Johann Gaudenz v. Salis-Seewis
Gedichte - Ausgabe letzter Hand
Johann Gaudenz v. Salis-Seewis

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Morgenpsalm.

        Der Erdkreis feiert noch im Dämmerschein;
Still, wie die Lamp' in Tempelhallen, hängt
Der Morgenstern; es dampft vom Buchenhain,
Der, Kuppeln gleich, empor die Wipfel drängt.
Sieh', naher Felsen düstrer Zinn' entglüht
Der Rose gleich, die über Trümmern blüht.

Wem dampft das Opfer der bethauten Flur?
Ihr Duft, der hoch in Silbernebeln dringt,
Ist Weihrauch, den die ländliche Natur
Dem Herrn auf niedern Rasenstufen bringt.
Die Himmel sind ein Hochaltar des Herrn,
Ein Opferfunken nur der Morgenstern.

Im Morgenroth, das naher Gletscher Reih'n
Und ferner Meere Grenzkreis glorreich hellt,
Verdämmert seines Thrones Wiederschein,
Der mild auf Menschen, hell auf Gräber fällt 102
Er leuchtet Huld auf redliches Vertrau'n
Und Licht der Ewigkeit durch Todesgraun.

Noch wandeln wir, wo kaum der Aufgang tagt,
Im ersten Frühschein der Unsterblichkeit.
Der Tag, wo Unschuld nimmer irrt, noch klagt,
Glänzt hinter Gräbern auf, und ist nicht weit.
Des Wahnes Dunst, des Todes Nacht zerfleußt,
O Allmacht, dir, die mir Erlöser heißt! 103

 


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