Johann Gottfried Schnabel
Der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Kavalier
Johann Gottfried Schnabel

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Zweiter Teil

Nachdem, wie im vorigen gemeldet, Elbenstein in D.* glücklich angelangt war, verdingte er sich bei einem gewissen Professor in die Kost, brachte es aber durch seine gute Aufführung in kurzer Zeit dahin, daß er bei dem Fürsten von B.* die Kammerjunkerstelle erhielt, und weil er gute Studia hatte, anbei die italienische und französische Sprache wohl redete und schrieb, so wurde er nicht nur in Verschickungen, sondern auch in anderen geheimen Angelegenheiten sehr öfters gebraucht, indem er sich jedesmal dergestalt konduisierte, daß er des Fürsten Gunst und Gnade vollkommen erlangte. Ob nun schon sein ernstlicher Vorsatz war, sich in keine Liebeshändel mehr zu verwickeln, so blieb er doch nicht lange von denselben befreit.

Es war der Gebrauch am D.* Hofe, daß die Damen und Kavaliere bei den vornehmsten Ministern und ihren Gemahlinnen wöchentlich ein- oder wohl mehrmals die Visiten ablegten, wodurch denn geschah, daß, als Elbenstein in des Geheimen Rats von M.* Behausung mit einsprach, er mit einem artigen Fräulein des Geschlechts von G.*, welche eine nahe Anverwandte des Geheimen Rats war, in Bekanntschaft geriet, da denn nach einem kurzen Umgang in beider Herzen eine Liebe erwuchs.

Eines Tages, da die gewöhnliche Gesellschaft wieder zusammengekommen war, setzten sich die meisten nieder und spielten zum Teil à la Bassette l'Hombre oder andere beliebige Spiele.

Elbenstein aber, welcher die französischen Zeitungen in einem Fenster gefunden, deprezierte das Spielen und las dagegen die Zeitungen. Das Fräulein von G.*, als sie vermerkte, daß Elbenstein heute nicht Lust zu spielen hätte, drehte sich auch mit guter Manier vom Spiel ab und klöppelte zur Lust an der Frau Geheimen Rätin ihrem Klöppelkissen, bis sie bemerkte, daß Elbenstein mit Lesen der Zeitungen fertig wäre, da sie denn mit einer angenehmen Freimütigkeit auf ihn zuging und den Antrag tat, daß, weil er so wenig als sie heute zum Spielen disponiert wäre, wollten sie einander die Zeit mit Gesprächen vertreiben; worauf sie ihn ersuchte, ihr etwas von Italien und von der Einwohner Naturell zu erzählen, auch weil sie vernommen, daß dem Frauenzimmer daselbst nicht erlaubt wäre, mit Fremden zu konversieren, so wäre sie neugierig zu wissen, worin der Herr von Elbenstein, als ein galanter Kavalier, einigen vergnügten Zeitvertreib gefundene

Dieser gab hierauf zur Antwort, wie er den Hauptzweck, warum er in fremde Lande gereist, zu beobachten, die Zeit also anwenden und einteilen müssen, daß er nach der ohnedem höchstgefährlichen Konversation der italienischen Damen nicht verlangen können; mit dissoluten und liederlichen aber die Zeit zu verlieren, würde weder appetitlich, ratsam noch nützlich gewesen sein, in Erwägung, daß man von dergleichen Ergötzungen nur ein nagendes Gewissen, ungesunden Leib und Verlust seines Geldes zu gewarten hätte.

Die Fräulein von G.* replizierte, daß sie sich würde schwerlich überreden lassen, daß der von Elbenstein von allen verliebten Aventuren sollte befreit geblieben sein, lobte ihn anbei, daß er mit seinen Liebesergötzungen so geheim wäre, deswegen sie diejenige Dame glücklich schätzen müsse, welche von einem so diskreten und honetten Kavalier ästimiert würde. Sie für ihre Person wollte sich höchlich gratulieren, wenn sie Elbenstein nur zu ihren Konfidenten erkiesen dürfte.

Wie nun er, als von Sanquineus, so den Liebesanfällen bei einem so angenehmen Gegenstand nicht lange zu widerstehen vermögend war, ergriff er das auf der Seite stehende Glas Wein und sagte:

»Mein schönes Fräulein, ich halte Sie bei Ihrem Wort, und zu bezeugen, daß ich es recht aufrichtig und von Herzen meine, so erlauben Sie mir, daß ich dieses Glas Wein auf glückliche Aufrichtung einer beständigen und getreuen Konfidentschaft Ihnen zutrinken möge«, worauf er unter verliebten Mienen das Glas austrank; nachdem er es wieder eingeschenkt, den Rand desselben küßte und ihr mit einer charmanten Art überreichte, welches sie auf gleiche Art mit besonders liebreicher Stellung austrank.

Hierauf fragte Elbenstein, wann er nunmehr die süße Vergnügung haben und den Effekt der gemachten Konfidence genießen sollte? Worauf das Fräulein von G.* antwortete, daß in Gegenwart so vieler Damen und Kavaliere es sich vorerst nicht schickte, wenn er aber auf ihr Zimmer, allwo ihr Mädchen nur allein wäre, sich bemühen wollte, so könnte seinem und ihrem Verlangen eher ein Genügen geschehen.

Hierauf ergriff Elbenstein das artige Fräulein bei der Hand und sagte zu ihr etwas laut: »Gnädiges Fräulein! Wo es nicht beschwerlich, so wollte ich gehorsamst bitten, mir als einem Liebhaber der Schildereien die in den anderen Gemächern befindlichen Stücke zu zeigen.«

Wie sie sich nun hierzu gefällig erzeigte, führte er sie nach ihrem Zimmer, allwo sie dem Mädchen befahl, etwas von Obst und Konfitüren herbeizubringen. Mittlerweile, als diese abwesend war und Elbenstein der Fräulein Porträt ansichtig ward, sagte er:

»Mein schönster Engel! Ich will den Anfang machen, Ihnen etwas insgeheim zu vertrauen.«

Unter diesen Worten küßte er der Fräulein Porträt aufs zärtlichste. Sie, welche von dergleichen artiger Erfindung, einen Liebesantrag zu tun, nicht wenig charmiert war, sagte darauf: »Ich sehe wohl, daß Sie in Italien die Abgötterei recht gelernt haben; allein versündigen Sie sich doch nicht so sehr an leblosen Kreaturen«, womit sie ihn ganz verliebt ansah und die Hand drückte.

Elbenstein sagte hierauf:

»So will ich das Original um Vergebung dieses begangenen Verbrechens bitten«, unter welchen Worten er das Fräulein zu verschiedenen Malen auf das verliebteste küßte, welches, als es zum öfteren wiederholt ward, das verliebte Fräulein endlich mit Gleichem vergalt. Es wollten sich zwar bei Elbenstein noch mehrere lüsterne Neugierden regen, allein, die Ankunft des Mädchens setzte beide Verliebte in eine sittsamere und eingezogenere Positur.

Die Fräulein präsentierte ihrem neuen Konfidenten etwas von den Erfrischungen, und er legte ihr gegenteils unter lauter schmeichelnden Mienen ein und anderes vor, ehe er sich aber versah, fing ihm die Nase heftig zu bluten an. Demnach befahl das Fräulein ihrem Mädchen, eine Schale mit kaltem Wasser herbeizubringen und mit einem darein genetzten Tuch Elbensteins Nacken zu berühren.

Dieser aber merkte gar bald, daß des artigen Mädchens Hilfeleistung aus etwas anderem als aus einer bloßen Dienstfertigkeit herrührte, indem unter dieser Beschäftigung ihre Finger an Elbensteins Hals das zu verstehen gaben, was ihr Mund ihm nicht sagen durfte. Er, als ein starker Praktikus in der Löffelei, antwortete ihr mit einem verbindlichen Blick, daß er nämlich ihre Meinung verstanden hätte, daher er ihr, seiner wandelbaren Gemütsart nach sogleich einen ziemlichen Teil von der ihrem Fräulein gewidmeten Neigung zuwendete, und indem er, ihre Mühen mit einem Gulden zu vergelten, sie bei der Hand faßte, durch eine den Verliebten bekannte und gewöhnliche Art und Weise ihr seine Gewogenheit zu verstehen gab.

Also waren Fräulein und Dienerin zugleich mit ihm ins Liebesgarn geraten; weil aber der Wohlstand erforderte, daß das Fräulein sich eher als er sich wieder zur Gesellschaft begäbe, ging sie allein voran und berichtete auf geschehene Nachfrage, wo er geblieben und daß ihm die Nase so stark geblutet hätte. Solchergestalt bekam Elbenstein Gelegenheit, Grisetten, so war des Kammermädchens Name, durch etliche hitzige Küsse, welche sowohl auf den Mund als die wohlbestellte Brust fielen, ihre zu ihm tragende Liebe zu probieren, in welcher Probe denn sie durch etliche wohlangebrachte geile Küsse, wobei die Zunge auch das ihrige beitrug, zu verstehen gab, daß, ob sie gleich kaum das achtzehnte Jahr zurücklegte, sie dennoch in der Kunst und Wissenschaft zu lieben kein unerfahrenes Kind wäre.

Die kurze Zeit, so ihnen ohne Verdacht beieinander zu sein erlaubt war, drückte beiden eine Sehnsucht ein, genauer miteinander bekannt zu werden, welche zu stillen der folgende Tag früh um 9 Uhr in seinem Logis die beste Gelegenheit an die Hand gab, dieweil es aber Zeit war, sich nach Hof zur Abendtafel zu verfügen, auch die Aufwartung eben an Elbenstein war, so nahm er nebst einigen Damen und Kavalieren von dem Geheimen Rat und der übrigen Gesellschaft Abschied und begab sich nach Hofe, dahingegen die meisten, welche sich in ein starkes Spiel engagiert hatten, noch beisammenblieben, und die zubereitete Kollation abwarteten.

Den folgenden Tag, als Elbenstein noch im Schlafrock herumging, meldete sich das angenehme Grisettchen bei ihm an, brachte eine Schüssel mit Obst und Konfitüren nebst einem Morgenkompliment von ihrem gnädigen Fräulein.

Elbenstein, den die in Italien angewöhnte Liebesnäscherei von neuem ankam, auch allhier nicht solche Lebensgefährlichkeiten wie dort zu befürchten hatte, gab seinem Diener eine Pistolette mit Befehl, ihm solche zu wechseln, aber kein anderes als lauter ganzes Geld an Lüneburgischen Zweidrittelstücken dafür zu bringen, nannte ihm auch etliche Juden, zu welchen er gehen sollte, und wenn einer nicht wollte, würden es schon andere tun, wodurch er denn genügsame Zeit gewann, sich mit seiner Grisette, deren Augen aus Begierde zum Liebeskampfe gleichsam brannten, nach Wunsch zu ergötzen, welches denn, da der Diener kaum den Rücken gewendet, mit beiderseits entzückender Zufriedenheit geschah.

Zwar merkte er so viel, daß in diesem Liebesgarten bereits andere die ersten Früchte gebrochen hatten, weil er aber eben nicht so gar sehr kapriziös in diesem Stück war, ließ er es dem treuherzigen Kind nicht entgelten, indem er noch soviel Annehmlichkeiten bei derselben fand, seinen Appetit zu stillen und zugleich sie sattsam zu vergnügen. Nach gebüßter Lust wurde die Abrede genommen, über drei Tage diese Ringekunst weiter zu versuchen und ein und andere von der Alo – – Sig – – vorgeschriebene Lektionen zu probieren; für diesmal aber ließ er sie mit einem Geschenk für erzeigte Gefälligkeit und einem ergebensten Kompliment an ihr gnädiges Fräulein repassieren. Hierauf kleidete er sich vollends an und begab sich nach Hofe, wo die sämtlichen Damen und Kavaliere in der Fürstin Vorgemach versammelt waren. Einer von den Kammerjunkern ersuchte Elbenstein daselbst darum, die Gefälligkeit für die Fräuleins und ihn zu haben und eine gewisse Arie, die er ihm in einer italienischen Oper zeigte, ins Deutsche zu übersetzen, wozu er sich denn sogleich willig finden ließ, begab sich demnach etwas beiseite an ein Fenster und übersetzte solche in ebendem Metrum und Genre, welches der italienische Poet gebraucht hatte, folgendergestalt:

ARIA

1.
        Von euch Sonnen kommt mein Ächzen,
Euer Strahl hat mich fast halb entseelt,
Des Herzens Entzünden
Kann schwerlich verschwinden,
Indem es sein Lechzen
Und Quälen verhehlt.
2.
Schönster Mund, du bringst mir Schmerzen,
Und mein Herz vergehet fast vor Glut,
Mit Hoffen und Sehnen,
Mit Schweigen und Stöhnen
Empfind ich im Herzen Des Cypripors Wut.

Solche Übersetzung erwarb ihm bei den sämtlichen Damen und Kavalieren nicht nur viel Lob, sondern es verursachte auch bei den ersteren gewisse Gemütsregungen, die sie aber ihrer angewohnten Eigensinnigkeit und Hoffart nach, welche nur Verehrer haben, aber denselben keine Vergeltung tun, viel weniger ihre Liebe mit Gegenliebe belohnen will, vertuschten, indem sie sich nicht entschließen konnten, ihre Leidenschaften an den Tag zu geben.

Wie aber auch die wildesten Kreaturen zahm und bändig gemacht werden können, also gewann die Liebe bei diesen Hochmütigen durch die sittsame und höfliche Aufführung des von Elbenstein, welche mit einer wohlanständigen Blödigkeit und insinuanten Schmeichelei untermengt war, endlich die Oberhand, daß, da sie zuvor gewohnt waren, diejenigen, so sie fast anbeteten, mit lauter spröden Verachtungen zu quälen, sich nunmehr bequemten, ein gelasseneres Wesen an sich zu nehmen. Aus diesem ersprang ein Verlangen, allein zu sein, und in solcher Einsamkeit malte ihnen der Liebesgott in Gedanken alle die trefflichen Gemüts- und Leibesgaben des von Elbenstein auf das allerangenehmste ab, worauf der Wunsch folgte, von einem solchen artigen Kavalier ästimiert zu werden; und endlich sagte ihnen ihr eigenes Herz, daß dergleichen Regungen mit keinem anderen Namen als der Liebe belegt werden könnten. Unter diesen, größtenteils veränderten Damen befand sich eine unverheiratete, so die Baronne von L.* genannt ward, welche, je mehr sie von Elbensteins Qualitäten eingenommen war, je vergnügter sie sich hergegen schätzen konnte, indem ihre mit einer charmanten Traurigkeit verknüpften Blicke Elbenstein dermaßen fesselten, daß, je länger er mit dieser liebenswürdigen Person umging, je heftiger er in sie verliebt ward und soviel schöne Leibes- und Gemütseigenschaften dieses Fräulein besaß, soviel Fesseln und Ketten waren auch, den flatterhaften und unbeständigen Elbenstein nunmehr fest zu binden und aus einem flüchtigen und changanten einen getreuen und beständigen Liebhaber zu machen; denn außer der angenehmen Gesichtsbildung wie auch unvergleichlich proportionierten Taille war diese Dame aus einem uralten berühmten freiherrlichen Geschlecht, aus welchem etliche zu zählen, die im römischen Reich unter dem Titel Kurfürstliche Gnaden vor weniger Zeit waren berühmt gewesen.

An Gütern und Mitteln mangelte es auch nicht, denn die halbe Herrschaft H.*, bei Landau gelegen, vermöge des väterlichen Testaments ihr als der einzigen Tochter anderer Ehe, nebst vielen Weinzehenten an der Mosel, eigentümlich zugehörten; und obgleich die meisten von diesem vornehmen Geschlecht sich zur römisch-katholischen Religion bekannten, so war doch dieses Fräulein sowohl als ihre bereits verstorbenen Eltern der protestantischen oder evangelischen Religion zugetan, daß also Elbenstein auch ratione religionis nichts Bedenkliches fand.

Alles dieses, zumalen er durch dergleichen Mariage bei dem D.* Hofe höher zu avancieren sich gute Rechnung machen konnte, bewogen ihn dahin, daß er alle sonst gewöhnten Liebesausschweifungen gänzlich abandonnierte und sich seinem auserwählten und allerliebsten Fräulein von L.* ganz und gar allein ergab.

Ob sie nun gleich anfänglich seinen Verpflichtungen nicht sofort völligen Glauben beimessen wollte, so ward doch endlich ihr tugendhaftes Herz durch seine täglichen Schmeicheleien und Kontestationen überwunden, indem er dieselben sowohl schriftlich als mündlich anbrachte, bis sie sich ihm endlich ganz zu eigen ergab.

Es wird nicht unangenehm sein, eine von dessen poetischen Liebesdeklarationen hierherzusetzen:

Mein Schicksal hat den Schluß nun über mich gefasset,
Ich soll, mein Engel, dir allein gewidmet sein,
Da ich doch noch nicht weiß, ob mich dein Auge hasset,
Anstatt der Gegengunst, und ob dein Herz ein Stein?
Doch will ich meine Glut dir nochmals offenbaren,
Die durch dein schönes Licht sich an mir angeflammt,
Mein frei Bekenntnis will nichts Widriges befahren,
Dieweil dein Gütigsein vom frommen Himmel stammt.
Die Sanftmut, welche sich in deinen Augen zeiget,
Weissaget mir noch nicht, daß ich zuviel getan,
Und ob dein schöner Mund ganz stilleschweiget,
Zeigt doch sein Purpurrot kein Ungewitter an.
Erlaube mir demnach, dich ewig zu verehren,
Und glaube, daß mein Herz dir bis in Tod getreu,
Du kannst, mein Leben, ja die Treu vorher bewähren,
Laß bei der Prüfung nur für mich die Hoffnung frei.
Wenn dir gefallen wird, mich zornig anzublicken,
Bet ich die Strengigkeit in tiefer Ehrfurcht an.
Will mir dein schöner Mund ein kaltes Nein zuschicken,
So glaube, daß ich auch bei Nein treu lieben kann.
Sprächst du auch gleich zu mir: Ich soll und muß dich hassen,
Ja stieße mich dein Fuß ganz spröde von sich hin,
Wollt ich doch mit Begier die schönen Hände fassen,
Zu zeigen aller Welt, wie ich beständig bin.
Auch wenn zum Überfluß, die Treue zu probieren,
Du mir verbieten willst, dich gar nicht anzusehn,
Soll deinen Schatten doch mein Auge nicht verlieren,
Bis deine Güte spricht, daß Proben genug geschehen.

Diesemnach wurde beiderseits die Liebe dergestalt heftig, daß eines ohne das andere fast keine Stunde bleiben konnte. Die erste Probe seiner liebreichen Fräulein von L.* geschworenen Treue legte Elbenstein damit ab, daß, als Grisette kam und ihn im Namen ihres Fräuleins nötigte, diesen Nachmittag in des Oberjägermeisters Hause, wo Assemblée sein würde, zu erscheinen, er seinen Diener nicht wegschickte, weswegen das arme Ding ungelabt fortgehen mußte.

Weil aber sein allerliebstes Fräulein von L.* par renommée nebst anderen Hofdamen und Kavalieren daselbst mitzuerscheinen sich gemüßigt sah, fand er sich auch allda ein. Das Fräulein von G.* suchte zwar Gelegenheit, Elbenstein mit guter Manier von der Gesellschaft abzuziehen, er tat aber, als merkte ers nicht, sondern ließ sich bald mit dieser oder jener Dame oder Kavalier ins Gespräch ein und leerte dabei mit dem alten Herrn von H.*, der ein besonderer Liebhaber des edlen Rebensaftes war, manches Gläschen auf Gesundheit dieses oder jenes guten Freundes aus.

Da dieses Fräulein von G.* nun sah, daß sie solchergestalt ihren Zweck, mit ihrem Konfidenten sich in einer angenehmen Retirade zu unterhalten, nicht erreichen konnte, stellte sie es an, weil die Oberjägermeisterin ihrer Frau Mutter Schwester war, und der sie vertraut hatte, daß Elbenstein mit ihr ein genaueres Liebesverbündnis zu schließen schien, daß sie die Erlaubnis erlangte, an den von Elbenstein durch des Oberjägermeisters Diener einen Brief zu überschicken, unter dem Vorwand, als ob derselbe von der Post gekommen wäre.

Wie nun Elbenstein von der Gesellschaft hinweg und etwas bei Seite ging, um den Brief desto bedachtsamer zu lesen, ersuchte ihn der Diener, daß Ihro Gnaden sich nur ein wenig vor das Zimmer hinausbemühen und das Schreiben daselbst lesen möchten, welches Elbenstein ohne weiteres Nachsinnen tat und sich hinaus begab.

Der Diener, so ihm folgte, zeigte ihm sogleich das gegenüber offenstehende Zimmer, damit er nicht unter den hin und wieder laufenden Aufwärtern stehen und lesen dürfte, weswegen Elbenstein ohne besonderes Bedenken dahineintrat; kaum aber hatte er den Brief zu lesen angefangen, als das Fräulein von G.* durch eine andere Tür zu ihm hineingetreten kam, welche nach gemachtem Kompliment ihn sogleich in einen Erker zog und unter häufigen Karessen ersuchte, dem sehnlichen Verlangen, so sie nach ihm, ihrem allerliebsten Konfidenten, gehabt, und ohne dessen angenehme Gegenwart sie gar nicht vergnügt leben könnte, es zuzuschreiben, daß sie ihn von der Gesellschaft auf eine kurze Zeit abgezogen hätte.

Allein, wie bestürzt wurde das gute Fräulein, da sie nichts als lauter Komplimente statt der bei der ersten Zusammenkunft gebrauchten Liebkosungen von ihm genoß, weswegen sich diese Entrevüe auf Seiten des guten Fräulein mit nicht geringem Kummer bald endigte. Sie konnte nicht begreifen, woher doch diese jählinge Gemütsveränderung bei Elbenstein müsse entstanden sein, endlich aber fiel sie auf die rechte und wahre Ursache, wie nämlich etwa eine andere Schönheit ihr ins Liebesgehege gegangen und ihr ein so liebreiches Wildbret bestrickt hätte.

Hierauf untersuchte sie in ihren Gedanken sowohl die sämtlichen Hofdamen, als auch der anderen, in der Stadt sich aufhaltenden Fräulein Gesichter und Mienen, konnte aber alles angewandten Fleißes ohngeachtet nichts Gewisses erfahren oder ausmachen, auch nicht mutmaßen, denn die kluge Baronne von L.* hatte mit ihrem Elbenstein bereits Abrede genommen, ihre Liebe noch zur Zeit geheimzuhalten.

Da auch die folgende Woche bei Hofe Assemblée und abends bunte Reihe war und es sich also fügte, daß Elbenstein bei der Fürstin, das Fräulein von G.* bei dem Fürsten und das Fräulein von L.* bei ihrem Vetter, dem Hofrat und Kammerjunker von W.*, zu sitzen kam, vermochte jene abermals nicht, etwas auszuforschen, worüber sie denn endlich in eine solche Rage geriet, daß, wo sich nur die geringste Gelegenheit zeigte, sie nichts eifriger tat, als von Elbenstein übel zu reden, wozu ihr denn folgende Begebenheit sattsam Anlaß gab.

Es hatte der Stadtschulze den Hofjunker von N.*, welcher bei ihm eingemietet hatte, nach G. auf sein daselbst habendes Vorwerk auf eine Mittagsmahlzeit invitiert, dabei gebeten, noch ein paar andere gute Freunde mitzubringen, welches der von N.* sich gefallenlassen und Elbenstein nebst dem Jagd- und Hofjunker R.* ersuchte, mit hinauszureiten.

Weil denn die Fürstin selbigen Morgens auf ihr eine Stunde von D. gelegenes Lusthaus und dabeibefindliche Meierei gefahren war, nebst ihrem Gemahl aber weiter niemanden bei sich hatte als die Fräulein von L.* und von H.*, den Hofmarschall Freiherrn von L.* und den Geheimen Rat von R.*, den folgenden Tag aber allererst retournieren wollte, so begab sich Elbenstein nebst den zwei anderen Kavalieren vormittags gegen zehn Uhr nach gedachtem Vorwerk, wo sich des Stadtschulzen zwei Töchter und des Bereiters Schwester, noch eines Ratsherrn Tochter wie auch des Stadtschulzen Sohn, der vor wenig Tagen von der Universität Tübingen, wo er nunmehr seine Studia Academica absolviert, zurückgekommen war, bereits befanden. Die Kavaliere wurden unter Trompeten und Paukenschall empfangen und ihnen, weil es kurz vor der Mahlzeit war, nur einige Erfrischungen vorgesetzt. Als sie etwas davon zu sich genommen, sagte der alte Stadtschulze, welcher ein Mann von ganz besonders lustigem Humor war:

»Mit Dero gütiger Erlaubnis, meine Herren! Ich muß heute das Sprichwort unwahr machen: Vor Essen wird kein Tanz.« Hiermit nahm er seine alte Mutter bei der Hand und sprang mit ihr herum als der jüngste Kerl, worauf die Kavaliere und der Student dem Alten folgten, ein jeder ein Frauenzimmer ergriff und sich gleichfalls wacker herumtummelte. Mittlerweile war in einer gegenübergelegenen Stube das Essen ausgesetzt worden, weswegen sie sich insgesamt dahin begaben und es ihnen unter einer angenehmen Musik wohlschmecken ließen. Jeder hatte seine Tänzerin neben sich sitzen und ging alles in lauter Lust und Fröhlichkeit zu.

Nach geendigter Mahlzeit ward zwar das Tanzen wieder angefangen, weil sich aber bald darauf der Himmel mit Wolken umzog und mit Regen drohte, machten sich die sämtlichen Gäste zum Aufbruch fertig.

Als nun die Kavaliere sich aufsetzen wollten und die guten Kinder sich gleichfalls zwar zum Fortgehen schickten, jedoch dabei bekümmert waren, wie sie ihren Schmuck und gute Kleider, wenn sie unterwegs der Regen überfallen sollte, vor der schädlichen Nässe salvieren möchten, so tat der Jagdjunker den Vorschlag, daß sich die Frauenzimmer mit auf ihre und der Diener Pferde setzen sollte, gesetzt nun, daß es zu regnen anfinge, so wären sie ja mit Mänteln genug versehen, daß ihnen also der Regen wenig schaden würde.

Dieser Vorschlag ward von allen gebilligt, und die guten Jungfern waren noch dazu ganz froh, daß sie den Rückweg so bequemlich nehmen konnten.

Wie sie demnach ihre Kavalkade mit aller Zufriedenheit antraten, befahl der Stadtschulze der älteren Tochter, sobald sie nach Hause gekommen sein würden, in des Rats Marstall Kutsche und Pferde zu bestellen, um ihn, seine Frau und Sohn nach Hause zu führen.

Hierauf ritten die Kavaliere, nachdem sie sich bei dem Herrn Wirt für das gute Traktament und genossene Höflichkeit nochmals bedankt hatten, nach der Stadt zu, waren auch insoweit glücklich, daß es nicht eher zu regnen anfing, bis sie sich in der Vorstadt vor dem Gasthof zu K. befanden, wo das Frauenzimmer abstieg, weil der Wirt in ermeldetem Gasthof der einen Jungfer naher Anverwandter war. Sowohl sie als dieser ersuchten die Kavaliere, nur solange, bis der Regen vorbei wäre, mit einzusprechen, wozu sich denn diese nicht lange nötigen, sondern die Pferde in die Ställe bringen ließen; der Wirt aber schickte sogleich einen von seinen Leuten in die Stadt, um die Kutsche zu des Stadtschulzen Abholung zu bestellen.

Wenige Zeit hernach fanden sich die Musikanten, welche ihnen draußen aufgewartet hatten, gleichfalls ein; sobald nun die Gesellschaft dieselben sah, mußten sie zu ihnen in die Oberstube kommen, wo man sich denn von neuem wieder lustigmachte, solange bis die Zeit und der Wohlstand den Aufbruch erforderten.

Elbenstein verfügte sich nach seinem Quartier und legte sich bald zur Ruhe, um desto früher auf dem Schloß sein zu können; als er nun den folgenden Morgen um sieben Uhr dahin zu gehen im Begriff war, ward er von dem Geheimen Rat von E.* im Vorbeigehen auf eine Tasse Schokolade invitiert; wie er nun diesem vornehmen Minister solches nicht wohl abschlagen konnte, also trat er hinein und wurde sehr höflich empfangen mit dem Vermelden, daß der Herr von Elbenstein eine angenehme Gesellschaft von Frauenzimmern und guten Freunden antreffen würde.

Dieser befand sich zwar in etwas betroffen, als er in das Zimmer hineintrat und unter anderen das Fräulein von G.* darin erblickte, doch er faßte sich alsbald wieder, und als er gegen die sämtliche Gesellschaft seine Komplimente vertauscht, sagte der Herr Geheime Rat, daß er längstens gewünscht, mit dem Herrn von Elbenstein genauer bekannt zu werden, denn ob er gleich bereits öftermals auf dem Schlosse zu seinem Wunsche zu gelangen Gelegenheit gesucht, so hätte er doch, weil er jedesmal an der fürstlichen Tafel zu speisen, nachher mehrenteils mit der durchlauchten Herrschaft l'Hombre spielen müssen, bis dato nicht zu der Ehre einer genaueren Bekanntschaft gelangen können, wollte er sich demnach das Glück seines öfteren werten Zuspruchs inständig ausgebeten haben, insonderheit, da ihm des von Elbenstein Hauswirt, der Herr Professor M.*, berichtet hätte, daß er im Studio nummismatico sonderlich erfahren und zu Padua des berühmten Kavaliers und Professors Caroli Patini (welcher sonst an einem gewissen fürstlichen Hof in Schwaben, weil er aus dem dasigen Münzkabinett einen genuinen Ottonem entführt, ein schlechtes Lob erworben) Privat-Information in hoc scibili genossen, von welchen er gleichfalls ein starker Liebhaber wäre.

Elbenstein gab, indem er eine tiefe Reverenz machte, zur Antwort, wie er sich höchst glücklich achten würde, bei einem so vornehmen Minister seine Aufwartung öfters zu machen und von dessen gelehrten Diskursen zu profitieren.

Da es aber nun endlich Zeit war, Abschied zu nehmen, drehte sich das Fräulein von G.* so lange herum, bis sie neben Elbenstein zu stehen kam, da sie ihn denn mit einem gezwungenen, höhnischen Lachen, jedoch eben nicht allzu laut, fragte: Ob er bei der gestrigen Konversation mit den Bürgermädchen vielleicht mehr Vergnügen gefunden hätte als bei der hiesigen Gesellschaft, weil er so eilfertig wäre.

Elbenstein fragte sie hingegen: Ob ein treuer Knecht und Konfidente dergleichen höhnische und pikante Fragen meritiert hätte?

Das gute Fräulein bekannte hierauf durch eine aufsteigende Röte ihre Reue über die ausgestoßene unbedachtsame Frage und Übereilung, sagte aber:

Wenn der Herr von Elbenstein in ihres Herrn Vetters, des Herrn Geheimen Rats von M.* Haus ehestens einsprechen würde, wollte sie dieserwegen weiter mit ihm zu sprechen sich die Erlaubnis ausgebeten haben, worauf aber derselbe replizierte : Wenn sie von sonst nichts anderem als hiervon mit ihm zu reden gesonnen wäre, würde es sowohl zu ihrer als zu seiner Satisfaktion am dienlichsten sein, so lange des Herrn Geheimen Rats von M.* Wohnung zu meiden, bis dereinst er eines angenehmeren und gültigeren Traktaments, auch freundlicher Unterredung würde versichert werden; setzte aber nach seiner gewöhnlichen schmeichelnden Art und einer etwas betrübt scheinenden Miene noch hinzu:

»Wenn ich, mein Engelsfräulein, mich heimlich in Dero Zimmer einschleichen könnte, wie schmerzlich wollte ich dem darinstehenden charmanten Porträt, welches mir am allerersten etliche inbrünstige Küsse erlaubt, klagen, daß das Original, bei dem ich nichts verschuldet, so hart mit mir umgeht und verfährt.«

Das Fräulein versetzte hierauf: »Das Original soll dem Herrn von Elbenstein, worin es ihm zuviel getan, alles herzlich abbitten.«

Elbenstein aber antwortete:

»Ich trage viel zu großen Respekt für dies schöne Fräulein von G.*, daß Sie sich von einem Ihrer ergebensten Diener dergestalt erniedrigen sollte; damit ich nun dergleichen Ihnen und mir unanständige Handlung nicht erfahren und ansehen darf, so will ich lieber Dero Privatkonversation hinfort meiden, und hiermit Adieu pour toujours gesagt haben.«

Hiermit hatte dieser geheime Diskurs seine Endschaft erreicht, und Elbenstein beurlaubte sich sowohl bei dem Herrn Geheimen Rat von E.* als auch der ganzen Gesellschaft, welche gleichfalls bald hernach Abschied nahm.

Das Fräulein von G.*, als sie in ihr Zimmer eingetreten, blieb eine lange Zeit in tiefen Gedanken stehen, in welcher Positur sie der Geheime Rat von M.*, ihr Vetter, beschlich und nach der Ursache ihrer Veränderung sehr sorgsam fragte. Worauf sie vorwendete, es würde nicht viel zu bedeuten haben, die bei dem Geheimen Rat von E.* getrunkene Schokolade, weil sie mit Milch gekocht gewesen, die sie niemals wohl vertragen können, hätte ihr eine kleine Übelkeit verursacht. Indem trat die Geheime Rätin auch ins Zimmer, diese erzählte ihrem Gemahl als etwas Neues, daß der Herr von Elbenstein nebst den zwei Jagdjunkern sich gestern zu G. und in dem Wirtshaus zu K. recht lustig gemacht, und zwar mit des Stadtschulzen und anderen Bürgerstöchtern, weswegen sie nicht zweifeln wollte, daß auf diese Ergötzung in drei Vierteljahren Früchte mit Händen und Füßen zum Vorschein kommen dürften.

»Jedoch«, setzte sie hinzu, »ein andermal mögen sich Narren wieder mit Edelleuten verwirren, ich kenne die Jagdjunker N. und R., sie sind beide keine Kostverächter, was aber Elbenstein anbetrifft, so glaube ich, daß er in Italien die Kunst zu lieben mehr und besser als etwas anderes gelernt hat. Gewiß, er scheint mir in diesem Stück ein gefährlicher Politikus zu sein. Soviel ich aus seiner neulichen Aufführung, als er bei uns war, abmerken konnte, hatte er seine Augen, mein liebes Bäschen, auf Sie gerichtet und suchte Sie aufs emsigste zu bedienen, auch immer mit Ihr zu schwatzen. Allein, hüte Sie sich ja vor ihm, es ist ein Flattergeist und fremder Kerl, wer weiß auch einmal, ob er derjenige ist, für den er sich ausgibt.«

Durch diese Reden wurde das arme Fräulein dergestalt treuherzig gemacht, daß sie bekannte, wie sich Elbenstein bei der ersten Zusammenkunft unter vielen unverbindlichen Expressionen nicht undeutlich herausgelassen, daß er sich mit ihr ehelich zu verbinden gesonnen sei, etliche Tage hernach aber wäre er ganz anderen Sinnes und dergestalt kaltherzig gegen sie gewesen, als ob er sie zeitlebens nicht gesehen hätte, viel weniger mit ihr umgegangen wäre, und heute, als er auch bei dem Geheimen Rat von E.* gewesen und von ihr wegen des gestrigen Divertissements nur ein wenig vexiert worden, hätte er ihr die empfindlichsten und pikantesten Repliken gegeben. Ja, damit wäre er noch nicht einmal zufrieden gewesen, sondern hätte ihr alle fernerweitige Konversation aufgesagt.

Der Geheime Rat von M.*, welcher ein hitziger, jähzorniger Mann war, ereiferte sich nicht wenig über den guten Elbenstein, denn er das Fräulein von G.* als seiner Schwester Tochter so sehr als sein eigenes Kind liebte. Er brach demnach in folgende Worte aus:

»Harre du Kerl! Du sollst ehrlicher Leute Kinder am längsten bei der Nase herumgeführt haben.«

Mit diesen Worten ging er aus des Fräulein Zimmer, setzte sich in die bereits angespannte Karosse und fuhr aufs Schloß, wo geheimer Rat gehalten werden sollte.

Elbenstein, als er zu seinem geliebten Fräulein von L.* kam, machte sich auch schon auf Anhörung einer Reprimade gefaßt, allein, weil diese mehr Vertrauen auf seine Treue setzte, sagte sie ihm weiter nichts, als daß die ganze Begebenheit dem Fürsten und der Fürstin bereits aufs allerodiöseste wäre vorgebracht worden, mit dem Beisatz, daß, was zu G. wegen der Eltern Gegenwart und Aufsicht nicht geschehen, im Wirtshaus zu K., wo der Wirt ein Erzkuppler wäre, desto füglicher hätte vollbracht werden können. Es wäre auch von dem Geheimen Rat von M.* angeraten worden, daß zur Verhütung einigen Kindermordes oder Abtreibung der Frucht die Menschen durch geschworene Hebammen und verständige Medicos besichtigt würden.

Elbenstein, weil er ein gutes Gewissen hatte, erzählte ihr den ganzen Verlauf nach der reinen Wahrheit, worauf sie ihm den Einschlag gab, bei ihrem Vetter, dem Baron von W.*, welcher Hofrat und Kammerjunker war, zu sondieren, was er ihm bei diesen Händeln etwa raten würde.

Dieser, welchem der Fürst die lustige Geschichte mit großem Gelächter (denn er selbst gar oft auf der Parforcejagd seine Liebesflammen bei einem hübschen Bauernmädchen zu löschen pflegte) bereits erzählt hatte, kam gleich von ungefähr ins Zimmer getreten und sagte nach gemachtem kurzen Kompliment:

»Meiner gnädigsten Fürstin Melkerei zu K. wird, wie ich höre, bald mit drei schönen roten Kühen verstärkt werden?« (Denn nebenbei, dieses war damals die Strafe, wenn ein Kavalier wieder das sechste Gebot gesündigt, daß er der Fürstin eine rote Kuh zinsen mußte.)

Hierauf erzählte ihm Elbenstein alles haarklein, was passiert war, und bekam diesen Rat von ihm, daß er nebst den zwei anderen Kavalieren sich bei dem Fürsten wegen der über sie ausgesprengten harten Kalumnien und Injurien beschweren und anbei untertänigst bitten sollten, ihnen des Denunzianten Namen, damit sie ihre Satisfaktion von ihm fordern könnten, gnädigst zu entdecken. Hiernächst müsse solches dem Stadtschulzen und der anderen Jungfern Eltern zu wissen gemacht werden, damit sie der über ihre Kinder verhängten Prostitution vorkommen und solche legitimo modo abwenden möchten. Hierauf ging man zur Tafel, wo der Hausmarschall oftgedachte drei Kavaliere unter anderen Gesprächen zu vexieren begann. Allein, der Jagdjunker von R.* verstand unrecht und sagte über öffentlicher Tafel ungescheut und laut, so daß es die mit daransitzende Hofmeisterin und Fräuleins auch mit hören konnten: Salva venia, Huren, Kanaillen und Schelmen hätten diese infamen Lügen ausgebracht, daß nämlich sie drei mit den ehrlichen Kindern etwas Ungebührliches vorgehabt hätten, vielleicht wäre diejenige Weibsperson, so diese Schandlügen am ersten ausgesprengt, eine solche, die den Liebeshandel besser verstünde als diese ehrlichen, frommen Kinder.

Kurz zu melden, die Sache geriet endlich zu einer solchen Weitläufigkeit, daß, als die drei Kavaliere und die anderen Interessenten des Denunzianten Namen erfahren, sie den Geheimen Rat von M.* durch Notarien und Zeugen beschickten und ihm sagen ließen: Die sämtlichen Interessenten hielten ihn so lange für einen boshaften Verleumder und Ehrenschänder, bis er, was durch ihn von dem Frauenzimmer und ihnen bei Hofe angegeben und in der Leute Mäuler gebracht worden, verifiziert und erwiesen hätte, wobei sowohl der Stadtschulze als der anderen Jungfern Eltern drohten, den Geheimen Rat vor dem Kammergericht zu Speyer zu verklagen, wodurch denn dieser dergestalt erschreckt wurde, daß er, in Betrachtung der ihm aus solcher Sache entstehenden Prostitution und Geldversplitterung, die besten Worte und eine hinlängliche Deklaration den Kavalieren gab, den Eltern der Jungfern aber sagen ließ, wie er die ganze Sache ex vago rumore hätte und ihm leid, solchen unbegründeten Erzählungen Glauben beigemessen zu haben; er hielte sie samt und sonders für ehrliche, unbescholtene Leute und Jungfrauen; und dieses mußte er schriftlich von sich ausstellen.


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