Johann Gaudenz v. Salis-Seewis
Gedichte - Ausgabe letzter Hand
Johann Gaudenz v. Salis-Seewis

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Ländliches Glück.

1785.

      Wer aus schöner Natur weihendem Brunnquell schöpft,
    Misset gerne den niedern Prunk.
Froh durchirrt er die Flur; froh, wenn auch seinen Fuß
    Keine blitzende Schnall umwölbt.

Perlen achtet er Spreu; Spinnengewebe nur
    Brabant's Spitzen; er lächelt kalt
Auf den funkelnden Ring oder der Dose Schmelz
    In des prunkenden Thoren Hand.

Gerne mißt er die Stadt, blickt auf vermummten Tanz,
    Auf belastete Tafeln Hohn.
Nimmer reizt ihn der Hof, nimmer der Goldpalast,
    Noch der marmorne Fürstensaal. 10

Aber Seelengefühl trinkt sein geweihter Blick;
    Ihn entzücken des Buchenwalds
Säulenhallen, der Luft sternenbesäter Dom,
    Und der Spiegel des klaren Sees.

Silber gießt ihm des Monds ruhiges Flimmerlicht,
    Gold der scheidende Sonnenstrahl;
Perlen streut ihm der Thau, färbt sich zum Edelstein
    Auf dem wankenden Tulpenkelch.

Kräuselnd bläht sich das Moos, polstert den Felsensitz
    Schwellt zum Sopha den Rasenbank;
Der gefällige Lenz sticket ihm Teppiche
    Mit Violen und Güldenklee.

Frische haucht ihm die Kluft, athmet das Birkenlaub,
    Das vom duftigen Frühthau träuft;
Schatten bräunen sich ihm, und der ummoste Bach
    Rauscht ihm Kühlung und Schlummerton.

Baldachine von Laub wölbt ihm der Eiche Schirm
    Um den ländlichen Traualtar;
Und der Nachtigall Lied tönt um sein Brautgemach,
    Statt des feiernden Abendchors. 11

 


 << zurück weiter >>