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Drittes Kapitel
Vom Ursprung und von den ersten Erfordernissen der Kochkunst

Die Bildung des menschlichen Gebisses, welche, bei seltenen Ausnahmen S. Blumenbach (Beiträge zur Naturgeschichte) über einige abweichende Mumien., den Freßwerkzeugen der Raubtiere gleicht, eben wie jene alte Überlieferung von einem ursprünglichen Jagd- und Jägerleben der Menschheit, leiten darauf hin, die animalischen Nahrungsstoffe, oder das Fleisch, doch mit den fleischigen Baumfrüchten zugleich, als die ursprünglichsten anzusehen, und daher vor allen andern zuerst in Betrachtung zu nehmen. In der Tat enthält das Fleisch der Tiere, chemisch oder diätetisch betrachtet, den verhältnismäßig größten Anteil ernährender Grundstoffe. Uns kommt es jedoch nur darauf an, wie die Nahrsamkeit des Fleisches am zweckmäßigsten durch die Kunst entwickelt werde.

Wilde, dem tierischen Zustande nahestehende Nationen pflegen die animalischen Stoffe ohne große Umstände roh zu verzehren, wie die Patagonier in Ansons Reisen. Kalmücken und Tschergisen, welche in der Kunstbildung um einen Schritt weiter gekommen sind, streben schon dahin, ihr Pferdefleisch zu erhitzen, indem sie darauf spazieren reiten. Gebildeten Nationen jedoch würde sowohl die ganze, als die halbe Rohigkeit äußerst widrig und ekelhaft sein; ja es scheint, daß gerade die gebildete Lebensweise die Verdauung schwächt und das Bedürfnis einer künstlichen Hilfe hervorruft. Diese Hilfe, welche die Kunst einer verfeinerten oder geschwächten Verdauung zu leisten bemüht ist, erfolgt durch eine wohlverteilte Einwirkung des Feuers, des Wassers und des Kochsalzes.

Seit vielen Jahrtausenden dienen die ebengenannten drei Elemente unzähligen Völkerschaften gleichsam zu ihren äußeren Verdauungswerkzeugen; man gewöhnt sich daher von Jugend auf daran, den angezündeten Herd oder die Feuerstelle, nach welcher hie und da sogar die Familien gezählt und beschatzt werden, als ein Ding anzusehen, welches nicht wohl anders sein könne. Indes mußte eine sehr lange Zeit darauf hingehen, bis da irgend ein guter Kopf auf den Einfall geriet, seine Jagdration an der Spitze eines Stockes zu befestigen, und sodann dem Feuer auszusetzen. Einmal erfunden, fand diese Verbesserung unstreitig schnelle und häufige Nachfolge.

Ein zweites längeres Weltalter mußte vorüberschreiten, ehe man ein wasserdichtes, feuerfestes Gerät, sei es aus Ton oder aus Metall, erfunden hatte, ohne welches das Sieden und halbfeuchte Dünsten überall nicht möglich wäre. Die Erhitzung des Fleisches an der Flamme, ja selbst den Gebrauch des natürlichen Kochsalzes, kann der Zufall die Menschen gelehrt haben. Wer aber ohne vorangegangene Erfahrung a priori auf den Nutzen des Siedens und auf den Gebrauch des Topfes schloß, war ohne alle Frage ein Geist von seltener Fähigkeit. – Doch ist es möglich, daß der Topf ursprünglich nur zum Trinkgeschirre gebildet worden, und daß alsdann der Zufall oder der Vorwitz allmählich darauf hingeleitet hat, darin Flüssigkeiten zu erwärmen, und vermöge der letzten eßbare Dinge mittelbar zu erhitzen.

In Beziehung auf unsere Zeitgenossenschaft ist nun freilich nicht mehr davon die Rede, ob wir Feuer, Wasser und Salz in unserer Küche verwenden sollen; uns gilt vielmehr nur die möglich beste Beschaffenheit und angemessenste Verwendung jener Elemente.

Es ist mithin die erste und wichtigste Aufgabe, die Feuerstelle bequem anzulegen; aber gerade in diesem Stücke hinkt unsre übrigens wohlbestellte Baukunst; denn ein Kamin, der nicht raucht, ist fast so selten geworden, als ein Theater, in dem man gehörig hört. Wer nun zufälligerweise in dem Besitz einer Küche ist, die nicht raucht, der mag sich wohl in acht nehmen, sie einer freventlichen Neuerungssucht aufzuopfern; denn der erste Stein, den man daran verrücken würde, möchte schwerlich der letzte bleiben, der überhaupt des Verrückens bedürfte.

An einem guten Feuerherd – und gut ist ein solcher, an dem man kochen kann, ohne zu weinen – soll ein bequemer Platz für ein frisches, loderndes Bratenfeuer befindlich sein, welches allenfalls auch einige Spieße mit hinreichender Hitze versehen möge. Zur andern Seite dieses zentralen Glutfeuers muß es einen Raum geben für Wasserkessel und allerlei Hafen und Töpfe, damit die abwärts gerichteten Glutstrahlen nicht etwa völlig verlorengehen. Gegen den Rand des Herdes hin und in den vorgeschobenen Winkeln desselben setze man Kasserollenlöcher oder Seitenkamine, in denen nur Kohlen verbrannt werden. Einige pflegen sich auf solchen vorgeschobenen Posten gewöhnlicher Meilerkohlen zu bedienen, welche bisweilen rauchen und jederzeit einen üblen Dunst geben, der nachteilig auf die Gesundheit der Köche wirkt. Ich rate daher, alle Kohlen am Glutfeuer anzuzünden, und sie erst, nachdem sie recht ausgebrannt sind, in die Seitenkamine zu bringen.

Es sind in neueren Zeiten mancherlei Sparherde und Öfen erfunden worden, über welche man die bewährtesten physikalisch-mechanischen Bücher, z. B. des Grafen von Rumford kleine Schriften, nachlesen kann. Diese nützlichen Erfindungen sind nur selten in Anwendung gesetzt worden, entweder weil man überhaupt nur ungern von seinen Gewohnheiten abgeht, oder auch weil man bei dem Hergebrachten sich wirklich besser befand. Allgemeiner verbreitet sind jene Kochöfen, die überall in Bauernhäusern und Gesindestuben des oberen Deutschlands sich vorfinden. Wenn die eisernen Platten, welche den oberen Teil des Ofens vom unten angebrachten Feuer absondern, nicht zu dünn sind, und mithin sich nicht zu jäh erhitzen, so eignen sich diese Öfen vortrefflich zum Sieden, Dünsten, Backen und Warmhalten. Indessen haben sie auch zu jenen ausgedörrten Rohrbraten die Veranlassung gegeben, die man überall in Oberdeutschland antrifft, und welche verständige Hausmütter aus ihrem Küchenzettel verbannen sollten.

Allein in Sachen des Feuers entscheidet nicht allein der Herd, vielmehr auch die Beschaffenheit des brennlichen Stoffes. Eine Gattung des Holzes hat vor der anderen Vorzüge; das Buchenholz vor allen. Man muß ferner darauf Bedacht nehmen, daß immer ein überjähriges Holz zur Hand sei; denn saftiges, nasses Holz wird unwillig brennen und rauchen, mithin gar manche Speise verderben. Ich würde selbst raten, jederzeit etwas recht trockenes Buschholz oder Reisig in Vorrat zu halten, weil es viele Fälle gibt, in denen man nur durch ein frisches, schnell loderndes Feuer erwünschte Wirkungen hervorbringt.

Unter den übrigen Brennstoffen verdient die echte Steinkohle S. über die Steinkohlenarten: Raumer. den Vorzug; ja, wo gerade eine sehr gedrängte und heftige Hitze nötig ist, wie bei den Ochsenschnitten und Ochsenbraten der Engländer, ist die Steinkohle jeder anderen Feuerung vorzuziehen. Je toniger aber die Kohle, je unbrauchbarer ist sie zum Kochen, teils weil sie um so weniger Hitze ausgibt, teils weil sie bei langsamerem Verbrennen nur um so mehr üblen Geruch veranlaßt, der den Speisen sehr leicht sich mitteilen kann. Torf, oder mit Erdharz durchdrungener Pflanzenstoff, ist in den meisten Fällen der Braun- oder Lettenkohle vorzuziehen, weil er mit minderem Geruch und schneller verbrennt, und, einmal verkohlt, den Geruch ganz zu verlieren pflegt. Man tut daher wohl, den Torf mit leichtem Holzwerke zu verkohlen, bevor man die Speisen daran setzt.

Holzkohlen sind ein vorzügliches Brennmaterial; sie erhitzen bis wenig unter dem Grad eines guten Steinkohlenfeuers, und sind dabei geruchloser. Doch muß ich angehende Kochkünstler darauf aufmerksam machen, daß nicht alle Holzkohlen redlich, oder nach den wahren Grundsätzen der Kunst verfertigt wurden. Wenn sie aus zu nassem Holz, oder bei starkem Winde gebrannt werden, oder wenn geizige Köhler die Glut erstickt haben, ehe alle toten Teile verzehrt sind, so pflegt sich ein unruhiger Spuk- und Luft-Geist in den Kohlen zu regen, der sprühet, lärmt und knallt, wenn das Feuer angeblasen wird, und die Töpfe mit Staub und Kohlenstücken erfüllt.

Dieses von der Feuerung. Das Wasser aber, diese edelste Gabe der Natur und trefflichste Labung des Menschen, wird von den Neueren nicht mehr mit jener sorgsamen Liebe und Pflege behandelt, welche das klassische Altertum, ja sogar noch das Mittelalter auszeichnete. Die Trümmer großer Wasserleitungen, welche noch immer den ganzen Umfang des römischen Weltreiches bedecken, beweisen, daß die Römer nicht allein um die Menge, vielmehr auch um die möglich beste Beschaffenheit des Wassers bekümmert waren; denn die große Empfänglichkeit dieses Elements veranlaßt, oft sogar bei naheliegenden Quellen, die größte Verschiedenheit in seinen Bestandteilen oder besser in seinen Beisätzen. Wie es nun überhaupt sehr wichtig ist, ein gutes Trinkwasser zu haben, so wird es auch nicht weniger von Belang sein, mit welchem Wasser man koche: denn nicht jedes gute Trinkwasser taugt zum Kochen, eben wie umgekehrt nicht jegliches Kochwasser zum Trinken geeignet ist. Zum Kochen eignet sich nur ein weiches, wenig mit mineralischen Bestandteilen geschwängertes Wasser, und es ist immer noch besser mit einem lauen, stehenden Wasser zu kochen, als mit einem mineralischen; denn die fauligen Pflanzenteile des ersten werden im Sieden teils durch das Schäumen abgesondert werden können, teils bei beruhigtem Wallen im Grunde des Gefäßes einen Niederschlag oder Bodensatz bilden; während die mineralischen Wasser im Kochen die in ihnen enthaltenen Salze und Säuren nur um so mehr auflösen und den Speisen mitteilen.

Es gibt nun freilich Niederungen, wie Holland, in denen man auf ein gutes Trinkwasser durchaus verzichten muß, und Gebirgsarten, die durchaus kein reines, brauchbares Kochwasser hervorzubringen imstande sind. In diesen Fällen muß man sich durch die Kunst helfen; denn ein fauliges Wasser kann durch eine rasche Bewegung in den Leitungen, ferner indem es durch Kohlen, durch Kies, durch poröse Steinplatten gesintert wird, ungemein verbessert, ja der Vollkommenheit sehr nahe gebracht werden. Es ist nicht unmöglich, auch in den mineralischen Wassern, ehe man sie zum Kochen verwendet, durch hinreichend einfache und wohlfeile chemische Mittel einen Niederschlag zu bewirken, der sie ziemlich nutzbar macht. Eine solche Vorbereitung selbst des Trinkwassers würde in manchen Gebirgsländern, welche, wie Kärnthen und Savoyen, der Krankheit der Kröpfe ausgesetzt sind, unstreitig von großem Nutzen sein.

Im übrigen liegt es nicht an mir, die Hausväter und Gemeindevorsteher über chemische Proben und Verbesserungen des vorhandenen oder etwa herbeizuleitenden Wassers zu belehren. Ich darf sie vielmehr an diese Wissenschaft, an deren Bekenner und vorzüglich an die praktischen Anweisungen verweisen, welche in vielen lobenswerten Büchern des Faches vorkommen.

Das Kochsalz endlich, obgleich in seinen Hauptbestandteilen immer dasselbe, ist dennoch in Beziehung auf seine Beisätze mannigfaltig verschieden. Das edelste Salz ist ohne alle Frage das reine, in Massen vorhandene Steinsalz, unter diesem hat das spanische den Preis. Seine Güte erprobt sich in den Einsalzungen der Fische, z. B. der holländischen Heringe. Doch ist auch das Meersalz sehr eindringend und macht kleinere Salzfische, wie die italienischen und französischen Sardinen, vollkommen gar. Lister, zum Apicius im neunten Buche und dreizehnten Kapitel, rühmt den Gebrauch des französischen Meersalzes in englischen Einsalzungen der leckerhaftesten und dauerhaftesten Art. Zu allen Einsalzungen soll man nun jederzeit das beste Salz nehmen, welches immer zu haben ist, sollte es gleich etwas teurer sein, als das gewöhnlichere. Die größte Ungleichheit findet sich bei den Quellsalzen, indem sie nicht selten einen zu großen Anteil von Ton und Kalkerde übrig behalten, je nachdem die Quellen mehr und minder reich sind und ihre Salze mehr und minder kunstgerecht bereitet werden. Ein gutes Quellsalz kündigt sich auf den ersten Blick durch die Reinheit und Durchsichtigkeit seiner Kristalle an; das Meersalz bleibt aber immer dunkelfarbig, weil es ein wenig Nitrum zu enthalten pflegt. Dieser Umstand ist Ursache, daß man des Salpeters bei Einsalzungen mit Meersalz gänzlich entbehren kann.

Da nun ein mehr und minder reichlicher Zusatz von Kochsalz zur Entwickelung des Geschmackes und der Zuträglichkeit der meisten Speisen erforderlich gewesen ist, so werde ich in der Folge die Anwendung dieses Salzes, mit alleiniger Ausnahme der entschieden süßen Speisen, als notwendig voraussetzen, und nur selten in Erinnerung bringen.


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