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Sechstes Kapitel
Von der Kochkunst für Kranke und Genesende

Die vorangehenden Bücher enthalten bereits die Grundzüge einer wahrhaft diätetischen Kochart. Indes konnte dabei auf Kranke und Siechende keine spezielle Rücksicht genommen werden, weshalb ich mir gestatte, mit Hinweisung auf schon Gesagtes und Gelehrtes, dieses neue Kapitel den alten anzuhängen, wozu vielfältige Bitten und Anfragen wohlgesinnter Ärzte mich besonders veranlaßt haben.

Eigentlichen Kranken nützt und hilft genau genommen keine Speise; sie essen mehr aus Gewöhnung als Bedürfnis; wenigstens nicht aus dem Bedürfnisse der Ernährung, wenn auch aus jenem einer gewissen Repletion.

Ich rede hier nur vom eigentlichen Krankheitszustande; in den Intervallen tritt freilich ein vorübergehendes Bedürfnis der Speisung ein; allein gerade was man in diesen dem Kranken reicht, ist von größtem Belange.

In Wasser erweichte, nach ihrer Art gebrochene oder ganze Körner mit dem Zusätze von einer Wallnußgroß frischer Butter, dieses ungefähr in der Mitte der ganzen Bereitung, das nötige Salz ganz zuletzt (s. oben Mackenzies richtige Bemerkung über den Einfluß des Salzes auf die Operation der Auflösung durch das Sieden); das wären die unschädlichsten und sogar dem wahren Kranken nicht widerstehenden Suppen. Der Buchweizen will am wenigsten erweicht sein, nur kurze Zeit kochen; nach ihm der Reis (dem ich die Butter mit Weizenmehl durchknetet zuzusetzen rate, auch wohl einige feingehackte kleine Kräuter nach dem Geschmacke des Kranken); Gerste, gebrochene Spelten und Hafer wollen langsam und lange gekocht sein; Grütze von türkischem Weizen ist nur in Fleischbrühe gesotten palatabel; allein von abgelegenem, dann lange in Wasser gesottenem Weizenbrote entsteht, wenn es nicht gerührt, sondern nur geschüttelt wird, durch den Zusatz von weniger Butter eine beinahe fleischähnliche Substanz, welche, bei großer Empfänglichkeit des Stoffes für leicht würzende Zusätze, als Petersilie, Dragon, Basilikum, die obige Klasse erst ergänzt. Diese Suppen müssen überhaupt, ohne breiig zu sein, doch zum Brei sich hinüberneigen. Die Diät eigentlicher Kranker, deren Einbildung nicht aufgeregt, deren Gelüste nicht geweckt werden darf, rate ich auf eine Abwechslung in obigen Suppen einzuschränken.

Die Tisanen (von Phthisis), Schleime, oder wie man sonst diese Getränke nennt, entspringen offenbar aus ähnlichen Beobachtungen als jene, auf welchen mein Rat beruht. Indes pflegt man sie zu versüßen und durch Zitronensaft palatabel zu machen; ferner, sie nicht auf einmal und als Speise, sondern als Getränk und den ganzen Tag, auch wohl die Nacht hindurch, dem Kranken darzureichen. Daher entsteht, daß alle solche Tisanen teils seine ohnehin geschwächte Verdauungstätigkeit unablässig stören, teils auch ihm Stoffe zuführen, welche wenigstens in dieser Verbindung ihm nicht zuträglich sind. Denn bei längeren Krankheiten entsteht bei den Patienten stets ein Widerwille gegen jene sauer-süßlichen Getränke, welche man ihnen zu reichen pflegt. Man erinnere sich hier an die Wirkung einer Limonade, bald nach der Mahlzeit genommen. Das eau de ris in Hühnerbrühe der alten französischen Krankenpflege und der rheinische Gerstenschleim in dünner Kalbfleischbrühe erhalten sich länger beliebt als jene gezuckerten Getränke; obwohl sie unstreitig, zwar als Suppe gut, doch als Getränk zu substantiell sind.

An irgendeinem Übel langsam Hinsiechende, besonders doch die Genesenden, bedürfen schon mehr ausgebender Speisen. Allein eben bei diesen ist es so wichtig, die erwachende oder nur krankhaft gereizte Eßlust nicht irrezuleiten durch Zurichtungen, welche mehr auf das Auge und den Gaumen als auf den Zustand des Patienten berechnet sind.

Folgende Zurichtungen sind in solchen Fällen die zuverlässigsten. Unter den Suppen, die Bouillon de prime (s. oben Buch I, Kap. 2), welche als Getränk gereicht oder auf leicht gerösteten Brotscheiben bei der Mahlzeit kann gegeben werden. Consommes Gallerte von ausgekochtem Fleische würden durch jene Bereitung entbehrlich gemacht, wenn sie überhaupt nützten. Leichter verdauliche Fleischarten auf dem Rost oder am Spieße gebraten (Buch I, Kap. 5, 6, 7). Eingehacktes von Geflügel, Kalbfleisch, einigen Wildarten (Buch I, Kap. 15), doch mit Weglassung aller scharfen, erhitzenden, reizenden Würzen. Gesottenes Geflügel und Kalbfleisch, besser unmittelbar aus der Suppe, weil alles Gesottene trocken gelegt, sogleich sich etwas verhärtet.

Unter den Gemüsen empfiehlt sich die Möhre, wenn sie in Fleischbrühe langsam eingesotten ist. Die Kartoffel nach reichlicher Wässerung bis zum Zerfallen aus Wasser und Salz gesotten, später vielleicht mit Fleischbrühe und einiger Butter versetzt. Unter den Blättergemüsen der Lattich und die Endivie, nach meinen Vorschriften. Die grüne Erbse sehr jung in der Suppe und als Gemüse in reichlicher Fleischbrühe nicht zu sehr eingedampft, weil sie im Trockenen leicht sich verhärtet. Die Zwergbohne sehr jung gebrochen, leicht abgesotten, in Fleischbrühe gedämpft. Die weißen Wurzeln ohne Ausnahme; doch keine Rüben, kein Kohl, keine Saubohne, noch Artischocke, Cardone. Eingedämpfte Gurken, gesottene und nachgedämpfte junge Kürbisse sind erfrischende, leicht verdauliche Zugemüse.

Spinat ist sehr zweifelhaft; als Versüßung zur Brunnenkresse und zum Löwenzahn, verbessert er diese, indem jene ihn selbst indifferenzieren.

Diese kurzen Andeutungen haben den Zweck, Ärzte und Krankenpfleger auf solches hinzuweisen, was in den beiden ersten Büchern für sie einen praktischen Wert haben kann. Tiefer auf diesen Gegenstand hier einzugehen, dürfte Wiederholungen veranlassen, denen ich begierig ausweiche.


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