Johann Gottfried Schnabel
Der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Kavalier
Johann Gottfried Schnabel

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»Messieurs! So wunderlich ist mirs fast mein Lebtag nicht gegangen als heute; ich ging, sobald wir von der Tafel aufgestanden, weil mir der Kopf von den allerlei Weinen, die ich bisher auf der Reise getrunken, etwas wüst war, hinunter in den Schloßgarten spazieren, in Meinung, daß, wenn ich etwa eine halbe Stunde in der freien Luft herumginge, sich der Dummel wohl verlieren würde. Im Hin- und Hergehen aber traf ich eine schöne, große, blaue Blume an, die von der Natur fast als eine Sturmhaube gebildet war; da ich mich nun nicht erinnern konnte, in Deutschland dergleichen artiges Gewächs gesehen zu haben, brach ich dieselbe ab und versuchte ihren Geruch, welcher zwar scharf, aber eben nicht besonders angenehm war; jedoch roch ich verschiedene Male daran, endlich aber, da ich fast bis an das Ende des Gartens gelangte, bekam ich auf einmal ganz plötzlich einen starken Schwindel und heftige Kopfschmerzen, so daß ich vermeinte, ich würde zu Boden sinken müssen; jedoch erreichte ich mit Kummer und Not eine Grotte, in welcher ich mich auf eine Rasenbank der Länge nach ausstreckte und ohne mein Vermuten in einen tiefen Schlaf verfallen bin; ich glaube auch, daß ich noch schliefe, wenn mich der Trompeter mit dem Schall seines Instrumentes nicht aufgeweckt hätte. Immittelst glaube nicht anders, als daß der Geruch der Blume daran Schuld sein müsse, denn ich bin bis jetzt noch ganz damisch, ungeachtet ich weder heute noch gestern eine Debauche in Wein gemacht habe.«

»Mein Herr!« versetzte der Oberhofmeister, »ich bedaure dero Malheur, inzwischen wird es hoffentlich keine schlimmeren Folgen nach sich ziehen, wenn Sie nur belieben, einen guten Trunk frischen Wassers zu tun. Sie haben allerdings recht, daß der Geruch der Blume daran Schuld ist, welche Blume allhier bei uns Napello genannt wird; so schön sie aber anzusehen, so giftig ist sie auch, und wenn man nur ein- oder zweimal daran riecht, bekommt man gleich Kopfschmerzen oder Schwindel; es sind schon verschiedene Fremde dadurch betrogen worden, und wenn es bei mir stünde, müßte sie wenigstens in Lustgärten ausgerottet werden; allein, mein gnädiger Herr sind ein ungemeiner Liebhaber von der Botanik und würden keine Kosten sparen, wenn sie nur alle Kräuter- und Blumenarten, so in der ganzen Welt zu finden, in einem Garten beisammen haben könnten.« Hierauf setzten sie sich sämtlich zur Tafel, und weil diesesmal eben kein Frauenzimmer zugegen war, verfielen sie nochmals auf die Mordgeschichte des englischen Lords und auf die Grausamkeit der Dame; endlich fing des Marchese Stallmeister, welcher ein wohlstudierter und qualifizierter Kavalier war, folgende Geschichte zu erzählen an:

»Als ich vor etlichen Jahren noch in Padua studierte, trug sichs zu, daß einer meiner besten Freunde, ein Edelmann, von Lucca gebürtig, in einen Kaufmannsladen ging, um sich Scharlach zu einem Mantel zu kaufen. Bei dieser Gelegenheit mochte des Kaufmanns Tochter, die sich allein im Laden befand, den jungen Kavalier etwas allzugenau in die Augen fassen, wodurch sie dergestalt in Liebe gegen denselben entzündet ward, daß sie seinen Lakai mit Darreichung etlicher Zecchinen dahin beredete, einen Ruffiano oder Kuppler abzugeben.

Dieser nun rühmte gegen seinen Herrn allezeit die Schönheit der Kaufmannstochter, und sobald er bemerkte, daß sein Herr gern von dergleichen Sachen reden hörte, brach er los und versicherte demselben, daß diese Schöne sich sterblich in ihn verliebt hätte und nichts mehr wünschte, als eine vertraute Zusammenkunft mit ihm zu haben. Signor Balestrieri empfand alsbald eine brennende Begierde bei sich, mit dieser schönen Kaufmannstochter in nähere Bekanntschaft zu geraten, befahl deswegen seinem Diener, allen Fleiß anzuwenden, daß er dazu gelangen könnte, versprach ihm auch, wenn er die Sache gut spielte und bewerkstelligte, zum Rekompenz drei Zecchinen.

Dieser schlaue Vogel, als er bemerkte, wie er von beiden Parteien Geld schneiden könne, säumte sich nicht, Fiorinen, so hieß des Kaufmanns Tochter, seines Herrn verliebte Sehnsucht mit lebendigen Farben abzumalen, diese aber, ungeachtet sie von ihren Eltern sehr genau in Acht genommen ward, erfand endlich dennoch ein Mittel, dieselben zu hintergehen, denn sie praktizierte heimlich soviel Seide aus dem Gewölbe, als zu Verfertigung einer Strickleiter nötig war, gab selbige des Balestrieri Diener nebst einer Handvoll Geld, um das übrige zu besorgen, denn die dritte Nacht danach wollte sie an einem Bindfaden ein weißes Papier herunterlassen, an welchen Faden sodann Balestrieri die Strickleiter anbinden könnte, die sie alsdann hinaufziehen und oben befestigen wollte.

Der Anschlag schien nicht uneben zu sein, die Strickleiter wurde binnen vierundzwanzig Stunden fertig, Balestrieri wartete mit Schmerzen auf die bestimmte Stunde der dritten Nacht, und als diese endlich erschienen, fand er sich unter der Fiorine Fenster ein, fand auch bereits das Papier an dem Faden heruntergelassen, weswegen er in aller Eile die Strickleiter daranband und nach einem gegebenen Zeichen mit Husten bemerkte, wie dieselbe hinaufgezogen, ihm auch bald hernach ein Gegenzeichen zur frischen Auffahrt gegeben wurde.

Ungeachtet es nun ungemein stark regnete und dabei stockfinster war, so ließ sich dieser verliebte Steiger doch nicht hindern hinaufzuklettern, war aber auch bereits bis an die andere Etage gelangt, als ihm leise zugerufen wurde, sich ein wenig aufzuhalten. Er gehorsamte eine ziemliche Weile, als ihn aber der grausame Regen gar heftig inkommodierte, konnte er es fast nicht mehr ausstehen, weswegen er sich resolvierte, wieder herunterzusteigen, um vorher noch eine Weile unter denen Portichi oder Schwibbogen im Trocknen zu stehen.

Allein da er kaum bis an das erste Stockwerk zurückgelangt, ereignete sich plötzlich ein Zufall, der seinen Staffiero oder Bedienten nötigte, in geschwinder Eile fortzulaufen; Signor Balestrieri hielt fürs ratsamste zu bleiben, wo er war, und sich nicht zu regen, ungeachtet es immer heftiger zu regnen anfing. Denn es ist zu wissen, daß zu den damaligen Zeiten in Padua alle Nächte das sogenannte chivàla geschah und mancher dadurch ums Leben gebracht wurde; deswegen waren eben zu der Zeit, als Balestrieri seine verliebte Visite angetreten, ungefähr sechzig Schritte von Fiorinens Behausung zwei Parteien zusammengeraten, welche hinter den dicken Pilaren aufeinander Feuer gaben.

Solchergestalt war es nun allerdings besser, daß er sein Verhängnis an der Strickleiter mit Geduld ertrug und zwischen Himmel und Erde schwebte, als daß er sich in eine noch größere Lebensgefahr stürzte. Als er nun über eine Stunde diese Angst ausgestanden, kam endlich die Scharwache, welche die streitigen Parteien auseinanderjagte und verfolgte; mittlerweile bekam Balestrieri ein abermaliges Zeichen, sich hinauf zu begeben, welches er denn tat und glücklich bei Fiorinen anlangte. Diese empfing ihn mit offenen Armen und vielen Küssen, bat ihn auf eine recht demütige Art um Verzeihung, daß sie ihn so lange hätte müssen zappeln lassen; allein der arme Balestrieri, welcher wie eine gebadete Maus aussah, war nicht anders als ein Mensch, der den stärksten Paroxismus vom kalten Fieber hatte, konnte also ihre heißen Küsse nicht anders als sehr kaltsinnig vergelten, zumal weder das Kaminfeuer noch der köstliche Wein seinem erfrorenen Körper einige Wärme einflößen wollten. Endlich, da Fiorine sah, daß nichts helfen wollte, fing sie an, ihm hier und da an den Puls zu greifen, um mit ihren warmen Händen die zurückgewichenen Geister wieder herbeizubringen; allein es half alles nichts, Signor Balestrieri blieb bei allen diesen Karessen wider seinen Willen kraftlos, und die arme Fiorine mußte endlich mit größtem Unwillen und ohne den vollkommenen Liebesgenuß erhalten zu haben, geschehen lassen, daß ihr kalter und schwacher Amant die Strickleiter wieder herunterstieg, welche sie, sobald er auf der Erden war, recht grimmig und in größter Geschwindigkeit hinaufzog.

Der gute Balestrieri dankte zwar dem Himmel, als er ohne weitere Gefahr glücklich in seinem Quartier und warmem Bett angelangt war. Nachdem er aber vermerkte, daß sich nach einer kurz genossenen Ruhe seine entwichenen Kräfte wieder eingestellt hatten, betrübte er sich ungemein über die ihm zugestoßene Fatalität, zumal wenn er sich die besondere Schönheit der Fiorine nebst den ihm angetanen Karessen, nunmehr erst recht, jedoch nur in unruhigem Geist, vorstellte. Gleich morgens früh setzte er sich hin und verfertigte ein Schreiben an Fiorinen, worin er sein gestern gehabtes unglückliches Schicksal beklagte, sich ihrer fernerweitigen Gewogenheit bestens rekommandierte und dieselbe zu persuadieren suchte, ihm eine anderweitige Nachtvisite zu vergönnen, da er denn seinen begangenen Fehler verbessern wollte; allein diese schrieb ihm einen verzweifelten, höhnischen Brief zurück, dessen Hauptinhalt dieser war, daß sie mit einem ohnmächtigen Menschen, der noch weit miserabler beschaffen als ein Kastrat, nichts weiter zu scharfen haben wollte, wie sie sich denn alle Einbildung von seiner schönen Person und galanten Wesen bereits gänzlich aus dem Sinn geschlagen, er aber möchte sich ja nicht unterstehen, von dieser Begebenheit etwas gegen jemanden zu gedenken, widrigenfalls sie auf die allergrausamste Rache bedacht sein würde.

Balestrieri versuchte noch verschiedene Male, sie mit den beweglichsten Briefen und Versen zur Raison zu bringen; allein diese Schöne blieb nicht allein unempfindlich, sondern ließ ihm noch dazu jederzeit bloß mündlich eine spöttische Antwort zurücksagen und zuletzt befehlen, er sollte sie nur nicht mehr mit seinen Briefen inkommodieren, weil sie seine Person ganz und gar nicht mehr ästimierte. Diesen verdroß zwar der Schimpf nicht wenig, und es stiegen zum öfteren die Gedanken bei ihm auf, sich an Fiorinen zu rächen; wenn er aber bedachte, an was für einem gefährlichen Ort er sich befände und daß die Wut einer erzürnten italienischen Dame ihren Beleidiger zum öfteren in weitabgelegene Städte, ja Länder verfolgte, schlug er sich endlich alle diese Gedanken, ja Fiorinen selbst aus dem Sinne und wählte sich eine sehr wohlgebildete Dame de Fortun, bei welcher er, wenn er Appetit bekam, für zwei venezianische Dukaten jede Nacht soviel Wein und Konfekt, als er genießen mochte, auch sonst allen übrigen angenehmen Zeitvertreib ohne die geringste Leib- und Lebensgefahr haben konnte.

Dieses trieb er, und zwar ganz moderat, so lange, bis er seine Studia absolviert hatte und von seinen Eltern nach Hause berufen wurde.

Nunmehr lebt er in seiner Geburtsstadt mit einer qualifizierten, mit Schönheit und Gütern reichlich begabten Dame in der vergnügtesten Ehe, hat mir auch neulich, da ich bei ihm war, als seinem vertrautesten Freund aufrichtig bekannt, daß ungeachtet er jetzt in seinen besten Jahren wäre und viele Gelegenheit zu wollüstigen Veränderungen hätte, so sei doch sein Herz gänzlich davon abgewendet. Seine vorherigen Ausschweifungen hätte er herzlich bereut und dem Allerhöchsten für dessen Langmut demütigsten Dank abgestattet, daß er ihn nicht in seinen Sünden dahingerissen, sondern ihn dagegen nunmehr so wohl beraten, weswegen er denn auch alle Jahre, auf eben den Tag oder Nacht, da er auf der Strickleiter geschwebt, den Armen eine Spende an Brot und Wein von fünfzig Dukaten austeilen ließe, jedoch nicht eitlen Ruhmes wegen, sondern in einem Kloster unter verdecktem Namen.«

»Das ist etwas Vortreffliches«, versetzte Elbenstein hierauf, »wenn ein Mensch noch beizeiten zur Erkenntnis kommt und sein Leben bessert, denn bei vielen heißt es: Cras, cras, semper cras, et sic dilabitur aetas, bis sie endlich mit Leib und Seele zum T . . . fahren.«

Unter solchen und dergleichen Gesprächen ward endlich die Mahlzeit verbracht, und weil der Oberhofmeister den Vorschlag tat, ob nicht die sämtlichen Kavaliere den fürstlichen Personen bis auf ein zwei Meilen von Bataglia gelegenes und dem Marchese Obizzo gehöriges Lusthaus entgegenreiten und bis zu derselben Ankunft sich die Zeit mit Spielen oder anderen Divertissements passieren wollten, ward solcher von den sämtlichen Anwesenden willig angenommen; um desto früher aber aufstehen zu können, begab sich ein jeder desto zeitiger nach seinem Quartier.

Elbenstein, dem die grausame Mordgeschichte des englischen Lords ganz und gar nicht aus den Gedanken kam und in seinem Gewissen noch immer eine große Unruhe und Bangigkeit empfand, ward höchlich erfreut, als er bei Anlangung in seinem Quartier vernahm, daß der Wirt wieder nach Hause gekommen sei; indem er solchergestalt von einer abermaligen sündlichen Visite der Agatha befreit zu sein verhoffte.

Wie es aber einem geilen Frauenzimmer, wenn sie ihre Brunst gekühlt wissen will, niemals an listigen Erfindungen mangelt, so war auch dieses in unersättlicher Liebe gegen Elbenstein entbrannte Weib hierin nicht die Einfältigste, denn sie hatte ihrem Mann, dem Schneider, um demselben noch mehr Hörner aufzusetzen, eine gute Quantität vom Opium unter den Wein gemischt, den er mit seinem guten Freund, als von der Jagd ermüdete, hellig und durstig begierig einschluckte.

Das Opium wirkte gar bald, nach der geilen Frau Wunsch, denn der arme Cornelius schlief nebst seinem Jagdkameraden plötzlich ein und wurde mit großer Mühe zu Bett gebracht; die listige Agatha aber gab den überbliebenen Wein ihrer Magd, die sich eine Kaltschale davon machte, jedoch bald nach deren Genuß durch das öftere Gähnen und die schläfrigen Augen die Operation dieses eingelöffelten Tranks offenbarte, weswegen Agatha aus verstelltem Mitleid zu ihr sagte:

»Geh nur zu Bett, Du arme Rosine! Du bist, wie ich sehe, von deiner heutigen Arbeit ganz müde, ich will dem fremden Kavalier die Haustüre schon aufmachen.«

Das gute Mensch konnte mit genauer Not ihre Kammer erreichen, wo sie unausgekleidet aufs Bett hin und in einen tiefen Schlaf verfiel; Agatha aber bewillkommte den Elbenstein bei seiner Heimkunft mit freundlichen und vergnügten Gebärden, entschuldigte dabei ihren Mann, daß er seine schuldige Aufwartung bei ihm diesen Abend nicht machen könnte, indem er von der Jagd sehr ermüdet nach Hause gekommen und sich bereits zu Bett begeben hätte.

Elbenstein, dem die geschwinden und listigen Erfindungen des italienischen Frauenzimmers in Büßung ihrer Liebeslüste aus eigener Erfahrung schon bekannt waren, erriet alsobald das ganze Geheimnis; weil er aber, um sein geängstetes Gewissen zu beruhigen und einen Anfang in der ihm mit göttlicher Hilfe vorgenommenen Buße und Bekehrung zu machen, sich ernstlich entschlossen hatte, klagte er: wie ihm auf dem Schlosse eine jählinge Übelkeit zugestoßen wäre, welche Ursache gewesen, daß er sich zeitig retirieren müssen, womit er ihr eine gute Nacht wünschte. Agatha tat desgleichen, in ihren Gedanken aber machte sie sich allerhand anmutige Abbildungen von der künftigen Liebesergötzung, die sie diese Nacht mit ihrem angenehmen Kavalier pflegen und genießen würde, doch mußte sie die hitzigen und inbrünstigen Umarmungen solange anstehen lassen, bis Elbensteins Diener vom Zimmer herunter und zur Ruhe ging.

Alsdann eilte sie zu ihrem geliebten Kavalier und legte sich, ohne viel Wesens zu machen, zu ihm ins Bett, suchte auch unter kurzer Erzählung, was sie für List gebraucht, ihres Vergnügens vollkommen teilhaftig zu werden, den schläfrigen Elbenstein durch allerhand unverschämte Griffe zur Wollust zu bewegen. Allein sie wurde nicht wenig bestürzt, als sich Elbenstein in allem widersetzte und unter folgenden Worten von ihren geilen Umarmungen losmachte:

»Meine Frau!« war seine Rede, »wird sich verwundern, warum ich Ihr nicht eben mit dergleichen Liebkosungen, als Sie mir erzeigt, wiederbegegne; ich kann aber derselben nicht bergen, daß ich durch eine von Venedig eingelaufene traurige und erschreckliche Zeitung in eine dergestalte Gemütsunruhe und Herzensangst gesetzt worden, daß durch derselben beständiges und unablässiges Anhalten alles, was eine hitzige Liebe sonst erfordert, bei mir nunmehr als gänzlich erstorben liegt. Ob ich Sie nun gleich gestern nach Antrieb üppiger Begierden auf das heftigste geliebt habe, so werde ich Sie dennoch hinfort nicht weiter, als nach den Regeln und Gesetzen, die mir der Himmel und mein eigenes Gewissen vorschreiben, nicht anders als eine Christin und gute Freundin lieben.

Anstatt aber uns in sündliche, wollüstige Ergötzlichkeit einzulassen, wodurch der allsehende Gott erzürnt, die keuschen und reinen Engel betrübt, unser Leib, Seele und Gewissen aber abscheulich befleckt werden, wollen wir viel lieber mit vereinigten Bußseufzern Gott inbrünstig anflehen, daß er uns nach seinem gerechten und gestrengen Gerichte wohlverdientermaßen nicht strafen wolle. Will Sie dieses nicht mit mir zugleich tun, meine Freundin, so begebe Sie sich in ihre Kammer zurück und wende die schlaflosen Stunden allein zu dergleichen Betrachtungen und Bußübungen an, nebst dem festen Vorsatz, den barmherzigen und langmütigen Gott nimmermehr auf solche Art wieder zu beleidigen.«

Agatha wurde über diese Reden ungemein bestürzt und blieb als eine vom Donner gerührte Person ohne einzige Regung liegen. Elbenstein bemerkte, daß ihr eine Ohnmacht zustoßen wolle, denn soviel er bei dem brennenden Nachtlicht sehen konnte, waren nicht allein ihre schönen schwarzen Augen halbgebrochen, sondern auch alle Röte von ihren zarten Wangen und Lippen gewichen. Er stieg demnach in dem umhabenden Schlafrock aus dem Bett und langte ein mit flüchtigem Spiritus angefülltes Glas aus seiner Schatulle, hielt ihr dasselbe vor die Nase, wodurch die auf der Abreise begriffenen Lebensgeister wieder zum Rückmarsch bewegt wurden.

Wie er nun sah, daß sich ihre Augen wieder öffneten, auch die Röte auf ihren Lippen wieder zum Vorschein kam, drückte er einen Kuß, der aber nicht aus geilen, sondern keuschen und freundschaftlichen Regungen abstammte, auf ihren Mund und sagte:

»Werteste Freundin, ich versichere Ihr, bei allem dem, was heilig heißt, daß diese meine Änderung der Natur nicht etwa aus einem Ekel oder Überdruß gegen Ihre holdselige Person, sondern von einem höheren Trieb und Aufwachung meines Gewissens herrührt, in Betrachtung der schrecklichen Strafgerichte Gottes, so auf der gleichen Mißhandlungen zu folgen pflegen.«

Der Agatha liefen die Tränen stromweise aus den Augen, endlich richtete sie sich auf, umarmte Elbenstein aufs zärtlichste, benetzte auch seine Hände mit tausend Tränen. Dieser half ihr vollends in die Höhe, gab ihr noch einige keusche Küsse und ließ sie unter von allen beiden ausgestoßenen ängstlichen Seufzern stillschweigend von sich gehen.

Ob nun Agatha durch seine Reden und Aufführung wirklich in ihrem Gewissen gerührt worden, oder ob sie sich wegen fehlgeschlagener Hoffnung ihres Vergnügens dergestalt alteriert, solches kann man nicht sagen.

Elbenstein hergegen wurde das Herz, nachdem er diesen gefährlichen Kampf so glücklich und ritterlich überwunden, ganz leicht; wofür er Gott herzlich dankte und denselben bußfertig anflehte, ihn ferner vor allem Übel und schweren Sünden, absonderlich aber vor der reizenden Fleischeslust, gnädiglich zu bewahren. Weil er nun keinen Schlaf in seine Augen bekommen konnte, setzte er sich an den Tisch und brachte folgendes Bußlied zu Papier:

1.
      Mein Gott! Ein Sündenkind
Liegt hier vor deinem Throne.
Ach richte nicht geschwind!
Nein! Liebster Vater, schone!
Herr, geh nicht ins Gericht,
Vor dir besteh ich nicht.
2.
Ach! Meine Missetat
Macht dich mir ungewogen,
Der Irrweg, den ich trat,
Hat mich von dir gezogen,
Herr, geh nicht ins Gericht,
Vor dir besteh ich nicht.
3.
Die Wunden meiner Schuld
Sind voller Eiterflüsse,
Gott! Gib, daß deine Huld
Das Gnadenöl drein gieße,
Herr, geh nicht ins Gericht,
Vor dir besteh ich nicht.
4.
Ach Gott! Erhör mein Flehn,
Ach! Laß mich nicht verzagen,
Und gänzlich untergehn,
Erhöre doch mein Klagen.
Herr, geh nicht ins Gericht,
Vor dir besteh ich nicht.

Als er dieses Lied nach seiner selbst dazugemachten Melodie etliche Mal heimlich gesungen, legte er sich nach nochmals verrichtetem Abendgebet mit sehr beruhigtem Herzen wieder zu Bett, da ihm denn im ersten Schlummer der Spruch in die Gedanken fiel: »Ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen«, welchen er mit erfreutem Herzen zum öfteren wiederholte und endlich in einen süßen Schlaf verfiel, da ihm denn der Heiland der Welt im Traum erschien und die tröstlichen Worte zusprach:

»Sei getrost, mein Sohn! Deine Sünden sind Dir vergeben, sündige nur hinfort nicht mehr!«

Über diese tröstlichen Worte liefen die Freudentränen häufig aus seinen Augen, so daß, als er aufwachte, dieselben noch auf seinen Wangen und Hauptkissen zu finden waren. Demnach stand er höchst erfreut von seinem Lager auf, verrichtete sein Morgengebet, sang etliche Buß- und Danklieder, rief hernach seinen Diener, welcher ihn ankleiden mußte.

Unten im Haus, als er eben die Treppe heruntertrat, bot ihm Agatha mit betrübtem Gesicht, schamroten Wangen und niedergeschlagenen Augen einen guten Morgen. Er tat mit einem freund- und fröhlichen Gesicht desgleichen, wünschte ihr alles Vergnügen und fragte, ob der Hausherr noch nicht aufgestanden wäre? Indem sie nun zur Antwort gab, daß selbiger vor Mittag schwerlich erwachen würde, sah sie Elbenstein recht beweglich und seufzend an, wobei ihr die Tränen in den Augen standen.

Dieser küßte nunmehr aus reiner Freundschaftsliebe die holdseligen, benetzten Augen und zu Bezeugung seiner gegen sie hegenden aufrichtigen und tugendhaften Freundschaft schenkte er ihr einen sauberen Ring, sich seiner dabei zu erinnern. Agatha aber, von so vielen Gemütsregungen bestürmt, geriet endlich darüber in einen solchen Zustand, daß, als sie sich mit einem schmachtenden Kusse gegen Elbenstein bedanken wollte, ihr, deren Herz von so vielen Leidenschaften ganz beklemmt war, eine starke Ohnmacht zustieß, daß sie niedersank. Wie Elbenstein hierbei zu Mute geworden, ist leicht zu erachten, doch in dieser Angst besann er sich, daß in dergleichen Zufällen frisches Wasser oftmals gute Hilfe getan, weswegen er den im Hause stehenden Wassereimer ergriff und das erbleichte Angesicht seiner halbtoten Freundin etlichemal mit frischem Wasser benetzte, auch ihr zum Überfluß eine starke Dosis Schnupftabak in die Nase blies, welche beiden Mittel endlich so viel wirkten, daß sie etlichemal nieste und bald darauf wieder zu sich selber kam.

Er führte sie nach diesem in die nächste Kammer, wo er sie auf ein Feldbettchen niederlegte, sich aber, weil er bemerkte, daß es keine Gefahr mehr hatte, alsobald zurückbegab, weil das über die Agatha erregte Mitleid eine neue Liebe gebären und die allmählich aufsteigenden hitzigen Regungen unter dem Schein einer erbarmenden Freundschaft ihn auf die vorigen Wollüste und sündlichen Ausschweifungen verführen wollten. Danach spazierte er nach dem Pferdestall zu, woselbst er mit Verdruß wahrnahm, daß der Diener mit Putzen und Abfütterung der Pferde etwas zu nachlässig gewesen, weswegen er ihm eine Reprimande gab und wieder zurück auf seine Stube zu gehen gesonnen war.

Da ihm aber die schwache Agatha wieder in den Sinn kam und er besorgte, es möchte dieselbe etwa mit einer nochmaligen Ohnmacht sein befallen worden, so schlich er sich ganz sacht vor ihre Kammertür, guckte durch das Schlüsselloch und bemerkte, daß sie auf dem Bette saß und den von ihm geschenktbekommenen Ring vielfältig küßte, deswegen fand er sich vollkommen beruhigt, begab sich in aller Stille auf seine Stube, verweilte daselbst noch eine Zeitlang, bis endlich der Diener meldete, daß die Pferde parat stünden. Er befahl, dieselben hervorzuführen; indem er aber hinunterging, kam Agatha nochmals, wiewohl sehr blaß, aus ihrer Kammer und fragte ihn mit ängstlichen Gebärden: wo er denn so früh hin, und ob er etwa gar nicht wiederkommen wollte? Da er ihr aber zu vernehmen gab, wie er nebst anderen Kavalieren ihrer gnädigsten Herrschaft auf den halben Weg entgegenreiten und ihrer Ankunft daselbst erwarten wollte, gab sie sich zufrieden und sagte, daß sie nunmehr zu ihrem Mann gehen und denselben durch ein gewisses Mittel aus dem Schlafe ermuntern wolle. Unter diesen Reden brachte der Diener die Pferde; danach machte Elbenstein der traurigen Agatha noch ein Kompliment, setzte sich alsofort auf und begab sich auf das Schloß, von da die sämtlichen Kavaliere nach eingenommenem Frühstück ihre Kavalkade verrichteten.

Es ging der Weg eben durch die Gasse, in welcher Elbensteins Wirt wohnte. Dieser war mittlerweile durch die vielleicht schon öfters an ihm probierte Kunst aufgewacht und stand völlig angekleidet vor seiner Haustüre. Elbenstein machte ihm ein Kompliment, bog, als der Wirt heraus auf die Straße trat, aus der Reihe heraus und hielt etwas still, um anzuhören, was des Herrn Wirts Verlangen wäre. Dieser nun bat ihn ganz gehorsamst um Verzeihung, daß er ihm gestern, der Gebühr nach, nicht aufgewartet und excusierte sich mit einem kleinen Rausch, den er über alles Vermuten durch etliche jählinge Trünke, welche er auf die Hitze getan, sich nebst seinem Kameraden zugezogen hätte. Elbenstein versetzte darauf in aller Kürze, daß er keiner Entschuldigung bedürfe, wünschte anbei, daß die Jagdlust glücklich abgelaufen sei und der gestrige Trunk ihm wohl bekommen möchte, worauf er seinen Kompagnons im kurzen Galopp nachfolgte.

Als sie nun unter allerhand guten Gesprächen auf dem berühmten Lustschlößchen anlangten, trafen sie daselbst des Marchese Obizzo Leibpagen an, welcher vorausgeschickt war, für die gnädigste Herrschaft eine Collation zu bestellen, dannenhero sie sich bis zu derselben Ankunft in ein Gemach begaben und mit Kugelpalestern nach den dem Lusthause gegenüber auf einem Berge in großer Menge herumlaufenden wilden Kaninchen schossen, wofür dem Schloßverwalter, der die Palesters und Kugeln herbeigeschafft, eine Diskretion von etlichen Ducati di Venetia nebst den erschossenen Kaninchen zugestellt ward, welcher sie überdem mit delikatem Wein und anderen Erfrischungen traktierte.

Indem sie nun noch in vollkommener Lust begriffen waren, kamen die fürstlichen Personen an und bezeigten ein besonderes Vergnügen, daß ihnen die Kavaliere entgegengekommen waren; und weil, wie schon gedacht, die beiden Fürsten der deutschen Lebensart wohlgewohnt waren, so wurde bei der Tafel ziemlich stark getrunken, so daß die Herrschaften nebst den Kavalieren ziemlich berauscht waren, bis auf Elbenstein, welcher nicht allein von Natur viel vertragen konnte, sondern sich auch sonst sehr in Acht genommen hatte. Endlich, da sich der Tag zu neigen begann, geschah der Aufbruch, da denn, als man in Bataglia anlangte, nachts, um neun Uhr hiesigen Zeigers, nochmals Tafel gehalten und die Zeit bis nach Mitternacht unter allerhand Musik und anderen Lustbarkeiten zugebracht wurde.

Wie nun der Aufbruch geschah, ersuchte Elbenstein den Baron von K. um Erlaubnis, mit ihm in seinen Gasthof zu fahren und daselbst den Rest der Nacht zuzubringen, unter dem Vorwand, daß er seinen Wirt für diesmal so spät nicht inkommodieren wollte. Der Baron machte sich, seiner gewöhnlichen Complaisance nach, ein besonderes Vergnügen daraus, mit der Versicherung, daß in seinem ordentlichen Logis ohnedem jederzeit zwei gemachte Betten in seinem Zimmer parat stünden.

Auf solche Art vermied Elbenstein, dem seine Bekehrung damals ein rechter Ernst war, die Gelegenheit, abermals mit der Agatha fleischliche Sünden zu begehen, und obgleich der Baron von K. als ein alter Kavalier, der den Trunk nicht so wohl als Elbenstein vertragen konnte, sich alsobald zur Ruhe legte und in einen tiefen Schlaf verfiel, so blieb doch Elbenstein noch eine gute Weile auf und verrichtete sein andächtiges Gebet. Beiderseits Bedienten hatten sich auch bereits retiriert, deswegen zündete Elbenstein nur das Nachtlicht an und begab sich darauf gleichfalls zur Ruhe. Kaum aber war er ein wenig eingeschlummert, da sich vor dem Zimmer ein starkes Gepolter erregte, welches immer näher und zuletzt gar in die Stube kam, auch mit einem gräßlichen Brausen zum öftern an der Schlafkammertür geklinkt wurde und es das Ansehen hatte, als ob selbige mit Gewalt eröffnet werden sollte. Elbenstein sprang demnach in seiner Schlafkleidung aus dem Bett, griff nach seinem Degen und Pistolen, bemühte sich auch, den Baron aufzuwecken, dieser aber hörte und fühlte nichts, schnarchte hergegen immer schärfer und war allen Rüttelns und Schüttelns ungeachtet durchaus nicht zu erwecken. Mittlerzeit wurde dergestalt stark an der Tür gearbeitet, daß dieselbe zum öfteren einen Platz und Knall von sich gab, weswegen Elbenstein rief:

»Wer da? Antwort! Oder ich gebe Feuer.«

Hierauf ließ sich eine gräßliche Stimme hören, die soviel zu vernehmen gab:

»Auf, auf! Mit, mit!« und nach diesem fing es an zu meckern als ein Bock.

Elbenstein standen bei sogestalten Sachen die Haare zu Berge, er begann fast zu merken, daß dieses nichts Natürliches, sondern vielmehr ein Gaukelspiel des Teufels sei, hielt deswegen nicht für ratsam, ein paar Kugeln durch die Tür zu jagen, sondern hielt sich ganz still. Da aber das gräßliche Lärmen und Toben an der Tür von neuem anging, rief er:

»Herr Jesu! Steh uns bei und nimm uns in deinen Schutz.«

Kaum waren diese Worte ausgesprochen, als es vor der Tür einen erschrecklichen Fall tat, so daß das ganze Haus davon erschütterte, und endlich war es vor Elbensteins Ohren, als wenn unter einem erschrecklichen Brausen eine große Last von der Tür hinweg und die Treppe hinunter geschleppt würde. Da nun alles still war, legte er sich wieder aufs Bett, es wollte aber kein Schlaf in seine Augen kommen, hergegen schlief der Baron desto stärker; da er nun endlich morgens erwacht war, erzählte ihm Elbenstein, welcher nach Tagesanbruch kaum ein paar Stündchen die Augen zugehabt hatte, die ganze Begebenheit und verwunderte sich höchlich dabei, daß der Herr Baron einen so grausam festen Schlaf hätte. Dieser beteuerte hoch, daß er gar nicht wisse, wie es mit seinem Schlafe zugegangen, indem er sonst wohl nocheinmal soviel getrunken hätte und sich dennoch durch ein geringes Anrühren sogleich ermuntern lassen.

»Allein, mein wertester Herr Landsmann!« sagte der Baron weiter, »die Sache muß eine ganz andere Bewandtnis haben. Ich kann versichern, daß ich seit vielen Jahren her, so oft ich allhier Verrichtungen gehabt, nirgends anders als in diesem Hause logiert habe, ist mir aber nicht das Allergeringste weder vor Augen noch Ohren gekommen! Meine Gedanken sind diese: Es muß etwa eine Person sein, die auf Sie eine unbändige Liebe geworfen und, um ihre verliebte Sehnsucht zu stillen, sie auf dem Bocke hat wollen abholen lassen. Sie müssen aber einen starken Schutzengel haben, der Sie von dieser verteufelten und höchst gefährlichen Postreiterei befreit hat.

Ich erinnere mich«, redete der Baron weiter, »daß, da ich in meinen Jünglingsjahren in Trient studierte, sich mit einem schwedischen Edelmann fast ebendergleichen begeben. Dieser hatte durch seine artige Aufführung sich bei einer schönen Nonne dergestalt in Kredit, ja was sag ich, in ihr Herz gesetzt, daß sie sich eingebildet, sie müsse des Todes sein, wenn sie seiner Gegenliebe nicht vollkommen teilhaftig würde, denn mit den verliebten Briefen, Worten und verstohlenen Küssen, die sie öfters im Parlatorio von ihm empfing, konnte sie unmöglich zufrieden sein, deswegen sann sie auf Mittel und Wege, wie sie ihren Galan in ihrer Zelle vertraulicher embrassieren könnte. Dieses ihr verliebtes Anliegen vertraute sie des Klosterpförtners Eheweib, welche eine vortreffliche alte Hexe und Erzruffiana oder Kupplerin war, wie denn dieselbe das geheime Liebesverständnis zwischen der schönen Nonne und dem schwedischen Edelmann bereits vollkommen innehatte. Was geschah? Die Pförtnerin war von der Gewinnsucht und der Begierde angereizt, ihre Wohltäterin, von welcher, als einer sehr reichen Dame, sie nebst ihrem Mann und Kindern ungemeine Guttaten genoß, nach äußerstem Vermögen zu dienen, verfügte sich demnach zu einem gewissen weltlichen Priester, mit dem sie in ihrer Jugend in starker Vertraulichkeit gelebt haben mochte, dabei aber wußte, daß er in der schwarzen Kunst ungemein erfahren war, indem sie viele Exempel davon gesehen.

Diesen Priester ersuchte die Alte, ihr mit gutem Rat beizustehen, und derselbe, weil er ziemlichermaßen in Armut geraten, gedachte einen guten Profit zu erwerben, versprach ihr seine Hilfe, die Sache so einzurichten, daß der ehrliche Schwede auf einem gehörnten Postpferd zu der verliebten Nonne solle geführt werden.

Es gelang aber dennoch für diesmal dem hochgelehrten Herrn seine erlernte Kunst nicht, sondern lief fruchtlos ab, denn dieser brave und nach seiner Religion sehr christliche Edelmann, als er sich abends bis zehn Uhr nach allerhand mit mir und dem Hauswirt gehabten geistlichen und erbaulichen Diskursen kaum zu Bett gelegt, bekommt plötzlich eine außerordentliche Bangigkeit und Herzensangst, so daß er wieder aufstehen muß, jedoch sein Gebet- und Gesangbuch zur Hand nimmt und seine Andacht nochmals mit Singen und Beten verrichtet. Weil er aber dennoch vor Angst nicht zu bleiben weiß, will er im Schlafrock zu mir, der ich am nächsten an seiner Stube wohnte, gehen und mir seinen plötzlichen und wunderbaren Zufall klagen. Er hat aber in diesen Gedanken kaum das Licht in die Hand genommen, als es wider den vor seinem Zimmer nach dem Garten zu angebauten Balkon als ein Sturmwind dergestalt heftig stößt, daß die inwendig wohlverriegelte Tür mitten voneinander springt, da er denn auf dem Altan erst einen schwarzen Bock mit feurigen Augen erblickt; sobald er aber etlichemal den Namen Jesus ausruft, verwandelt sich dieses Ungeheuer in einen Feuerklumpen, als eine Tonne groß. Er springt deswegen unter stetigen Rufen: Jesu Christe! Hilf mir zurück, heraus auf die Galerie und kam in meine Kammer, wo er mir alles, was ihm begegnet war, mit Zittern und Beben erzählte und, nachdem wegen des gewaltigen Getöses der Wirt und die Wirtin herzugelaufen kamen, die ganze Historie nochmals wiederholte. Die Wirtin, welche eine geborene Italienerin war, fing darauf sogleich also zu reden an: ›Cossi Padron Illustrissimo! Eh! VSMma ha qualche ragiri amorose, con una religiosa, cospetto! quest è la seconda volta ch'un tale è accaduto en questa casa‹. Deutsch: So! ›Wohlgeborener Herr! Ei! Euer Wohlgeboren haben gewiß einen verliebten Umgang mit einer Nonne. Wahrlich, das ist nun das zweite Mal, daß sich dergleichen in unserem Hause zugetragen hat.‹

Hierüber entsetzte sich der schwedische Edelmann dergestalt, daß er über acht Tage lang das Bett hüten und alle Nächte bei sich wachen lassen mußte. Als er nun meistens wieder vollkommen genesen, machte er sich auf Einraten des Medici, Hauswirts, Hauswirtin und anderer guter Freunde unvermutet auf die Reise, ohne von der verliebten Nonne einigen Abschied zu nehmen. Demnach«, setzte der Baron hinzu, »glaube der Herr von Elbenstein nur sicherlich, daß er von einer Person heftig geliebt wird, die ihn auf keine andere Art als diese bei sich zu sehen hoffen darf.«

Der gute Elbenstein wurde über diese und seine eigene Aventure dergestalt konsterniert, daß ihm fast in die Gedanken kam, das gefährliche Italien gänzlich zu quittieren, weil es ihm aber an sattsamen Barschaften fehlte, resolvierte er sich, nachdem sich der Fürst bereits einige Tage in seiner Residenz befunden, wo damals alles ganz still zuging, Urlaub zu bitten, um wegen eines vermuteten Wechsels und anderer seinen Bruder betreffenden Angelegenheiten eine Reise nach Venedig zu tun. Der Fürst gab ihm nicht allein Urlaub, sondern sagte noch dazu, wie er auf seine, des Fürsten Kosten, die Reise tun und ihm daselbst ein außenstehendes Kapital von zwanzigtausend Dukaten einkassieren und mitbringen sollte.

Elbenstein erstaunte über diese Kommission, und weil ihm sein Herz ein bevorstehendes Unglück prophezeite, sprach er zu dem Fürsten:

»Eure Durchlaucht machen mich ganz verwirrt, da Sie einem ausländischen deutschen Edelmann ein so starkes Kapital allein anvertrauen wollen.«

»Wenn ich nicht wüßte«, gab der Fürst darauf zur Antwort, »daß die Deutschen redliche Herzen hätten, würde ich Ihn nicht in meine Dienste genommen haben, und wenn ich auch um zwanzigtausend Dukaten käme, würden mich diese in geringen Schaden, Ihn aber um seine Ehre bringen.«

Dieserwegen küßte Elbenstein dem Fürsten die Hand, dieser aber ging nach seiner Schatulle, gab ihm die schriftliche Versicherung nebst einer Charte Bianche zur Vollmacht und fünfzig Dukaten Reisegeld. Elbenstein ließ seine Equipage aufs sauberste zurechtmachen und begab sich des dritten Tages auf die Reise, war aber dennoch nicht recht vergnügt, weil ihm sein Konzept einigermaßen verrückt worden.


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