Johann Gaudenz v. Salis-Seewis
Gedichte - Ausgabe letzter Hand
Johann Gaudenz v. Salis-Seewis

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Die Herbstnacht.

        Der Mond, umwallt von Wolken, schwimmt
   Im feuchten Blau der Luft;
Der Forstteich, matt versilbert, glimmt
   Durch zarten Nebelduft;
Die Glut, vom Hirtenkreis' umwacht,
Verschwärzt, entflackernd, rings die Nacht;
   Eintönig rollt vom Brunnenrohr
Der Wasserstrang, der sich verschlürft;
Und zarte, graue Schatten wirft
   Schräghin das Kirchhofthor.

Das Netz der Zuggewölke schwillt
   Zum Zelt des Blitzes auf;
Der Mond, in Wettergraun gehüllt,
   Verschied nach halbem Lauf.
Des Irrlichts bläulich siecher Schein
Erlischt im Torf am Tannenhain. 99
   Des Zeigers Goldblatt blinket matt,
Umflort von feuchtem Nebelrauch,
Und ängstlich zückt im Erlenstrauch
   Sein letztes dürres Blatt

Hier, wo aus langer Nacht empor
   Sich die Betrachtung reißt,
Bedrückt das Herz ein Schwermuthsflor,
   Doch Frühroth hellt den Geist.
Des Schicksals Wolken fliehn zerstreut;
Aus Dunkel stralt die Herrlichkeit.
   Der Unschuld Rose blüht bewährt,
Durch Stürme nicht des Dufts beraubt,
Da, durch die Nacht, der Tugend Haupt
   Nur hehrer sich verklärt.

Durch Seelenkraft und festen Muth
   Wird Wahn und Schmerz besiegt,
Der weise Glaube fühlt als gut,
   Was Allmacht liebend fügt.
Ein Kind im Mutterschooße ruht
So achtlos bei der Blitze Glut. 100
   Auf Pfade der Gelassenheit
Glänzt Hoffnung im Gewitterlicht;
Und in des Todes Blick verflicht
   Den Stral – Unsterblichkeit! 101

 


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