Johann Gottfried Schnabel
Der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Kavalier
Johann Gottfried Schnabel

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Er sah im Traume eine verhüllte Person, welche einen schwarzen Pergamentbogen aus dem Busen zog, denselben aufrollte und ihm entgegenhielt; auf diesem Bogen erblickte Elbenstein den mit goldenen Buchstaben geschriebenen Spruch: »Die Güte des Herrn ists, daß wir nicht gar aus sind . . .«

Unterdessen ließ die Person ihre Verhüllung fallen, und Elbenstein erkannte dieselbe für seinen Freund, den Herrn von Thalberg; indem er aber aufspringen und denselben umarmen wollte, befand er, daß es ein Traum gewesen. Jedoch als er der Sache weiter nachdachte, bemerkte er, daß dieses kein schlechter Traum, sondern ein himmlischer Trost wäre, weil Gott sowohl ihn als seinen Freund aus diesen beiderseitigen Unglücksfällen nochmals aus Gnade und Barmherzigkeit erretten wolle.

Binnen der Zeit war alles zur Mittagsmahlzeit veranstaltet worden, und da die Stummen gehört, daß er sich geregt, kam einer von ihnen und gab mit Zeichen zu verstehen, ob ihm zu speisen beliebte? Er sagte ja, und weil er sich im Herzen sehr beruhigt befand, setzte er sich so allein zu Tische, da denn die allerdelikatesten Speisen und Weine durch eine oben im Gewölbe gemachte Öffnung vermittels einer Maschine heruntergelassen wurden, welche ihm die Stummen vorsetzten. Es waren in Wahrheit recht fürstliche Traktamente, und Elbenstein speiste mit so gutem Appetit, als ob er in seiner völligen Freiheit gewesen wäre, probierte dabei auch die vortrefflichen Weine von allerhand Sorten. Dennoch kam ihm hierbei immer noch die Frage in die Gedanken:

»Sollte denn dieses auch wohl etwa deine Henkersmahlzeit sein?«

Nach der Mahlzeit fragte er den einen Stummen, ob er ihm nicht zum Zeitvertreib ein Buch und dann noch Feder, Tinte und Papier verschaffen könnte? Der Kerl marschierte wie der Blitz zur Tür hinaus, selbiges zu holen, weil ihm aber die Tür aus der Hand entfiel, daß sie zu weit aufgesperrt ward, bemerkte Elbenstein, daß zwei Kerls mit bloßen Schwertern außerhalb der Tür die Wacht hielten.

»Du bist doch«, gedachte er bei sich selbst, »ein rechter vollkommener Staatsgefangener um einer F . . . willen«, ließ sich aber gar nichts merken, sondern spazierte immer in dem Gewölbe herum und verwunderte sich über nichts mehr, als daß es so warm darin, ungeachtet nicht mehr als ein einziges Kaminfeuer zu sehen war.

Bald hernach kam der Stumme wieder zurück und brachte nicht allein Tinte, Federn und Papier, sondern auch einen großen Folianten unter dem Arm getragen. Elbenstein war begierig, des Buches Titel zu sehen und fand, daß es der Amadis aus Frankreich, und zwar in deutscher Sprache geschrieben, war. Von diesem Buche und von Amadis-Rittern hatte er in seinem Vaterland viel reden hören, aber niemals so glücklich werden können, dieses Buches habhaft zu werden. Er erfreute sich demnach recht sehr darüber, daß er einen solchen guten Zeitvertreib bekommen, ungeachtet er zwar wußte, daß es eine sogenannte alte Lesecke, so war ihm doch auch gesagt worden, daß viele Spiegel für Junge von Adel darin anzutreffen wären. Demnach machte er sich sogleich darüber und las darin, bis ihm die Abendmahlzeit wieder aufgetragen wurde. Er expedierte sich bei derselben kurz und machte sich wieder an sein großes Buch, hätte vielleicht auch die ganze Nacht hindurch darin gelesen, wenn nicht ungefähr um elf Uhr deutschen Zeigers der Alte nochmals gekommen wäre und ihn gestört hätte.

Dessen Anbringen bestand in folgenden Worten:

»Mein Herr! Ich habe Ihre Aussage an gehörigen Ort schriftlich überschickt und per Staffette dieses zur Antwort zurückerhalten, welches Sie selbst lesen können.«

Lieber Getreuer! Euer Verhalten hat uns wohlgefallen, allein, der Herr will mit der Sprache nicht heraus, denn die Hauptpunkte hat er alle falsch und unrichtig beantwortet. Schwört ihm einen körperlichen Eid in Unsere Seele und anstatt Unserer, denn Wir halten Euch und ihm Unser hohes Wort, daß, wofern er aufrichtig bekennt, er alle Gnade und seine vollkommene Freiheit von Uns erhalten soll. Wo nicht und er auf seiner Verstockung beharrt, so werden Wir sein Beginnen aufs schärfste zu rächen wissen, ungeachtet Wir sonst eben zur Grausamkeit nicht geneigt sind. Beilage wird Euch zeigen, wie Ihr ihn befindenden Falles zu traktieren habt, und Wir erwarten täglichen Rapport von Euch. Hiernach habt ihr Euch zu achten und Unserer beständigen Huld gewärtig zu sein . . .«

Das übrige, sonderlich den unterschriebenen Namen, ließ der alte Erzvogel nicht sehen, sondern er fragte nur, ob sich der Herr von Elbenstein resolvieren wollte, die Wahrheit besser zu beichten; Dieser sagte:

»Was ich ausgeredet habe, ist die Wahrheit, ich werde auch dabei verharren, es mag mir heute oder morgen mein Leben kosten oder nicht; werde ich gewaltsamerweise um mein Leben gebracht, so wird der Himmel mein Rächer sein, weil ich aller menschlichen Hilfe beraubt bin. Ich bitte mir von meinem hochgeehrten Herrn nichts weiter aus als eine Bibel, sie mag in lateinischer, italienischer, französischer oder deutscher Sprache geschrieben sein. Hergegen können Sie die kostbaren Traktamente ersparen, denn ich will gern mit Wasser, Salz und Brot bis an mein Ende vorliebnehmen, weil ich wohl merke, daß dasselbe sehr nahe ist, ungeachtet ich es nicht verschuldet, daß man also mit mir verfährt. Wer weiß, wer mich blamiert und in dieses Unglück gestürzt hat; ich wollte lieber noch diese Nacht sterben, als länger in solchem Kummer schweben. Ich bitte aber nur noch dieses einzige, meinem Fürsten nach meinem Tode per tertium einige Nachricht von meinem unglückseligen Ende zu geben, damit nur meine Ehre samt dem Körper nicht massakriert wird; denn da mein Fürst denken könnte, ich wäre zum Schelm geworden, wäre ich ein Schandfleck meiner Familie. Was aber wäre das nicht für eine barbarische, ja mehr als bestialische Aktion, einen Kavalier nicht allein unschuldigerweise ums Leben, sondern sogar auch um die Ehre zu bringen?«

»Mein Herr!« sagte der Alte, »ich kann Sie wohl anhören, allein Sie verzeihen mir, daß ich nach meiner Ordre leben muß. Mit einer Bibel will ich Ihnen dienen, und weil ich glaube, daß Ihnen mit einer deutschen am besten gedient sein möchte, so will ich Ihnen die Wittenbergische, welche Ihr Doktor Luther übersetzt hat, gleich morgen früh überschicken. Allein das sage ich, eine Stunde hernach komme ich selbst und erwarte auf die heutigen Fragen richtigere Antwort; wo nicht, so sehe ich mich gezwungen, meiner Ordre gemäß mit Ihnen zu verfahren, deswegen sage ich noch einmal, besinnen Sie sich eines Besseren und befürchten sich keiner Gefahr, weil es mir selbst Leid sein sollte, an einem so artigen und wohlgebildeten Kavalier Schärfe zu gebrauchen.«

»Mein Herr!« sprach Elbenstein mit funkelnden Augen, »was ich einmal ausgesagt habe, dabei bleibe ich bis an meinen Tod, und das ist der Bescheid, andere Reden wird Er niemals von mir hören und wenn Er mich in Öl braten ließe. Sage Er seiner Herrschaft, ich glaubte, daß sie etwas von mir torquieren wollten, wovon ich nichts wüßte, vielleicht dürstete ihnen nach deutschem Blut, das meine ist parat, ihren Durst zu stillen, aber der Himmel wird es von ihnen wiederfordern.«

Der alte Kerl, welcher vielleicht ein schlechtes Gedächtnis haben mochte, schrieb fast alle Worte auf, die Elbenstein redete. Er gab sich die Mühe, ihn durch allerhand Überredung noch zu gewinnen, allein da Elbenstein unbeweglich und immer auf einerlei Rede blieb, nahm er endlich mit einer sehr verdrießlichen Miene Abschied von ihm und ging seiner Wege.

Elbenstein legte sich unter allerhand bekümmerten Gedanken ins Bett, verrichtete sein Gebet und schlief endlich ein, verharrte auch in seiner unruhigen Ruhe bis zum Aufgang der Sonne, da er denn nach verrichtetem Morgengebet sich wieder über sein Buch machte und etliche Tassen Tee dabei trank. Allein, er hatte kaum eine Stunde gesessen, als der alte Sadrian schon wieder kam und ohne besondere Komplimente fragte: »Nun, mein Herr, haben Sie sich diese Nacht hindurch eines anderen besonnen? Soll ich Ihnen die Fragen noch einmal vorlesen, und wollen Sie nunmehr aufrichtiger bekennen?«

Elbenstein antwortete: »Mein Herr gebe sich doch ferner keine Mühe, denn ich habe ja schon ein für allemal gesagt, daß ich mit Grund der Wahrheit nichts anderes aussagen kann.«

»Nun!« versetzte der Alte, »so haben Sie es sich selbst zuzuschreiben, daß ich, meiner Ordre zufolge, Sie schärfer angreifen muß, der Himmel ist mein Zeuge, daß ich keinen Gefallen daran habe.«

»Der Himmel«, ließ sich Elbenstein vernehmen, »hat mich in die Hände unbarmherziger und ungerechter Menschen verfallen lassen, darum muß ich mein Schicksal, es komme wie es wolle, mit Geduld ertragen.«

Anstatt weiter zu reden, zog der Alte sein elfenbeinernes Pfeifchen hervor und pfiff dreimal darauf, da denn augenblicklich die zwei Stummen mit einer abscheulichen großen eisernen Kette hereingetreten kamen, ihm dieselbe zweimal um den Hals schlangen, auch Arme und Beine kreuzweise schlossen, daß er kaum eine Hand um die andere zum Munde bringen konnte. Er litt alles mit größter Geduld, machte auch keine scheele Miene, da man das Silbergeschirr, Betten und andere Bequemlichkeiten aus dem Zimmer schaffte, hergegen ein paar Bund Stroh in einen Winkel warf, anstatt des vorigen mit Samt beschlagenen Sessels ihm einen großen Klotz hinsetzte, in Summa, alle kostbaren Möbel wegschaffte. Sein einziger Trost war nur, daß man ihm die Bibel und das Historienbuch liegenließ. Er setzte sich ganz großmütig auf den Klotz. Der Alte aber sagte:

»Sehen Sie, mein Herr, bis dahin haben Sie es mit Ihrer Halsstarrigkeit mutwilligerweise gebracht, und wenn Sie sich nicht noch in Zeiten zum Ziele legen, wird alles noch tausendmal schlimmer werden.«

»Es mag werden wie es will«, sagte Elbenstein, »wenn auch meine ungerechten Feinde so gar sehr durstig sind nach meinem unschuldigen Blut, mögen sie ja immer noch heute Anstalt machen, mir solches abzuzapfen.«

Der Alte antwortete hierauf nichts, sondern ging stillschweigend wieder fort, Elbenstein aber stand mit seiner schweren Last auf und langte die Bibel. Im Aufschlagen fiel ihm zuallererst der 38. Psalm in die Augen, welchen er mit heißen Tränen und bußfertigem Herzen in größter Bedachtsamkeit las, hernach noch mehrere Bußpsalmen aufschlug und die Zeit mit Lesung im Psalter so lange zubrachte, bis ihm die Stummen einen Topf mit Wasser, ein halbverschimmeltes Brot und eine hölzerne Schale mit Salz zur Mittagsmahlzeit darbrachten.

Elbenstein dankte ihnen mit einer gelassenen, mehr freundlichen als betrübten Miene für ihre Mühe, griff noch begieriger nach dem elenden, verschimmelten Brot als gestern nach den delikaten Gerichten; weil man ihm auch kein Messer dazugebracht, brach er mit größter Mühe ein Stück ab und aß es dem Schein nach mit dem stärksten Appetit, machte auch keine saure Miene dazu, worüber der eine Stumme bitterlich zu weinen anfing, welches Elbenstein selbst jammerte; allein, er ließ sich nichts merken, sondern aß über alle Macht, soviel er nur hinterbringen konnte, trank etlichemal dazu aus dem Topf, und endlich, da er merkte, daß er wenigstens auf vierundzwanzig Stunden genug hatte, sein Leben natürlicherweise zu erhalten, machte er den Stummen zur Dankbarkeit noch ein Kompliment mit dem Kopf und nahm das Historienbuch vor sich, denn als einem jungen Kavalier war ihm dennoch unmöglich, beständig zu beten, ob er sich gleich eher auf einen gewaltsamen Tod als auf ein längeres Leben Rechnung machen konnte. Abends brachten ihm, da er sich noch lange nicht müdegelesen, ungeachtet das Buch nicht aus seinen Händen kommen war, die Stummen eben diejenigen Traktamente wieder, welche er Mittags gehabt hatte; er nahm etwas weniges davon, um nur zu zeigen, daß er sie nicht verschmähte, trank auch einmal aus dem Topf, welchen er neben sich stehen ließ, und las wieder in dem Historienbuch fort, wurde aber abends um zehn Uhr von dem Alten wieder gestört, welcher kam und die oft getanen Fragen repetierte: Ob er nämlich noch nicht aufrichtigere und wahrhaftere Antwort geben wollte; Elbenstein sagte:

»Was ich dem Herrn einmal geantwortet, dabei hat es sein Bewenden; ich werde niemals anders reden.«

»Sie haben«, sagte der Alte noch, »auch diese Nacht sich zu besinnen, sonsten wird morgen ein Mehreres und Verdrießlicheres passieren.«

Elbenstein sagte weiter nichts als:

»Es komme, wie es wolle, ich bin in Eurer Gewalt.«

Mit dieser Resolution marschierte der Alte abermals ab. Elbenstein las noch eine gute Stunde in der Bibel, wonach er sich auf das Stroh niederlegte und mit einer pferdehärenen Decke, die ihm der barmherzige Stumme vielleicht ohne Ordre, sondern nur aus gutem Gemüt brachte, zudeckte. Frühmorgens, da er aufstand, war weder Tee, Kaffee noch Schokolade zubereitet, hingegen lag verschimmelter Zwieback auf dem Tisch und stand ein Topf mit frischem Wasser dabei. Er wusch sich und tat zugleich einen guten Trunk Wasser, setzte sich wieder auf den Klotz und las in der Bibel, bis etwa zwei Stunden nach der Sonne Aufgang der Alte kam und fragte, ob er sich besonnen?

»Ich habe mich«, gab Elbenstein, »auf nichts zu besinnen, als wie ich mich als ein rechtschaffener Christ in mein Verhängnis finden könne; sonst aber bleibt alles bei meinen vorigen Reden.« Demnach befahl der Alte Elbenstein, daß er mit ihm gehen, den Stummen aber, daß sie ihm folgen sollen. Einer sowohl als der andere leistete Parition, demnach führte ihn der Alte zur Tür hinaus, wo Elbenstein bemerkte, daß eine hohe schmale Treppe zwischen den Mauern hinauf in das Obergebäude ging. Allein, er wurde nicht da hinauf, sondern eine andere Treppe von achtzehn Stufen hinunter in ein finsteres Gewölbe geführt, wo nur eine einzige Öllampe brannte. Es war in einem Winkel eine Bucht gemacht, worin etwas Stroh und eine härene Decke lag, und bei derselben lagen auf einem Brett zwei verschimmelte Brote, auch stand ein Eimer voll Wasser dabei nebst einem kleinen Töpfchen, womit man herausschöpfen konnte. Der Alte sagte weiter nichts als dieses:

»Hinfort wird dieses Euer Logis sein.«

»Ich danke«, sagte Elbenstein, »der Himmel gebe, daß heute oder morgen aus diesem Lager mein Sterbebett wird und daß die Gespenster so lange in dieser Behausung herumschwärmen müssen, bis es an das Tageslicht gekommen, wie barbarisch man mit mir Unschuldigem verfahren hat.«

Der Alte gab keine Antwort hierauf, sondern ging mit den Stummen fort, schloß die mit verschiedenen Schlössern besetzte eiserne Tür hinter sich zu und überließ Elbenstein seinem eigenen verwirrten Gedankenspiel. Was nun dieser für Gedanken gehabt haben mag, läßt sich vorgemeldeten Umständen nach leichter erraten als beschreiben. Es würde auch viel zu weitläufig fallen, dergleichen ausführlich zu melden. Kurz, er lag fast die meiste Zeit in seiner Strohbucht, bis ihn Hunger und Durst plagten, da er denn zuweilen aufstand, ein Stück verschimmeltes Brot abbrach, ein Töpfchen voll Wasser austrank, ein wenig auf und ab spazierte und sich endlich wieder ins Stroh einscharrte.

Das einzige Vergnügen, welches er hatte, war dieses, daß er durch drei in Stein gehauene, etwa drei Querfinger breite Ritzen unterscheiden konnte, ob es Tag oder Nacht wäre. Also brachte er an diesem Orte drei Tage und drei Nächte zu, da ihm denn nichts beschwerlicher fiel als die zweimal um den Hals herumgeschlagene Kette. Vierten Tages, etwa um neun Uhr vormittags, kam der Alte wieder, um zu sehn, ob er noch lebte, und zu fragen, ob er nunmehr besser herausbeichten wolle; Ob nun schon Elbenstein ihm kein gutes Wort gab, sondern teuer schwur, daß er niemals anders reden würde, so befahl ihm doch der Alte von selbst, daß er aufstehen und ihm folgen solle. Er brachte ihn demnach wieder in sein altes Logis, ließ ihm erst Tee und Persico geben, mittags aber eine kavaliersmäßige Mahlzeit auftragen, auch ein paar Bouteillen Wein, doch eben nicht vom Besten, bringen. Elbenstein war nur froh, daß er das Tageslicht wiedersah, ließ sich auch Speise und Trank nicht übel schmecken, was ihn aber am meisten erfreute, war dieses, daß er die Bibel und das Historienbuch noch auf dem Tisch liegend fand.

Weil er nun Ursache hatte, Gott zu danken, daß er ihn für diesesmal aus dem finsteren Kerker erlöst, so schlug er erst etliche Dank- und Trostpsalmen auf, welche er mit großer Andacht betete, hernach aber sein Historienbuch wieder vor sich nahm und darin so lange las, bis ihm die Abendmahlzeit aufgetragen wurde, die sehr gut und fast noch besser als die Mittagsmahlzeit war. Sobald er dieselbe eingenommen, nahm er wieder sein Buch vor sich, befürchtete zwar immer, daß der Alte wiederkommen und ihn mit weiteren Fragen quälen würde, allein es kam derselbe diesen Abend nicht, weswegen Elbenstein bis nach Mitternacht ungestört fortlesen konnte, nachher aber seine Ruhe auf dem Stroh suchte.

Frühmorgens, sobald er aufgestanden, bereiteten ihm die Stummen den Tee, setzten ihm hernach eine kleine Bouteille mit Persico und ein Trinkglas vor. Er genoß nach Appetit von beiden, las hernach den Vormittag in der Bibel, nach der Mahlzeit aber, die so gut als vorigen Tages war, im Historienbuch, bis abends zehn Uhr, da der Alte wiederkam und ihm vermeldete, was er neue Ordre bekommen, dafern der Herr von Elbenstein nicht in Güte die Wahrheit bekennen wollte, ihn noch schärfer als bisher anzugreifen.

»Ich habe mich ja«, sagte Elbenstein, »bisher deutlich und oft genug erklärt, daß ich keine andere Wahrheit ausreden kann, als die ich ausgeredet habe, deswegen mögen die Barbaren doch nur meiner Qual ein Ende machen und mich meines Lebens berauben, damit ich nur meiner Marter loskomme, haben sie aber ihr Vergnügen daran, mich Unschuldigen zu torquieren, vielleicht aus den Ursachen, daß ich ein Lutheraner bin? Wohlan! Sie mögen es auch tun, endlich, ja endlich wird doch der Himmel ein Ende daraus machen und meine Unschuld rächen.«

»Dieses alles geht mich nichts an«, sagte der alte, verzweifelte Inquisitor, »sondern ich erkenne mich schuldig, den Befehlen meiner Herrschaft ein Genüge zu leisten und die Verantwortung derselben ihnen zu überlassen; wenn demnach mein Herr auf Ihrem Eigensinn beharren, so nehmen Sie mir nicht übel, daß ich meiner Instruktion gemäß Ihnen werde gewaltige Schmerzen an Ihren Gliedmaßen verursachen müssen.«

»Ist's denn nicht genug«, fragte Elbenstein, »daß ich mein Leben darbiete? Was will man mich denn als einen unschuldigen Kavalier um einer unerwiesenen Sache auf die Tortur bringen? Jedoch es ergehe mir, wie der Himmel will, weiter und anderes werde ich nimmermehr aussagen, als ich ausgesagt habe.«

Hierauf langte der Alte, welcher einem Halbmeister ähnlicher sah als einem Krammetsvogel, seine Pfeife heraus, pfiff dreimal, da denn die Stummen sogleich eine Kohlenpfanne mit glühenden Kohlen ins Gewölbe hereinbrachten und dieselbe auf den Tisch setzten.

Der Alte zog sechs Goldstücke, ungefähr einen französischen halben Gulden groß, jedoch etwas dicker, aus seiner Ficke und legte dieselben auf die glühenden Kohlen, befahl dabei den Stummen, daß sie Elbenstein die Strümpfe abziehen sollten. Dieser wollte solches durchaus nicht geschehen lassen, da aber der Alte sagte:

»Mein Herr! Sperrt Euch nicht, denn wenn ich nur noch einmal pfeife, so kommen den Augenblick noch sechs bewehrte Männer herein, welche Euch schon zur Raison bringen sollen.« Elbenstein ließ es darauf ankommen und stieß den einen Stummen mit solcher Gewalt von sich, daß er zur Erde fiel. Im selben Augenblick pfiff der Alte, da denn sogleich sechs Mann mit blanken Schwertern ins Gewölbe hereingetreten kamen, worüber Elbenstein einigermaßen erschrak und mit sich umgehen ließ, wie man wollte, weswegen denn auch der Alte den sechs Bewaffneten sogleich den Zurückmarsch anbefahl.

Demnach legte ihm der eine Stumme erst auf jeden Fuß ein Goldstück, welches fast glühend war, der Schmerz war heftig, jedoch Elbenstein biß die Zähne zusammen und antwortete auf des Alten Fragen und Vermahnungen kein einziges Wort. Deswegen ließ ihm derselbe noch zwei heiße Goldstücke auf die dicken Beine über die Knie und endlich noch zwei auf das dicke Fleisch der Arme legen. Allein, je heftiger der Schmerz, je verstockter wurde Elbenstein, gab auf nichts Antwort, sondern verfluchte nur seine Tyrannen in Abgrund der Höllen.

Der Alte ging hierauf abermals stillschweigend fort, der barmherzige Stumme aber beschmierte ein Läppchen mit Salbe, schnitt Stücke daraus und legte ihm dieselben auf die Brandflecke. Die darauffolgende Nacht war wohl die schmerzhafteste und kläglichste in Elbensteins bisherigem ganzen Leben, indem fast nicht der geringste Schlaf in seine Augen kam.

Acht Tage nacheinander wurde er zwar mit guten Speisen und Wein versorgt, auch von dem Stummen täglich dreimal mit der Salbe verbunden, daß seine Brandflecke fast gänzlich geheilt waren; allein am Abend des achten Tages kam der alte Inquisitor wieder zum Vorschein und vermeldete ihm, daß seine Herrschaft durch seine Verstockung und Hartnäckigkeit (da ihnen doch die ganze Sache ziemlichermaßen bekannt) dergestalt zum Zorn gereizt worden, daß sie ihm Ordre geschickt, ihn, Elbenstein, heutige Nacht in der Mitternachtsstunde mit dem Schwert vom Leben zum Tode bringen zu lassen; also hätte er nur noch etwa drei bis vier Stunden Zeit, sich zu seinem Ende zu bereiten, und wo er etwa einen römisch-katholischen Geistlichen verlangte, sollte derselbe sogleich bei ihm erscheinen. Wider dieses letztere protestierte Elbenstein und versicherte, daß er sich mit göttlicher Hilfe genugsam im Stande befände, zu seinem Ende zu bereiten, und da er auf seine Religion und den Glauben, bei welchem er von Jugend an erzogen worden, zu sterben entschlossen, wäre es nicht ratsam, die übrige wenige Zeit seines Lebens mit unnötigem Disputieren zuzubringen; unterdessen bäte er weiter nichts, als daß diejenigen, welche ihn also unschuldigerweise seines Lebens berauben ließen, in Betracht, daß er ein Kavalier und bei einem vornehmen Fürsten in Diensten stünde, seinen Körper an einen ehrlichen Ort begraben, auch unter der Hand seinen Fürsten möchte wissen lassen, wie er eines unglücklichen, plötzlichen Todes gestorben wäre, damit der Fürst nicht etwa glauben möchte, als ob er heimlich echappiert wäre.

»Die Gnade in Gewährung dieser beiden Bitten wird Euch unfehlbar widerfahren«, sagte der Alte, ging hierauf fort, Elbenstein aber, der sich ganz allein im Gewölbe sah, fiel nieder auf seine Knie und betete mit heißen Tränen zu Gott um Vergebung seiner Sünden und um ein seliges Ende; er sehnte sich herzlich, noch einmal das heilige Abendmahl von einem evangelisch-lutherischen Priester zu empfangen, weil aber dieser Wunsch vergeblich, wendete er sich desto eifriger zum Gebet, bis er endlich von den beiden Stummen darin gestört wurde, welche eine köstliche Mahlzeit vor ihm aufzutragen anfingen. Ungeachtet er ihnen nun sagte, daß sie sich seinetwegen keine Mühe machen möchten, indem er weder essen noch trinken würde, so kehrten sie sich doch daran nicht, sondern trugen alles auf und ließen es stehen.

Elbenstein aber rührte weder Speisen noch Wein an, sondern verharrte im Gebet bis gegen die Mitternachtsstunde, da der Alte wiederkam, der dem einen Stummen winkte und ihm mit Zeichen etwas zu verstehen gab. Dieser ging sogleich fort, kam aber bald wieder zurück und brachte einen Hebekorb getragen, worin ein schwarzes Sterbekleid, ein sauberes weißes Hemd, ein Paar weiße, seidene Strümpfe und dergleichen Mütze mit einem schwarzen Band lagen. Hierauf pfiff der Alte, da denn sogleich sechs Mann mit bloßen Schwertern ins Gewölbe traten. Als Elbenstein diese sah, sprach er ganz entrüstet zu dem Alten: »Will man denn so gar grausam barbarisch mit mir verfahren und mich in Stücke zerhauen? Ists denn nicht genug, wenn mir der Kopf mit einem Streich abgeschlagen wird?«

»Diese«, gab der Alte zur Antwort, »werden nicht an Euch kommen, wofern Ihr nicht etwa Miene macht, Euch zur Wehr zu stellen, denn Ihr werdet jetzt losgeschlossen werden, damit Ihr als ein Kavalier nicht in Ketten und Banden sterbt, auch vorher Eure Sterbekleider anlegen könnt.«

»Es ist gut«, sagte Elbenstein, »unterdessen ist es nicht nötig, daß ich andere Sterbekleider anziehe, denn diese, so ich anhabe, sind mir Sterbekleider genug.«

»Es ist mir aber«, versetzte der Alte, »also befohlen. Mithin werdet Ihr Euch nicht weigern zu gehorsamen.«

»Diesen Gefallen«, ließ sich Elbenstein vernehmen, »kann ich ja meinen Tyrannen auch noch wohl erweisen.«

Hierauf ging er hinter die spanische Wand und zog alles an, kam hernach hervor, setzte sich auf den Klotz und nahm die Bibel in die Hand. Allein der Alte ließ ihn nicht zum Lesen kommen, sondern tat ihm die ehemaligen Vorschläge nochmals, bat ihn ziemlich beweglich, daß er doch seine Halsstarrigkeit ablegen und auf die bewußten Punkte aufrichtigere Antwort erteilen möchte, womit er allein sein Leben retten, sondern auch sogleich nach zwei Tagen seine Freiheit nebst einem kostbaren Geschenk erhalten würde. Allein, Elbenstein blieb unbeweglich als ein Fels und bat den Alten zu guter Letzt nochmals, ihn mit fernerem Zureden zu verschonen, weil er wider die Wahrheit nicht reden, sondern viel lieber sterben wolle; er solle ihn demnach nur nicht lange quälen, sondern seiner Ordre gemäß verfahren, denn er wäre versichert, daß der Himmel sein Blut rächen würde.

Der Alte entschuldigte sich nochmals, daß er seiner Ordre gehorchen, die herrschaftlichen Befehle ausrichten und ihnen die Verantwortung überlassen müßte. Unterdessen aber pfiff er auf seiner Pfeife, wonach sogleich ein dicker, starker Mann mit einem langen, sechs Finger breiten, blanken Schwert hereingetreten kam.

»Dieser«, sagte der Alte, »ist der allergeschickteste Meister im ganzen Land, Euch, mein Herr, auch im Dunkeln den Kopf auf einen Hieb herunterzuhauen, wofern Ihr nur den Hals fein in die Höhe reckt; wollt Ihr aber noch Gnade haben, so folgt demjenigen, was ich Euch heute abend noch zu guter Letzt proponiert habe.«

»Ein Kavalier, wie ich bin«, sagte Elbenstein, »muß bei keinen Barbaren um Gnade bitten, sondern eher sein Leben hingeben.«

»Nun, so geschehe es denn«, sprach der Alte, winkte inzwischen den Stummen, welche sogleich herzukamen, ein schwarzes Tuch auf den Boden breiteten und einen Sessel ohne Lehne daraufsetzten, worauf Elbenstein seinen Platz nehmen mußte.

Der Alte präsentierte ihm ein Tuch, sich die Augen damit verbinden zu lassen, allein Elbenstein sagte:

»Ein rechtschaffener, unschuldiger Kavalier kann sich gewalttätigerweise seinen Kopf ohne Verbindung der Augen abschlagen lassen; aber«, sagte er weiter zum Scharfrichter, »hier habt Ihr, mein Freund, meine kleine Goldbörse, worin wenigstens zweihundert Dukaten befindlich. Nehmt Euch wohl in acht, quält mich nicht, sondern macht nach Eurer Kunst, daß Ihr mir nur den Kopf in einem Hieb herunterbringt. Inzwischen«, sagte Elbenstein noch weiter, »erlaubt mir nur, daß ich noch eine sehr kurze Zeit mein Gebet zu Gott verrichte, sobald ich aber zum drittenmal mit dem Fuß auf den Boden stoße, so haut zu.«

Der Scharfrichter nahm das Geschenk an, versicherte ihm, daß er sich auf seine Kunst verlassen könne, inzwischen wolle er ihm auch seinen letzten Willen erfüllen, nur bäte er, daß er zwar den Hals, aber keine Hand in die Höhe reckte, damit sein Körper nicht etwa zerstückt werden möchte. Elbenstein versicherte ihm, dieserwegen unbesorgt zu sein, griff hierauf nach der Bibel und las den 51. Psalm bis auf den 14. Vers inclusive. Hierauf tat er den ersten Tritt mit dem Fuß. Man brachte ihm einen Pokal mit Wein, er nahm denselben jedoch nicht an, sondern betete in seinen Gedanken das Lied »Christus, der ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn«.

Er geriet darüber in tiefe Gedanken, weswegen ihn der Alte erinnerte, sich nicht länger aufzuhalten, sondern seine Resolution in der Kürze von sich zu geben, weil er noch in dieser Stunde Gnade zu hoffen hätte. Elbenstein aber ermunterte sich gleich, antwortete zwar dem Alten kein Wort, stieß jedoch zum zweitenmal mit dem Fuß auf den Boden, betete hernach noch etliche Sprüche, und endlich »Herr Jesu! Dir lebe ich, Herr Jesu! Dir sterbe ich«, unter welchen Worten er zum drittenmal auf die Erde stampfte und den letzten Streich erwartete. Es waren ihm sozusagen schon fast alle Gedanken vergangen, und der Scharfrichter war eben im Begriff, den Streich zu vollführen, als eine Stimme, jedoch nicht des Alten Stimme, rief: »Halt! Er soll auf diesmal Gnade haben.«

Es wußte Elbenstein, wie gesagt, fast gar nicht, wie ihm geschah, und die grausame Alteration brachte ihm eine heftige Ohnmacht zuwege, daß er plötzlich vom Stuhl herunterfiel und von seinen Sinnen nicht wußte. Es währte über zwei gute Stunden, ehe er wieder zu sich selbst kam, und da befand er sich in einem anderen, kostbar möblierten Zimmer, in einem propren Bett, und zwar im bloßen Hemde liegend. Er schmeckte noch im Munde, daß man ihm Arznei eingegossen haben müsse, auch fühlte er, daß ihm am Arm zur Ader gelassen, dergleichen judizierte er wegen des Geruchs, daß man ihn mit starkem Spiritus müsse gewaschen haben. Demnach als er bemerkte, daß seine Lebensgeister wieder zurückgekommen, richtete er sich im Bett auf, da denn sogleich die beiden Stummen herzutraten, von welchen er ein Glas Wasser forderte, indem ihm der Mund und Hals ungemein trocken waren.

Der eine Stumme brachte ihm also ein Glas Limonade, welches er sehr begierig austrank und noch eines forderte; wie nun auch dieses verschluckt war, legte er sich wieder nieder und schlief, jedoch sehr unruhig, bis die Sonne aufgegangen war, da ihm denn ein kleiner Tisch vors Bett und der Tee daraufgesetzt wurde. Der eine Stumme brachte ihm ein Glas Tropfen, nebst einem Zettel, worauf geschrieben stand, wieviel und wie oft er von dieser herzstärkenden Arznei, welche sehr stark und wohlschmeckend, nehmen sollte; endlich, nachdem er fünf bis sechs Schälchen Tee getrunken, legte er sich wieder zurück ins Bett nieder, konnte aber nicht wieder einschlafen, sondern lag mit offenen Augen und sah seinem fernerweitigen Schicksal entgegen, betrachtete auch das bisherige mit ziemlicher Gemütsruhe. Die Speisen und Wein, so ihm mittags und abends gebracht wurden, schienen aus einer fürstlichen Küche zu sein, dem ungeachtet hatte er diesen und folgenden Tag wenig Appetit, am dritten Tage aber, frühmorgens, nachdem er die vorige Nacht ungemein wohl geschlafen hatte, befand er sich ganz gesund, munter und frisch, welches er der köstlichen Arznei zuschrieb, die er beide Tage nach der Vorschrift fleißig gebraucht hatte. Er fragte demnach die stummen Bedienten, ob ihm erlaubt wäre, aufzustehen und seine Kleider anzuziehen? Die Stummen winkten mit dem Haupt, brachten auch gleich seine Kleider herbeigetragen, weswegen er aufstand und sich ankleidete, mittlerweile ihm die Stummen den Tee auf den Tisch setzten.

Sobald er nach Belieben davon wie auch von der Arznei zu sich genommen, fragte er die Stummen, ob sie ihm die beiden Bücher nicht wieder verschaffen könnten, damit er einigen Zeitvertreib hätte? Augenblicklich lief einer fort und brachte ihm sowohl die Bibel als das Historienbuch, weswegen er erst ein paar Stunden seine Andacht in der Bibel hatte, hernach in dem Historienbuch las, bis ihm mittags die köstlichen Traktamente auf den Tisch gesetzt wurden. Er speiste mit gutem Appetit, trank auch etwas mehr Wein als vorige Tage und befand sich im übrigen sehr gestärkt und wohlauf. Den ganzen Nachmittag brachte er abermals mit Lesen in dem Buch zu. Abends aber, nachdem er gespeist, kam der Alte, wünschte ihm ganz freundlich einen guten Abend, gratulierte ihm zu guter Besserung und bat ihn um Vergebung, daß er seiner Ordre zufolge also mit ihm verfahren müssen. Nunmehr habe er Ordre, ihn aufs allerbeste zu traktieren, vorerst aber ersuchte er ihn, in ein anderes Zimmer zu folgen. Hiermit gab er den Stummen zu vernehmen, daß sie zwei silberne Leuchter mit Wachslichtern nehmen sollten; diese gehorsamten, Elbenstein wurde von dem Alten genötigt, hinter ihnen herzugehen, er selbst aber folgte, und also passierten sie erst durch einen kleinen Gang, hernach eine schmale steinerne Treppe in die Höhe, da sie denn auf einen großen Saal kamen, wo der Alte vorausging und ein Zimmer öffnete, welches inwendig mit den kostbarsten türkischen Tapeten ausgeziert und überhaupt dergestalt propre möbliert war, daß sich kein König schämen dürfen, darin zu logieren. Es stand ein mit Wein und Konfekt besetzter Tisch auf der einen Seite, welchen ihm der Alte zeigte, auch sagte:

»Eure Herrlichkeit werden unfehlbar von dem langgewachsenen Bart inkommodiert werden, dieser eine Stumme ist sehr geschickt, den Bart abzunehmen, deswegen können Sie sich von ihm akkommodieren lassen.«

Es war wirklich an dem, daß Elbenstein von dem langen und starken Bart sehr vexiert wurde, indem ihm der Hals ganz wundgerieben war; deswegen nahm er das Erbieten mit Vergnügen an, als ihm nun noch der Alte einen silbernen Ring zeigte, woran er nur ziehen dürfte, wenn er jemanden oder etwas verlangte, indem es ihm doch vielleicht ungelegen sein dürfte, wenn die Stummen beständig bei ihm im Zimmer wären, so wünschte er ihm eine geruhige Nacht und retirierte sich.

Elbenstein ließ sich barbieren, sagte hernach zu den Stummen, daß sie ihm nur die beiden Bücher heraufbringen, hernach sich zur Ruhe begeben möchten, weil er sich mit allen Bedürfnissen wohlversorgt sähe.

Dieses geschah, und Elbenstein divertierte sich noch mit Lesen bis um die Mitternachtszeit, trank auch unterweilen ein Gläschen Wein dazu. Als aber die im Zimmer hängende Uhr die Mitternachtsstunde anzeigte, zündete er das Nachtlicht an und war eben im Begriff, die beiden brennenden Wachslichter auszulöschen. Indem öffneten sich auf einer Seite die Tapeten, und es trat eine Person in einem langen, rosenfarbenen Schlafrock durch dieselben ins Zimmer hinein, sie hatte einen sauberen Hauptschmuck auf, und ihr Gesicht war sehr wohlgebildet.


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