrocken an und fragt, was ihr denn Leides widerfahren sei? Worauf sie ihm mit allen Umständen klagt, daß ihr ihr größtes Kapital, an tausendzweihundert Stück Dukaten, weggenommen worden, auch hinzufügt, er und kein anderer müsse es entführt haben, deswegen möchte er es nur bekennen, weil sie ohnedem gesonnen gewesen, dieses Geld mit ihm zu verzehren.

Merillo versucht anfänglich, ihr diesen Wahn in Güte zu benehmen, ermahnt sie auch, vorher recht zu suchen, weil sich das vergrabene Geld öftermal zu verrücken pflegte; da sie aber nicht nachläßt, ihm diesen Raub auf den Kopf Schuld zu geben, fährt er plötzlich mit anderen Worten heraus und spricht:

›Du alte Bestie! Kannst du mir so wohl beweisen, daß ich dich bestohlen habe, als ich dir dartun will, daß du, um deine Geilheit desto sicherer auszuüben (wozu du mich sozusagen bei den Haaren gezogen hast), eine Mörderin an deiner einzigen Tochter worden bist? Warte, warte‹, spricht er ferner, ›ich will dich altes Luder bald in Schindershänden sehen, weil du mich als einen ehrlichen Unteroffizier zum Dieb machen willst.‹

Hiermit springt er auf, zieht seine Kleider an und will zum Hause hinausgehen; allein, die Alte, welcher das Gewissen schlägt, fällt zu seinen Füßen und bittet mit Tränen, ihr kein Unglück über den Hals zu ziehen, sie wolle gern alles vergessen und, ob sie gleich an dem plötzlichen Tod ihrer Tochter unschuldig, ihm doch noch hundert Taler schenken, nur daß sie durch ihn nicht in bösen Verdacht und Nachrede gesetzt würde. Merillo läßt sich nach langem Weigern endlich besänftigen, nimmt die hundert Taler noch mit und verspricht, ihr weder Gutes noch Böses nachzureden, geht zum Haus hinaus, läßt seine Sachen durch ein paar Musketiere nachholen, und kommt nachher nicht wieder zu ihr, erfährt aber wenig Wochen hernach, daß sie an einem hitzigen Fieber in größter Raserei dahingestorben sei.

Solchergestalt könnte er sich nun seines erworbenen Geldes etwas freier bedienen, doch fing er seine Sache recht klug an, indem er vorgab, es wäre in seiner Heimat ein naher Anverwandter von ihm gestorben, welcher ihm zu seinem Avancement unter der Miliz ein ziemliches Kapital vermacht hätte. Nebst seiner guten Aufführung machten die geheimen Spendagen, daß er bald hernach Feldwebel wurde, da er sich denn so galant als der beste Oberoffizier aufführte.

Er besuchte den Fecht- und Tanzboden fleißig, zeigte viel Courage; seiner guten Conduite wegen waren ihm aber auch diejenigen gewogen, welche einesteils Ursache gehabt hätten, ihn zu beneiden und sich feindselig gegen ihn zu erzeigen.

Wegen seiner propren Aufführung und wohlgebildeten Person nun verliebte sich ein Kammerfräulein einer gewissen vornehmen Dame, die als Witwe in der Stadt lebte, wo wir in Garnison lagen, in unseren Merillo. Ich will die Dame bloß Livicarda und das Kammerfräulein Rosinde nennen.

Diese Rosinde kann nicht ruhen, bis sie mit Merillo zu sprechen kommt. Es geschieht endlich dieses durch Vermittlung einer alten Frau zum erstenmal, als von ungefähr, in einem Garten. Beide Personen gefallen einander, werden deswegen ihres verliebten Krams bald einig, worauf denn Merillo von seiner Geliebten einmal um Mitternachtszeit in ihrer Gebieterin, der Livicarda Palast, ja sogar in ihre Schlafkammer geführt wird, wo sie im größten Vergnügen eine Bouteille Wein und allerlei Sorten von Konfekt miteinander verzehren.

Indem sie sich aber anschickten, die allersüßeste Kost der Liebe zu genießen, öffnet sich ganz plötzlich die Tür, welche Rosinde zuzuschließen vergessen. Livicarda kommt selbst hineingetreten und spricht:

›Siehe da! Ihr artigen Herzchen, trifft man Euch also hier beisammen an? Beschimpft Ihr solchergestalt meinen Palast? Rosinde! Wollt Ihr schon Euren Jungfernkranz durch einen Soldaten zerreißen lassen? Und Ihr!‹, so redete sie den Merillo an, ›wer seid denn Ihr? Ich bitte um Vergebung nur deswegen, daß ich Euch ein standesmäßiges Bad kann zubereiten lassen. Tragt Ihr nicht mehr Respekt für eine solche Dame, wie ich bin, als daß Ihr Euch untersteht, eine von Ihren Fräuleins zu schänden?‹

Merillo will zwar seine Verantwortung und untertänigste Bitte um Gnade vor Livicarda kniend verrichten, doch dieselbe hört ihn nicht, sondern ergreift Rosinde beim Arm und schleppt sie aus der Stube, verriegelt dieselbe und spricht, er solle nur Geduld haben, sie wolle ihm etwas anderes weisen.

Daß dem guten Merillo nicht allzuwohl bei der Sache gewesen sein müsse, ist leicht zu glauben; er hatte die Fenster betrachtet, um herunterzuspringen, allein, sie sind zu hoch und dazu mit eisernen Stäben verwahrt, auch ist die Tür dergestalt befestigt, daß er sie nicht aufbrechen kann. Ob nun zwar sein Verbrechen keine Todsünde war, so wollte ihm doch schon im voraus von einer scharfen Züchtigung und starken Prostitution träumen, deswegen blieb er über eine Stunde lang in den allerängstlichen Sorgen und Bekümmernissen sitzen; nach Verlauf derselben aber stellt sich die zwar sehr schön, doch dabei sehr zornig aussehende Livicarda wieder ein und redet ihn mit folgenden Worten an:

›Wohlan, frevler Soldat! Hier außen vor meiner Tür stehen vier bewehrte Knechte, getraut Ihr Euch mit Eurem Degen durchzuschlagen, so wagt Euch hinaus; die Türen meines Palastes sind geöffnet, daß Ihr weiterkommen könnt.‹

Merillo fällt abermals zu ihren Füßen, bittet um Gnade, stellt vor, es würde ja einer solchen irdischen Göttin, welcher lauter Güte und Barmherzigkeit nebst anderen unaussprechlichen Annehmlichkeiten aus den Augen leuchteten, eben nicht mit einer Handvoll seines Blutes gedient sein; zudem wäre ja das Verbrechen, wozu ihn die hitzige Jugend verleiten wollen, noch nicht vollführt worden, worauf Livicarda mit einer etwas gnädigeren Miene spricht:

›Rosinde hat mir bereits gestanden, wieviele Male ihr Unzucht miteinander getrieben habt; werdet Ihr nun auch in diesem Stück die reine Wahrheit bekennen, damit ich höre ob Eure Reden übereintreffen, so soll Euch dennoch ein Teil meiner Gnade angedeihen.‹

Merillo bekräftigt demnach mit teuren Schwüren, daß dieses ihre erste geheime Zusammenkunft wäre, und setzt noch hinzu, daß er sich zeitlebens noch mit keinem Frauenzimmer fleischlich vermischt habe. Hierauf erkundigt sie sich wegen seiner Charge, Herkommens und anderer, seine Person betreffenden Umstände, und da er sie dessen allen mit wohlgesetzten Worten und manierlichen Gebärden berichtet hat, sagt sie endlich mit lachendem Mund:

›Ich glaube Euch alles, wohl nur daran zweifle ich, daß Ihr noch ein reiner Junggeselle seid.‹

Dieses nun versicherte Merillo nochmals mit den kräftigsten Worten, worauf Livicarda mit einer verliebten Miene spricht: dergleichen Wildbret wäre etwas rares und viel zu delikat für ein armes Fräulein; wo mich mein Spiegel nicht betrügt oder ich mir nicht selbst schmeichle, so hielte ich mich fast um ein gut Teil wohlgebildeter als meine Rosinde. Wie gefiele Euch demnach der Tausch, Merillo, wenn Ihr anstatt Rosinde mich karessieren dürftet?‹

›Madame!‹ antwortete Merillo, ›Sie suchen vielleicht ein Wort von mir herauszulocken, welches mir das Leben kosten soll; doch muß ich bekennen, daß mir dergleichen übermenschliche Schönheit, wie die Ihrige ist, Zeit meines Lebens noch nicht vor Augen gekommen; ich aber bin ein Wurm gegen Dero unvergleichliche Person und genieße mehr als zuviel Glück, wenn ich nur den Staub zu Dero Füßen küssen darf.‹

›Eurer Gestalt und Geschicklichkeit nach‹, versetzte Livicarda, wäret ihr würdig, ein geborener Prinz zu sein; dem ohngeachtet aber, wo Ihr vernünftig lieben und schweigen könnt, so steht Euch bei mir dasjenige Vergnügen offen, welches Ihr diese Nacht bei Rosinde zu finden verhofft habt; sagt demnach kurz Eure Meinung und was Ihr Euch selbst zutraut.‹

Bei so gestalten Sachen hielt Merillo mit der Resolution nicht lange zurück, sondern gab die Livicarda wohlgefällige Erklärung mit zitternder Freude von sich, worauf sie ihm selbst den ersten Kuß gab, ihn nach einigen verliebten Tändeleien bei der Hand nahm und eine Treppe hinunter in ihr Schlafzimmer führte, wo er auf den gehabten Schrecken erst einen guten Trunk von einer köstlichen Herzstärkung tun, hernach sich commode machen und bei Livicarda, ihrer Meinung nach, die ersten Proben seiner Tapferkeit im Venuskrieg ablegen mußte.

Er hat mir«, sagte der Leutnant, »teuer zugeschworen, daß ihm damals tausendmal besser um die Leber gewesen, als bei seiner alten Wirtin auf dem Heuboden; allein, er hätte solches eben nicht nötig gehabt, denn ich konnte es ohnedem wohl glauben, sowohl als dieses, daß beide keinen Schlaf in ihre Augen kommen lassen, bis endlich der anbrechende Tag erinnert, daß es Zeit sei, voneinander zu scheiden; da ihm denn Livicarda die Verschwiegenheit nochmals bei Verlust seines Lebens eingebunden, diese erste Visite mit einer guten Handvoll Dukaten, die sie ihm in den Hut gelegt, belohnt, auf folgende Nacht seine Wiederkunft durch eine kleine Gartentür, die sie ihm bezeichnet, verlangt, und also diesen wohlbestellt befundenen Venusritter fortwandern läßt.


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