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Zum Geleit

Ein Geschichtenbuch, wie Wilhelm Scharrelmann es hier geschrieben und mit besonderer Freude den »Lebensbüchern der Jugend« zur Veröffentlichung gegeben hat, haben wir uns für diese Sammlung längst gewünscht. Denn durch kaum einen andern der bisher erschienenen Bände wird das schon im Titel sich aussprechende Programm der »Lebensbücher« natürlicher und vollkommener erfüllt als durch »Großmutters Haus«.

Vom nahen und nächsten, von dem, was jedes Kind auch in bescheidensten bürgerlichen Verhältnissen früh beobachtet und erlebt, geht es aus, all diese »alltäglichen« und doch so wunderbaren, geheimnisreichen und bedeutungsvollen Dinge bringt es zum Atmen, Sichbewegen und Sprechen, und indem der Verfasser, oder sagen wir getrost: der Dichter von sich selber, von seiner eignen Kindheit und Jugend erzählt, deutet er zugleich all den andern, die ihm lauschen, jene von Dämmerung und Morgenduft umwobenen Tage, da jeder neue neue Entdeckungen und Wunder brachte. Im Keim liegt alles, was der Mensch auch als Erwachsener noch erlebt, sein ganzes Tun und Schicksal, schon vorgedeutet in jenen kindlich frühen Abenteuern und Erlebnissen. Es muß nur der Berufene kommen, der es mit dem Zauberstabe der Poesie wieder zum Leben erweckt.

Aber noch in einem andern Sinne ist hier der Begriff »Lebensbuch« erfüllt. Unter »Lebensbüchern der Jugend«, heißt es in unserm grundlegenden Programm, verstehen wir Bücher, die man aus der Kinderstube gern mit hinausnimmt auch ins selbständige Sein und Wirken, Bücher, die dauernden Lebensgehalt haben und auch dem Erwachsenen noch eine wertvolle Bereicherung des Gefühls, der Phantasie und des Herzens zu bieten vermögen. So sind auch diese Geschichten nicht ausschließlich für Kinder geschrieben, vielmehr werden auch Erwachsene sie mit Interesse und Genuß lesen, aber sie sind doch so ausgewählt, daß schon ein Kind sie leicht verstehen kann. Aus dem vertrauten Bereiche des Hauses, aus Jugenderinnerungen und Kindheitserlebnissen führen sie den jungen Leser ganz allmählich in den weiteren Kreis des Erlebens hinein; Tier- und Menschengeschichten verbinden sich zu einem Bilde, das allmählich mehr und mehr an Weite zunimmt. In allen Geschichten aber ist es das Leben, wie es uns heute umgibt, das zur Darstellung kommt, mit der ganzen Frische, zuweilen auch mit der Herbheit seiner Erscheinung. Denn das heranreifende Kind will sich vor allem die Wirklichkeit, in der es aufwächst, zu eigen machen, mit allen Sinnen und aller gesunden Freude an dem, was ist und sich begibt.

Meistens ist es die Stadt, die in den Geschichten als Hintergrund vor uns aufsteigt. Da durften auch wohl ernstere Bilder aus dem Leben der modernen Großstadt, die bisher nur zu sehr in unsern Jugendbüchern vernachlässigt worden ist, nicht fehlen.

Wenn man von einem Buche, das sich aus künstlerischen Gründen von jeder Tendenz freihält, trotzdem eine sittliche Wirkung erwarten darf, so werden auch die Geschichten dieses Bandes der »Lebensbücher« nicht ohne läuternde Kraft bleiben. Ein Kind, das »Ein Opfer«, »Fifi«, die »Weihnachtsgans«, den »Droschkengaul« oder den »Zeisig« gelesen hat, wird nicht nur die Tiere seiner Umgebung mit andern Augen ansehen, es wird auch ein Funke sozialen Mitgefühls in ihm entzündet sein, der so leicht nicht wieder auszulöschen ist. In den Kindheitsgeschichten dieses Buches aber wird das Kind sein eignes Erleben wiederfinden, seine Spiele, seine Träume wie seine ersten seelischen Leiden und Freuden.

Und dem Dichter ist der Zeichner mit feinem Verständnis gefolgt. So ist ein Buch entstanden, aus dem das Verlangen der Kinder nach »neuen Geschichten« immer wieder befriedigt, aus dessen erstem Teile schon Zehn- bis Zwölfjährigen vorgelesen werden kann, das größeren Kindern aber am besten selbst in die Hände gegeben wird, ein Buch, das der Jugend zeigt, wieviel »Geschichten« in seiner eignen Umgebung sich ereignen, für die man nur Augen und Ohren haben muß.

F. D.


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