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Zweites Kapitel
Von den allgemeinen Eigenschaften der eßbaren Naturstoffe

Die eßbaren Dinge, nach ihren allgemeinsten Beziehungen auf den Menschen betrachtet, zerfallen in einfach ernährende, in einfach würzende und in solche, die beide Eigenschaften vereinigen.

Die Nahrhaftigkeit darf unter keinen Umständen, wie leider nur zu oft geschieht, durch überkünstelte Bereitungen unterdrückt oder vernichtet werden. Im Gegenteil soll man jederzeit dahin streben, sie zu erhalten, zu entwickeln und zu erhöhen. Eben daher muß man auch vermeiden, die Nahrhaftigkeit eines Grundstoffes schon vor der Bereitung zu vermindern. Dies geschieht z. B., wenn man, nach deutschem Mißbrauche, das Fleisch und die Fische zu sehr wäscht, oder gar längere Zeit in kaltem Wasser liegen läßt. Denn das Wasser löset den Leimstoff auf Eigentlich: das Osmazoma, nach neueren Entdeckungen die feinste, nahrhafteste Substanz des Fleisches. und laugt beides, Fische und Fleisch, mehr und minder aus. Man siede nur, um sich davon zu überzeugen, zwei Stücke desselben Fisches; das eine, nachdem es eine Viertelstunde im Wasser gelegen hat, das andere aber sogleich, nachdem der Fisch zerschnitten worden, und verkoste darauf beide. Auch das sogenannte Blanschieren ist in den meisten Fällen ein nutzloser, durchaus aber ein die Nahrhaftigkeit vermindernder Gebrauch. Das Blanschieren wird häufig auch da angewendet, wo sein alleiniger Zweck, den Speisen ein schöneres Ansehen zu geben, durchaus nicht erreicht werden kann. Allein man sollte nicht einmal dem guten Ansehen die Nahrhaftigkeit und den Wohlgeschmack der Speisen aufopfern. Die Zierde ist vielmehr nur insofern wünschenswert, als sie aus dem Charakter Carême l. c. – »et de ce bizarre galimatias ils masquaient des mets, qui n'avaient aucun rapport avec ces mauvais ingrédiens. Voilà l'ennemi du bien; voilà véritablement le décor que les gourmands détestent, et que le bon goût du jour rejette et désavoue!« der Speise hervorgeht.

Die gewürzhaften (aromatischen) Eigenschaften und die feineren Salze, welche in einem großen Teile der Nahrungsstoffe enthalten sind, müssen ebenfalls vor der Auswässerung, und vorzüglich vor einer übergroßen Kochhitze bewahrt werden. Ungleichartige, einander widerstrebende Würzen soll man nicht durcheinander mischen, weil sie entweder sich gegenseitig aufheben, oder einen widrigen Geschmack hervorbringen würden. Diesen höchst wichtigen Grundsatz tritt man täglich in der Theorie, wie in der Praxis, mit Füßen.

Nahrungsstoffe, welche zugleich ernährend und wohlschmeckend sind, muß man mit gedoppelter Sorgfalt behandeln, weil die flüchtigen Salze und Arome, welche sie enthalten, bisweilen der Hitze weichen, welche man anwenden muß, um die ernährende Eigenschaft vollständig zu entwickeln.

Es gibt aber auch eine vierte Klasse von Nahrungsstoffen, welche bedürfen, von einer herben, oder wohl gar von einer schädlichen Nebeneigenschaft durch Waschen, Auslaugen, langes Kochen oder Ausdünsten befreit zu werden. Die Kartoffel z. B., enthält in einigen ihrer Arten einen giftigen Saft, in allen einen schädlichen S. Alexander von Humboldt und andere gelehrte Reisende über die mehligen Knollen und Wurzeln, welche in Amerika angebaut werden. Vergl. A. A. Cadet de Vaux Abhandlungen usw. aus dem Französischen. Weimar 1822. S. 77 f. »Vom Vegetationswasser der Kartoffeln«.. Im ersten Fall ist man genötigt, ihn durch Pressen auszusondern; im letzten, der uns Europäer allein angeht, genügt es, die Kartoffel durch häufiges Waschen und längeres Auslaugen in frischem Wasser von ihrem Safte zum Teil zu befreien, und den Überrest bei gelinder Hitze verdunsten zu lassen. Die Artischocke bedarf ebenfalls durch längere Wässerung von ihrem Gallenstoffe befreit zu werden; gesalzene und lufttrockene Nahrungsstoffe befreit man, wie Jedermann weiß, durch Wässerung vom Nitrum, vom Salz und von der Lauge, in der sie etwa eingeweicht worden sind.

Von großer Wichtigkeit ist es, die Güte der rohen Nahrungsstoffe im Ganzen, wie im Einzelnen beurteilen zu können. Selbst bei Dingen derselben Art ergibt sich oft ein bedeutender Unterschied. Dies beklagt schon Hippokrates Hippocr. de diaeta lib. III. – ???á?ô?í ôå ô?í óßôùí ðïëë? äéáøï??. als ein Hindernis, von den Wirkungen der Nahrungsmittel allgemein gültige Auskunft zu geben. Es dient aber der Geruch, die Betastung, das Ansehen, wenn diese Sinne durch Übung geschärft sind, um den Einkauf und die Auswahl der Nahrungsmittel mit einiger Sicherheit zu besorgen. Es würde zu weit führen, wenn ich an d. O. die jedem Koche höchst wichtige Anatomie der größern Schlacht- und Jagdtiere behandeln wollte. In der Ausführung dieses Teiles unserer Wissenschaft sind die englischen Systeme der Kochkunst vorzüglich gründlich.


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