Johann Gaudenz v. Salis-Seewis
Gedichte - Ausgabe letzter Hand
Johann Gaudenz v. Salis-Seewis

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An die edeln Unterdrückten.

Um jeder Mißdeutung und schiefen Anwendung dieses Gedichts, so viel an mir liegt, vorzubeugen, erkläre ich hiemit, daß es keiner gelegentlichen Veranlassung, keiner Begebenheit unserer Tage seine Entstehung verdankt.

Ich hatte dabei die Menschheit und kein besonderes Volk, noch irgend eine unterlegene Partei im Auge. Es war ein freier Erguß meines Herzens, und eine Huldigung, den edeln, unschuldigen Unterdrückten aller Nationen und aller Zeitalter geweiht.

Daß unterdrückte Unterdrücker und ihre Werkzeuge nicht hierher gehören, wird sich von selbst verstehen.

1794.

        Getrost, ihr edeln Unterdrückten,
Wenn euch kein Stral der Hoffnung blinkt!
Der Tugend Opferkränze schmückten
Euch, eh' ihr am Altare sinkt.
Des Ruhmes Flitterkrone werde
Hier des beglückten Frevlers Preis,
Entkeimt aus eurer Gräber Erde,
Grünt spät erst euer Eichenreis.

Ihr, die, verpflanzt in arge Zeiten,
Mit der Gewalt zu kämpfen wagt,
Ihr sollt dem Lichte Bahn bereiten,
Und fühlt die Schauer, eh' es tagt;
Wenn ihr mit kräftigem Erkühnen
Euch dem Verfall entgegen stemmt,
Verklärt ihr glorreich die Ruinen,
Die keine Macht im Sturze hemmt. 94

Dann fühlt ihr zwar des Schicksals Schwere,
Wenn es der Lästrung Plan gelingt,
Daß euer letztes Gut, die Ehre,
Ihr Klapperschlangenhauch verschlingt;
Schaut ernst der Uebermacht Triumphe,
Wenn höhnend euch ihr Troß umzischt,
Wißt, daß ihr Irrlicht aus dem Sumpfe
Nur trüglich aufglänzt und verlischt!

Die Wahrheit harrt mit sichrer Wage
Im Wolkenzelt der Folgezeit,
Verweht die Spreu gedungner Sage
Und huldigt der Gerechtigkeit
Vernunft folgt ewigen Gesetzen,
Die Pöbelswuth, die ein Tyran
Ein Menschenalter durch verletzen,
Doch ewig nicht vertilgen kann.

Denkt, wenn im Kampf für Menschenrechte
Ihr des Erfolges Glanz entbehrt,
Daß durch des Mißgeschickes Nächte
Der Unschuld Haupt sich still verklärt.
Schaut fest nach euerm hohen Ziele,
Verschmäht die nahe Hinderniß, 95
Und stürzt, gedrängt vom Pflichtgefühle,
In des entflammten Abgrunds Riß.

Wenn, vom Verhängniß losgerissen,
Der Hoffnung letzte Trümmer stürzt,
Sollt ihr den Kelch zu kosten wissen,
Der jedes Erdenweh verkürzt
Das Recht verbannt, verschmäht, erwürget,
Erlegen im gerechten Streit,
Fleht um Vergeltung und verbürget
Den Geistern die Unsterblichkeit!

Dem Staub' entflohn, wirkt eure Seele
Begeisternd auf der Edeln Bund;
Verwandelt erst, thut Philomele
Die Unthat ihres Drängers kund!
Ihr Märtyrer für Menschenwürde,
Vertraut der Wahrheit und der Zeit:
Vergänglich ist des Druckes Bürde,
Doch ewig die Gerechtigkeit. 96

 


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